
Von wegen Hülle und Fülle. Verantwortungsvoller Fischkauf wird immer schwieriger. Viele Bestände in den Weltmeeren dürfen nicht mehr in großem Stil befischt werden.
Alaska-Seelachs, Lachs, Thunfisch, Hering – diese Fischarten kommen in Deutschland am häufigsten auf den Tisch. Guten Gewissens können Fischliebhaber aber nur noch wenige Arten essen. Überfischung, Umweltverschmutzung und Klimawandel setzen den Fischen zu. Hier lesen Sie, welche Arten bedroht sind, wo der Kauf noch akzeptabel ist – und wie sich Fisch aus dem Meer von Zucht-Fisch unterscheidet. Und Sie erfahren, was die Siegel auf Fischprodukten bedeuten.
- EU-Fischereipolitik – keine Erholung in Sicht
- Bildergalerie: So steht es um beliebte Speisefische
- Sorgenkinder: Kabeljau und Hering
- Zuchtbetriebe – die nachhaltigere Alternative?
- Die Siegel auf Fischprodukten verstehen
- Fischratgeber von WWF und Greenpeace
- Frischen Fisch erkennen, Keime und Schadstoffe umgehen
- Auswirkungen des Klimawandels
EU-Fischereipolitik – keine Erholung in Sicht
Gesunde Omega-3-Fettsäuren, viel Eiweiß, Jod, Vitamine und guter Geschmack: Fisch gilt als hochwertig und gesund. Der Deutschen liebster Fisch ist der Alaska-Seelachs, gefolgt von Lachs, Thunfisch, Hering und Garnelen. Nach Angaben des Fisch-Informationszentrums lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Fisch und Meeresfrüchten in Deutschland 2019 bei 13,3 Kilogramm – etwas niedriger als im Vorjahr. Weltweit wird er derzeit auf durchschnittlich 21 Kilogramm geschätzt. Die Stiftung Warentest untersucht regelmäßig Fisch und Meeresfrüchte auf Frische, Qualität und Schadstoffe, darunter Lachsfilets, Thunfisch und Garnelen, ebenso themenverwandte Produkte wie Fischölkapseln.
Weltweiter Fischbedarf hat die Meere erschöpft

Die seit Jahrzehnten steigende Nachfrage hat Schattenseiten: Die Meeresbestände sind vielerorts erschöpft. Wie sehr, verdeutlicht der Report zum Zustand des weltweiten Fischfangs und der Aquakulturen, den die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) regelmäßig veröffentlicht (The State of World Fisheries and Aquaculture). Demnach sind derzeit schätzungsweise 34 Prozent alle Fischbestände in den Weltmeeren bedroht. Das heißt: Es wurde über längere Zeit mehr Fisch gefangen, als nachwachsen konnte. 1974 lag diese Zahl noch bei 10 Prozent. Rund 60 Prozent der Bestände werden heute bereits bis zu der maximalen Grenze befischt, die noch als nachhaltig gilt.
EU-Ziel: Ausschließlich nachhaltiges Fischen
Die EU hatte sich im Rahmen ihrer gemeinsamen Fischereipolitik ein hehres Ziel gesetzt: Bis 2020 sollten sich die Fischbestände in den europäischen Gewässern erholen und ausschließlich nachhaltig befischt werden. Dazu werden für Fanggebiete wie Nordost-Atlantik, Nordsee und Ostsee jährlich Fangquoten für wirtschaftlich bedeutende Fischarten festgesetzt. Grundlage für die Quoten sind Vorschläge der EU-Kommission, die sich auf die wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) stützen.
Europas Fischbestände – keine Erholung bis 2020
Doch nach Auslaufen der Frist ist klar: Das Ziel wurde klar verfehlt, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Kontrollen auf See. Vielen Beständen in Nord- und Ostsee geht es schlechter denn je. „Eine verpasste Chance für gesunde Ökosysteme und Verbraucher, die guten Gewissens Fisch kaufen wollen“, sagt Stella Nemecky, Referentin für EU-Fischereipolitik bei der Umweltschutzorganisation WWF. Sie kritisiert die EU-Fischereipolitik als kurzsichtig: „Nach viel zu kurzer Erholungsphase sind zum Beispiel die Fangquoten für den Kabeljau-Bestand in der Nordsee viel zu früh angehoben worden – um 2020 wieder um 60 Prozent gekürzt zu werden. Man hofft, so den erneuten Bestandszusammenbruch noch abzuwenden.“
Strengere Fangquoten für die Ostsee
Immerhin: Die für 2021 verabschiedeten Fangmengen für die Ostsee lassen hoffen. „Die EU-Fischereiminister haben dieses Mal wohl den Ernst der Lage erkannt“, so Nemecky. Mehr als sonst seien sie den wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung gefolgt. Ergebnis: Hering und auch Dorsch – so heißt der Kabeljau in der Ostsee – dürfen nicht in großem Stil befischt werden.
Quoten für Nordsee durch Brexit erschwert
Für die Nordsee und den Nordostatlantik wurden nur vorläufige Fangquoten für Hering, Scholle, Seelachs und Co vereinbart, die vorerst bis Ende März 2021 gelten. Grund waren die Brexit-Verhandlungen: Die EU und Großbritannien mussten neue Vereinbarungen treffen, wie viel EU-Fischer künftig in britischen Gewässern fangen dürfen. Nach Angaben der EU-Kommission konnten die Briten sich hier mit ihren Forderungen nicht durchsetzen: Die EU muss ein Viertel ihrer Fangquoten an Großbritannien zurückgeben, gestaffelt über fünfeinhalb Jahre – die Briten hatten deutlich mehr gefordert. Die EU-Fangquoten bis Ende März 2021 orientieren sich größtenteils an denen des Vorjahres. Ausnahmen mit höheren Fanganteilen gelten für Makrele, Blauen Wittling und Stöcker, da diese Bestände gerade zu Anfang des Jahres befischt werden, teilte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit.
Unerwünschten Beifang vermeiden
Ein weiteres Problem ist unerwünschter Beifang – Fische, Seevögel, Haie oder Schildkröten, die unbeabsichtigt mit im Netz landen. Zum 1. Januar 2019 trat in der EU ein Rückwurfverbot für Beifang alle EU-Fischereiflotten in Kraft. Es gilt nur für Fischarten, für die es eine Quote gibt. Jetzt muss der Beifang an Land gebracht werden und wird auf die Fangquote mit angerechnet.
In der Praxis funktioniert das aber nicht. Noch immer wird Beifang ins Meer geworfen und nicht registriert. „Es gibt zu wenig Seekontrollen“, moniert Stella Nemecky vom WWF. „Vor allem haben die Kontrolleure keine handfesten Beweise, nur Indizien, dass quotierter Fisch illegal zurückgeworfen wird. Was wir brauchen, ist eine Kameraüberwachung auf den Schiffen.“
Zerstörerische Fangmethoden
Auch bestimmte Fangmethoden können die Bestände und den Meeresboden schädigen. Etwa so genannte Baumkurren – eine Art Grundschleppnetz, das beim Fang von Garnelen oder Plattfischen wie Schollen zum Einsatz kommt und auf Kufen über den Meeresboden gezogen wird. Scheuchketten sorgen dafür, dass eingegrabene Fische aufgeschreckt werden.
Nachhaltiger Fischkauf erfordert Detail-Infos
Wer beim Fischkauf auf Nachhaltigkeit achten möchte, hat es nicht leicht, sich im Handel zu orientieren. So ist bei Wildfischen in der Regel nicht eine komplette Fischart von Überfischung betroffen, sondern einzelne Bestände in unterschiedlichen Fanggebieten. Detaillierte Informationen zu einzelnen Fischarten und -beständen bietet die Webseite Fischbestände Online des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts.
Bildergalerie: So steht es um beliebte Speisefische

Von Aal bis Wittling. Nicht jeder Fisch ist aus ökologischer Sicht gleich empfehlenswert. Klicken Sie in die rechte untere Ecke, um die Bildergalerie zu starten.
Quellen: WWF (wwf.de/fischratgeber), Thünen-Institut für Ostseefischerei (fischbestaende-online.de).

Finger weg! Europäischer Aal. Laut Weltnaturschutzunion ist er vom Aussterben bedroht. Ihm schaden Überfischung, verbaute Flussläufe, dreckige Gewässer.

Finger weg! Wittling. Bestände im Nordostatlantik leiden an hoher Sterblichkeit oder sind überfischt. Wissenschaftler empfehlen einen Fangstopp.

Darf auf den Teller: Karpfen. Wird oft in Teichen gezüchtet. Ökologisch unkritisch: Anspruchslos, braucht kaum Fischmehl, belastet kaum Gewässer.

Darf auf den Teller: Regenbogenforelle. Unkritisch aus Zucht nach ASC- oder Bio-Kriterien. Wichtig sind nachhaltige Futterquellen: verbraucht viel Fischmehl und -öl.

Nur eingeschränkt empfehlenswert: Alaska-Seelachs. Bestände im Nordpazifik werden nachhaltig bewirtschaftet, außer in Teilen der westlichen Beringsee. MSC-Logo ist ein Muss.

Nur eingeschränkt empfehlenswert: Atlantischer Lachs. Wildbestände sind meist voll befischt oder überfischt. Besser: aus Zucht nach ASC-, EU-Bio- oder Naturland-Kriterien.

Nur eingeschränkt empfehlenswert: Thunfisch (Echter Bonito). Wird oft mit Geräten gefangen, die viel Beifang erzeugen. Sollte nicht aus dem Ostpazifik kommen. MSC-Logo ist ein Muss.

Nur eingeschränkt empfehlenswert: Hering. In der Ostsee übernutzt, in der Nordsee teils auch. Auf das MSC-Logo achten. MSC-Hering könnte künftig aber rar werden.

Nur eingeschränkt empfehlenswert: Dorsch/Kabeljau. Dorsch aus der Ostsee muss geschont werden. Kabeljau aus dem Nordostatlantik sollte MSC-zertifiziert sein, könnte aber rar werden.
Sorgenkinder: Kabeljau und Hering
Dem Kabeljau geht es schlecht wie lange nicht
Die Kabeljau-Bestände sind so stark angeschlagen, dass die EU-Fischereiminister die Gesamtfangmengen deutlich kürzten: Für die Nordsee wurde die Gesamtfangmenge zuletzt halbiert – 2020 durften deutsche Fischer nur noch zirka 1 600 Tonnen Kabeljau aus dem Meer holen. Im westlichen Teil der Ostsee, wo der Kabeljau übrigens Dorsch heißt, dürfen deutsche Fischer 2021 gerade noch 853 Tonnen fangen. Im östlichen Teil ist das gezielte Befischen der Art weiterhin verboten. Nachwachsende Bestände brauchen mehr Zeit, um sich zu erholen.
Heringsbestände sind angeschlagen

Voll geladen mit Hering. Ein Fischer fährt mit prallgefüllten Stellnetzen über den Greifswalder-Bodden zurück zum Hafen.
Auch der Hering, eine äußerst wichtige Nahrungsquelle in nordeuropäischen Gewässern, muss sich weiter erholen. In der westlichen Ostsee dürfen deutsche Fischer 2021 nur rund 870 Tonnen Hering aus dem Meer holen – eine wiederholte drastische Kürzung. Vor zwei Jahren waren noch 5 000 Tonnen Hering erlaubt. In der Nordsee blieb die erlaubte Hering-Fangmenge von rund 39 000 Tonnen 2020 unverändert im Vergleich zum Vorjahr – damals war sie für den Nordteil um 40 Prozent gesenkt worden.
Seelachs: Erlaubte Fangmengen sinken
Beim Seelachs mussten Nordsee-Fischer 2020 eine Reduzierung der Fangmenge um 15 Prozent hinnehmen – im Vorjahr war die Quote noch erhöht worden. Immerhin blieb die erlaubte Gesamtfangmenge für Scholle und Sprotte in Ostsee in etwa stabil.
Wissenschaftler fordern stärkere Einschränkungen
Umweltschutzorganisationen kritisieren seit Längerem das kurzsichtige Senken und Anheben der Quoten für einzelne Fischarten. Sie fordern, dass die EU-Fischereiminister den Ratschlägen der Wissenschaftler vom ICES folgen und notwendige drastische Kürzungen oder gar Fangverbote erlassen. Aus Rücksicht auf das Einkommen der Fischer würden den Mitgliedsstaaten aber immer wieder zu hohe Fangmengen genehmigt werden.
Künftig weniger Fisch mit MSC-Logo
Die negative Entwicklung hat Konsequenzen für das wichtigste Siegel für Wildfisch: das des Marine Stewardship Council, kurz MSC (Die Siegel auf Fischprodukten verstehen). Zunehmend verlieren Fangbetriebe ihr MSC-Zertifikat, da eine nachhaltige Befischung unmöglich wird, darunter Herings- und Kabeljau-Fischereien in Ost- oder Nordsee. Ende 2020 kommen weitere Betriebe im Nordostatlantik hinzu. Als einen Grund sieht der MSC fehlende internationale Abstimmungen.
Streit um Fangquoten
So konnten sich bis Ende 2020 wichtige Küstenstaaten wie Norwegen, Island, Großbritannien und die EU nicht auf die Verteilung von Quoten einigen. „Ökosysteme müssen als Ganzes über ihre nationalen Grenzen hinaus verwaltet und bewirtschaftet werden“, sagt Stefanie Kirse, Leiterin des MSC in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Folge: Es wird weniger MSC-Fisch auf den Markt kommen. „Wenn die atlanto-skandischen Heringsfischereien und Fischereien auf Blauen Wittling ihr Zertifikat verlieren, werden automatisch auch die MSC-zertifizierten Anlandungen in Deutschland sinken, da diese Fischereien einen großen Anteil in der deutschen Hochseefischerei haben“, bestätigt Stefanie Kirse den Trend.
MSC könnte strenger sein
Während der MSC überzeugt ist, dass seine Zertifizierungsauflagen dazu beitragen, dass sich das Management von international bewirtschafteten Fischbeständen verbessert, wünschen sich Umweltorganisationen wie der WWF mehr Engagement. Sie sehen den MSC mehr in der Pflicht und kritisieren, seine Anforderungen an Fangbetriebe seien nicht streng genug. Auch die Stiftung Warentest hat 2018 die Aussagekraft des Siegels untersucht und gelangte damals zu einem durchwachsenen Fazit (Die Siegel auf Fischprodukten verstehen).
Zuchtbetriebe – die nachhaltigere Alternative?

Farmbetrieb in Norwegen. Das skandinavische Land hat ideale Bedingungen, um Lachs zu züchten.
Zukunftsprojektionen gehen davon aus, dass die weltweite Fangausbeute deutlich zurückgehen wird. Die Fischzucht, Aquakultur genannt, wird noch weiter an Bedeutung gewinnen. Schon heute stammt knapp die Hälfte des weltweit verzehrten Fischs aus Zuchtbetrieben. Laut der Welternährungsorganisation FAO wachsen Aquakulturen seit 2001 jährlich um rund fünf Prozent. 2018 erreichte die weltweite Produktion einen neuen Höchstwert von 114 Millionen Tonnen Lebendgewicht. Zuchtkriterien gibt es inzwischen viele: von Algen über Nilbarsch bis zu Kaviar (Kaviar: Zucht schont Geldbeutel und wilden Stör).
Deutsche Zuchtbetriebe haben Potenzial
Wie wäre es mit Karpfen, Forelle, Saibling oder Wels aus deutschen Teichen oder Flüssen? Vor allem die Zucht von Karpfen, Regenbogen- oder Lachsforelle gilt als unkritisch. Auch eine Option: Muscheln von der deutschen Nordseeküste. Ihre Produktion ist 2019 um über 40 Prozent gewachsen. Bisher decken die rund 2 500 deutschen Zuchtbetriebe weniger als drei Prozent des hiesigen Fischkonsums. Das muss nicht so bleiben: „Deutschland verfügt bezüglich Wasser, Fläche, Technik, Know-how und Kaufkraft über genügend Ressourcen, um die Produktion mit nachhaltigen Verfahren deutlich zu erhöhen“, sagt Fabian Schäfer, Forscher am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und und Redakteur der Informationsplattform aquakulturinfo.de. Die Produktionskosten hierzulande seien jedoch höher als im Ausland, wo häufig geringe Sozial- und Umweltstandards gelten.
Belastung für die Umwelt
Die Zucht kann negative Auswirkungen für die Umwelt haben. Zuchtfische wie Lachs und Forelle benötigen tierisches Futter – meist Fischmehl und Fischöl aus Wildbeständen. Um ein Kilogramm Lachs zu erzeugen, sind immerhin knapp ein Kilogramm Wildfisch nötig. Zudem können Chemikalien oder Antibiotika umliegende Flüsse und Meere belasten. Für den Aufbau von Zuchtfarmen werden mancherorts zudem wertvolle Lebensräume zerstört – etwa Mangrovenwälder für die Shrimp-Zucht in tropischen Gebieten.
ASC-Produkte wählen
Wer es exotischer mag, Garnelen oder Tilapia aus Südostasien etwa, sollte vorzugsweise Produkte wählen, die nach Bio-Kriterien oder denen des Aquaculture Stewardship Council (ASC) erzeugt wurden (Siegel auf Fischprodukten verstehen). Hoch entwickelt sind beispielsweise auch Lachsbetriebe in Norwegen, wie unsere Recherchen vor Ort belegen (Produktionsbedingungen Lachs).
Die Siegel auf Fischprodukten verstehen
Fischsiegel – Marine Stewardship Council (MSC)

Im deutschen Handel findet sich auf vielen Wildfischprodukten das Siegel des Marine Stewardship Council (MSC). Derzeit gibt es rund 3 400 registrierte Produkte mit dem MSC-Logo in Deutschland. Das blau-weiße Logo soll garantieren, dass die Ware aus nachhaltiger Fischerei stammt. Der MSC wurde 1997 vom WWF und dem Lebensmittelkonzern Unilever ins Leben gerufen und ist unabhängig.
Für das Siegel müssen Fischereibetriebe nachweisen, dass sie nicht mehr Fisch fangen, als nachwachsen kann. Ihre Fangmethoden sollen angemessen sein und möglichst wenig Beifang produzieren. Bald aber könnte es weniger Fisch mit MSC-Logo geben: Bereits seit 2018 haben einige Fangbetriebe ihr MSC-Zertifikat verloren, darunter für Hering, Kabeljau und Makrele, weil die Bestände keine gesunde Größe mehr hatten oder nicht nachhaltig gemanagt wurden. Ende 2020 wird weiteren Betrieben das Zertifikat entzogen, die im Nordostatlantik Hering und Blauen Wittling befischen.
In einem Siegel-Check hat die Stiftung Warentest 2018 Ziele und Anforderungen des MSC überprüft, ob er Produkte mit seinem Logo zurückverfolgen kann. Fazit: Es ist gut, dass es das Siegel gibt, doch es könnte höhere Ansprüche stellen, um Überfischung effektiv zu unterbinden. Auch Umweltschutzorganisationen üben seit längerem Kritik. So fordert der WWF etwa, dass der MSC seine Richtlinien nachbessert und unabhängige Kontrollen verstärkt, um glaubwürdig zu bleiben.
Fischsiegel – Aquaculture Stewardship Council (ASC)

Das türkisfarbene Siegel des Aquaculture Stewardship Council (ASC) ist das Pendant zum MSC-Siegel für Zuchtfisch und hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Die ASC-Datenbank führt momentan rund 2 600 registrierte Produkte für den deutschen Markt auf. Der ASC hat bislang elf Standards für siebzehn Spezies entwickelt, darunter für Forellen, Garnelen, Pangasius, Tilapia und Muscheln.
Zuchtbetriebe müssen nachweisen, dass sie unerwünschte Auswirkungen auf die Umwelt und die Artenvielfalt aktiv reduzieren. Sie müssen beispielsweise die Wasserqualität einhalten und dürfen Antibiotika nur unter medizinischer Überwachung an erkrankte Tiere verabreichen. Der Standard umfasst auch soziale Kriterien: Betriebe müssen nachweisen, dass sie verantwortlich mit ihren Mitarbeitern umgehen.
Fischsiegel – Naturland Aquakultur

Der Bio-Anbauverband Naturland vergibt ein Siegel für Produkte aus ökologischer Aquakultur. Das Siegel gibt es mittlerweile für zahlreiche europäische Arten: Bachforelle, Regenbogenforelle, Saibling und Atlantischer Lachs, Karpfen, Miesmuschel, Mikro- und Makroalgen, Dorade und Wolfsbarsch. Für außereuropäische Arten gibt es das Siegel bei: Black Tiger Shrimps, Western White Shrimps, Tilapia und Pangasius.
Die Richtlinien der ökologischen Aquakultur besagen unter anderem, dass die Betriebe nur Fischmehl und -öl verwenden dürfen, das aus der Verarbeitung von Speisefischen stammt. Umliegende Ökosysteme sind zu schützen. Vorgeschrieben sind zudem niedrige Besatzdichten für die Zuchtfische sowie der Verzicht auf Gentechnik und Hormone. Naturland-Kriterien sind strenger als die EU-Öko-Verordnung.
Fischsiegel – Naturland Wildfisch

Auch für nachhaltig gefangenen Wildfisch vergibt der Öko-Anbauverband Naturland ein Siegel. Neben der Erhaltung von Fischbeständen und Ökosystemen umfassen die Richtlinien soziale Standards wie gerechte Arbeitsbedingungen. Derzeit arbeitet der Verband mit fünf nachhaltig arbeitenden Fischereien zusammen und bietet so zertifizierten Seelachs aus Deutschland an, Scholle aus Dänemark, Kabeljau aus Island, Thunfisch von den Azoren sowie Nilbarsch aus Tansania.
Bioland

Der Öko-Anbauverband Bioland zertifiziert bislang lediglich Karpfen. Der ist ein Friedfisch, also ein sich vegetarisch ernährender Fisch, und muss deshalb nicht mit Fischöl oder Fischmehl gefüttert werden. Das Siegel zeigt unter anderem an, dass eine geringe Besatzdichte eingehalten wird. Das Futter soll hauptsächlich aus dem Nahrungsaufkommen des Teiches kommen. Pflanzliche Biofuttermittel sollen nur ergänzend zugefüttert werden. Außerdem ist der Einsatz von Hormonen bei der Zucht verboten.
Das EU-Bio-Siegel

Seit Juni 2009 gibt es EU-weite Richtlinien für Bio-Aquakulturen, zu erkennen an dem EU-Bio-Siegel. Sie gelten für Fische, Krebstiere und Algen in Salz- und Süßwasser, darunter Lachs, Forelle, Seebarsch und Karpfen. Laut den Regeln soll Artenvielfalt gewahrt werden, das Laichen mithilfe künstlicher Hormone ist verboten. Das Fischfutter muss aus ökologischem Anbau stammen, kann aber durch Fischfutter aus nachhaltig betriebener Fischerei ergänzt werden.
Geschützte geographische Angabe (g.g.A)

In Deutschland dürfen derzeit sieben regional vorkommende Fischarten das blau-gelbe EU-Herkunftssiegel Geschützte geographische Angabe (g.g.A.) tragen. Es zeigt an, dass bei ihnen mindestens eine der Produktionsstufen – Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung – in der Herkunftsregion durchlaufen wird. Neben der Schwarzwaldforelle und dem Glückstädter Matjes sind das alles Karpfen-Spezialitäten: Aischgründer Karpfen, Fränkischer Karpfen, Holsteiner Karpfen, Oberlausitzer Biokarpfen sowie Oberpfälzer Karpfen. Regionale Erzeugung wirkt sich in den meisten Fällen positiv auf die Ökobilanz aus.
Fischratgeber von WWF und Greenpeace
Eine Orientierungshilfe für den nachhaltigen Fischkauf sind Fischratgeber von Organisationen wie dem WWF und Greenpeace. Sie informieren, welchen Fisch Verbraucher guten Gewissens verzehren können und auf welche Arten sie besser verzichten sollten. Die Empfehlungen gelten für einzelne Fischbestände in unterschiedlichen Fanggebieten. Da der WWF und Greenpeace teils unterschiedliche Bewertungsmethoden anwenden, können ihre Tipps bei einigen Fischbeständen voneinander abweichen.
Empfehlungen des WWF

Der WWF empfiehlt Verbrauchern bei Wildfisch meist, Produkte mit dem blauen Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) zu bevorzugen. Bei Zuchtfischen sollten sie auf das türkisfarbene Siegel des Aquaculture Stewardship Council (ASC) achten und auf Bio-Siegel (Die Siegel auf Fischprodukten verstehen). Nicht jeder Fisch ohne Siegel ist bedenklich – Verbraucher sollten dann allerdings darauf achten, aus welchen Beständen die Fische stammen. Es gibt eine Online-Version des WWF-Einkaufsratgebers, sie wird bei wichtigen Änderungen aktualisiert. Und sie kann als App heruntergeladen werden.
WWF: Diese Fische sind eine gute Wahl
Es gibt kaum noch Wildfische, die Verbraucher aus Sicht des WWF ruhigen Gewissens verzehren können. Die Scholle kann wieder auf den Teller, wenn sie in der Nordsee mit Kiemennetzen gefangen wurde, Wildlachs, wenn er aus dem Nordost-Pazifik vor Alaska oder Kanada kommt. Kabeljau empfiehlt der WWF nur dann, wenn er in der Nordost-Arktis mit Langleinen oder Kiemennetzen gefangen wurde. Nichts falsch machen Fischesser zudem mit Karpfen. Auch Forelle, Dorade, Lachs, Pangasius und tropische Garnelen aus Bio-Zucht sind eine gute Wahl. Der meiste Thunfisch aus Dosen stammt übrigens von der Thunfischart Echter Bonito und kann gegessen werden, wenn er im West-Pazifik mit Hand- oder Angelleinen gefangen wurde (mehr Infos in unserem Thunfisch-Test).
WWF: Diese Fische sollten nur zweite Wahl sein
Viele Fanggebiete verschiedener Fischarten stuft der WWF-Fischratgeber nur als „zweite Wahl“ ein – dort müssen sich die Bestände weiter erholen. So gibt es kaum noch unbedenkliche Fanggebiete für Dorsch, auch bei Seelachs ist die Auswahl schwerer geworden. Alaska-Seelachs aus Teilen des Nordwest-Pazifiks gilt nur noch als zweite Wahl, ebenso Makrele aus dem Nordost- oder Nordwest-Atlantik. Für alle diese Fischarten empfiehlt der WWF: Lieber Produkte mit dem Siegel des MSC kaufen.
Pangasius und Dorade stuft die Umweltschutzorganisation Fische dann als noch akzeptabel ein, wenn sie aus Zuchtstationen kommen, die Global-Gap-Kriterien beachten und damit einen Standard für gute Agrarpraxis anwenden. Noch besser sind Zuchtfische mit ASC- oder Naturland-Siegel. Lange Zeit galt Pangasius aus konventioneller Zucht als tabu. Aquakulturen in Asien hatten in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum erfahren. Pangasius aus thailändischer Zucht sollte immer noch gemieden werden.
WWF: Diese Fische lieber nicht kaufen
Gar nicht auf den Teller gehören laut WWF eine ganze Reihe an Fischen: Aal, Blauflossen- und Roter Thun, Dornhai, Granatbarsch, Grenadierfisch, Hai, Papageifisch, Rochen, Venusmuschel und Wittling. Ihr Fang sollte weltweit tabu sein, denn diese Arten sind stark gefährdet. Ebenso sollten Fischliebhaber Kabeljau meiden, falls er aus dem Nordpazifik oder dem Nordost-Atlantik – mit Ausnahme der Nordostarktis – stammt. Kabeljau aus der Nordostarktis ist derzeit unkritisch. Auch Rotbarsch wird vom WWF in die Kategorie Rot eingeordnet – außer er wurde in der Nordostarktis oder der Norwegischen See gefangen.
Empfehlungen von Greenpeace

Auch Greenpeace gibt Empfehlungen zum Kauf von Speisefischen. Verbraucher sollten bewusster und seltener Fisch essen und Fisch aus gesunden Beständen wählen, die mit schonenden Methoden gefangen wurden. Als Orientierung bietet die Umweltorganisation ebenfalls einen Fisch-Einkaufsratgeber an. Dieser wurde allerdings zuletzt 2016 veröffentlicht, ist also nicht auf dem aktuellsten Stand. Eine überarbeitete Fassung soll laut Greenpeace bis Anfang 2021 erscheinen.
Frischen Fisch erkennen, Keime und Schadstoffe umgehen

Auf die Augen achten. Bei frischen Tieren sind sie vorgewölbt und glänzen.
Ob Fisch frisch ist, können Verbraucher an bestimmten Merkmalen leicht erkennen. Was ist aber mit Keimen oder Schadstoffen aus dem Meer oder der Zucht? Unsere Tipps helfen bei der Orientierung.
Aufgetauten Tiefkühlfisch nicht wieder einfrieren
Tiefkühlfisch wird gleich nach dem Fang auf großen Fabrikschiffen bei minus 40 Grad Celsius gefrostet. Das bewahrt die Nähr- und Inhaltsstoffe, bis der Fisch in Pfanne oder Topf landet. Nach dem Auftauen sollten Sie den Fisch nicht wieder einfrieren, sondern schnell verbrauchen.
Frischer Fisch hat glänzende Augen und rote Kiemen
Frisch gefangener Fisch braucht in etwa drei bis vier Tage, bis er beim Fischhändler liegt. Richtig gekühlt in schmelzendem Eis bei Temperaturen zwischen 0 bis 2 Grad, kann er den Transport gut überstehen. Sie erkennen frischen Fisch an glänzenden, vorgewölbten Augen und leuchtend roten Kiemen. Der Fisch sollte zudem nicht auffällig fischig riechen. Ist die Ware frisch, verströmt sie eher einen unaufdringlichen Geruch nach Teich- oder Meerwasser. Achten Sie bei Fischfilets zudem auf eine glatte Schnittfläche. Wichtig: Roher Fisch hält sich im Kühlschrank nur einen Tag.
Keime und Parasiten im Fisch
Vorsicht, Listerien! Tiefkühlen sowie Erhitzen töten vorhandene Keime und Larven von Parasiten im Allgemeinen zuverlässig ab. Vorsicht ist aber bei rohem Fisch sowie gebeizten oder geräucherten Produkten angebracht. Gerade bei rohen, geräucherten oder gebeizten Fischerzeugnissen werden immer wieder erhöhte Keimmengen entdeckt, allen voran Listerien. Diese vermehren sich auch im Kühlschrank und sind geschmacksneutral.
Roher Fisch ist nichts für Risikogruppen. Vorsichtshalber sollten ältere und geschwächte Menschen daher generell auf Räucherlachs verzichten. Auch Schwangere sollten möglichst nur durchgegarten Fisch verzehren (So schützen Sie sich vor Krankmachern). In unseren Tests von Lachsfilets und Räucherlachs enthielten einige Wildlachsprodukte tote Fadenwürmer, Nematoden genannt. Diese Wurmleichen sind nicht gesundheitsgefährdend, aber unappetitlich. Ist ihre Anzahl sehr hoch, lautet das Urteil bei Tests der Stiftung Warentest in der Regel: Mangelhaft.
Schadstoffe aus dem Meer
Quecksilber, Kadmium oder Dioxin – regelmäßig gibt es Meldungen über hohe Schadstoffkonzentrationen in Fischen. In der Untersuchung von Garnelen fielen vier Produkte auf. Sie waren hoch mit Perchlorat und Chlorat belastet. Diese Schadstoffe könnten über chloriertes Trinkwasser oder Desinfektions- und Reinigungsmittel in die Meerestiere gelangen. In früheren Tests gab es keine Schadstoffprobleme (Räucherlachs, Lachsfilet, Geräucherte Forelle). Das liegt unter anderem daran, dass viele Fische so jung gefangen werden und sich noch keine Schadstoffe anreichern konnten. Bei älteren Raubfischen wie Thun- oder Schwertfisch können dagegen Kadmium oder auch Quecksilber in höherer Konzentration enthalten sein. Das ist vor allem für Schwangere und Kleinkinder gefährlich. 2016 haben wir Thunfisch auf einschlägige Schadstoffe untersucht.
Ethoxyquin in Zuchtfisch: Bedenklicher Zusatzstoff
Bearbeitetes Fischmehl. „Chemie in Speisefisch“, warnte Greenpeace 2016. Die Umweltschützer hatten in Proben von Zuchtfischen Ethoxyquin gefunden. Die Substanz kommt als Zusatzstoff für Fischmehl zum Einsatz und verhindert etwa, dass es ranzig wird. Sie kann sich im Fett von Tieren anreichern. Ethoxyquin steht unter Verdacht: Ein Umwandlungsprodukt zum Beispiel könnte das Erbgut schädigen. Das gilt auch für einen Stoff, der bei der Herstellung von Ethoxyquin entsteht.
2021 ist Schluss. Im Jahr 2017 verkündete die EU, den Zusatzstoff Ethoxyquin sowie alle damit hergestellten Futtermittel „so bald wie möglich vom Markt“ zu nehmen. Die Übergangsfrist für Fischfarmer endet 2020. Bis 2011 war Ethoxyquin in der EU auch als Pestizid für Obst zulässig. Auch im Test von Lachsfilets fanden wir in einigen Zuchtlachsen Rückstände von Ethoxyquin.
Auswirkungen des Klimawandels
Noch weitreichender sind für das Meer und seine Bewohner die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Gesunde Weltmeere sichern üblicherweise Millionen von Menschen Nahrung. Und sie nehmen einen beträchtlichen Teil des von der Menschheit ausgestoßenen atmosphärischen Kohlendioxids auf.
Ozeane puffern Klimawandel ab
„Der Ozean puffert zu unseren Gunsten den Klimawandel ab, etwa indem der Kohlenstoff in Form kleiner Teilchen in die Tiefsee absinkt und somit für bis zu tausend Jahre nicht wieder in die Atmosphäre gelangen kann“, sagt Dr. Jan Taucher vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Dadurch wird die Aufheizung des Klimas verlangsamt, andererseits führt die Lösung von CO2 im Meerwasser zur Versauerung der Ozeane.
Korallenriffe sterben ab
Noch ist unklar, wie Meerestiere auf die Veränderungen reagieren werden. Möglich ist, dass kleinere, schwache Tiere nachwachsen, Nahrungsketten unterbrochen werden oder dass sich Bestände in tiefere, entferntere Regionen zurückziehen, wo kein Küstenfischer sie erreichen kann. Einige Folgen sind schon sichtbar: Korallenriffe, Lebensraum für unzählige Meereslebewesen, beginnen abzusterben.
Meeresforscher stehen vor neuen Fragen

Mit XXL-Reagenzglas. Mit so genannten Mesokosmen haben Forscher vor der Küste Perus in dem Projekt Cusco die Kohlenstoffaufnahme des Meeres ermittelt.
Die Kompensationsprozesse der Meere sind allerdings komplexer als bisher angenommen. Das zeigt eine neue Studie von Geomar-Forschern. Mithilfe von Mesokosmen, einer Art überdimensionaler Reagenzgläser, haben sie in fünf Meereszonen der Welt untersucht, wie Planktongemeinschaften auf erhöhte Mengen an CO2 reagieren. „Der Transport von kohlenstoffhaltigen Teilchen in die Tiefsee kann je nach vorkommendem Plankton – pflanzlich, tierisch oder bakteriell – sehr unterschiedlich ausfallen“, sagt Dr. Jan Taucher. Mal sinke, mal steige der Kohlenstoffgehalt. Das bedeutet: Modelle, wie der Klimawandel sich auf den Ozean auswirkt, müssen neu berechnet werden.
Dieses Special wird regelmäßig aktualisiert. Letztes Update: 17. Dezember 2020.
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