Demenz und Alzheimer Leben mit Demenz bewusst gestalten

Demenz und Alzheimer - Leben mit Demenz bewusst gestalten

Stück um Stück weniger. Ähnlich wie Puzzle­teile gehen bei Demenz­erkrankungen zunehmend Teile des Gedächt­nisses verloren. © Getty Images

Die Zahl der Demenz­kranken steigt. Wir ordnen für Betroffene und Angehörige ein, was neue Mittel wie Lecanemab bringen – und sagen, wie gute Pflege gelingen kann.

Schusselig­keit oder Alzheimer: Die Krankheit erkennen

In Deutsch­land leiden laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,8 Millionen Menschen an Demenz, unter anderem an Alzheimer-Demenz, der häufigsten Form. Bis 2050 könnten nach Schät­zungen bis zu 2,8 Millionen Menschen betroffen sein – sollte es in der Prävention und Therapie keinen Durch­bruch geben.

Schusselig­keit oder Demenz?

Meist zeigt sich Demenz im höheren Lebens­alter und beginnt mit kleinen Vergess­lich­keiten: Die Geldbörse ist unauffind­bar, der Vorname des Schwiegersohns entfallen. Dass das Gedächt­nis im Alter nach­lässt, ist ganz normal.

Doch wenn sich Probleme im Alltag nicht mehr mit Schusselig­keit erklären lassen, sich etwa die verloren gegangene Fernbedienung im Tiefkühlfach wieder­findet oder das Kochen nicht mehr gelingt, können das Anzeichen für eine beginnende neurodegenerative Demenz sein, bei der die Nerven­zellen allmählich zerstört werden.

Der Verdacht sollte schnell ärzt­lich abge­klärt werden. Zwar sind demenzielle Erkrankungen bis auf wenige Ausnahmen nicht heil­bar, ihr Verlauf lässt sich aber häufig verzögern.

Zu Beginn: An komplizierten Tätig­keiten scheitern

Unabhängig von der Art der Demenz­erkrankung – es gibt mehr als 50 Formen – ist der Verlauf meist ähnlich: Zunächst fällt es Betroffenen schwer, sich für längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, an komplizierten Tätig­keiten wie beispiels­weise einer Steuererklärung scheitern sie.

Sie vergessen Gesprächs­inhalte nach kürzester Zeit, können sich keine Termine merken und verlegen Gegen­stände. Den Alltag können die meisten in dieser Krank­heits­phase noch bewältigen.

Mitt­lere Phase: Oft unruhig und aggressiv

In der mitt­leren Phase der Demenz werden die Gedächt­nislücken größer, auch schwindet die Erinnerung an länger zurück­liegende Ereig­nisse, oft auch der Orientierungs­sinn.

Das alles macht vielen Betroffenen große Angst. Sie sind verwirrt, erleben die Wirk­lich­keit verzerrt, werden miss­trauisch, häufig auch unruhig oder aggressiv. Die Persönlich­keit verändert sich. Manche ziehen sich völlig zurück, haben Depressionen und Schlafstörungen.

Spätes Stadium: Nichts geht mehr ohne Hilfe

Im Endstadium der neurologischen Krankheit kommen Demente ohne Unterstüt­zung nicht mehr zurecht. Sie können nur noch wenige Worte sprechen oder hören ganz auf zu reden.

Ihre Gesprächs­partner verstehen Demente nun kaum noch. Sie verlieren ihre motorischen Fähig­keiten, können etwa Stuhl- und Harn­drang nicht mehr kontrollieren und sich schließ­lich fast gar nicht mehr bewegen. Viele werden am Ende bett­lägerig.

Therapie: Gezielt behandeln und Zeit gewinnen

Demenz und Alzheimer - Leben mit Demenz bewusst gestalten

Miteinander. Nach der Diagnose Demenz sollten Betroffene und Angehörige gemein­sam entscheiden, wie es weitergeht. © Westend61 / Uwe Umstätter

Frühe Diagnose ist wichtig

Demenz­erkrankungen, die auf eine Schädigung der Nerven­zellen zurück­gehen, sind nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht heil­bar. Das Fort­schreiten etwa von Alzheimer lässt sich jedoch bis zu einem gewissen Grad verlang­samen. Daher ist eine frühe Diagnose wichtig. In späteren Stadien einer Demenz lässt sich kaum noch etwas ausrichten.

Ärzt­licher Rat sollte gesucht werden, wenn etwa die Vergess­lich­keit über gelegentliches Schlüssel­verlegen, Vergessen von Terminen oder Namen hinaus­geht.

  • Erste Anlauf­stelle sind Haus­arzt oder -ärztin.
  • Sie über­weisen dann gegebenenfalls an Neurologinnen oder Psychiater.
  • Eine weitere Option sind spezielle Gedächt­nissprech­stunden an Krankenhäusern.

Die Gedächt­nisleistung kann mit speziellen Tests geprüft, andere Krankheiten können ausgeschlossen werden – unter anderem mit Labor­unter­suchungen und bild­gebenden Verfahren wie Computer-Tomo­graphie oder MRT.
Tipp: Nehmen Sie zum Termin eine Liste aller Medikamente mit, die Sie regel­mäßig einnehmen. Verschiedene Arznei­mittel können als Neben­wirkung demenz­artige Beschwerden hervorrufen. Dann hilft möglicher­weise eine Anpassung der Medikation. Mehr dazu in unserem Beitrag Diese Medikamente sind im Alter riskant – inklusive Listen entsprechender Mittel und wie sie sich ersetzen lassen.

Mit Medikamenten und Therapien den Verlauf verzögern

Um Alzheimer und andere Demenz­erkrankungen besiegen zu können, wird welt­weit intensiv geforscht. Hier ein Über­blick zu aktuellen Erkennt­nissen und Studien:

Frühe Anzeichen nach­weisbar

Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen beob­achtet schon lange vor dem Auftreten erster Symptome für Alzheimer-Demenz im Gehirn Biomarker, die auf die Erkrankung hinweisen. Diese Erkennt­nisse könnten vor allem für die Erpro­bung neuer Medikamente nützlich sein. Sie wurden in der Fach­zeit­schrift Neuron veröffent­licht.

Zusammen­hang mit Covid-19

Das leicht erhöhte Risiko für eine Demenz bis zu zwei Jahre nach einer Covid-19-Erkrankung hat ein Team der Universität Oxford in einer Studie im Fachblatt The Lancet beschrieben, für die sie Daten von 1,3 Millionen Patienten und Patientinnen in den USA auswerteten. Bei den über 64-Jährigen erkrankten demnach 450 von 10 000 an Demenz, bei der gesunden Kontroll­gruppe waren es nur 330.

Schwerhörig­keit ein Risiko­faktor

Ein Neurowissen­schafts­team der Bochumer Ruhr-Universität fand heraus, dass Schwerhörigkeit eine Demenz begünstigen kann.

Atemaussetzer erhöhen Risiko

Eine Studie von Forscherinnen und Forschern der Universität Lausanne deutet darauf hin, dass mit obstruktiver Schlafapnoe – also regel­mäßigen nächt­lichen Atemaussetzern – ein erhöhtes Risiko für Demenz einhergehen könnte.

Demenz und Alzheimer - Leben mit Demenz bewusst gestalten

© Stiftung Warentest

Hilfe für Betroffene und Angehörige. Unterstüt­zung im Umgang mit Demenz bietet auf 176 Seiten unser 2024 erschienener Ratgeber Demenz. Nicht jetzt! (20 Euro) – inklusive Infos zu neuen Medikamenten, kognitiven Übungen für die Gedächt­nisfunk­tion und Anleitungen, um möglichst lange zu Hause leben zu können. Der Co-Autor und führende Demenz­experte Klaus Fließ­bach erläutert im Interview Nutzen und Risiken des Wirk­stoffs Lecanemab.

Große Hoff­nung in neue Wirk­stoffe

Wurde Demenz diagnostiziert, sollten Betroffene und Angehörige gemein­sam mit der Ärztin oder dem Arzt das weitere Vorgehen abstimmen. Oft helfen nicht-medikamentöse Therapien, die geistige und körperliche Leistungs­fähig­keit zu stärken und die Lebens­qualität zu erhöhen – darunter Gedächtnis­training, körperliches Training, Logopädie, Ergo­therapie, Kunst- und Musiktherapie. Was genau zum Einsatz kommen kann, hängt von den individuellen Einschränkungen, Möglich­keiten und Vorlieben ab.

Zudem können in manchen Fällen Medikamente helfen, etwa bestimmte Antide­pressiva und Anti­psychotika und spezielle Antidementiva wie Donepezil, Galantamin, Rivastigmin oder Memantin. Die vier Wirk­stoffe lindern Symptome und verlang­samen ihr Fort­schreiten, haben aber keinen Einfluss auf den Untergang von Nerven­zellen.

Lecanemab verlang­samt geistigen Verfall

Moderne Therapien mit Antikörpern wie Donanemab und Lecanemab wecken große Hoff­nungen, die ursächlich ins Krank­heits­geschehen eingreifen – darunter das Mittel Leqembi mit dem Antikörper Lecanemab. Es wird alle zwei Wochen per Infusion verabreicht und reduziert krankhafte Eiweiß­ablagerungen im Hirn von Betroffenen. Es wurde in einer klinischen Studie mit 1 795 Personen erfolg­reich erprobt und im Jahr 2023 von der amerikanischen Arznei­mittel­behörde FDA zugelassen. Im November 2024 zog die europäische Arznei­mittel­behörde EMA nach und empfahl die Zulassung in der EU.

Auch wenn Lecanemab ursächlich wirkt, bringt es nach jetzigem Forschungs­stand keine Heilung, sondern verlang­samt lediglich das Fort­schreiten der Erkrankung.

Die EMA erteilte für Lecanemab strenge Auflagen. Erhalten dürfen es nur Patienten, die an einem frühen Alzheimer-Stadium leiden und umfang­reich untersucht wurden. Für die Therapie sind regel­mäßig Checks im MRT erforderlich, um die Gefahr für schwere Neben­wirkungen wie Blutungen im Gehirn zu verringern.

Die Deutsche Gesell­schaft für Neurologie merkt in einer Pressemitteilung an, dass für den erfolg­reichen Einsatz des Mittels strukturelle Veränderungen in Deutsch­land nötig seien – insbesondere ein Ausbau der Früh­diagnostik und der fach­ärzt­lichen Kapazitäten für die aufwendige Behand­lung. Bis Leqembi hier­zulande zur Verfügung steht, dürfte es mehrere Monate dauern.

„Wir sind einen großen Schritt weiter“

Die Stiftung Warentest hat den Demenz­experten und Neurowissenschaftler Professor Klaus Fließ­bach zu Nutzen und Risiken des Wirk­stoffs Lecanemab befragt. Fließ­bach leitet die Gedächt­nis-Ambulanz am Universitäts­klinikum Bonn und forscht am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.

Professor Fließ­bach, die europäische Arznei­mittel­aufsicht EMA hat die Zulassung von Lecanemab empfohlen. Was bedeutet das für Alzheimer-Demenz­kranke? Gibt es Lecanemab bald auf Rezept?

Die Zulassung selbst muss durch die Europäische Kommis­sion noch bestätigt werden. Das wird voraus­sicht­lich Anfang 2025 der Fall sein. Doch die Behand­lung mit Lecanemab ist sehr aufwendig. Es handelt sich um Antikörper, die grund­sätzlich nicht oral verabreicht werden können, das heißt, es handelt sich nicht um Tabletten.

Inwiefern ist die Behand­lung aufwendig?

Patientinnen und Patienten bekommen alle zwei Wochen eine intravenöse Infusion. Sie müssen zudem Kern­spintomografien des Kopfes erhalten. Falls es zu schweren Neben­wirkungen kommt, muss außerdem eine Über­wachungs­station wie eine Stroke-Unit vorhanden sein. Daher wird die Behand­lung zunächst wahr­scheinlich nur in spezialisierten Kliniken erfolgen.

Kann Lecanemab eine Alzheimer-Demenz aufhalten oder sogar heilen?

Wir sind mit Lecanemab in der Behand­lung von Alzheimer einen großen Schritt weiter. Der Wirk­stoff zielt direkt auf die Ursache der Krankheit ab: Ablagerungen von Amyloide-Eiweißen im Hirn. Studien haben gezeigt, dass der Wirk­stoff diese Ablagerungen wirk­lich verringert. Der Verlauf der Symptome konnte dadurch in einem Zeitraum von 18 Monaten um circa sechs Monate verzögert werden. Zum Still­stand bringen kann der Wirk­stoff die Krankheit nicht, aber er kann sie verlang­samen.

Können alle Alzheimer-Kranke von der Behand­lung profitieren?

Die Krankheit muss sich in einem sehr frühen Stadium befinden. Bei einer schon fort­geschrittenen Demenz kommt die Therapie leider nicht mehr in Betracht. Außerdem gibt es eine Reihe von Ausschluss­gründen, die eine Behand­lung unmöglich machen, wie bereits vorhandene oder statt­gehabte Hirn­blutungen, die Einnahme starker Gerinnungs­hemmer oder sehr ausgedehnte chro­nische Durch­blutungs­störungen des Gehirns.

Kann mein Haus­arzt oder meine Haus­ärztin fest­stellen, ob ich für Lecanemab in Frage komme?

Nein. Unbe­dingte Voraus­setzung ist eine genaue Alzheimer-Diagnose, um die Eiweiß­ablagerungen nach­zuweisen und zu messen: entweder durch eine Lumbal­punktion oder eine Positronen-Emissions-Tomo­graphie, kurz PET. Das lässt sich in der Haus­arzt­praxis nicht machen.

Welche Risiken hat die Behand­lung?

Bei einem Teil der Patienten in den bisherigen Studien sind kleine Hirn­blutungen- oder Ödeme aufgetreten. Oft haben die keine oder nur geringe und vorüber­gehende Beschwerden verursacht. Bei einigen wenigen kann es aber möglicher­weise auch zu größeren Komplikationen mit dauer­haften Schädigungen wie etwa Lähmungs­erscheinungen kommen.

Wie sehen Sie die weitere Entwick­lung von Alzheimer-Therapien?

Die Antikörper-Therapien machen Hoff­nung, dass man neurodegenerative Erkrankungen ursächlich behandeln kann. Wie dauer­haft diese Effekte sind, und ob sich durch einen noch früheren Beginn der Behand­lung das Auftreten von Symptomen sogar voll­ständig verhindern lässt, müssen die kommenden Jahre zeigen. Möglicher­weise kommen auch andere Therapie­ansätze dazu, etwa gegen das Tau-Protein, das ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt.

Vorbeugen: Hirn und Herz auf Trab halten

Der größte Risiko­faktor für Alzheimer und Demenz ist das Altwerden – ein Prozess, der sich kaum aufhalten lässt. Doch ist geistiger Verfall keine unver­meidliche Folge des Alterns. Studien zeigen einen teil­weisen Zusammen­hang zwischen Demenz und ungesundem Lebens­stil. An seinen Gewohn­heiten kann jede und jeder etwas ändern – je früher, desto besser.

Was die Welt­gesund­heits­organisation empfiehlt

Die Welt­gesund­heits­organisation WHO hat die Leitlinie Risk Reduction of Cognitive Decline and Dementia heraus­gegeben. Sie enthält Maßnahmen aus zwölf Bereichen, die laut Stand der Wissenschaft das Risiko für Demenz­erkrankungen senken können. Eine Kern­aussage: Was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Hirn. Hier einige der WHO-Empfehlungen:

  • Viel bewegen. Körperliche Aktivitäten, wie Ausdauer- und Kraft­training, hilft laut WHO besonders, um der Krankheit vorzubeugen. Sport­liche Menschen würden seltener dement.
  • Blut­druck kontrollieren. Körperliche Bewegung wirkt unterstützend auch gegen hohen Blut­druck – einem der Risiko­faktoren für Demenz. Bluthochdruck sollte unbe­dingt behandelt werden.
  • Rauchen aufgeben. Die Expertinnen und Experten der WHO gehen mehr­heitlich davon aus, dass die im Tabak enthaltenden Substanzen das Gehirn direkt schädigen.
    Die Stiftung Warentest zeigt Möglich­keiten und Wege, wie Sie mit dem Rauchen aufhören können.
  • Alkohol­konsum einschränken. Alkohol hemmt die Über­tragung von Informationen zwischen den Nerven­zellen. Einer französischen Studie zufolge vervierfacht Alkoholmissbrauch das Risiko für eine Demenz.
  • Über­schüssige Kilos loswerden. Übergewicht kann zu hohem Blut­druck, Typ-2-Diabetes und Fett­stoff­wechsel­störungen führen, die wiederum Demenz­erkrankungen begüns­tigen. Was dabei helfen kann, lesen Sie in unserem Artikel über Diätkonzepte.
  • Hördefizite ausgleichen. Wer andere nicht mehr versteht, läuft Gefahr, sich zunehmend zu isolieren und so keine geistigen Anreize zu bekommen. Die Behand­lung von Schwerhörig­keit kann laut WHO das Demenzrisiko vermindern.

Abwechs­lungs­reiche Kost und soziale Kontakte

Auch eine große Studie aus China, erschienen im British Medical Journal, untermauert die Bedeutung eines gesunden Lebens­stils. Die Forschenden hatten auf Basis der Gesund­heits­daten von mehr als 29 000 Menschen ermittelt, dass die Kombination von mindestens vier der folgenden Lebens­stil­faktoren hilf­reich ist: gesunde Ernährung, kein Alkohol, keine Ziga­retten, pro Wochen mindestens 150 Minuten mäßige Bewegung oder mindestens 75 Minuten starke Bewegung sowie zwei aktive Sozial­kontakte und zwei kognitive Aktivitäten wie Karten­spielen. Eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch, Ei, Nüssen und Tee wirkte dabei am stärksten.

Wer in großer Runde genießt, tut zusätzlich etwas für ein fittes Gehirn. Durch soziale Kontakte macht man neue Erfahrungen, lernt Neues und tauscht sich intellektuell aus. Das alles wirkt sich positiv auf die geistige Regsamkeit aus. Diese Aspekte beleuchtet neben anderen eine Übersichtsarbeit der amerikanischen Agency for Health Care Research and Quality.

Betroffene: Auf Veränderungen einstellen und sie mitgestalten

In gewohnter Umge­bung bleiben

Die Diagnose Demenz ist für Betroffene ein einschneidendes Ereignis. Sie bedeutet jedoch nicht auto­matisch, dass ein selbst­ständiges Leben nicht mehr möglich ist. Im frühen Stadium der Krankheit können Demenz­erkrankte durch­aus weiter zu Hause wohnen bleiben. Ein vertrautes Umfeld ist sehr wichtig, es vermittelt Sicherheit und Stabilität.

Voraus­gesetzt, die Gegebenheiten in der Wohnung oder im Haus werden so angepasst, dass sich die Kranken sicher und geschützt fühlen, aber nicht fremd. Räume deshalb möglichst nicht verlegen und Möbel nicht austauschen, sondern nur da Änderungen vornehmen, wo etwa Stol­perfallen durch Türschwellen oder Teppiche lauern. Ein Hausnotrufdienst kann weitere Sicherheit verschaffen.

Klare Strukturen im Alltag geben Halt

Feste Schlaf- und Essens­zeiten strukturieren den Tag und unterstützen das selbst­ständige Leben. Ebenso wieder­kehrende Termine an bestimmten Wochen­tagen wie Friseur­besuche oder Verabredungen zum Karten­spielen – am besten einge­tragen in einen großen Wandkalender.

Jahre­lang gewohnte Routinen wie etwa das morgendliche Kaffee­kochen sollten beibehalten werden. Helfen können dabei einfache Anleitungen zur Zubereitung neben der Maschine oder Zettel an Schranktüren, die auflisten, hinter welcher sich etwa die Kaffee­bohnen oder die Tassen verbergen.

Soziale Kontakte aufrecht­erhalten

Das selbst­ständige Leben sollte nicht auf die Wohnung beschränkt bleiben: Der Austausch mit Angehörigen, Freunden und Nach­barn, Theater-, Konzert- oder Restaurant­besuche, Senioren­nach­mittage – das alles unterstützt die Selbst­ständig­keit und kann zudem einen schnellen Fortschritt der Krankheit verhindern.

Sich aus Scham oder falsch verstandener Rück­sicht­nahme immer weiter zurück­zuziehen, kann dagegen die Demenz verschlimmern.

Professionelle Hilfe annehmen

Ganz auf sich allein­gestellt kommen die wenigsten Demenz­erkrankten auf Dauer zurecht. Eine Möglich­keit der Unterstüt­zung bieten ambulante Pflege­dienste – etwa bei der Körper­pflege, der Medikamentengabe oder beim Putzen des Haus­halts.

Im Special Gesetzliche Pflegeversicherung und im Buch Das Pflege-Set erläutern Gesund­heits­experten der Stiftung Warentest, wie sich die Pflege organisieren lässt – unter anderem mit Tipps zur Bewältigung von Formalitäten und Infos zu finanziellen Ansprüchen und Eltern­unterhalt.

Wird mehr Hilfe notwendig, gibt es die Möglich­keit, dass eine Betreuungs­kraft mit im Haushalt lebt. Häufig kommen solche Hilfs­kräfte über Vermitt­lungs­agenturen aus dem Ausland. Wir haben untersucht, was für und gegen ausländische Hilfen spricht.

Wenn es zu Hause nicht mehr geht

Irgend­wann kommt oft der Zeit­punkt, an dem die pflegerische Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist. Im besten Fall haben Betroffene und Angehörige bereits vorher gemein­sam über­legt, wohin es nun gehen soll.

Alternativen zum klassischen Pfle­geheim sind zum Beispiel stationäre Haus­gemeinschaften mit Gemein­schafts­küche und -wohn­zimmer oder Pflege-WGs, in denen sich der Tages­ablauf an die Bedürf­nisse jedes Einzelnen anpassen lässt.

Welche Faktoren für die Entscheidung über das Leben jenseits der eigenen vier Wände eine Rolle spielen – etwa Kosten und unterschiedliche Zuschüsse der Pflegekassen –, haben wir im Special Wohnformen mit Versorgung zusammen­gestellt.

Voll­machten erteilen, Angelegenheiten regeln

Solange es ihnen noch möglich ist, sollten Erkrankte fest­legen, was geschehen soll, wenn sie nicht mehr selbst für sich sprechen können, wer sie in diesem Fall betreuen soll, wem sie die Voll­macht über ihre Finanzen geben wollen. Und was passieren soll, wenn sie ins Kranken­haus müssen.

Das Vorsorge-Set der Stiftung Warentest informiert über all das: Patienten­verfügung, Betreuungs­verfügung, Vorsorgevoll­macht und Testament. Je früher Betroffene ihre Angelegenheiten regeln, um so selbst­bestimmter können sie über ihr künftiges Leben entscheiden.

Check­liste für Betroffene: Das künftige Leben vorbereiten

  • Wie erlebe ich meine Situation, weiß ich alles über meine Krankheit?
  • Wohn­situation: Wo möchte ich leben, solange ich für mich selbst sorgen kann? Und wo, wenn ich das nicht mehr kann? Kommt ein Umzug infrage?
  • Wo liegen meine Grenzen beim Anziehen, Waschen, bei der Intim­pflege?
  • Wen wünsche ich mir als Hilfe, etwa bei Körper­pflege und Ankleiden?
  • Wem vertraue ich so, dass er oder sie Entscheidungen für mich treffen kann, wenn mir das nicht mehr möglich ist?
  • Was ist mir wichtig, was möchte ich noch erledigen und erleben? Was möchte ich auf keinen Fall?

Angehörige: Unterstützen und Grenzen bewahren

In Ruhe die nächsten Schritte planen

Nicht nur für Betroffene, auch für Angehörige, Freunde oder Bekannte ist die Diagnose Demenz häufig ein Schock, der sie unvorbereitet trifft. Wissen über die Krankheit kann helfen, Unsicherheiten und Ängste zu über­winden: An welcher Demenzform leidet der betroffene Mensch? Wie ist der weitere Verlauf und welche Therapie­möglich­keiten gibt es?

Wichtig ist, nichts zu über­stürzen und in Ruhe die nächsten Schritte zu planen. Dazu gehört, den Pfle­gegrad der dementen Person fest­stellen zu lassen, Pflegegeld zu beantragen – und vor allem die Entscheidung zu treffen, wer die Pflege über­nimmt.

Auch ob Umbauten in der Wohnung oder im Haus vorgenommen werden müssen oder sogar ein Umzug ins Heim ratsam ist, sollte geklärt werden. Zudem müssen diverse Leistungs­anträge zeit­nah gestellt und Verträge mit Anbietern von Pflege­leistungen geschlossen werden.

Tipp: Der Ratgeber Sofort Hilfe im Pflegefall der Stiftung Warentest hilft bei der Organisation der richtigen Pflege und erläutert, welche finanzielle Unterstüt­zung für pflegende Angehörige möglich ist. Weitere Informationen haben wir auf unserer Themenseite Pflege gebündelt.

Anspruch auf individuelle Beratung

Was viele nicht wissen: Menschen mit Demenz und deren pflegende Angehörige haben ein Recht darauf, sich von den Pflegekassen umfassend und individuell beraten zu lassen – entweder per Telefon oder Haus­besuch.

Pfle­gestütz­punkte bieten diese Beratung ebenfalls an. Für deren Einrichtung sind die Pflegekassen verantwort­lich – in eigener Trägerschaft oder in Koope­ration mit Verbraucher­verbänden, Kommunen, Wohl­fahrts­verbänden und Pflege­diensten.

Tipp: Wo sich der nächste Pfle­gestütz­punkt befindet, können Sie bei der Pflegekasse erfragen. Was die Pflege­versicherung kostet und was sie leistet, haben wir in einem Pflegeversicherungs-Special zusammengefasst.

Box Check­liste für Angehörige: Kann ich die Pflege über­nehmen?Titel

  • Wie erlebe ich die körperliche und geistige Situation der dementen Person? Welches Verhältnis habe ich zu ihr?
  • Meine Situation: Wie viel Zeit kann ich erübrigen? Kommt meine Familie nicht zu kurz? Bin ich bereit, meinen Beruf aufzugeben oder meine Arbeits­zeit einzuschränken? Kann ich mir das über­haupt leisten?
  • Wohn­situation: Kann ich mir vorstellen bei der dementen Person einzuziehen? Ist meine Wohnung oder ihre Wohnung beziehungs­weise ihr Haus dafür geeignet? Kommt ein Umzug infrage oder Umbauten?
  • Wo liegen meine Grenzen: Kann ich der dementen Person beim Anziehen, Waschen und der Intim­pflege helfen, eventuell auch Windeln wechseln?

Geduld üben im Umgang mit Demenz­kranken

Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfordern Zeit und Kraft. Mit fort­schreitender Krankheit verändert sich ihre Sicht auf die Welt um sie herum, ihr Erleben und in der Regel auch ihre Persönlich­keit. Pflegende sollten die Kranken so annehmen, wie sie sind, denn sie können sie nicht ändern.

Wichtig ist es, die Bedürf­nisse und Wünsche der Dementen wahr­nehmen und darauf eingehen, Kritik und Zurecht­weisungen dagegen vermeiden. Dabei spielt Geduld eine große Rolle – auch in der Kommunikation. Für Menschen mit Demenz wird sie zunehmend beschwerlich, denn Wort­schatz und Aufmerk­samkeit schwinden.

Tipp: Wie die Kommunikation bei Demenz dennoch gelingen kann, wie Familie und Freunde die richtigen Gesprächs­themen finden und die Gesprächs­führung gestalten können, erläutern unsere Gesund­heits­experten.

Eigene Grenzen erkennen und sich helfen lassen

Auch wenn die Bereitschaft groß ist, sich um demente Angehörige zu kümmern: Viele unterschätzen, was das bedeutet und über­fordern sich. Auch im Interesse der Demenz­kranken dürfen die Pflegenden ihr physisches und psychisches Wohl nicht vernach­lässigen, sollten ihre Grenzen realistisch einschätzen und recht­zeitig Hilfe annehmen.

Einen dementen Menschen zu begleiten, bedeutet meist einen schmerzhaften Abschied auf Raten haut­nah mitzuerleben. Das kann psychisch und emotional eine große Belastung sein.

Für die seelische Gesundheit bieten Angehörigen- oder Selbst­hilfe­gruppen die Möglich­keit, sich mit anderen auszutauschen, Ängste und Sorgen loszuwerden. Ambulante Pflege­dienste können im Alltag zum Beispiel bei der täglichen Körper­pflege unterstützen. Manchen Dementen ist es unangenehm, sich von Verwandten, insbesondere von ihren Kindern, waschen oder beim Toilettengang helfen zu lassen.

Entlastung durch Tages- oder Kurz­zeit­pflege

Niemand kann rund um die Uhr für pflegebedürftige Angehörige da sein. Eine Tages­pflege oder spezielle Betreuungs­gruppen können – wenigs­tens zeit­weise – für Entlastung sorgen. In der Tages­pflege werden pflegebedürftige Menschen tags­über in einer Einrichtung unterstützt und beschäftigt und können Zeit mit anderen verbringen, Betreuungs­gruppen sind auf einige Stunden ausgelegt.

Damit pflegende Angehörige eine notwendige Auszeit nehmen können, gibt es auch die Möglich­keit einer Kurz­zeit­pflege in einem Heim. test.de erläutert, wie Kurzzeit- und Verhinderungspflege funk­tionieren und welche Voraus­setzungen erfüllt werden müssen.

Hier finden Sie Rat und Unterstüt­zung

  • Website der Deutschen Alzheimer Gesell­schaft: deutsche-alzheimer.de, Beratung unter Telefon 0 30/2 59 37 95 14.
  • Internetportal des Bundes­ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: wegweiser-demenz.de.
  • Online-Ratgeber Demenz des Bundes­gesund­heits­ministeriums mit Informationen für Betroffene und Angehörige.
  • Alzheimer Angehörigen-Initiative: alzheimer-organisation.de, Telefon: 0 30/47 37 89 95.
  • Bundes­arbeits­gemeinschaft der Senioren­organisationen: bagso.de, Telefon: 02 28/24 99 93-0.

Formen der Demenz: Vielfältige Symptome, unterschiedlicher Verlauf

Unter dem Begriff Demenz werden verschiedene neurologische Symptome zusammengefasst wie Vergess­lich­keit, mangelnde zeitliche und räumliche Orientierung, Persönlich­keits­ver­änderungen und im späteren Stadium der Verlust von Körperfunk­tionen. Der Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten können sich unterscheiden.

Formen der Demenz

Alzheimer

Die meisten dementen Menschen erkranken an dieser Art der Hirn­leistungs­störung, bei der die Nerven­zellen im Gehirn nach und nach absterben.

Forschende vermuten, dass zu Beginn ein Mangel des Nervenboten­stoffs Acetylcholin die Gedächt­nisleistung mindert. Zudem lagern sich kleine Eiweiß­partikel im Hirn ab, die möglicher­weise zur Zerstörung der Nerven­zellen beisteuern.

Typische Symptome sind der Verlust der Merk- und Denk­fähig­keit, Probleme bei Wort­findung und Sprach­verständnis sowie Änderungen des Verhaltens.

Lewy-Körperchen-Demenz

Diese Form ähnelt in Symptomen und Auslösern der Alzheimer-Krankheit und ist schwer von ihr zu unterscheiden. Sie tritt aber deutlich seltener auf – nur bei rund 5 Prozent aller Demenz­erkrankten.

Als Auslöser gelten runde Eiweiß­ablagerungen – sogenannte Lewy-Körperchen – in den Nerven­zellen der Groß­hirn­rinde. Die Ursache dafür ist bisher nicht geklärt. Auch genetische Faktoren könnten infrage kommen.

Charakteristisch sind schwankende geistige Fähig­keiten und Aufmerk­samkeit, Halluzinationen und leichte Parkinson­symptome wie etwa unwill­kürlich zitternde Hände.

Vaskuläre Demenz

Die zweithäufigste Form der Demenz ist ebenfalls schwer von Alzheimer zu unterscheiden und kann gemein­sam mit ihr auftreten. Die Ursachen sind aber andere: Durch­blutungs­störungen im Gehirn und wieder­kehrende kleine Schlag­anfälle. Die davon betroffenen Hirn­regionen werden nicht mehr ausreichend mit Sauer­stoff versorgt und so geschädigt.

Die Symptome dieser Demenzform setzen häufig früher ein als bei Alzheimer und sind schwerwiegender.

Frontotemporale Demenz

Diese eher seltene Demenz­erkrankung ist auch als Morbus Pick bekannt und beginnt meist schon zwischen dem 50. und 60. Lebens­jahr, kann aber auch deutlich früher oder später auftreten.

Auch hier ist nicht bekannt, warum die Nerven­zellen absterben – vor allem in den Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns. Von dort aus werden unter anderem Sozial­verhalten und Emotionen gesteuert.

Betroffene können deshalb vor allem ihre Gefühls­regungen nicht mehr kontrollieren, können enthemmt und distanzlos sein. Gedächt­nisstörungen kommen meist erst später hinzu.

Weitere Demenzformen

Demenz­symptome können auch durch Depressionen ausgelöst werden, ebenso durch Verletzungen, Hirnhaut­entzündung, Gehirn­blutungen oder Tumore. Auch Flüssig­keits- oder Vitamin­mangel, Neben­wirkungen von Medikamenten, über­mäßiger Alkohol­konsum und Parkinson können zu einer Demenz führen. Viele dieser Formen sind vorüber­gehend und heil­bar.

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