
Eine für alle. Verbraucherschutzverbände können mit Musterfeststellungsklagen gegen Unternehmen vorgehen. © Shutterstock
So kommen Verbraucher zu ihrem Recht. Wir nennen alle Verfahren. Eventim-Kunden können ab sofort ihre Rechte zu einer neuen Musterklage anmelden.
Musterfeststellungsklage – alle Informationen, alle aktuellen Klagen
Klage gegen Eventim. Der Online-Tickethändler Eventim behält Buchungs- und Vorverkaufsgebühren ein, wenn eine Veranstaltung abgesagt wird. Der Verbraucherzentrale Bundesverband meint: Das ist rechtswidrig. Eventim muss den vollen Ticketpreis erstatten. (Details zur Klage gegen Eventim).
Klagen gegen Primastrom und Voxenergie. Die beiden Energieanbieter hatten Verträge mit Preisgarantie angeboten und dann trotzdem drastische Preiserhöhungen gefordert, nachdem der Ukraine-Krieg ausgebrochen war. Klarer Fall für den Verbraucherzentrale Bundesverband: Das ist rechtswidrig (Details zu den Klagen gegen Primastrom und Voxenergie).
Prämienspar-Klagen gegen Sparkassen. Die Sparkassen haben die Zinsen für langfristige Prämiensparverträge nicht fair angepasst und verweigern angemessene Nachzahlungen. Sparer haben gute Chancen auf einen vierstelligen Zinsnachschlag. (Details zu den Klagen gegen die Sparkassen).
Klage gegen Gasag. Die Gasag in Berlin kassierte von Neukunden in der Grundversorgung ab Dezember 2021 vorübergehend viel mehr Geld, als Bestandskunden bezahlen mussten. Gleichzeitig hatten etliche Gasdiscounter ihren Kunden wegen der dramatisch gestiegenen Gaspreise gekündigt. Viele gerieten die Gasag-Grundversorgung und mussten die neuen Horror-Preise bezahlen. Das ist rechtswidrig, fand der Verbraucherzentrale Bundesverband und erhob Musterfeststellungsklage. Ab sofort können Betroffene ihre Rechte beim Bundesjustizamt anmelden. Wenn die Klage Erfolg hat, steht ihnen Erstattung eines Teil ihres Geldes zu(Details zur Klage gegen die Gasag).
Klage gegen Superfit Sportstudios. Obwohl die East Bank Club The Fit ness Factory GmbH ihre SuperFit-Studios wegen Corona für insgesamt neun Monate dicht machte, kassierte sie weiter bis zu 29,90 Euro Beitrag pro Monat. Geht gar nicht, fand der Verbraucherzentrale Bundesverband und erhob Musterfeststellungsklage. Jetzt erkannte das Unternehmen die Forderungen der Verbraucherschützer an (Details zur Klage gegen Superfit Sportstudios).
Klage gegen Stromio. Stromio bot billigen Strom an. Im Dezember 2021 kündigte das Unternehmen seinen Kunden unvermittelt. Offizielle Begründung: Die stark gestiegenen Beschaffungskosten. Viele Kunden mussten mehr bezahlen. Die Verbraucherzentrale Hessen meint: Die Kündigung war rechtswidrig. Stromio soll Schadenersatz zahlen. (Einzelheiten zur Stromio-Musterfeststellungsklage).
Klage gegen Daimler. Die Verhandlung über die Musterklage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Daimler zeigt: Knapp 3 000 Besitzer bestimmter Mercedes Modelle mit Dieselmotor haben Chancen auf Schadenersatz. Das Gericht will Ansagen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs abwarten. Nächster Verhandlungstermin ist im Januar 2023 (Einzelheiten zur Mercedes-Musterfeststellungsklage).
Suche nach Gasag-Opfern. Der Verbraucherzentrale Bundesverband sucht Verbraucher, die als Neukunden in der Gasag-Grundversorgung 18,25 Cent je Kilowattstunde zahlen sollen, während das Gas in der Gasag-Grundversorgung sonst nur 6,68 Cent kostete. Unter musterfeststellungsklagen.de/aufruf-gasag sammeln die Verbraucherschützer Informationen zu Fällen, um eine Klage gegen den Berliner Energieversorger vorzubereiten.
Klage gegen Parship. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) verklagt das Partnervermittlungsportal Parhip. Die Verbraucherschützer halten die Klauseln zur automatischen langfristigen Verlängerung der Parship-Verträge für rechtswidrig. Parship-Kunden können jetzt ihre Rechte beim Bundesjustizamt anmelden. Details zur Parship-Musterfeststellungsklage.
Klage gegen die Berliner Sparkasse und die Sparkasse KölnBonn. Der vzbv hat Klage gegen die Berliner Sparkasse und die Sparkasse KölnBonn erhoben. Beide Kassen verweigern die Erstattung rechtswidriger Gebührenerhöhungen. In beiden Fällen können Kunden jetzt ihre Rechte anmelden. (Einzelheiten zur Musterfeststellungsklage gegen die Berliner Sparkasse und zur Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse KölnBonn).
Klage gegen Volkswagen. Ein Fehler des Bundesamts für Justiz (BfJ) könnte Hunderte von VW-Skandalopfern um ihre Entschädigung gebracht haben. Womöglich muss die Behörde sie entschädigen (Details zur Klage gegen Volkswagen).
Klage gegen Otto-Inkasso. Der Verbraucherzentrale Bundesverband verklagt die für offene Forderungen in der Otto-Group zuständige Eos Investment GmbH wegen Kostentreiberei zu Lasten von Verbrauchern. Ab sofort können betroffene Verbraucher ihre Rechte anmelden. (Einzelheiten zur Otto-Inkasso-Musterfeststellungsklage).
Wie funktionieren Musterfeststellungsklagen?
Seit November 2018 gibt es die neue Klagemöglichkeit für registrierte Verbraucherschutzverbände wie den vzbv und die verschiedenen Verbraucherzentralen. Verbände mit mindestens 350 Mitgliedern oder zehn Mitgliedsverbänden, die seit mindestens vier Jahren für Unterlassungsklagen registriert sind, können jetzt auch Musterfeststellungsklagen erheben. Weitere Voraussetzung: Höchstens 5 Prozent der Finanzen des Verbandes kommen von Unternehmen.
Zusätzliche Hürde für Musterfeststellungsklagen: Innerhalb von zwei Monaten ab öffentlicher Bekanntmachung der Musterklage müssen mindestens 50 Verbraucher ihre Rechte zur Eintragung in das Klageregister angemeldet haben.
Was Verbraucher tun müssen, um zu profitieren
Betroffene Verbraucher müssen ihre Rechte beim Bundesjustizamt anmelden. Das ist kostenlos. Aktuell sind Anmeldungen zu den Klagen gegen Eventim, Voxenergie, Gasag und Parship, einigen Sparkassen-Klagen und Otto-Inkasso-Tochter Eos möglich. Bei allen übrigen Musterfeststellungsklagen ist die Anmeldefrist bereits abgelaufen. Die Anmeldung ist nur zwischen Klageerhebung und erstem Verhandlungstermin möglich. Das Verfahren geht nur weiter, wenn sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Betroffene registrieren.
Das bringt die Musterfeststellungsklage Verbrauchern
Sie ermöglicht es Verbrauchern, sich ohne eigenes Risiko Verbraucherschutzklagen verbindlich und mit minimalem Aufwand anzuschließen. Sogar die Erstattung von illegalen Gebühren in Höhe von wenigen Euro wie zum Beispiel für die Benachrichtigung über Rücklastschriften lässt sich auf diese Weise mit vertretbarem Aufwand durchsetzen. Das Interesse ist gewaltig. Für die Musterfeststellungsklage des vzbv gegen VW hatten sich fast 500 000 Käufer von Skandal-Autos mit illegaler Motorsteuerung angemeldet.
Die Musterfeststellungsklage ist keine Sammelklage
Die Musterfeststellungsklage ist keine Sammelklage, wie es sie vor allem in den USA gibt. Dort können die Gerichte Unternehmen verurteilen, an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen mehr oder weniger hohe Entschädigungen zu zahlen. Das dürfen deutsche Gerichte auch in Zukunft nicht. Immerhin: Die Musterfeststellungsklage ermöglicht es, gesammelt für alle Betroffenen feststellen zu lassen, dass grundsätzlich eine Entschädigung zu zahlen ist. Wie hoch die ist, wird allerdings weiter im Einzelfall geklärt.
So viel Schlagkraft haben die Verbraucherschutzverbände
Die Erfahrungen mit Unterlassungsklagen etwa gegen Unternehmen mit verbraucherfeindlichen Geschäftsbedingungen zeigen: Die Verbände haben genug Schlagkraft, um wichtige Rechtsfragen klären zu lassen. Viel hängt allerdings davon ab, wie hoch die Gerichte den Streitwert von Musterfeststellungsverfahren ansetzen werden.
Streitwert. Das neue Gesetz enthält dazu nur eine einzige Regelung: Höchstgrenze für den Streitwert von Musterfeststellungsverfahren sind 250 000 Euro. Gehen die Gerichte – wie bei Unterlassungsklagen üblich – von einem Streitwert von 2 500 Euro je Fall aus, werden sich Verbraucherschutzverbände eine ganze Reihe von Klagen leisten können.
Prozesskosten. Setzen die Gerichte höhere Streitwerte an, wird es schwierig. Das Prozesskostenrisiko steigt dann. Eine Klage mit einem Streitwert von 250 000 Euro kostet, wenn es – wie bei Verbraucherschutzstreitigkeiten oft – durch alle möglichen Instanzen geht, mindestens etwas mehr als 50 000 Euro. Sind aufwendige Sachverständigengutachten oder andere Beweiserhebungen nötig, dann wir es noch teurer. Zahlen muss, wer am Ende verliert.
Unterstützung. Der vzbv erhält zusätzliche Mittel von der Bundesregierung, um das Prozesskostenrisiko und das erforderliche zusätzliche Personal für die Musterfeststellungsklage gegen VW zu finanzieren.
Alternative Wege bleiben für Verbraucher bestehen
An der Möglichkeit, Forderungen an Verbraucherinkassounternehmen wie Myright.de, Metaclaims, Flightright oder Fairplane abzutreten, ändert sich nichts – egal, ob es um den Abgasskandal oder um Fluggastrechte geht. Solche zuweilen ebenfalls als „Sammelklage“ bezeichnete Verfahren bleiben zulässig.
EU-Verbandsklage zukünftig möglich
Die Europäische Union (EU) hat beschlossen: Verbraucherverbände bekommen das Recht, Unternehmen auch auf die Zahlung von Schadenersatz direkt an betroffene Verbraucher zu verklagen. Die Richtlinie ist Anfang Januar in Kraft getreten. Die Bundesrepublik Deutschland und die übrigen EU-Mitgliedsstaaten haben jetzt zwei Jahre lang Zeit, gesetzliche Regeln für das Verfahren zu schaffen. Ab 2023 werden EU-Sammelklagen möglich sein.
Das gibt die EU-Richtlinie vor
Verbraucher, die sich einer solchen Klage ausdrücklich oder stillschweigend anschließen, profitieren von einer Verurteilung des Unternehmens direkt, ohne dass sie selbst erneut vor Gericht ziehen müssen.
Bereits beendete Musterfeststellungsverfahren
Die wichtigste Musterfeststellungsklage ist bereits beendet und brachte Verbrauchern insgesamt rund 800 Millionen Euro. Der Streit um Schadenersatz für Käufer von VW mit illegaler Motorsteuerung war Anlass für die Einführung der Musterfeststellungsklage. Einige Musterfeststellungsklagen scheiterten aber auch.
Klage gegen VW. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte mit Unterstützung des ADAC gegen Volkswagen geklagt. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Rund 240 000 Autobesitzer erhalten insgesamt gut 800 Millionen Euro (Details zur Klage gegen VW).
Klage gegen den Insolvenzverwalter der BEV. Auf die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hin hat das Oberlandesgericht München festgestellt: Der Neukundenbonus der Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV) in Höhe von bis zu 25 Prozent der Jahresstromrechnung ist auch Kunden gutzuschreiben, die weniger als ein Jahr vor der Pleite beim Billigstromanbieter unterschrieben haben (Details zur Klage gegen den Insolvenzverwalter der BEV).
Klage gegen die Bisnode Deutschland GmbH. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat vergeblich gegen die frühere Hoppenstedt Kreditinformationen GmbH geklagt. Der Bundesgerichtshof hält den Verein für nicht klagebefugt. Betroffene Verbraucher behalten ihre Rechte (Details zur Klage gegen Bisnode).
Klage gegen die Max-Emanuel Immobilien GmbH. Der DMB Mieterverein München klagte gegen die Eigentümerin des Hohenzollernkarrees in München-Schwabing. Sie will es modernisieren und die Mieten dramatisch erhöhen. Das Oberlandesgericht München hatte die Gesellschaft verurteilt, doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und wies die Klage ab (Details zur Klage gegen die Max-Emanuel Immobilien GmbH).
Klage gegen die Mercedes-Bank. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat wegen der Verweigerung des Kreditwiderrufs vergeblich gegen die Mercedes-Bank geklagt. Der Bundesgerichtshof hält den Verein für nicht klagebefugt. Betroffene Verbraucher behalten ihre Rechte (Details zur Klage gegen die Mercedes-Bank).
Klage gegen die VW-Bank. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat wegen der Verweigerung des Kreditwiderrufs vergeblich gegen die VW-Bank geklagt. Der Bundesgerichtshof hält den Verein für nicht klagebefugt. Betroffene Verbraucher behalten ihre Rechte (Details zur Klage gegen die VW-Bank).
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@guenter.he: Nur Kunden der betreffenden Sparkasse, um deren Rechte es geht, können sich zu den verschiedenen Musterfeststellungsklagen anmelden und so die Verjährung stoppen. Alle anderen müssen sich selbst an ihre Sparkasse wenden. Soweit Verjährung droht, können sie sich beim jeweils zuständigen Ombudsmann beschweren oder gerichtliche Schritte einleiten. So lange keine Verjährung droht, bietet es sich an abzuwarten, bis am Ende der Musterfeststellungsverfahren feststeht, wie Prämiensparpläne abzurechnen sind.
Kann ich mich auch als Nichtkunde der aufgeführten Sparkassen zur Musterfestellungsklage anmelden?
Wenn die Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen Erfolg haben, was ist dann von mir zu unternehmen
Ich habe den Mustertext wegen eines SKODA zur Geltendmachung von eventuellen Restschadenersatz an die empfohlene Adresse von Volkswagen versandt. Heute erhielt ich dazu eine E-Mail von kundenbetreuung@volkswagen.de:
"Da es sich bei der ŠKODA AUTO Deutschland GmbH um eine eigenständige Marke im
Volkswagen Konzern handelt, bitten wir Sie, sich mit dem Anliegen dorthin zu wenden.
Gern teilen wir Ihnen die Kontaktdaten mit:
ŠKODA AUTO Deutschland GmbH
Kundenbetreuung
Max-Planck-Straße 3-5
64331 Weiterstadt
Telefon: +49 800 4424244
Fax: +49 6150 133 199
E-Mail: info@skoda-auto.de
Aufgrund der strikten Markentrennung, die innerhalb der Volkswagen Organisation gelebt wird,
können wir Ihnen auch bei einem erneuten Anspruchsschreiben Ihrerseits keine andere Antwort
zukommen lassen."
Ist im Falle des Restschadenersatz dann tatsächlich nicht die Volkswagen AG zuständig?
Haben andere diese Erfahrung auch schon gemacht?
Zu Daimler gibt es inzwischen auch eine eigene Musterfeststellungsklage:
https://rechtecheck.de/verkehrsrecht/abgasskandal/mercedes-musterfeststellungsklage-anschliessen/
@Louis123: Bitte um Verständnis: Die Antwort auf Fragen zu rechtlichen Verhältnissen im Einzelfall ist Rechtsberatung, wie sie von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten ist. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Danach gilt:
Ein Vergleich ist wie jeder andere Vertrag auch erst und nur abgeschlossen, wenn eine Seite ein Angebot der anderen angenommen hat.
Kommt kein Vergleich zustande, bleibt nur, auf dem Rechtsweg zu klären, ob eine Seite der anderen verpflichtet. Zu Verjährung ist noch zu beachten: Während Verhandlungen über den Anspruch oder seine Grundlagen ist sie gem. § 203 BGB
www.gesetze-im-internet.de/bgb/__203.html
gehemmt.