
Aufsitzrasenmäher. Langsame Fahrzeuge benötigen bald eine Kfz-Haftpflichtversicherung. © Getty Images / cjp
Die Bundesregierung will eine Kfz-Haftpflichtversicherung für langsame Fahrzeuge, wie zum Beispiel Aufsitzrasenmäher, zwingend vorschreiben. Was Sie dazu wissen sollten.
Ob Aufsitzrasenmäher, Gabelstapler, Landmaschinen oder Schneeräumer – bislang konnten Fahrzeuge, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde fahren, in einer betrieblichen oder privaten Haftpflichtversicherung pauschal mitversichert werden, da sie nicht unter die Versicherungspflicht fallen. Das soll sich noch in diesem Jahr ändern, konkret ab dem 23. Dezember 2023. Bis dahin muss die Bundesregierung eine entsprechende EU-Richtlinie umsetzen.
Versicherungspflicht wird erweitert
Die Versicherungspflicht wird dann auf Fahrzeuge ausgeweitet, die mit einer Geschwindigkeit zwischen 6 und 20 Kilometer pro Stunde auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Sie sollen eine Kfz-Haftpflichtversicherung benötigen. Die Deckungssummen sollen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthöhe entsprechen. Achtung: Wer gegen die Versicherungspflicht verstößt, macht sich nach dem Gesetzentwurf strafbar und muss im schlimmsten Fall mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen.
Hintergrund der Gesetzesänderung ist die EU-Richtlinie zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (EU 2021/2118, sogenannte „KH-Richtlinie“). Sie dient dazu, den Versicherungsschutz auf europäischer Ebene zu stärken.
Versicherung ist in Deutschland Pflicht
Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Das ist sinnvoll, da sie für Schäden aufkommt, die durch das eigene Fahrzeug an Dritten entstehen. Die Versicherungspflicht soll sicherstellen, dass Opfer auch dann entschädigt werden, wenn ein Unfallverursacher nicht zahlen kann. Der Gesetzgeber schreibt für die Kfz-Haftpflicht Mindesthöhen für die Deckungssummen vor: für Personenschäden 7,5 Millionen Euro, für Sachschäden 1,22 Millionen Euro. Vermögensschäden müssen mit einer Mindestsumme von 50 000 Euro abgesichert werden.
Wir empfehlen höhere Summen, die gegen geringe Beitragszuschläge möglich sind. Wählen Sie am besten 100 Millionen Euro als Deckungssumme. Wenn mehrere Verkehrsteilnehmer in einen Unfall verwickelt sind oder Personen verletzt werden, können sich die Kosten auf hohe Millionenbeträge belaufen. Die für Sie individuell beste Kfz-Versicherung können Sie mit dem Kfz-Versicherungsvergleich der Stiftung Warentest ermitteln.
Wen die erweiterte Versicherungspflicht trifft
Das Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) wird durch das Gesetz auf Kraftfahrzeuge ausgeweitet, die nicht schneller als 6 Kilometer pro Stunde fahren können. Das sind unter anderem selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Stapler mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde. Gemeint sind beispielsweise Gabelstapler, langsame Traktoren, Schneeräumer, Bagger, Planiermaschinen, aber auch Aufsitzrasenmäher – Fahrzeuge, deren Zweck vor allem darin besteht, Arbeiten zu verrichten und nicht darin, Personen zu befördern. Genau bei diesen Fahrzeugen setzt das neue Gesetz nun an und schließt diese künftig in die Versicherungspflicht ein. Bisher reichte für sie der Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung, da sie von der sogenannten Benzinklausel nicht ausgeschlossen wurden.
Die Benzinklausel
Die Benzinklausel definiert die Grenze zwischen der Privat- und der Kfz-Haftpflichtversicherung. Schäden, die beim Gebrauch eines Autos, Motorrads, Mofas oder Ähnlichem entstehen, sind nicht durch die Privathaftpflichtversicherung gedeckt. Damit soll eine Doppelversicherung mit der Kfz-Haftpflichtversicherung vermieden werden. Eine Ausnahme stellten bisher vor allem Arbeitsfahrzeuge dar. Für sie galt bisher der Versicherungsschutz der Privathaftpflicht- oder der Betriebshaftpflichtversicherung.
Sonderfall E-Scooter
Für E-Scooter, die zwischen 6 und 20 Kilometer pro Stunde fahren können, müssen schon seit 2019 Kfz-Haftpflichtversicherungen abgeschlossen werden. Sie gelten als Kraftfahrzeuge, also mit Motor betriebene Fahrzeuge.
Tipp: Mehr Wissenswertes zum Thema E-Scooter finden Sie in unserem Beitrag Diese Regeln gelten für Elektro-Tretroller.]
Kritik am Gesetzentwurf von Verbänden
Mehrere Verbände kritisieren den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erweiterung der Versicherungspflicht. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) spricht sich deutlich dagegen aus und betont, es sei bislang kein Fall bekannt, bei dem der bisherige Schutz nicht ausgereicht habe. Bemängelt wird auch, dass keine Übergangsregelung vorgesehen ist. Nach Ansicht des GDV sollte die Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen die Versicherungspflicht außerdem frühestens ein Jahr, nachdem das Gesetz in Kraft tritt, einsetzen, damit Fahrzeughalter ausreichend Zeit hätten, um ihre Verträge umzustellen.
Der Deutsche Bauernverband e. V. (DBV) befürchtet erheblichen Mehraufwand für Landwirte und kritisiert, durch die zusätzliche Versicherungspflicht kämen massive Kosten auf Landwirte zu, ohne dass daraus eine höhere Verkehrssicherheit resultiere.
Wie es weitergeht
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf Ende September ohne Aussprache an den Rechtsausschuss des Parlaments überwiesen. Wann das Vorhaben dort behandelt wird, ist noch offen. Die Bundesregierung prüft momentan auf Anregung des Bundesrats, ob die Strafbarkeit ab dem 23. Dezember 2023 angemessen und erforderlich ist. Denkbar wäre beispielsweise eine Übergangsregelung, in der ein Verstoß gegen die Versicherungspflicht zunächst nur als Ordnungswidrigkeit behandelt wird. Unklar ist momentan, wann die Versicherer auf die Gesetzesänderung reagieren werden. Derzeit gibt es noch keine konkreten Versicherungsprodukte, mit denen Eigentümer der betroffenen Fahrzeuge die Versicherungspflicht erfüllen könnten.
Unser Rat
Bedarf. Sind Sie Halter eines Fahrzeugs, das unter die neue Regelung fällt? Beachten Sie, dass die erweiterte Versicherungspflicht nur für das Fahren auf öffentlichen Straßen gelten wird. Benutzen Sie Ihren Aufsitzrasenmäher ausschließlich auf Ihrem Grundstück, brauchen Sie keine spezielle Kfz-Versicherung. Ansonsten brauchen Sie eine – die Produkte werden aber erst entwickelt.
Mitversicherung. Auch bei reiner Nutzung eines betroffenen Fahrzeugs auf Betriebs- oder Privatgelände müssen Sie den Schutz klären, sobald die Versicherungspflicht eingetreten ist. Fragen Sie Ihren Haftpflichtversicherer – Ihren Privathaftpflichtversicherer oder Ihren Betriebshaftpflichtversicherer, sofern Sie Unternehmer sind – ob entsprechende Fahrzeuge in Ihrem Besitz weiterhin mitversichert sind oder mitversichert werden können.
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