Muster­fest­stellungs­klagen

Muster­fest­stellungs­klage gegen Prim­astrom GmbH und Voxenergie GmbH

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Muster­fest­stellungs­klagen - Von diesen Musterklagen können Sie einfach profitieren

Drastischer Preis­anstieg: Trotz Preis­garantie forderten Prim­astrom und Voxenergie stark erhöhte Gas- und Strom­preise. Jetzt hat der vzbv Klage dagegen erhoben. © Getty Images / Peter Zelei Images

Der Verbraucherzentrale Bundes­verband beklagt: Die Unternehmen Prim­astrom GmbH und Voxenergie GmbH erhöhten die Preise einseitig, obwohl sie dazu kein Recht hatten.

Erstattung unbe­rechtigter Strom­erhöhungen

Worum geht es bei den beiden Klagen?

Die Prim­astrom GmbH bot Strom, die Voxenergie GmbH Strom und/oder Erdgas ab. Beide Unternehmen haben ihren Sitz in der Groß­beerenstraße 2 bis 10 im Berliner Stadt­teil Mariendorf. Sie hatten zugesagt: Der Preis bleibt über die Lauf­zeit des jeweiligen Vertrags stabil. Die Verträge enthielten keine Klausel darüber, ob und unter welchen Voraus­setzungen sich der Preis ändert. Trotzdem erhöhten beide Unternehmen die Preise drastisch und forderten Bezahlung. Für Gas sollten Kunden bis zu über 750 Prozent mehr zahlen. Der monatliche Abschlag stieg für mindestens einen Kunden auf über 1 100 Euro. Tausende Kunden der beiden Unternehmen beschwerten sich beim Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv). Der will jetzt fest­gestellt wissen: Die Preis­erhöhungen sind rechts­widrig. Die Unternehmen haben kein Recht, die Preise zu erhöhen. Folge für betroffene Verbraucher: Sie müssen nur die ursprüng­lich vereinbarten Preise zahlen. Soweit sie die erhöhten Preise gezahlt haben, haben die Unternehmen den auf die Erhöhung entfallenden Teil der Zahlung zu erstatten.

Was nützt mir die Muster­fest­stellungs­klage?

Wer ist berechtigt, an den Muster­fest­stellungs­klage gegen die Prim­astrom GmbH und die Voxenergie GmbH teil­zunehmen?

Es geht um die Rechte von Prim­astrom- und Voxenergie-Kunden, von denen das Unternehmen trotz Preis­garantie für Gas und Strom mehr Geld gefordert und zum Teil auch bereits erhalten hat.

Wie nehme ich als Prim­astrom-Kunde an der Muster­fest­stellungs­klage teil?

Sie müssen Ihre Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage beim Bundes­justiz­amt anmelden. Am schnellsten und einfachsten geht das über das Online-Formular der Behörde dafür.

Wie nehme ich als Voxenergie-Kunde an der Muster­fest­stellungs­klage teil?

Sie müssen Ihre Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage beim Bundes­justiz­amt anmelden. Am schnellsten und einfachsten geht das über das Online-Formular der Behörde dafür.

Kann ich meine Rechte auch schriftlich anmelden?

Ja, das geht. Lassen Sie sich vom Bundes­amt für Justiz ein Papier-Formular für die Anmeldung Ihrer Rechte schi­cken. Die Post­anschrift der Behörde: Bundes­amt für Justiz, 53094 Bonn. Fragen zum Muster­fest­stellungs­klage­register und zur Anmeldung von Rechten beant­wortet die Behörde unter Telefon 02 28 / 99 410–68 80.

Kann ich mich selbst anmelden oder brauche ich einen Anwalt?

Sie können sich selbst anmelden und müssen dafür keinen Anwalt einschalten. Das Formular ist schnell und leicht ausgefüllt. Schreiben Sie unter „IV. Gegen­stand und Grund des geltend gemachten Anspruchs oder des Rechts­verhält­nisses“:
Ich war seit Monat/Jahr Kunde der [je nachdem:]Prima­energie GmbH/Voxenergie GmbH. Meine Kunden­nummer lautet: NNNNNN. [je nachdem ggf. auch beides:] Das Unternehmen hat mir Strom/Gas geliefert. Mein Stromzähler hat die Nummer: NNNNN. Mein Gaszähler hat die Nummer: NNNNN Das Unternehmen hatte versprochen: Der Preis bleibt stabil. Trotzdem erhöhte es die Preise. Ich bin der Meinung, dass die Preis­erhöhung unbe­rechtigt ist. [Gegebenenfalls zusätzlich:] Ich habe die erhöhten Preise gezahlt. Ich fordere Erstattung meiner auf die Erhöhung entfallenden Zahlungen.
Das Feld „V. Betrag der Forderung“ können Sie leer lassen. Nennen Sie dort sonst die Differenz zwischen dem, was sie tatsäch­lich aufgrund der Erhöhung an Voxenergie gezahlt haben und dem, was Sie entsprechend der ursprüng­lichen Preise gezahlt hätten.

Was nützt mir die Anmeldung meiner Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage?

Das Urteil in dem Verfahren gilt dann direkt auch für Sie. Setzt sich der vzbv durch, steht fest, dass die Preis­erhöhungen rechts­widrig waren. Sie brauchen Sie dann endgültig nicht zu bezahlen. Soweit Sie das bereits getan haben, haben die Unternehmen Ihnen die auf die rechts­widrige Preis­erhöhung entfallende Zahlung zu erstatten.

Kann die Muster­fest­stellungs­klage für mich auch zu Nach­teilen führen?

Theoretisch ja. Das Urteil bindet alle Verbraucher, die ihre Rechte angemeldet haben. Das heißt auch: Sollte die Klage als unbe­gründet abge­wiesen werden, können Sie sich gegen Prim­astrom- und Voxenergie-Forderungen wegen der Erhöhung nicht mehr verteidigen, auch wenn das Unternehmen in anderen Fällen rechts­kräftig zur Lieferung von Energie zum ursprüng­lichen Preis verurteilt werden sollte. Wir halten es allerdings für praktisch ausgeschlossen, dass es so kommt. Unsere Juristen denken auch: Die Preis­erhöhungen sind ganz klar rechts­widrig.

Kann ich mich auch wieder abmelden?

Sie können die Anmeldung Ihrer Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage bis zum Tag der ersten Gerichts­verhand­lung in der Sache zurück­nehmen. Wann das sein wird, ist noch nicht bekannt. Es wird mindestens Monate dauern, bis die Verhand­lungen statt­finden. Wenn Sie sich recht­zeitig wieder abmelden, sind Sie nicht an das Urteil gebunden.

Wie fordere ich selbst Erstattung von Preis­erhöhungen?

Was gilt, wenn ich mich nicht an der Muster­fest­stellungs­klage beteiligen möchte?

Statt sich an der Muster­fest­stellungs­klage zu beteiligen, können Sie Ihr Recht auf Erstattung der auf unbe­rechtigte Preis­erhöhungen entfallenden Zahlungen individuell geltend machen, indem Sie selbst Erstattung fordern und gericht­lich gegen das Unternehmen vorgehen, wenn das Unternehmen Ihre Forderung nicht erfüllt. Sie können auch die für Primastrom und Voxenergie zuständige Schlichtungsstelle einschalten. Leser haben uns aber berichtet, dass beide Unternehmen Schlichtungs­vorschläge nicht akzeptieren. Sie können dann die Erstattung nicht erzwingen. Außerdem empfehlen wir Ihnen: Machen Sie Tempo. Es ist nicht auszuschließen, dass Prim­astrom oder/und Voxenergie insolvent werden. Wenn Sie Ihr Geld bis dahin nicht haben, bekommen Sie wahr­scheinlich höchs­tens noch einen kleinen Teil Ihrer Forderung.

Wie gehe ich am besten vor, um individuell Erstattung zu fordern?

Sie sollten das jeweilige Unternehmen zunächst selbst zur Erstattung Ihrer auf die unbe­rechtigten Preis­erhöhungen entfallenden Zahlungen auffordern. Setzen Sie dem Unternehmen eine Frist für die Zahlung von mindestens zwei Wochen ab Zugang Ihres Schreibens. Schi­cken Sie es per Einschreiben mit Rück­schein ans Unternehmen, wenn das Unternehmen Ihnen den Eingang Ihres Forderungs­schreibens nicht bestätigt. Bewahren Sie einen Ausdruck des Zustellungs­belegs aus der Sendungs­verfolgung auf.

Was spricht dafür, selbst gegen Prim­astrom oder Voxenergie vorzugehen?

Wenn Ihnen die Erstattung hoher Beträge zusteht, ist zu berück­sichtigen: Sollte das jeweilige Unternehmen insolvent werden, erhalten Sie wahr­scheinlich allenfalls noch einen Teil des Geldes, das Ihnen zusteht. Je eher Sie Ihre Erstattungs­forderung gericht­lich oder auch durch Verrechnung mit für laufende Lieferung fälligen Beträgen durch­setzen können, desto geringer ist das Risiko, dass Sie wegen Insolvenz der Unternehmen leer ausgehen. Sie sollten darauf verzichten, den Ombuds­mann einzuschalten. Beauftragen Sie sofort einen Rechts­anwalt, wenn das Unternehmen ihre Erstattung­forderung nicht erfüllt. Sagen Sie dem Rechts­anwalt: Er soll so schnell machen wie es geht, damit Sie möglichst kein Geld verlieren. Beachten Sie: Sie können trotzdem zu spät kommen. Bis Sie berechtigt sind, dem Unternehmen einen Zwangs­voll­stre­cker zu schi­cken, gehen mindestens Monate ins Land.

Wie lange habe ich Zeit für die Erstattungs­forderung?

Die Erstattung von im Jahr 2022 erfolgter Zahlungen ist mindestens bis 31. Dezember 2025 durch­setz­bar.

Klage beim Kammerge­richt in Berlin

Welches Gericht entscheidet über die Prim­astrom- und Voxenergie Musterklagen?

Zuständig ist das Kammerge­richt in Berlin. Über die Klage gegen die Prim­astrom GmbH haben die Richter im 16. Senat zu entscheiden. Das sind Vorsitzender Richter am Kammerge­richt Dr. Wimmer, Richter am Kammerge­richt Dr. Menne, Richterin am Kammerge­richt Klamt und Richterin am Kammerge­richt Milde­brath.

Über die Klage gegen die Voxenergie GmbH haben die Richter im 27. Senat zu entscheiden. Das sind Vorsitzender Richter am Kammerge­richt Dr. Kapps, Richter am Kammerge­richt B.-D. Kuhnke, Richter am Kammerge­richt S. Groth und Richterin am Land­gericht Dr. Kanne-Tilsen.

Hat sich das Gericht bereits zur Klage geäußert?

Nein, weder der 16. noch der 27. Senat des Kammer­gerichts haben sich bisher öffent­lich geäußert. Sie haben bisher nur jeweils die Zulässig­keit der Klage geprüft und die Eintragung der Klage ins Register beim Bundes­justiz­amt ange­ordnet.

Wo erfahre ich weitere Einzel­heiten zu den Musterklagen gegen Voxenergie und Prim­astrom?

Der vzbv informiert unter musterfeststellungsklagen.de/primastrom-und-voxenergie. Die amtlichen Informationen zu den beiden Klagen bekommen Sie im Musterfeststellungsklageregister des Bundesjustizamts. Sie sind aber für Laien kaum verständlich.

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Profilbild Stiftung_Warentest am 23.05.2022 um 12:19 Uhr
Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen

@guenter.he: Nur Kunden der betreffenden Sparkasse, um deren Rechte es geht, können sich zu den verschiedenen Musterfeststellungsklagen anmelden und so die Verjährung stoppen. Alle anderen müssen sich selbst an ihre Sparkasse wenden. Soweit Verjährung droht, können sie sich beim jeweils zuständigen Ombudsmann beschweren oder gerichtliche Schritte einleiten. So lange keine Verjährung droht, bietet es sich an abzuwarten, bis am Ende der Musterfeststellungsverfahren feststeht, wie Prämiensparpläne abzurechnen sind.

guenter.he am 22.05.2022 um 21:49 Uhr
Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen

Kann ich mich auch als Nichtkunde der aufgeführten Sparkassen zur Musterfestellungsklage anmelden?
Wenn die Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen Erfolg haben, was ist dann von mir zu unternehmen

M_Schmalzbauer am 08.09.2021 um 18:40 Uhr
Verweigerung von Volkswagen bei SKODA Kfz?

Ich habe den Mustertext wegen eines SKODA zur Geltendmachung von eventuellen Restschadenersatz an die empfohlene Adresse von Volkswagen versandt. Heute erhielt ich dazu eine E-Mail von kundenbetreuung@volkswagen.de:
"Da es sich bei der ŠKODA AUTO Deutschland GmbH um eine eigenständige Marke im
Volkswagen Konzern handelt, bitten wir Sie, sich mit dem Anliegen dorthin zu wenden.
Gern teilen wir Ihnen die Kontaktdaten mit:
ŠKODA AUTO Deutschland GmbH
Kundenbetreuung
Max-Planck-Straße 3-5
64331 Weiterstadt
Telefon:  +49 800 4424244
Fax:          +49 6150 133 199
E-Mail:     info@skoda-auto.de
Aufgrund der strikten Markentrennung, die innerhalb der Volkswagen Organisation gelebt wird,
können wir Ihnen auch bei einem erneuten Anspruchsschreiben Ihrerseits keine andere Antwort
zukommen lassen."
Ist im Falle des Restschadenersatz dann tatsächlich nicht die Volkswagen AG zuständig?
Haben andere diese Erfahrung auch schon gemacht?

Flugrecht am 08.07.2021 um 07:56 Uhr
Neue Musterfeststellungsklage

Zu Daimler gibt es inzwischen auch eine eigene Musterfeststellungsklage:
https://rechtecheck.de/verkehrsrecht/abgasskandal/mercedes-musterfeststellungsklage-anschliessen/

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 04.01.2021 um 12:24 Uhr
Forderungsschreiben Reaktion

@Louis123: Bitte um Verständnis: Die Antwort auf Fragen zu rechtlichen Verhältnissen im Einzelfall ist Rechtsberatung, wie sie von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten ist. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Danach gilt:
Ein Vergleich ist wie jeder andere Vertrag auch erst und nur abgeschlossen, wenn eine Seite ein Angebot der anderen angenommen hat.
Kommt kein Vergleich zustande, bleibt nur, auf dem Rechtsweg zu klären, ob eine Seite der anderen verpflichtet. Zu Verjährung ist noch zu beachten: Während Verhandlungen über den Anspruch oder seine Grundlagen ist sie gem. § 203 BGB
www.gesetze-im-internet.de/bgb/__203.html
gehemmt.