Sammelklagen von Verbraucherschützern

Muster­fest­stellungs­klage gegen VW

Sammelklagen von Verbraucherschützern - Recht bekommen ohne Kosten und ohne Risiko

VW-Skandal­autos. Sie stießen viel mehr giftiges Stick­oxid aus als erlaubt. Der Konzern muss Käufer solcher Autos entschädigen. Darauf einigte er sich mit dem Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv). © Getty Images / Slovenia

Das Verfahren um die Muster­fest­stellungs­klage gegen VW ist bereits beendet. Der Auto­konzern zahlt Teilnehmern rund 830 Millionen Euro.

Im Über­blick

Mit rund 235 000 Skandal­autobesitzer hat VW unter dem Druck der Muster­fest­stellungs­klage Vergleichs­verträge abge­schossen. Der Konzern zahlt den Käufern von Skandal­autos, die ihre Rechte beim Bundes­justiz­amt angemeldet hatten, insgesamt rund 830 Millionen Euro Entschädigung. Auf den Abschluss solcher Vergleiche hatten sich der Verbraucherzentrale (vzbv) als Klägerin mit VW geeinigt. Viele Kläger konnten individuell mehr verlangen. Inzwischen sind die Rechte von Skandal­autobesitzern, die ihren Wagen gebraucht gekauft hatten, endgültig verjährt. Neuwagenkäufer sollten abwarten, wie der Bundes­gerichts­hof am Montag, 21. Februar 2022, über Forderungen über die Verjährung hinaus urteilt.

Aktuell: Ärger um rechts­widrig abge­lehnte Anmeldungen

Was ist bei der Anmeldung der Rechte von VW-Skandal­opfern falsch gelaufen?

Das Bundes­amt für Justiz (BfJ) hat die Anmeldung Hunderter von VW-Skandal­opfern rechts­widrig zurück­gewiesen. Sie hatten ihre Ansprüche erst am 30. September 2019 zur Muster­fest­stellungs­klage angemeldet. An diesem Tag hatte die mündliche Verhand­lung in der Stadt­halle Braun­schweig begonnen. Laut Zivil­prozess­ordnung ist die Anmeldung von Rechten aber nur bis zum Tag vor der erst mündlichen Verhand­lung zulässig.
Allerdings: Der 30. September 2019 war ein Montag. Grund­regel in solchen Fällen: Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonn­tag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonn­abend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werk­tages. Die Juristen im BfJ dachten: Die Regel ist auf die Anmeldung von Rechten zu Muster­fest­stellungs­klagen nicht anwend­bar, weil sich dann Menschen noch anmelden könnten, je nachdem, wie die Ansagen der Richter in der Verhand­lung ausfallen. Außerdem war die Anmeldung der Rechte über die Online-Formulare der Behörde auch am Sonn­tag, 29. September 2019, möglich.
Falsche Einschät­zung: Anmeldungen zu Muster­fest­stellungs­klagen sind auch am Tag der mündlichen Verhand­lung noch zulässig, entschieden Ober­landes­gericht Köln und Bundes­gerichts­hof und korrigierten damit die Entscheidung der Behörde. Die ließ darauf­hin nach Auskunft von Sprecherin Pia Figge 352 Anmeldungen zur Muster­fest­stellungs­klage nach­träglich zu.
Ob das noch etwas nützt, ist allerdings unklar. VW weigerte sich zumindest einem test.de-Leser gegen­über, ihm nach­träglich ein Vergleichs­angebot entsprechend der Vereinbarungen mit dem vzbv zu machen. Seine Rechte seien inzwischen verjährt, meint der Konzern.
Tatsäch­lich: Als der Bundes­gerichts­hof entschied, dass die Anmeldungen von Montag, 30. September 2019 auch noch gültig sind, war die normale Verjährungs­frist für Teilnehmer an der Muster­fest­stellungs­klage bereits längst abge­laufen. VW-Skandal­opfer, die ihren Wagen gebraucht gekauft haben, gehen damit nach den Urteilen des Bundes­gerichts­hofs von gestern (s. u.) leer aus, wenn es dabei bleibt. VW-Käufern, die ihren Wagen über einen Händler bestellt haben, erhalten aber über die Verjährung hinaus Schaden­ersatz. Damit können sie VW vielleicht doch noch dazu bewegen, ihnen eine den Muster­fest­stellungs­ver­einbarungen entsprechende Entschädigung anzu­bieten.

Was kann ich als Muster­fest­stellungs­klage-Teilnehmer, der seine Rechte am Montag, 30. September 2019 angemeldet hat, noch tun?

Die Rechts­lage ist kompliziert. Denk­bar ist, dass Ihre Rechte gegen VW trotz des Ablaufs der Frist dafür noch nicht verjährt sind. Laut Bundes­gerichts­hof muss nämlich die Klageerhebung zumut­bar gewesen sein. Daran könnte es fehlen. Dann können Sie selbst noch vor Gericht ziehen und VW so doch noch zur Entschädigung zwingen. Möglicher­weise haben Sie ein Recht auf Entschädigung von der Behörde, weil Sie im Vertrauen auf die Recht­mäßig­keit der Ablehnung Ihrer Anmeldung nichts unternommen haben und ihre Rechte so verjährt sind. test.de gegen­über wollte die Behörde sich dazu noch nicht äußern, sondern im Einzel­fall entscheiden. Sie müssen eine solche Entschädigung bei der Behörde beantragen.

Angebot von VW an Betroffene

Was hat VW Teilnehmern der Muster­fest­stellungs­klage am Ende gezahlt?

VW hat nach eigener Darstellung rund 235 000 Opfern des Abgas­skandals insgesamt 830 Millionen Euro Entschädigung gezahlt. Je nach Fahr­zeugmodell und Modell­jahr gab es zwischen 1 350 Euro und 6 257 Euro, durch­schnitt­lich rund 15 Prozent des Kauf­preises. Für welches Auto VW wie viel gezahlt hat, ergibt sich aus der unten stehenden Tabelle.

Was war Voraus­setzung für die Zahlung?

Geld gab es nur für Teilnehmer an der Muster­fest­stellungs­klage, die mit VW den vom Konzern angebotenen außerge­richt­lichen Vergleich abge­schlossen hatten.

Ich habe keinen Vergleich geschlossen oder ihn widerrufen. Was kann ich jetzt noch unternehmen?

Wenn Ihre Rechte – wie beim Kauf eines Skandal­autos als Neuwagen noch möglich – noch nicht verjährt sind, können Sie Ihre Rechte individuell geltend machen. Der Bundes­gerichts­hof hat geur­teilt: VW hat Schaden­ersatz wegen vorsätzlicher und sittenwid­riger Schädigung zu zahlen. Der Auto­konzern muss den Kauf­preis abzüglich Nutzungs­entschädigung erstatten. Im Gegen­zug ist der Wagen zurück­zugeben. Unser VW-Entschädigungsrechner hilft Ihnen zu ermitteln, womit sie rechnen können.

Wie gehe ich am besten vor, um individuell Schaden­ersatz zu fordern?

Warten Sie zunächst ab, wie der Bundes­gerichts­hof am Montag, 21. Februar 2022 zur Verjährung urteilt. Wenn Ihre Rechte nicht verjährt sind, sollten Sie als erstes selbst VW zur Zahlung von Schaden­ersatz fordern. Dabei helfen unsere Mustertexte für die wichtigsten Konstellationen.

Worum es bei der Muster­fest­stellungs­klage genau ging

Worum ging es bei der Muster­fest­stellungs­klage gegen VW?

Der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) wollte fest­gestellt wissen, dass VW Besitzer von Skandal­autos mit ursprüng­lich illegal gesteuerten 1.2, 1.6 und 2.0 TDI-Motoren entschädigen muss. Der Allgemeine Deutsche Auto­mobil-Club (ADAC) unterstützte den Verband. Der hatte die bei der Vertretung von Opfern des VW-Skandals führenden Rechts­anwälte Marco Rogert, Ralph Sauer, Ralf Stoll und Tobias Ulbrich für die Muster­fest­stellungs­klage gewonnen. Die vier Rechts­anwälte haben eigens eine Gesellschaft speziell für Musterfeststellungsklagen gegründet.

Wo kann ich weitere Einzel­heiten zur VW-Musterklage nach­lesen?

Der vzbv informiert detailliert unter musterfeststellungsklagen.de. Die amtlichen Einzel­heiten zur Musterklage können Sie der öffentlichen Bekanntmachung der Klage entnehmen. Die Texte sind für Laien allerdings schwer verständlich.

Verlauf des Verfahrens am OLG Braun­schweig

Wie verlief die Musterklage gegen VW?

Der vzbv hatte gleich bei Inkraft­treten der neuen gesetzlichen Rege­lungen zur Muster­fest­stellungs­klage am 1. November 2018 Klage erhoben. Viele Rechte von VW-Skandal­opfern drohten bereits am Ende des Jahres zu verjähren. Die mündliche Verhand­lung begann am Montag, 30. September 2019, im der Stadthalle Braunschweig. Am 28. Februar 2020 informierte das Ober­landes­gericht Braun­schweig die Öffent­lich­keit dann über den Abschluss des Vergleichs zwischen vzbv und VW. Entsprechend der Vereinbarung bot VW rund 250 000 Teilnehmern der Muster­fest­stellungs­klage jeweils eine Entschädigung an und nahm der vzbv die Klage gegen VW am Donners­tag, 30. April, zurück. Die Erklärung ging am Montag, 4. Mai 2020, beim Ober­landes­gericht ein und beendete das Verfahren. Die durch die Klage gehemmte Verjährung der Rechte von Teilnehmern an der Klage lief dann ab dann genau sechs Monate später vom 4. November 2020 an weiter. Inzwischen ist die normale Verjährungs­frist für alle VW-Skandal-Opfer mit EA189-Motoren abge­laufen. Neuwagenkäufer können darauf hoffen, dass der Bundes­gerichts­hof ihnen Schaden­ersatz über die normale Verjährung hinaus zugesteht. Am Montag, 21. Februar 2022, verhandeln die Bundes­richter über diese Frage.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 12.05.2025 um 12:32 Uhr
    www.wbs.legal/i/dl-facebook

    Danke für den Hinweis. Richtig ist:
    www.wbs.legal/i/dl-facebook

  • Mika_der_Wikinger am 10.05.2025 um 21:00 Uhr
    falscher Link im Text

    Hallo,
    leider ist im Text: "Prüfen Sie, ob Sie betroffen sind. Das geht zum Beispiel unter wbs.legal/i/dl-facebook. " der hinterlegte Link nicht korrekt.
    Fehlermeldung: "Seite wurde nicht gefunden - Die Verbindung mit dem Server .www.wbs.legal schlug fehl."
    Vielen Dank fürs Beheben!
    Mit freundlichen Grüßen

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 19.11.2024 um 13:27 Uhr
    Frage zu den Sammelklagen

    @mirkli2012: Nein, das haben noch viel mehr Sparkassen gemacht.
    Nur für die hier genannten gibt es Musterklagen. Alle Einzelheiten zum Thema mit Tipps und Rechner:
    www.test.de/praemiensparvertrag

  • mirkli2012 am 18.11.2024 um 16:58 Uhr
    Frage zu Sammelklagen wegen Sparkassen-Prämienspar

    Guten Tag,
    gibt es außer den 18 genannten Sparkassen auch noch andere, die bei Prämiensparverträgen möglicherweise unrechtmäßig an den Zinsen für Kunden gespart haben? Oder handelt es sich um eine abgeschlossene Auflistung?
    Mit freundlichen Grüßen

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 27.05.2024 um 10:59 Uhr
    Verbraucherhero

    @Mangelhafd: Wir haben Verbraucherhero nicht getestet.

    Selbstdarstellung des Portals:
    "Verbraucherhero ist eine innovative Verbraucherplattform, die es Verbrauchern ermöglicht, komplexe Rechtsthemen leicht verständlich zu erfassen. Innerhalb der Plattform bietet Verbraucherhero umfassende Informationen zu verschiedenen wichtigen Themen aus dem Verbraucherrecht. Durch die Weitergabe von Wissen, sowie die Vermittlung an die richtigen Experten befähigt die Plattform Verbraucher, ihre Rechte im Alltag erfolgreich durchzusetzen und sich effektiv vor rechtlichen Herausforderungen zu schützen."

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