Es gibt Label von Handel, Fleischwirtschaft und Brancheninitiativen. Wir sagen, wofür sie stehen. Die neue Regierung plant eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung.
Wie viel Platz hatte das Huhn im Stall? Durfte das Schwein nach Belieben in Stroh wühlen? Hatte die Kuh Auslauf auf der Weide? Unter welchen Umständen Nutztiere leben, bevor sie als Wurst und Steak auf dem Teller landen, interessiert viele Deutsche.
Mehr als die Hälfte achtet auf Label
Beim Kauf von unverarbeitetem Fleisch ist 92 Prozent wichtig, wie das Tier gehalten wurde. Das geht aus dem Ernährungsreport 2021 hervor, für den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine repräsentative Befragung durchführte. 55 Prozent der Befragten achten beim Einkauf immer oder meistens auf Label zum Tierwohl. Sie können beim Einkauf von Fleisch weiterhelfen, ihre Vielzahl sorgt aber eher für Verwirrung. Welche gibt es und wofür stehen sie?
Im April 2019 haben mehrere große deutsche Lebensmittelhändler mithilfe der Initiative Tierwohl ein einheitliches, vierstufiges Kennzeichnungssystem eingeführt: Haltungsform. Aldi Nord und Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny sowie Rewe verwenden es für das Fleisch ihrer Eigenmarken und das von der Theke.
Vier Stufen von Stallhaltung bis Premium
Die Händler haben dafür nicht neue Tierwohl-Kriterien festgelegt, sondern ordnen bereits bestehende Tierwohl-Standards einer von vier Stufen zu (siehe Bild oben): von Stufe 1 „Stallhaltung“, die gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht, bis Stufe 4 „Premium“, zu der unter anderem Bio-Fleisch zählt. Das soll helfen, die Kriterien der bestehenden Siegel – die weiterhin auf der Packung zu finden sind – besser einschätzen zu können.
Markt ist in Bewegung
Der Lebensmitteleinzelhandel stellt sein Sortiment an Frischfleisch, wenn auch langsam, auf mehr Tierwohl um. Die Umweltorganisation Greenpeace fragt die Anteile am Fleischsortiment der Haltungsformen 1 bis 4 bei den großen Lebensmittelketten seit 2019 einmal jährlich ab. Das Ergebnis der Befragung von 2021: Aktuell dominierten im Handel mit 89 Prozent noch die zwei untersten Haltungsformen, mit einer Verschiebung von Haltungsform 1 zu Haltungsform 2. Aldi, Rewe und Penny wollen laut Selbstauskunft ab 2030 nur noch Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 verkaufen. Auch Lidl, Edeka und Netto Marken-Discount planen das, aber ohne genaue Zeitangabe.
Untersuchungen der Stiftung Warentest
Bei unseren Tests von Schweinenackensteaks sowie von Hähnchenschenkeln, hat sich gezeigt, dass sich Anbieter noch deutlicher fürs Tierwohl engagieren können. Bei den Untersuchungen haben wir neben der Fleischqualität auch die Produktionsbedingungen untersucht.
Merke: Je höher die Stufe, desto aufwendiger die Tierhaltung und desto teurer das Fleisch. Im Test von Hähnchenschenkeln etwa zeigte sich: Bio-Hähnchen aus Stufe 4 kostet etwa fünfmal mehr als Standardfleisch der Stufe 2. Fleisch der noch relativ selten vertretenen Stufe 3 kostete eineinhalb mal so viel wie das aus Stufe 2. Die besten Noten fürs Tierwohl bekamen Erzeuger, die ihre Tiere nach den Kriterien der Stufe 4 halten.
Initiative Tierwohl: Konzept von Wirtschaft und Handel
Die Initiative Tierwohl ist ein Zusammenschluss von Handel, Fleisch- und Landwirtschaft. Gegründet wurde sie 2015. Sie unterstützt Landwirte finanziell, wenn diese Maßnahmen zum Wohl von Mastschweinen, Hähnchen und Puten umsetzen, die über die gesetzlichen Standards hinausgehen.
Anforderungen an Tierhalter
Laut der Initiative nehmen 10 200 geflügel- und schweinehaltende Betriebe in Deutschland teil. Es gibt bestimmte Grundanforderungen, die jeder Tierhalter umsetzen muss – etwa indem er im Stall mindestens 10 Prozent mehr Platz schafft, Beschäftigungsmaterial wie Heu bereitstellt oder an einem Überwachungsprogramm zum Antibiotikaeinsatz teilnimmt. Betriebe, die Schweine halten, können zusätzliche Wahlkriterien umsetzen – unter anderem können sie den Stall aktiv kühlen und den Schweinen Scheuermöglichkeiten geben.
Keine Bio-Qualität
Die Kriterien der Brancheninitiative liegen weit unter den Ansprüchen für Bio-Fleisch. Das Kennzeichnungssystem der Supermarktketten sortiert Fleisch aus Betrieben der Initiative Tierwohl in Haltungsform 2 ein.
Tierschutzlabel: Orientierungshilfe des Tierschutzbundes
Auch das Tierschutzlabel gibt Verbrauchern seit Januar 2013 die Möglichkeit, Schweine- und Geflügelfleisch zu erkennen, das aus tiergerechter Produktion kommt. 2016 wurde das Programm auf Legehennen und 2017 auf Milchkühe erweitert, es sind also auch Eier und Milch mit dem Tierschutzlabel erhältlich. Inzwischen gibt es auch Rindfleisch mit dem Logo. Träger ist der Deutsche Tierschutzbund. Eine Übersicht für alle Tiere gibt die Broschüre Das Tierschutzlabel. Es gibt zwei Stufen: Eine Einstiegs- und eine Premiumstufe, beide gehen über gesetzliche Mindeststandards hinaus.
Einstiegsstufe mit einem Stern
Für Schweine fordert sie unter anderem Ställe mit Komfortliegebereichen, etwa 45 Prozent mehr Platz als das Gesetz vorschreibt und Beschäftigungsmöglichkeiten. Das Kupieren der Schwänze ist verboten. Bei Masthühnern soll zum Beispiel durch eine Begrenzung der täglichen Gewichtszunahmeverhindert werden, dass Tiere eingesetzt werden, die genetisch darauf getrimmt sind, sehr schnell zu wachsen. Bei Milchkühen ist unter anderem die Anbindehaltung verboten. Im Supermarkt entspricht das dann der Haltungsform 3.
Premiumstufe mit zwei Sternen
Bauern, die Fleisch dieser Stufe verkaufen wollen, müssen ihren Tieren Zugang zu Frischluft und Auslauf gewähren, mehr Platz und mehr Beschäftigung bieten. Im Supermarkt entspricht das dann der Haltungsform 4.
Bio-Siegel: Sie garantieren hohes Tierwohl
Grünes Blatt. Das Siegel entspricht der Haltungsform 4.
Das grüne Blatt des EU-Bio-Siegels steht seit 2012 auf allen Bio-Lebensmitteln, die in der EU gehandelt werden – auch auf Fleisch und Wurst. In den EU-Vorschriften für den ökologischen Landbau sind strenge Kriterien zum Thema Tierschutz festgelegt. Sie umfassen die Herkunft der Tiere, die verwendeten Futtermittel, die Krankheitsvorsorge und die tierärztliche Behandlung sowie Vorschriften zur Reinigung der Ställe.
Ökologischer Landbau
Artgerechte Tierhaltung ist das Leitbild im ökologischen Landbau. Neben dem EU-Bio-Standard gibt es noch die Kriterien der Bio-Anbauverbände. Auch sie umfassen Tierwohlstandards, die in einigen Punkten noch strenger sein können als die der EU. Größte Verbände sind Bioland, Naturland und Demeter.
Tipp: Unsere Nachhaltigkeitstests – etwa von Milch, Schweinefleisch oder Hähnchenfleisch – zeigen, dass sich Bioanbieter oft stark für den Tierschutz einsetzen. Für Tierfreunde ist daher Biofleisch im Vergleich zu konventioneller Ware die bessere Wahl.
Neuland ist ein Verein, der 1988 gegründet wurde. Landwirte, die ihre Tiere nach den Neuland-Richtlinien halten, produzieren kein bio-zertifiziertes Fleisch. Sie legen aber Wert auf eine besonders artgerechte Tierhaltung. Träger von Neuland sind der Deutsche Tierschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Nach dem Kennzeichnungssystem der Handelsketten entspricht Neuland-Schweinefleisch der Haltungsform 4.
Ab Januar 2022 will die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die Haltungsform der Milchkühe bei Milch und Milchprodukten transparenter machen. An der Entwicklung waren Landwirte, Molkereien sowie Lebensmitteleinzelhändler beteiligt.
Vier Stufen von Basis bis Gold
Das DLG-Tierwohl-Label hat vier Stufen: Basis, Bronze, Silber und Gold. Die Kriterien des Kennzeichnungssystems der Supermarktketten sind laut DLG auch in ihrem Programm enthalten. Milch mit den Auszeichnungen Silber und Gold kommt von Kühen, die auf die Weide können oder zumindest Kontakt zu Außenklima haben. Zu Stufe Gold zählt unter anderem die Bio-Haltung.
Neue Tierhaltungskennzeichnung: Pläne der Regierung
Die Ampelkoalition schreibt in ihrem Koalitionsvertrag, dass ab 2022 eine verbindliche Tierkennzeichnung eingeführt wird. Auch die Herkunft soll umfassend gekennzeichnet werden. Ziel seien außerdem verbindliche, EU-weit einheitliche Standards. In der Vorgänger-Regierung gab es seit 2017 Pläne für ein staatliches, aber freiwilliges Tierwohlkennzeichen. Sie waren gescheitert.
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Ich bin 60+, darum kann ich mich noch gut an die Anfangszeiten der Siegel erinnern. Seinerzeit gab es sehr wenige davon; die kamen aus überschaubaren und als seriös geltenden Quellen und hatten Aussagekraft. Und heute ? Da haben sich die Siegel durch ihre inflationäre Vermehrung doch praktisch selber abgeschafft. Wie viele gibts mittlerweile? 500 ? 600 ? 700 ?... und ständig kommen neue hinzu - mit doch meistens sehr überschaubarer "Aussagekraft" - weil Hersteller sie sich oft quasi selber verleihen dürfen. Kaum noch ein Produkt (auch außerhalb von Nahrungsmitteln) auf denen nicht gleich mehrere Siegel prangen ! Und natürlich ist gerade DAS allerneueste Siegel genau DAS, auf das die Welt gewartet hat. Fazit: Ich achte quasi nicht mehr auf Siegel, Grund siehe oben. Schade, weil dadurch sicher auch die (wenigen) aussagekräftigen in der Masse untergehen.
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Gut. Was ist denn "Lieblingsfleisch" für ein nicht geschütztes Siegel?
@Leberkässemmel: Bei "Lieblingsfleisch" handlelt es sich nicht um ein geschütztes Siegel.
Was ist denn "Lieblingsfleisch" für ein Siegel?
Ich bin 60+, darum kann ich mich noch gut an die Anfangszeiten der Siegel erinnern. Seinerzeit gab es sehr wenige davon; die kamen aus überschaubaren und als seriös geltenden Quellen und hatten Aussagekraft. Und heute ? Da haben sich die Siegel durch ihre inflationäre Vermehrung doch praktisch selber abgeschafft. Wie viele gibts mittlerweile? 500 ? 600 ? 700 ?... und ständig kommen neue hinzu - mit doch meistens sehr überschaubarer "Aussagekraft" - weil Hersteller sie sich oft quasi selber verleihen dürfen. Kaum noch ein Produkt (auch außerhalb von Nahrungsmitteln) auf denen nicht gleich mehrere Siegel prangen ! Und natürlich ist gerade DAS allerneueste Siegel genau DAS, auf das die Welt gewartet hat. Fazit: Ich achte quasi nicht mehr auf Siegel, Grund siehe oben. Schade, weil dadurch sicher auch die (wenigen) aussagekräftigen in der Masse untergehen.