
Auffahrunfall oder Flugverspätung, Mieterhöhung oder Dieselskandal: Obwohl sie sich im Recht fühlen, scheuen viele Verbraucher den Aufwand und das finanzielle Risiko eines Rechtsstreits. Sie geben klein bei und bleiben so auf ihren Ansprüchen und Schäden sitzen. Das müssen sie nicht mehr. Bei Ärger rund um Reise, Verkehr und Miete helfen heute Internetdienste und Schlichtungsstellen. Mit ihnen können Verbraucher auch ohne Anwalt oder Rechtsschutzversicherung zu ihrem Recht kommen. Die Experten der Stiftung Warentest haben einigen von ihnen gründlich auf den Zahn gefühlt.
Das Wichtigste in Kürze
Mehrere Wege, um Recht zu bekommen
Einschätzung bekommen. Sie wollen Ihr Recht durchsetzen und wissen nicht, wie Ihre Chancen stehen? Für eine erste Einschätzung Ihres Falles können Sie ein Portal für Online-Rechtsberatung nutzen, etwa frag-einen-anwalt.de. Möchten Sie eine Forderung einklagen, lassen Sie sich zuvor die Gebühren für Anwalt und Gericht berechnen, zum Beispiel auf der-prozesskostenrechner.de.
Schlichtung versuchen. Haben Sie Ärger mit einem Händler oder Dienstleister, wenden Sie sich an eine Schlichtungsstelle. Es gibt viele branchenspezifische Anlaufstellen. Schalten Sie anderenfalls die Auffangschlichtungsstelle des Bundes (verbraucherschlichter.de) ein.
Beraten lassen. Bundesweit beraten auch die Verbraucherzentralen bei rechtlichen Problemen und Fragen. Sie bieten persönlichen Einzelberatung und teilweise Beratung per Telefon oder E-Mail an. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen erreichen Ratsuchende sogar per Video-Chat.
Anwalt einschalten. Ist Ihr Fall komplex, stehen große Summen auf dem Spiel oder ist Einsicht in Unterlagen nötig, um eine Frage zu klären, suchen Sie sich auf der Internetseite Anwaltauskunft.de einen Anwalt. Vereinbaren Sie eine Erstberatung. Mehr als 226 Euro darf ein Anwalt dafür nicht verlangen. Bei manchen Anwälten ist der erste Termin kostenlos.
Prozesskostenrisiko einschätzen
Einen Streit zum Anwalt und gegebenenfalls sogar vor Gericht zu bringen, kostet Geld. Der Kläger muss die Gerichtsgebühren für den Prozess vorschießen. Und was noch viel schwerer wiegt: Es besteht das Risiko zu verlieren. Dann trägt die unterliegende Partei alle Kosten des Rechtsstreits, auch die des Gegners. Da einem Prozess in der Regel noch außergerichtliche Verhandlungen vorangehen, kommen im schlimmsten Fall die dafür anfallenden Kosten obendrauf.
Höhe des Streitwertes ist entscheidend
Bei einer Forderung in Höhe von 100 Euro betragen die eigenen Anwaltskosten und die Gerichtskosten in erster Instanz rund 263 Euro. War der Anwalt noch außergerichtlich tätig, kommen rund 48 Euro dazu. Wer sein Recht mit Anwalt und Gericht durchsetzen will, muss zahlen, wenn er sich nicht vollständig durchsetzt. Wie viel, hängt vom Streitwert ab. Eine Besonderheit gibt es bei Arbeitsgerichten: Dort trägt in erster Instanz stets jeder seine eigenen Anwaltskosten selbst.
Leistung | Preis (Euro) |
Leistung | Preis (Euro) |
Erstberatung | 0 bis 226 |
Streitwert: 100 Euro | |
Außergerichtlich 1 | 84 |
Prozesskostenrisiko 2 | 420 |
Mit Einigung statt Urteil 3 | 457 |
Streitwert: 1 000 Euro | |
Außergerichtlich1 | 148 |
Prozesskostenrisiko 2 | 683 |
Mit Einigung | 767 |
Streitwert: 5 000 Euro | |
Außergerichtlich1 | 493 |
Prozesskostenrisiko 2 | 2 288 |
Mit Einigung statt Urteil 3 | 2 718 |
Streitwert: 10 000 Euro | |
Außergerichtlich1 | 887 |
Prozesskostenrisiko 2 | 4 091 |
M it Einigung statt Urteil 3 | 4 937 |
Streitwert: 50 000 Euro | |
Außergerichtlich1 | 1 823 |
Prozesskostenrisiko 2 | 8 605 |
Mit Einigung statt Urteil 3 | 10 281 |
- 1 Ohne Verhandlungstermin bei mäßiger Schwierigkeit. Nur Kosten des eigenen Anwalts.
- 2 Prozess endet in 1. Instanz mit Urteil. Ohne außergerichtliche Vertretung.
- 3 Prozess endet in 1. Instanz mit Einigung statt Urteil.
Mit Rechtsschutzversicherung besser dran?
Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, ist meistens mutiger. Im Idealfall trägt sie die Kosten für Gericht und Anwalt. Allerdings haben Versicherte oft genug Ärger mit ihrem Rechtsschutzversicherer. Die Unternehmen verweisen gern auf Ablehnungsgründe in Tarifbedingungen und weigern sich, für einen Rechtsstreit zu zahlen. Das zeigt die Beschwerdestatistik des Ombudsmanns für Versicherungen. Nie zuvor haben so viele Rechtsschutzversicherte Beschwerde bei ihm eingereicht: 3 807 waren es im Jahr 2016 und 4 015 im Jahr 2017.
Wie sich Versicherte wehren können, wenn ihnen der Schutz verwehrt wird, erklären wir in den Erläuterungen zu unserem Vergleich Rechtsschutzversicherung. Gerade bei überschaubaren Streitigkeiten wie Entschädigung bei Flugausfall kann es sich aber auch für Rechtsschutzversicherte lohnen, neue Wege einzuschlagen.
Recht bekommen – alle Informationen auf test.de
Wege zum Erfolg. In der anhängenden, kostenlosen PDF der Heftgeschichte aus Finanztest 8/2018 finden Sie fünf Beispiele, in denen Menschen ohne Gericht aber mit einem Legal Tech zu ihrem Recht kamen.
Rechtsschutzversicherung. Sie wollen sich sicherheitshalber mit einer Rechtsschutzversicherung ausstatten? Sie finden auf test.de einen Vergleich Rechtsschutzversicherung. Dort erfahren Sie auch, wie Anwälte das Abwicklungsverhalten einzelner Versicherungen einschätzen.
Mietärger. Wenn der Vermieter die Miete erhöht, kann das erlaubt sein. Vielleicht verlangt er aber zuviel? Wie ein Legal Tech in solchen Fällen helfen kann, zeigt der Schnelltest wenigermiete.de.
Diesel-Skandal. Gemeinsam sind wir stark! Dieser Gedanke steckt hinter den Angeboten des Dienstleisters Myright.de an Geschädigte des Dieselskandals. Was er genau bietet, zeigt der Schnelltest myright.de.
Autoärger. Nach einem Unfall können viele Akteure ins Spiel: Anwalt, Gutachter, Werkstatt, Mietwagenunternehmen. Das Legal Tech „Unfallhelden“ will alles einfach machen. Ob das gelingt, zeigt der Schnelltest Unfallhelden.de. Wenn Sie es „klassisch“ mögen, können Sie im Streitfall auch einen Schlichter einschalten. Alle Details dazu im Special Schlichtungsstellen.
Reiseärger. Bei Flugausfall und Flugverspätung haben Passagiere in vielen Fällen Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Welches Recht gilt und welche Dienstleister als Fluggasthelfer nützlich sein können, steht im Special Fluggastrechte. Recht neu ist zudem der Dienst Fairplane. Er hilft bei Gepäckärger. Alle Details im Schnelltest Fairplane.
Testament. Wir haben auch Dienstleister getestet, die beim Abfassen eines Testaments helfen (Test Onlinedienstleister Testament).
Erste Hilfe bei Rechtsfragen
Recht bekommen, schnell und günstig – das versprechen zahlreiche neue Dienstleister im Internet. Online-Rechtsberatungsportale, die Finanztest getestet hat, bieten individuellen Rechtsrat. Dazu gehören etwa Juraforum, Frag-einen-anwalt.de und Deutsche Anwaltshotline. Nutzer stellen auf der Internetseite des jeweiligen Portals eine Frage, die dann an einen der vielen dort beratenden Anwälte weitergeleitet wird. Er beantwortet die Frage für einen Preis, den meist der Nutzer selbst festlegt. Andere Portale bieten Anwaltsleistungen zum Festpreis. Rechtsrat gibt es bei den Portalen oft schon für weit unter 100 Euro.
Tipp: Unser Test von Online-Rechtsberatung hat gezeigt: Online-Rechtsberatung eignet sich für eine erste Einschätzung des Falles. Die Antwort kann allerdings nur so gut sein, wie die Frage formuliert ist. Wer, auch unabsichtlich, Details des Sachverhalts auslässt, erhält möglicherweise falschen Rechtsrat.
Digitale Streithelfer auf Provisionsbasis
Außer Online-Rechtsberatern gibt es mittlerweile immer mehr Internetfirmen, die damit Geld verdienen, bestimmte Forderungen durchzusetzen. Wer sie beauftragt, geht kein finanzielles Risiko ein. Nur wenn ein Dienstleister Erfolg hat, zahlt der Kunde eine Provision. In Mode gekommen sind solche Legal-Tech-Unternehmen mit dem Erfolg der Fluggasthelfer wie Flightright, Fairplane oder Euclaim: Sie machen Entschädigungsansprüche von Passagieren wegen Flugverspätung, Flugannullierung und Überbuchung gegenüber Airlines auf eigene Rechnung geltend, notfalls sogar vor Gericht. Im Erfolgsfall bekommen die Portale 20 bis 30 Prozent der Entschädigung vom Kunden.
Tipp: Alle Details im Special Fluggastrechte.
Legal Techs für viele Streitfälle
Das Risiko der Firmen hält sich in Grenzen. Die Fälle, die sie bearbeiten, sind gleich gelagert und meist eindeutig gesetzlich geregelt. Legal Techs arbeiten in allen Branchen nach gleichem Muster gleichartige Fälle ab. Das Portal Geblitzt.de etwa prüft angebliche Bußgeldverstöße im Straßenverkehr. Um Entschädigungsansprüche wegen Zugverspätung kümmern sich Portale wie Zug-erstattung.de oder Bahn-buddy.de (siehe unser Special Zugverspätung). Der Anbieter Rightmart prüft Hartz-IV-Bescheide auf Fehler und legt wenn nötig Widerspruch dagegen ein. Sicher ist: Das Angebot an Rechtsdienstleistern im Internet wird weiter wachsen. Sie werden Rechtsanwälte allerdings nicht überflüssig machen. Sobald Fälle komplexer sind und eine Standardlösung nicht passt, stoßen die Firmen an ihre Grenzen.
Kostenlos streiten mit Schlichtungsstellen
Sein Recht durchzusetzen kann auch ganz ohne zusätzliche Kosten und Provisionen gehen. Denn Verbrauchern steht der Weg zu Schlichtungsstellen offen. Für viele Branchen gibt es mittlerweile Schlichter, auch Ombudsleute genannt. Die bekanntesten sind der Versicherungsombudsmann und die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr, kurz Söp. Ihre Aufgabe: Sie vermitteln in Konflikten zwischen Verbrauchern und Unternehmen und sollen eine Einigung zwischen den Beteiligten erreichen. Die Vorteile von Schlichtungen liegen auf der Hand: Ein unabhängiger fachlich spezialisierter Dritter prüft den Sachverhalt unparteiisch und transparent. Und schnell – die Verfahren dauern durchschnittlich drei Monate. Und sie sind kostenlos. Eine Schlichtung lohnt sich vor allem bei kleinen Streitwerten, bei denen angesichts drohender Kosten viele Menschen davor zurückschrecken, einen Anwalt einzuschalten und vor Gericht zu gehen.
Tipp: Alle Details im Special Schlichtungsstellen.
Vor der Schlichtung erst selbst Einigung suchen
Jede Schlichtungsstelle hat eine Verfahrensordnung. Sie regelt Voraussetzungen und Ablauf der Schlichtung. Bevor Verbraucher einen Antrag auf Schlichtung stellen können, müssen sie in der Regel zunächst versucht haben, eine Lösung mit ihrem Streitgegner zu finden. Gelingt das nicht, können Verbraucher Schlichtungsstellen einschalten. Das Verfahren endet mit einem Schlichterspruch. Bis dahin steht die Schlichtungsstelle mit den Beteiligten in Kontakt und informiert sie über den Stand. Sind sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden, steht ihnen meist noch der Gang zum Gericht offen.
Gesetz hat Schlichtungen gestärkt
Seit April 2016 hat die Schlichtung als außergerichtliches Verfahren ein gesetzliches Fundament: das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Es soll für ein flächendeckendes Angebot von Schlichtungsstellen sorgen. Verbraucher und Unternehmen sollen sich bei Streitigkeiten aus allen Verbraucherverträgen an eine Schlichtungsstelle vor Ort wenden können. Noch bis Ende 2019 gibt es eine zentrale Anlaufstelle beim Bund, die für Konflikte zuständig ist, für die es keine branchenspezifische Schlichtungsstelle gibt (Verbraucherschlichter.de). Danach sollen die Bundesländer solche Auffangstellen betreiben. Das Gesetz verpflichtet Firmen außerdem dazu, auf ihren Internetseiten oder in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) klar und deutlich darüber zu informieren, ob sie sich an Schlichtungen beteiligen und wenn ja, welche die zuständige Anlaufstelle ist. Kunden sollten bei Ärger mit einem Unternehmen auf dessen Internetseite ins Impressum oder in die AGB schauen.
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