Muster­fest­stellungs­klagen

Muster­fest­stellungs­klage gegen Otto-Inkasso

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Muster­fest­stellungs­klagen - Von diesen Musterklagen können Sie einfach profitieren

Eos. Wenn Otto sein Inkasso-Unternehmen Eos losschickt, wird es sehr teuer für säumige Kunden. Der vzbv hält das für rechts­widrig. Teilnehmern der Klage winkt eine Erstattung. © Alamy Stock Photo / Joko

Der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) hat das Otto-Inkasso wegen Kostentreiberei verklagt. Wir beant­worten die wichtigsten Fragen zur Eos-Musterklage.

Unzu­lässige Gebührentreiberei

Worum geht es bei der Klage?

Die Otto-Group mit dem Otto-Versand als Flaggschiff hat mehrere Unternehmen gegründet, um die Bezahlung offener Forderungen durch­zusetzen. Die Eos Investment GmbH über­nimmt offene Forderungen. Anschließend beauftragt sie die Eos Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (Eos DID) damit, das Geld einzutreiben.

Die Folge für betroffene Verbraucher: Sie müssen zum Teil horrende Gebühren zusätzlich zahlen. Der vzbv berichtet von Einzel­fällen, wo der Otto-Inkasso­dienst zusätzlich zur Zahlung des geforderten Betrags fast 500 Euro forderte. Würde die Eos Investment GmbH selbst die Forderungs­schreiben verschi­cken, könnte das Unternehmen nur Mahn­kosten von wenigen Euro geltend machen.

„Mit unserer Muster­fest­stellungs­klage wollen wir als vzbv der Praxis des Konzerninkassos einen Riegel vorschieben,“ erklärte der damalige vzbv-Vorstand Klaus Müller bei Erhebung der Klage im Sommer 2021. Es könne nicht sein, dass Verbrauchern allein durch die Einschaltung eines Schwester­unter­nehmens hohe zusätzliche Kosten entstehen.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind alle Verbraucher, von denen die Eos Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (Eos DID) beim Einzug von Otto-Forderungen hohe Gebühren fordert oder die ab 1.1.2018 solche Gebühren gezahlt haben.

Zur Otto-Group gehören vor allem das gleichnamige Versand­haus (korrekt: Otto GmbH & Co KG), die Bonprix Handels­gesell­schaft mbH und die Sheego GmbH. Außerdem wird das Otto-Inkasso für Banken wie der BNP Paribas, Santander Consumer Bank AG oder Commerz­bank AG tätig.

Was soll ich als Betroffener jetzt tun?

Sie können aktuell nicht mehr an der Klage teilnehmen. Die Frist für die Anmeldungen von Rechten ist abge­laufen. Sie können aber unabhängig von der Musterklage selbst entweder die Zahlung über­höhter Gebühren verweigern oder Erstattung fordern, wenn Sie bereits gezahlt haben. Einzel­heiten dazu unten in der Antwort auf die Frage: Was kann ich tun, wenn ich die Anmeldung meiner Rechte zur Klage versäumt habe?

Wie die Muster­fest­stellungs­klage funk­tioniert

Was nützt mir die Anmeldung meiner Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage?

Das Urteil in dem Verfahren gilt dann direkt auch für Sie. Setzt sich der vzbv durch, dann steht fest, dass Sie über­zogene Gebühren nicht bezahlen müssen oder diese zurück­bekommen, falls Sie bereits gezahlt haben. Wichtigster Effekt der Anmeldung der Rechte: Die Verjährung ist gestoppt. Die Erstattung von Beträgen, die Sie vor dem 1.1.2021 gezahlt haben, wird möglicher­weise bereits Ende 2023 verjähren.

Kann die Muster­fest­stellungs­klage für mich auch zu Nach­teilen führen?

Theoretisch ja. Es ist vorstell­bar, dass die Musterklage zu Unrecht abge­wiesen wird. Dann haben alle angemeldeten Verbraucher mit verloren. Sie können nicht mehr einzeln vor Gericht ziehen. Ihr Recht können in dieser sehr unwahr­scheinlichen Konstellation nur Menschen bekommen, die von Anfang an selbst einzeln Klage erhoben haben oder das noch tun.

Welches Gericht entscheidet über die Musterklage gegen die Eos Investment GmbH?

Zuständig ist das Hanseatische Ober­landes­gericht in Hamburg.

Hat sich das Gericht bereits zur Klage geäußert?

Die Richter äußerten in der Verhand­lung des Falles die Auffassung, die Kostentreiberei beim Otto-Inkasso sei unzu­lässig. Allerdings haben die Anwälte des Unter­nehmens jetzt noch einmal die Gelegenheit, sich zur Rechts­lage zu äußern. Meist bleiben die Richter allerdings bei ihrer vorläufigen Rechts­auffassung. Es kommt nicht so oft vor, dass sie bei Prüfung des Falles vor der Verhand­lung entscheidende Fakten über­sehen oder nicht kennen oder Gegen­argumente kommen, die sie über­zeugen.

Wann wird es ein Urteil geben?

Das Gericht hat die Verkündung seines Urteils für Donners­tag, 15. Juni 2023, angekündigt.

Was bedeutet es für mich als Teilnehmer an der Musterklage, wenn das Gericht das Otto-Inkasso als rechts­widrig beur­teilt?

Sie müssen dann zumindest einen großen Teil der Gebühren, die das Otto-Inkasso von Ihnen fordert, nicht bezahlen. Sofern Sie bereits gezahlt haben, muss das Unternehmen die Gebühren erstatten. Wahr­scheinlich wird nötig sein, die Erstattung trotz der Musterklage in Ihrem Einzel­fall noch ausdrück­lich zu fordern.

Habe ich in jedem Fall Anspruch auf Erstattung über­höhter Otto-Inkasso­gebühren?

Ja, im Prinzip schon. Sie müssen gegebenenfalls nach­weisen, dass Sie solche Gebühren gezahlt haben. Durch­setz­bar ist ihre Erstattungs­forderung mindestens für alle über­höhten Gebühren, die sie ab 1. Januar 2018 gezahlt haben. Unserer Rechts­auffassung nach ist auch die Erstattung davor gezahlter Gebühren nicht verjährt. Nach aktuellen Urteilen des Europäischen Gerichts­hofs darf die Erstattung auf miss­bräuchlichen Forderungen beruhender Zahlungen nicht verjährt sein, bevor Verbraucher den Miss­brauch erkennen konnten. Danach dürfte die Verjährung über­haupt erst im Jahr 2021 begonnen haben, als die Gebührentreiberei beim Otto-Inkasso durch die Erhebung der Musterklage Thema wurde. Es ist aber nicht sicher, dass die Gerichte in Deutsch­land das auch so sehen. Es könnte sein, dass Sie nur die Erstattung ab 2018 gezahlter Beträge noch durch­setzen können.

Was kann ich tun, wenn ich die Anmeldung meiner Rechte zur Klage versäumt habe?

Sie können selbst­verständlich unabhängig von der Klage die Erstattung der rechts­widrigen Gebühren fordern. Indirekt kann das Muster­urteil auch Ihnen helfen, wenn es wie jetzt zu erwarten verbraucherfreundlich ausfällt. Wir halten es für ausgeschlossen, dass die für Ihre Erstattungs­forderung zuständigen Gerichte die Rechts­lage anders beur­teilen als das Ober­landes­gericht Hamburg. Sie haben dann praktisch kein Prozess­kostenrisiko. Wenn Sie wenig Einkommen und Vermögen haben, steht Ihnen ohnehin Prozess­kosten­hilfe zu. Beachten Sie allerdings: Ohne Teil­nahme an der Muster­fest­stellungs­klage kann schon die Forderung auf Erstattung von vor 1. Januar 2020 gezahlten Beträgen verjährt sein. Wir denken allerdings: Sie haben wegen verbraucherfreundlicher Urteile des Europäischen Gerichts­hofs länger Zeit. Es ist aber nicht sicher, ob die Gerichte in Deutsch­land das auch so sehen. Sofern Sie vom Otto-Inkasso geforderte Gebühren noch nicht gezahlt haben, können Sie die Zahlung verweigern. Voraus­setzung: Sie sind nicht per Urteil oder Voll­stre­ckungs­bescheid rechts­kräftig zur Zahlung verurteilt. Dann lässt sich wahr­scheinlich nichts mehr machen.

Wo kann ich weitere Einzel­heiten zur Otto-Inkasso-Musterklage nach­lesen?

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243 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Profilbild Stiftung_Warentest am 23.05.2022 um 12:19 Uhr
Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen

@guenter.he: Nur Kunden der betreffenden Sparkasse, um deren Rechte es geht, können sich zu den verschiedenen Musterfeststellungsklagen anmelden und so die Verjährung stoppen. Alle anderen müssen sich selbst an ihre Sparkasse wenden. Soweit Verjährung droht, können sie sich beim jeweils zuständigen Ombudsmann beschweren oder gerichtliche Schritte einleiten. So lange keine Verjährung droht, bietet es sich an abzuwarten, bis am Ende der Musterfeststellungsverfahren feststeht, wie Prämiensparpläne abzurechnen sind.

guenter.he am 22.05.2022 um 21:49 Uhr
Musterfeststellungsklagen gegen Sparkassen

Kann ich mich auch als Nichtkunde der aufgeführten Sparkassen zur Musterfestellungsklage anmelden?
Wenn die Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen Erfolg haben, was ist dann von mir zu unternehmen

M_Schmalzbauer am 08.09.2021 um 18:40 Uhr
Verweigerung von Volkswagen bei SKODA Kfz?

Ich habe den Mustertext wegen eines SKODA zur Geltendmachung von eventuellen Restschadenersatz an die empfohlene Adresse von Volkswagen versandt. Heute erhielt ich dazu eine E-Mail von kundenbetreuung@volkswagen.de:
"Da es sich bei der ŠKODA AUTO Deutschland GmbH um eine eigenständige Marke im
Volkswagen Konzern handelt, bitten wir Sie, sich mit dem Anliegen dorthin zu wenden.
Gern teilen wir Ihnen die Kontaktdaten mit:
ŠKODA AUTO Deutschland GmbH
Kundenbetreuung
Max-Planck-Straße 3-5
64331 Weiterstadt
Telefon:  +49 800 4424244
Fax:          +49 6150 133 199
E-Mail:     info@skoda-auto.de
Aufgrund der strikten Markentrennung, die innerhalb der Volkswagen Organisation gelebt wird,
können wir Ihnen auch bei einem erneuten Anspruchsschreiben Ihrerseits keine andere Antwort
zukommen lassen."
Ist im Falle des Restschadenersatz dann tatsächlich nicht die Volkswagen AG zuständig?
Haben andere diese Erfahrung auch schon gemacht?

Flugrecht am 08.07.2021 um 07:56 Uhr
Neue Musterfeststellungsklage

Zu Daimler gibt es inzwischen auch eine eigene Musterfeststellungsklage:
https://rechtecheck.de/verkehrsrecht/abgasskandal/mercedes-musterfeststellungsklage-anschliessen/

Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 04.01.2021 um 12:24 Uhr
Forderungsschreiben Reaktion

@Louis123: Bitte um Verständnis: Die Antwort auf Fragen zu rechtlichen Verhältnissen im Einzelfall ist Rechtsberatung, wie sie von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Verbraucherzentralen vorbehalten ist. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Danach gilt:
Ein Vergleich ist wie jeder andere Vertrag auch erst und nur abgeschlossen, wenn eine Seite ein Angebot der anderen angenommen hat.
Kommt kein Vergleich zustande, bleibt nur, auf dem Rechtsweg zu klären, ob eine Seite der anderen verpflichtet. Zu Verjährung ist noch zu beachten: Während Verhandlungen über den Anspruch oder seine Grundlagen ist sie gem. § 203 BGB
www.gesetze-im-internet.de/bgb/__203.html
gehemmt.