Das Logo des Marine Stewardship Council (MSC) verspricht nachhaltig gefangenen Fisch. Die Stiftung Warentest hat geprüft, ob die Vorgaben reichen und umgesetzt werden.
[Update: 18.5.2022] Standard überarbeitet
Seit unserem Test 2018 hat sich der MSC weiterentwickelt. Im Garnelen-Test von 2022 gab er uns gegenüber an, seinen Rückverfolgungs-Standard überarbeitet sowie Anforderungen gegen Kinder- und Zwangsarbeit eingeführt zu haben.
30 Prozent der Bestände sind überfischt
Die Erdoberfläche ist zu rund 70 Prozent von Ozeanen bedeckt. Man könnte meinen, Fische finden darin genügend Schutz. Ihrem größten Jäger, dem Menschen, haben sie aber wenig entgegenzusetzen. Je beliebter ihre Art, desto stärker werden sie verfolgt. Moderne Boote sind so ausgerüstet, dass sie selbst den letzten Kabeljau oder Thunfisch in ihrem Umkreis noch aufspüren können. Was exzessiver Fang bewirken kann, merkte die Welt Anfang der 1990er Jahre: Vor Kanadas Küste gingen die Kabeljau-Bestände stark zurück. Tausende Fischer wurden arbeitslos, das von der Regierung erlassene Fangverbot für Kabeljau ist bis heute gültig. Nach Zahlen der Welternährungsorganisation FAO waren damals 25 Prozent der Bestände aller Speisefische überfischt, heute sind es etwa 30 Prozent.
3 300 Produkte in Deutschland

Verantwortungsvoll gefangenen Fisch verspricht das blau-weiße Siegel des Marine Stewardship Council. Die gemeinnützige Organisation wurde 1997 auf Initiative des Lebensmittelkonzerns Unilever und der Umweltorganisation WWF gegründet und ist seither unabhängig. Ihr Name lässt sich mit Rat für Meeresverantwortung übersetzen. In Deutschland, einem ihrer wichtigsten Märkte, ziert das MSC-Logo rund 3 300 wild gefangene Produkte: von Alaska-Seelachs bis Zander, von Austern bis Venusmuscheln, von Eismeergarnelen bis Hummer. Lohnt der Griff zu diesen Produkten? Wir befragten den MSC zu seinen Zielen und Anforderungen und prüften, ob er die gesamte Lieferkette für seine Produkte kennt – anhand von Wildlachsfilets mit MSC-Logo aus dem jüngsten Lachs-Test, test 3/2018.
Unser Rat
Greifen Sie bei Wildfang zu Fisch und Meeresfrüchten mit MSC-Siegel. Es handelt sich um Produkte von Fangbetrieben, die sich verpflichtet haben, Bestände zu schonen – bei Produkten ohne Siegel ist das nicht sicher. Vorgaben zu Tierwohl beim Fang oder zu Mindestlöhnen in den Betrieben macht der MSC aber nicht. Mehr zum Thema in unserem Ratgeber Fischkauf.
Orientierung an Gesetzen
Es ist gut, dass es den MSC gibt. Doch rundum überzeugen konnte uns sein Ansatz nicht. Zwar müssen Fischereibetriebe viele Nachweise erbringen, um das Siegel zu bekommen. Oftmals reicht es aber, wenn sie bestehende Gesetze zum Schutz der Fischbestände einhalten: Das MSC-Siegel im Check. Enttäuschend verlief unser Rückverfolgbarkeits-Check: Hier verspricht der MSC mehr, als er in der Stichprobe tatsächlich hielt. Eine echte Alternative haben Verbraucher nicht. Andere Siegel mit hoher Marktbedeutung beschränken sich auf Zuchtfisch. Hering oder Seelachs kommen aber ausschließlich aus Wildfang in den Handel.
Die EU kontrolliert wenige Schiffe
Übergreifende globale Regeln, wer wo wie viel fangen darf, existieren nicht, für internationale Gewässer gibt es bestenfalls Seerechtsabkommen zwischen Staaten. In vielen Meeresregionen wird teils unreguliert gefischt – etwa im Mittelmeer, wo derzeit 93 Prozent aller Bestände als überfischt gelten. 2017 hat sich ein Teil der Anrainerstaaten auf neue gemeinsame Regeln geeinigt. Für andere europäische Meere bestimmt die EU, was erlaubt ist. Ihr erklärtes Ziel: Die Fischbestände bis 2020 auf ein Niveau heben, auf dem sie dauerhaft stark befischt werden können. Doch nur wenige Schiffe werden an Bord oder im Hafen kontrolliert: In der Nordsee waren es 2016 zwei Prozent.
Fangbetriebe sollen besser werden
Die Kontrollen für das MSC-Siegel sind strenger: Fangbetriebe müssen sich jährlich von Gutachtern prüfen lassen. Diese sind zum Beispiel erfahrene Meeresbiologen; für ihre erste Zertifizierung brauchen sie bis zu 18 Monate. „Wo Fischereien sich noch verbessern können, werden ihnen Zertifizierungauflagen gemacht, damit sie in den Folgejahren immer noch ein Stück besser werden“, sagt Stefanie Kirse, Deutschland-Chefin des MSC. Wie die Fangbetriebe das schaffen, überlässt der MSC ihnen. Für ihn zählt das Ergebnis: keine Überfischung. Wer gegen die Regeln verstößt, kann suspendiert werden. 2016 traf das 17 der 290 lizensierten „Fischereien“ – so nennt der MSC einzelne Fischer oder Fangbetriebe, die gemeinsam in einem Gebiet denselben Bestand befischen.
Eine Frage des Ertrags
Wie gesund oder gefährdet ein Bestand ist, bestimmt der MSC nicht selbst. Er hält sich an Referenzwerte, etwa vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES), in den neben der Bundesrepublik Deutschland 19 weitere Staaten Vertreter entsenden. Als gesund bezeichnen die Wissenschaftler einen Fischbestand, der den „höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrag“ abwirft. Ein geschrumpfter Bestand bringt weniger Ertrag. Die Grenze, unterhalb der er kollabieren kann, heißt Bestandslimit.
Lässt der MSC Überfischung zu?
Wie viel Fisch maximal im Netz landen sollte, ist umstritten. „Die Regeln des MSC lassen Überfischung ausdrücklich zu“, sagt Rainer Froese, Meeresbiologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. „Viel zu kleine Bestände, außerhalb sicherer biologischer Grenzen, können trotzdem zertifiziert werden. Das ist das Gegenteil von vorbildlicher Fischerei.“ Aus Sicht von Greenpeace wurden bereits mehrere Bestände, für die das Siegel vergeben wurde, über sichere biologische Grenzen hinaus befischt. Im Jahr 2015 seien es mindestens fünf gewesen, darunter Seelachs aus der Nordsee und Wolfsbarsch. „Bis an das Bestandslimit zu fischen, macht ökologisch und ökonomisch keinen Sinn“, sagt Alexander Kempf, Meeresbiologe am Thünen-Institut für Seefischerei.“ Aber: „Das Aussterben eines Bestandes durch Meeresfischerei ist noch nie vorgekommen.“
Wo geschätzt wird, bleibt ein Risiko
Fakt ist: Überfischung lässt sich nur sicher ausschließen, wenn verlässliche Daten vorliegen. So wie beim Wildlachs. Erwachsene Tiere lassen sich auf dem Weg zu den Laichplätzen zählen. Liegen weniger verlässliche Daten vor wie beim Hering, schätzen Wissenschaftler die Zahlen. Es gibt zwar ein Frühwarnsystem, das signalisiert, wenn Bestände entgegen der Einschätzung schrumpfen. Bei großen Schwankungen greift es aber womöglich zu spät. Hier könnte der MSC ein stärkeres Vorsorgeprinzip einführen – die Marktmacht dafür hat er. Ebenso könnte er aktiver die Fischereipolitik beeinflussen. Künftig wird es nicht reichen, dass sich der MSC und andere Organisationen auf Fischbestände konzentrieren. „Es gibt Bedrohungen wie den Klimawandel, der zur Versauerung der Ozeane führt, und die Vermüllung der Meere“, sagt Alexander Kempf. „Hier stehen wir noch ganz am Anfang.“
Tipps
- Unter MSC-Siegel im Check lesen Sie, welche wichtigen Forderungen der MSC stellt – und was er nicht verlangt.
- Die Stiftung Warentest hat nicht zum ersten Mal einen Siegeltest durchgeführt. Schon 2016 hat sie fünf Nachhaltigkeitssiegel für Lebensmittel geprüft.
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- Fisch ist gesund, aber Überfischung und Klimawandel bedrohen die Bestände. Welche Arten können Fischfans guten Gewissens essen? Worauf sollten sie beim Einkauf achten?
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Das MSC-Siegel ist für mich wertlos geworden, nachdem ich gestern in der ARD-Mediathek des „Ersten“ das Video: „Das Geschäft mit dem Fischsiegel“ vom 23.04.2018 gesehen habe. (Verfügbar bis 23.04.2019). Ich halte mich nunmehr an den aktuellen Fischratgeber (2016) von Greenpeace und hoffe, damit nachhaltigen Fischfang zu unterstützen. Um eine umweltbewusste Wahl zu treffen, reicht es nicht zu wissen, welche Fischart ich am ehesten verzehren sollte. Ausschlaggebend sei es auch, wo und wie der Fisch gefangen oder gezüchtet wurde. Die praktische App unterstützt mich dabei im Laden bei der Orientierung der zahlreichen Fang- und Zuchtmethoden.