Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen
Beim „Prämiensparen flexibel“ der Sparkassen sanken die Zinsen schnell und stiegen langsam, argwöhnen Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband. Etliche Tausend Euro stehen den meisten Kunden ihrer Ansicht nach noch zu. Für die Sparkassen Leipzig und Zwickau sowie die Erzgebirgssparkasse hat das Oberlandesgericht Dresden bereits festgestellt: Sie haben Prämiensparer rechtswidrig benachteiligt. Weitere Klagen sind geplant. Die Verbraucherzentrale Brandenburg sucht Interessenten für eine Klage gegen die Sparkasse Barnim in Eberswalde.
Pflicht zur fairen Zinsanpassung
Was hat das Oberlandesgericht Dresden für Prämiensparverträge der Sparkassen entschieden?
Die sächsischen Richter haben der Verbraucherzentrale Sachsen zunächst grundsätzlich Recht gegeben. Die Klauseln zur Anpassung der Zinsen für die Prämiensparverträge der Sparkassen Leipzig und Zwickau sowie der Erzgebirgssparkasse waren unwirksam.
Es steht damit fest: Die Zinsen müssen stattdessen anhand eines Referenzzinssatzes angepasst und neu abgerechnet werden, je nach Vertragsschluss zurück bis ins Jahr 1994. „Dieses positive Urteil kann eine enorme Strahlkraft entfalten und Prämiensparern bundesweit Hoffnung geben, ihre ausstehenden Zinsen zu erhalten“, freute sich Michael Hummel, Justiziar der Verbraucherzentrale Sachsen.
Welcher Referenzzinssatz für die Neuberechnung herangezogen wird, steht allerdings noch nicht fest. Davon hängt ab, wie viel Geld Sparkassenkunden jetzt noch zusteht. Mehr zu solchen Verträgen in unserem Bericht Prämiensparverträge: Ärgerliche Kündigungen, umstrittene Zinsanpassungen.
Sind die Urteile des Oberlandesgerichts Dresden das letzte Wort in der Sache?
Nein. Sowohl die drei verurteilten Sparkassen als auch die in einzelnen Punkten unterlegene Verbraucherzentrale Sachsen haben Revision zum Bundesgerichtshof einlegt. Die Verbraucherzentrale Sachsen geht davon aus: Wahrscheinlich Mitte 2021 werden die Richter im für Bankrecht zuständigen XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe über die Prämiensparverträge verhandeln und urteilen.
Was ist mit Verträgen der Sparkassen, in deren Fällen noch kein Urteil gefallen ist?
Streng genommen hat das Oberlandesgericht Dresden bisher ausschließlich über die Verträge der Sparkassen Leipzig und Zwickau sowie die Erzgebirgssparkasse geurteilt. Sie sind jedoch identisch mit denen anderer Sparkassen. Es erscheint deshalb ausgeschlossen, dass die Gerichte die Verträge anderer Sparkassen anders beurteilen als die der Sparkassen, für deren Verträge bereits Urteile ergangen sind.
Entscheidender Punkt ist diese Formulierung in den Verträgen: „Die Spareinlage wird flexibel, z. Zt. mit ... % verzinst.“ Sie findet sich bundesweit in Prämiensparverträgen der Sparkassen. Welcher konkrete Zinssatz jeweils genannt wird und ob der Vertrag noch läuft oder gekündigt ist, spielt keine Rolle. Ausgeschlossen sind nur Sparkassenkunden, die sich ausdrücklich auf eine nachträgliche Änderung der Zinsanpassungsklausel eingelassen haben.
Rechte rechtzeitig anmelden
Kann ich mich noch an den Musterklagen gegen die Sparkassen beteiligen?
Für die Musterfeststellungsklage gegen die Sparkassen Leipzig und Zwickau sowie die Erzgebirgssparkasse ist die Frist für die Anmeldung von Rechten abgelaufen. Bei der Saalesparkasse sowie den Sparkassen Meißen, Nürnberg und Vogtland und jetzt auch der Sparkasse Muldental sind Anmeldungen aktuell möglich. Bei der Sparkasse München ist die Anmeldung noch nicht möglich.
Voraussetzung für die Teilnahme an den Musterklagen jeweils: Sie haben einen Langzeitsparvertrag mit der Bezeichnung „Prämiensparen flexibel“ mit der Vertragsklausel: „Die Spareinlage wird flexibel, z. Zt. mit ... % verzinst.“ Außerdem sind noch weitere Klagen in Arbeit, vor allem auch gegen die Sparkassen Barnim und München, siehe unten die Antwort auf die Fragen zu diesen beien Geldinstituten unten.
Wie kann ich mich an der Klage beteiligen?
Prämiensparer der Erzgebirgssparkasse sowie der Sparkassen Nürnberg und Vogtland müssen für die Anmeldung ihrer Rechte jeweils ein Formular des Bundesamts für Justiz ausfüllen und ans Bundesamt übermitteln.
Formular Saalesparkasse
Formular Sparkasse Meißen
Formular Sparkasse Muldental
Formular Sparkasse Nürnberg
Formular Sparkasse Vogtland
Für alle Sparkassenklagen der Verbraucherzentrale Sachsen gilt: Die Verbraucherzentrale Sachsen bietet betroffenen Prämiensparern an, sie gegen eine Gebühr von 40 Euro dabei zu unterstützen, ihre Rechte rechtssicher anzumelden. Für 85 Euro berechnet die Verbraucherzentrale, wie viel Zinsnachzahlung ihrer Meinung jeweils fällig ist. Wollen Sie beides in Anspruch nehmen, sinkt der Preis auf 100 Euro insgesamt.
Die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage ist aber auch ohne Hilfe zu schaffen:
Schreiben Sie in das Feld Angaben zum Gegenstand und Grund: „Ich habe bei der beklagten Sparkasse am (Datum/im Jahr ____) einen „Prämiensparen-flexibel“-Vertrag abgeschlossen. Die Sparkasse führt ihn unter der Sparkonto-Nummer ________. In diesen habe ich monatlich (gegebenenfalls ergänzen: „durchschnittlich“, „von ... bis...“, „in den Jahren“ oder auch einfach „zeitweise“) ____Euro eingezahlt, so dass mir eine erhebliche Nachzahlung zusteht, wenn die Zinsanpassung der Sparkasse mich unfair benachteiligt hat.“
Wie viel Geld Ihnen allerdings zusteht, können Sie kaum selbst berechnen. Dazu brauchen Sie ohnehin die Unterstützung der Verbraucherzentrale Sachsen oder anderer Finanzexperten, die eine Sparplanberechnung anbieten.
Was ist mit ausgelaufenen oder gekündigten Prämiensparverträgen? Wann verjähren meine Rechte?
Die Rechte aus Sparverträgen verjähren drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Vertrag ausgelaufen ist oder gekündigt wurde. Am Jahresende 2020 ist das Recht auf einen Zinsnachschlag für im Jahr 2017 beendete Prämiensparverträge verjährt. Für im Laufe des Jahres 2018 beendete Verträge ist noch bis Ende 2021 Zeit, das Recht auf einen Zinsnachschlag geltend zu machen.
Wie stoppe ich die Verjährung?
Melden Sie ihre Rechte zur Musterfeststellungsklage an, wenn es ein solche gegen ihre Sparkasse gibt. Die wirksame Anmeldung der Rechte zu einer der Musterfeststellungsklagen stoppt die Verjährung. Beschweren Sie sich beim für Ihre Sparkasse zuständigen Ombudsmann, wenn Sie Ihre Rechte noch nicht oder nicht mehr zu einer Musterfeststellungsklage anmelden können oder es gegen Ihre Sparkasse noch gar keine Musterfeststellungsklage gibt.
Erst ein halbes Jahr nach rechtskräftigem Abschluss des Musterfeststellungs- oder Ombudsverfahrens läuft die Verjährung weiter. Nur Forderungen, die bereits zu Beginn des Verfahrens verjährt waren, bleiben auch verjährt. Das sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die Forderungen von Prämiensparern, die ihr Sparbuch bereits bis Ende 2017 aufgelöst haben und denen die jeweilige Sparkasse das Guthaben vor 1. Januar 2018 ausgezahlt hat.
Aktuelle Informationen zu den Sparkassen-Klagen
Wo finde ich aktuelle Informationen zu den Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen?
Die Verbraucherzentrale Sachsen informiert unter Verbraucherzentrale-Sachsen.de/Musterfeststellungsklage über den aktuellen Stand. Außerdem hat sie eine Hotline geschaltet. Die ist unter 03 41 / 696 29 29 zu erreichen. test.de wird diese Seite hier ebenfalls fortlaufend aktualisieren. Die amtlichen Informationen zu den Musterfeststellungsklagen gibts jeweils beim Bundesjustizamt:
Erzgebirgssparkasse
Saalesparkasse
Sparkasse Leipzig
Sparkasse Meißen
Sparkasse Muldental
Sparkasse Nürnberg
Sparkasse Vogtland
Sparkasse Zwickau
Die amtlichen Informationen zu den Musterfeststellungsklagen sind allerdings für Laien kaum verständlich.
Gibt es noch keine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Barnim in Eberswalde?
Nein, noch nicht. Nachdem die Sparkasse für den Landkreis Barnim in Brandenburg zahlreiche Prämiensparverträge gekündigt hat, bereitet die Verbraucherzentrale Brandenburg aber eine Musterfeststellungsklage gegen das Geldinstitut vor. Die Verbraucherschützer suchen Betroffene. Die Einzelheiten und die Kontaktadresse finden Sie direkt im Aufruf der Verbraucherzentrale.
Gibt es noch keine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse München?
Doch, die Verbraucherzentrale Bayern hat inzwischen Klage erhoben. Allerdings können Kunden der Sparkasse ihre Rechte noch nicht anmelden. Das Oberlandesgericht München muss zunächst über die Veröffentlichung der Klage im Musterfeststellungsklageregister beim Bundesamt für Justiz entscheiden. Das wird noch etliche Wochen dauern. Anschließend werden Betroffene sich anmelden können. Ausführliche Informationen bietet die Verbraucherzentrale Bayern online. Fragen dazu beantworten die Rechtslotsen der Verbraucherzentrale werktags von 9 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 0 89 / 90 40 97 14.
Womit kann ich rechnen, wenn die Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen Erfolg haben?
Wenn die Klagen am Ende Erfolg haben, können Sie als Prämiensparer einen Zinsnachschlag fordern. Wie hoch der ausfällt, hängt davon ab, wann und wie viel Geld Sie in den Vertrag eingezahlt haben. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Sachsen erhalten die meisten Betroffenen durchschnittlich 2 500 Euro Zinsnachzahlung. Bei der Sparkasse Nürnberg sind es nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) sogar 4 200 Euro und bei der Saalesparkasse 4 800 Euro.
Automatisch kommt der Zinsnachschlag allerdings nicht. Betroffene müssen ihn ausdrücklich fordern. Theoretisch ist denkbar: Die Sparkassen weigern sich weiterhin. Betroffene müssen dann erneut vor Gericht ziehen.
test.de vermutet: Das wird nicht erforderlich sein. In einem Musterfeststellungsverfahren rechtskräftig verurteilte Sparkassen werden Forderungen der Prämiensparer auf der Grundlage der gerichtlichen Feststellungen ausgleichen, ohne dass es erneuter Klagen bedarf.
Die Bafin hat angekündigt, wegen Sparverträgen ohne faire Zinsanpassung gegen Banken vorzugehen. Muss ich selbst überhaupt noch was unternehmen?
Ja, Sie sollten Ihre Rechte weiterhin selbst geltend machen. Die so genannte „Allgemeinverfügung“, die das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erlassen will, hilft betroffenen Kunden von Sparkassen und Banken nur indirekt. Nur die Behörde kann die Einhaltung der Verfügung erzwingen. Sie ist nicht in der Lage, die Rechte jedes einzelnen Kunden durchzusetzen. Zudem müssen Sparer selbst darauf achten, dass ihr Recht auf einen Zinsnachschlag nicht verjährt.
Die Bafin schreibt Banken und Sparkassen auch nicht vor, wie sie die alten Sparverträge jetzt verzinsen müssen und wie sich der Nachschlag errechnet. Immerhin will die Behörde alle betroffenen Kreditinstitute dazu zwingen, jeden Kunden mit Sparvertrag ohne faire Zinsanpassung korrekt zu informieren, und sagt, was alles ganz sicher nicht geht. Sie hat den Entwurf der Allgemeinverfügung und die Begründung dazu veröffentlicht.