Sammelklagen von Verbraucherschützern

Muster­fest­stellungs­klage gegen die Gasag

Sammelklagen von Verbraucherschützern - Recht bekommen ohne Kosten und ohne Risiko

Haupt­verwaltung der Gasag in Berlin. Das Unternehmen hatte den Grund­versorgungs­preis drastisch erhöht. Zu Unrecht, meint der Verbraucherzentrale Bundes­verband und fordert Erstattung. © picture alliance / Bildagentur-online/Joko

Die Gasag soll einen Teil des extra-hohen Neukunden-Preises in der Grund­versorgung heraus­geben. Das Kammerge­richt urteilte jetzt: Die Preise waren rechts­widrig.

Extra-Preis für Neukunden

Worum geht es bei der Klage?

2021 und 2022 stiegen die Gaspreise dramatisch. Zugleich hatten etliche Gasdiscounter ihren Kunden wegen der dramatisch gestiegenen Gaspreise gekündigt. Viele gerieten in die Gasag-Grund­versorgung. Flugs führte die Gasag einen horrend teuren Neukunden-Tarif in der Grund­versorgung ein. Mancher Kunde hatte praktisch keine Chance, die Kostenfalle zu umgehen. Der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) meint: Der extra teure Tarif ist rechts­widrig. Die Gasag meint: Die Preis­erhöhung war nötig, um den damals extrem teuren Einkauf von Gas für die Neukungen zu finanzieren.

Wie urteilte das Kammerge­richt?

Die für die Grund­versorgung zuständigen Energieversorger haben nicht das Recht, verschiedene Grund­versorgungs­tarife einzuführen, urteilte das Kammerge­richt. Es urteilte wie der Verbraucherzentrale Bundes­verband und die Stiftung Warentest es für richtig halten: Sinn und Zweck der Grund­versorgung ist es, alle Gaskunden zu einem fair kalkulierten Preis zu versorgen. Das schließt es aus, von Neukundinnen und Neukunden mehr Geld zu verlangen als von Kunden sonst.
Kammerge­richt Berlin, Urteil vom 21.03.2025
Aktenzeichen: MK 1/22 EnWG

Ist das Urteil rechts­kräftig?

Nein, die Gasag hat gegen das Urteil Revision einge­legt. Das Verfahren beim Bundes­gerichs­hof wird sich noch mindestens etliche Monate hinziehen.

Was nützt mir die Muster­fest­stellungs­klage?

Hat das Urteil des Kammer­gerichts konkrete Folgen für mich?

Ja, wenn Sie im fraglichen Zeitraum zum Beispiel durch die Pleite Ihres ursprüng­lichen Gasversorgers in die Gasag-Grund­versorgung gerutscht sind und die sündhaft teuren Neukunden-Preise zahlen mussten, können sie jetzt auf der Grund­lage des Urteils fordern, dass Ihnen die Differenz zum Grund­versorgungs­tarif ersetzt wird, den damals alle Grund­versorgungs­kunden zahlen mussten. Das gilt für Sie direkt und unmittel­bar, wenn Sie Ihre Rechte wirk­sam zur Muster­fest­stellungs­klage angemeldet hatten. Es gilt indirekt aber auch für alle anderen betroffenen Kunden, weil alle anderen Gerichte sich an der Beur­teilung des Kammer­gerichts orientieren werden. Nicht zur Muster­fest­stellungs­klage angemeldete Rechte auf Erstattung bereits im Jahr 2021 gezahlter Beträge sind allerdings verjährt, sofern Sie nicht andere recht­liche Schritte wie ein Schlichtungs-, gericht­liches Mahn- oder Klage­verfahren einge­leitet haben, um die Verjährung zu stoppen. Die Erstattung ab 1.1.2022 gezahlter Beträge ist noch nicht verjährt und in jedem Fall durch­setz­bar.

Was muss ich jetzt unternehmen?

Wird die Gasag mir das rechts­widrig gezahlte Geld auto­matisch erstatten?

Dazu hat sich die Gasag noch nicht geäußert. Das Urteil zwingt sie dazu nicht. Das Unternehmen kann abwarten, bis betroffene Kunden Erstattung fordern. Bevor das Verfahren rechts­kräftig abge­schlossen ist, wird das Unternehmen vermutlich nicht zahlen.

Wie fordere ich wirk­sam Erstattung?

Schreiben Sie per Einschreiben mit Rück­schein an die Gasag:

[Absender]

An Gasag
EUREF-Campus 23–24

10829 Berlin


Meine Kunden­nummer bei Ihnen: NNN
Meine Gaszählernummer: NNN


Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben von mir für die Grund­versorgung mit Gas von [Monat/Jahr] an bis [Monat/Jahr] besonders hohe Preise für Neukunden in der Grund­versorgung kassiert. Das hat das Kammerge­richt Berlin mit Urteil vom 21.03.2025, Aktenzeichen: MK 1/22 EnWG als rechts­widrig beur­teilt. Sie haben mir die rechts­widrigen Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB heraus­zugeben. Sie haben mir gem. § 818 Abs. 1 BGB außerdem heraus­zugeben, was sie mit den von mir erbrachten Leistungen, für die es keinen Rechts­grund gab, erwirt­schaftet haben.

Zahlen Sie den danach fälligen Betrag bis spätestens
[Datum mindestens zwei Wochen nach Zustellung Ihres Schreibens]
durch Über­weisung auf mein Konto [Ihre IBAN] bei der [Ihre Bank oder Sparkasse, BIC: NNN]

Verzichten Sie zumindest verbindlich darauf, die Einrede der Verjährung zu erheben. Ich werde ansonsten recht­zeitig recht­liche Schritte einleiten, um mein Recht auf Erstattung rechts­widriger Zahlungen gegen Sie durch­zusetzen.

Grüße,

[Unter­schrift]

Bewahren Sie den Zustell­nach­weis auf. Wappnen Sie sich mit Geduld. Wichtig, wenn Sie Ihre Rechte nicht zur Musterklage angemeldet haben: Sollte die Erstattung bis Ende Oktober ausbleiben, denken Sie daran, entweder die Schlichtungsstelle Energie einzuschalten oder einen Anwalt oder Anwältin zu beauftragen, Ihre Forderung durch­zusetzen. Am 31.12.2025 verjährt Ihr Recht auf Erstattung von im Jahr 2022 geleisteter Zahlungen. Bedenken Sie, dass Sie oder Ihr Anwalt etwas Zeit brauchen, um die Schlichtung einzuleiten oder gericht­liche Schritte in die Wege zu leiten. Beides muss recht­zeitig bis spätestens Silvester erfolgen.

Weitere Einzel­heiten

Wo erfahre ich weitere Einzel­heiten zur Gasag-Musterklage?

Der vzbv informiert unter www.musterfeststellungsklagen.de/gasag. Die amtlichen Informationen zur Klage bekommen Sie im Musterfeststellungsklageregister des Bundesjustizamts. Sie sind aber für Laien kaum verständlich.

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252 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 12.05.2025 um 12:32 Uhr
    www.wbs.legal/i/dl-facebook

    Danke für den Hinweis. Richtig ist:
    www.wbs.legal/i/dl-facebook

  • Mika_der_Wikinger am 10.05.2025 um 21:00 Uhr
    falscher Link im Text

    Hallo,
    leider ist im Text: "Prüfen Sie, ob Sie betroffen sind. Das geht zum Beispiel unter wbs.legal/i/dl-facebook. " der hinterlegte Link nicht korrekt.
    Fehlermeldung: "Seite wurde nicht gefunden - Die Verbindung mit dem Server .www.wbs.legal schlug fehl."
    Vielen Dank fürs Beheben!
    Mit freundlichen Grüßen

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 19.11.2024 um 13:27 Uhr
    Frage zu den Sammelklagen

    @mirkli2012: Nein, das haben noch viel mehr Sparkassen gemacht.
    Nur für die hier genannten gibt es Musterklagen. Alle Einzelheiten zum Thema mit Tipps und Rechner:
    www.test.de/praemiensparvertrag

  • mirkli2012 am 18.11.2024 um 16:58 Uhr
    Frage zu Sammelklagen wegen Sparkassen-Prämienspar

    Guten Tag,
    gibt es außer den 18 genannten Sparkassen auch noch andere, die bei Prämiensparverträgen möglicherweise unrechtmäßig an den Zinsen für Kunden gespart haben? Oder handelt es sich um eine abgeschlossene Auflistung?
    Mit freundlichen Grüßen

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 27.05.2024 um 10:59 Uhr
    Verbraucherhero

    @Mangelhafd: Wir haben Verbraucherhero nicht getestet.

    Selbstdarstellung des Portals:
    "Verbraucherhero ist eine innovative Verbraucherplattform, die es Verbrauchern ermöglicht, komplexe Rechtsthemen leicht verständlich zu erfassen. Innerhalb der Plattform bietet Verbraucherhero umfassende Informationen zu verschiedenen wichtigen Themen aus dem Verbraucherrecht. Durch die Weitergabe von Wissen, sowie die Vermittlung an die richtigen Experten befähigt die Plattform Verbraucher, ihre Rechte im Alltag erfolgreich durchzusetzen und sich effektiv vor rechtlichen Herausforderungen zu schützen."

    Zu Themen, zu denen es eine Sammelklage gibt, haben wir dort aktuell keine Informationen gefunden.