Die Zahl der Demenzkranken steigt. Wir ordnen für Betroffene und Angehörige ein, was neue Mittel wie Lecanemab bringen – und sagen, wie gute Pflege gelingen kann.
Schusseligkeit oder Alzheimer: Die Krankheit erkennen
In Deutschland leiden laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,8 Millionen Menschen an Demenz, unter anderem an Alzheimer-Demenz, der häufigsten Form. Bis 2050 könnten nach Schätzungen bis zu 2,8 Millionen Menschen betroffen sein – sollte es in der Prävention und Therapie keinen Durchbruch geben.
Schusseligkeit oder Demenz?
Meist zeigt sich Demenz im höheren Lebensalter und beginnt mit kleinen Vergesslichkeiten: Die Geldbörse ist unauffindbar, der Vorname des Schwiegersohns entfallen. Dass das Gedächtnis im Alter nachlässt, ist ganz normal.
Doch wenn sich Probleme im Alltag nicht mehr mit Schusseligkeit erklären lassen, sich etwa die verloren gegangene Fernbedienung im Tiefkühlfach wiederfindet oder das Kochen nicht mehr gelingt, können das Anzeichen für eine beginnende neurodegenerative Demenz sein, bei der die Nervenzellen allmählich zerstört werden.
Der Verdacht sollte schnell ärztlich abgeklärt werden. Zwar sind demenzielle Erkrankungen bis auf wenige Ausnahmen nicht heilbar, ihr Verlauf lässt sich aber häufig verzögern.
Zu Beginn: An komplizierten Tätigkeiten scheitern
Unabhängig von der Art der Demenzerkrankung – es gibt mehr als 50 Formen – ist der Verlauf meist ähnlich: Zunächst fällt es Betroffenen schwer, sich für längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, an komplizierten Tätigkeiten wie beispielsweise einer Steuererklärung scheitern sie.
Sie vergessen Gesprächsinhalte nach kürzester Zeit, können sich keine Termine merken und verlegen Gegenstände. Den Alltag können die meisten in dieser Krankheitsphase noch bewältigen.
Mittlere Phase: Oft unruhig und aggressiv
In der mittleren Phase der Demenz werden die Gedächtnislücken größer, auch schwindet die Erinnerung an länger zurückliegende Ereignisse, oft auch der Orientierungssinn.
Das alles macht vielen Betroffenen große Angst. Sie sind verwirrt, erleben die Wirklichkeit verzerrt, werden misstrauisch, häufig auch unruhig oder aggressiv. Die Persönlichkeit verändert sich. Manche ziehen sich völlig zurück, haben Depressionen und Schlafstörungen.
Spätes Stadium: Nichts geht mehr ohne Hilfe
Im Endstadium der neurologischen Krankheit kommen Demente ohne Unterstützung nicht mehr zurecht. Sie können nur noch wenige Worte sprechen oder hören ganz auf zu reden.
Ihre Gesprächspartner verstehen Demente nun kaum noch. Sie verlieren ihre motorischen Fähigkeiten, können etwa Stuhl- und Harndrang nicht mehr kontrollieren und sich schließlich fast gar nicht mehr bewegen. Viele werden am Ende bettlägerig.
Demenzerkrankungen, die auf eine Schädigung der Nervenzellen zurückgehen, sind nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht heilbar. Das Fortschreiten etwa von Alzheimer lässt sich jedoch bis zu einem gewissen Grad verlangsamen. Daher ist eine frühe Diagnose wichtig. In späteren Stadien einer Demenz lässt sich kaum noch etwas ausrichten.
Ärztlicher Rat sollte gesucht werden, wenn etwa die Vergesslichkeit über gelegentliches Schlüsselverlegen, Vergessen von Terminen oder Namen hinausgeht.
Erste Anlaufstelle sind Hausarzt oder -ärztin.
Sie überweisen dann gegebenenfalls an Neurologinnen oder Psychiater.
Eine weitere Option sind spezielle Gedächtnissprechstunden an Krankenhäusern.
Die Gedächtnisleistung kann mit speziellen Tests geprüft, andere Krankheiten können ausgeschlossen werden – unter anderem mit Laboruntersuchungen und bildgebenden Verfahren wie Computer-Tomographie oder MRT. Tipp: Nehmen Sie zum Termin eine Liste aller Medikamente mit, die Sie regelmäßig einnehmen. Verschiedene Arzneimittel können als Nebenwirkung demenzartige Beschwerden hervorrufen. Dann hilft möglicherweise eine Anpassung der Medikation. Mehr dazu in unserem Beitrag Diese Medikamente sind im Alter riskant – inklusive Listen entsprechender Mittel und wie sie sich ersetzen lassen.
Mit Medikamenten und Therapien den Verlauf verzögern
Um Alzheimer und andere Demenzerkrankungen besiegen zu können, wird weltweit intensiv geforscht. Hier ein Überblick zu aktuellen Erkenntnissen und Studien:
Frühe Anzeichen nachweisbar
Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen beobachtet schon lange vor dem Auftreten erster Symptome für Alzheimer-Demenz im Gehirn Biomarker, die auf die Erkrankung hinweisen. Diese Erkenntnisse könnten vor allem für die Erprobung neuer Medikamente nützlich sein. Sie wurden in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht.
Zusammenhang mit Covid-19
Das leicht erhöhte Risiko für eine Demenz bis zu zwei Jahre nach einer Covid-19-Erkrankung hat ein Team der Universität Oxford in einer Studie im Fachblatt The Lancet beschrieben, für die sie Daten von 1,3 Millionen Patienten und Patientinnen in den USA auswerteten. Bei den über 64-Jährigen erkrankten demnach 450 von 10 000 an Demenz, bei der gesunden Kontrollgruppe waren es nur 330.
Hilfe für Betroffene und Angehörige. Unterstützung im Umgang mit Demenz bietet auf 176 Seiten unser 2024 erschienener Ratgeber Demenz. Nicht jetzt! (20 Euro) – inklusive Infos zu neuen Medikamenten, kognitiven Übungen für die Gedächtnisfunktion und Anleitungen, um möglichst lange zu Hause leben zu können. Der Co-Autor und führende Demenzexperte Klaus Fließbach erläutert im Interview Nutzen und Risiken des Wirkstoffs Lecanemab.
Große Hoffnung in neue Wirkstoffe
Wurde Demenz diagnostiziert, sollten Betroffene und Angehörige gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt das weitere Vorgehen abstimmen. Oft helfen nicht-medikamentöse Therapien, die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit zu stärken und die Lebensqualität zu erhöhen – darunter Gedächtnistraining, körperliches Training, Logopädie, Ergotherapie, Kunst- und Musiktherapie. Was genau zum Einsatz kommen kann, hängt von den individuellen Einschränkungen, Möglichkeiten und Vorlieben ab.
Zudem können in manchen Fällen Medikamente helfen, etwa bestimmte Antidepressiva und Antipsychotika und spezielle Antidementiva wie Donepezil, Galantamin, Rivastigmin oder Memantin. Die vier Wirkstoffe lindern Symptome und verlangsamen ihr Fortschreiten, haben aber keinen Einfluss auf den Untergang von Nervenzellen.
Lecanemab verlangsamt geistigen Verfall
Moderne Therapien mit Antikörpern wie Donanemab und Lecanemab wecken große Hoffnungen, die ursächlich ins Krankheitsgeschehen eingreifen – darunter das Mittel Leqembi mit dem Antikörper Lecanemab. Es wird alle zwei Wochen per Infusion verabreicht und reduziert krankhafte Eiweißablagerungen im Hirn von Betroffenen. Es wurde in einer klinischen Studie mit 1 795 Personen erfolgreich erprobt und im Jahr 2023 von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen. Im November 2024 zog die europäische Arzneimittelbehörde EMA nach und empfahl die Zulassung in der EU.
Auch wenn Lecanemab ursächlich wirkt, bringt es nach jetzigem Forschungsstand keine Heilung, sondern verlangsamt lediglich das Fortschreiten der Erkrankung.
Die EMA erteilte für Lecanemab strenge Auflagen. Erhalten dürfen es nur Patienten, die an einem frühen Alzheimer-Stadium leiden und umfangreich untersucht wurden. Für die Therapie sind regelmäßig Checks im MRT erforderlich, um die Gefahr für schwere Nebenwirkungen wie Blutungen im Gehirn zu verringern.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie merkt in einer Pressemitteilung an, dass für den erfolgreichen Einsatz des Mittels strukturelle Veränderungen in Deutschland nötig seien – insbesondere ein Ausbau der Frühdiagnostik und der fachärztlichen Kapazitäten für die aufwendige Behandlung. Bis Leqembi hierzulande zur Verfügung steht, dürfte es mehrere Monate dauern.
„Wir sind einen großen Schritt weiter“
Die Stiftung Warentest hat den Demenzexperten und Neurowissenschaftler Professor Klaus Fließbach zu Nutzen und Risiken des Wirkstoffs Lecanemab befragt. Fließbach leitet die Gedächtnis-Ambulanz am Universitätsklinikum Bonn und forscht am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.
Professor Fließbach, die europäische Arzneimittelaufsicht EMA hat die Zulassung von Lecanemab empfohlen. Was bedeutet das für Alzheimer-Demenzkranke? Gibt es Lecanemab bald auf Rezept?
Die Zulassung selbst muss durch die Europäische Kommission noch bestätigt werden. Das wird voraussichtlich Anfang 2025 der Fall sein. Doch die Behandlung mit Lecanemab ist sehr aufwendig. Es handelt sich um Antikörper, die grundsätzlich nicht oral verabreicht werden können, das heißt, es handelt sich nicht um Tabletten.
Inwiefern ist die Behandlung aufwendig?
Patientinnen und Patienten bekommen alle zwei Wochen eine intravenöse Infusion. Sie müssen zudem Kernspintomografien des Kopfes erhalten. Falls es zu schweren Nebenwirkungen kommt, muss außerdem eine Überwachungsstation wie eine Stroke-Unit vorhanden sein. Daher wird die Behandlung zunächst wahrscheinlich nur in spezialisierten Kliniken erfolgen.
Kann Lecanemab eine Alzheimer-Demenz aufhalten oder sogar heilen?
Wir sind mit Lecanemab in der Behandlung von Alzheimer einen großen Schritt weiter. Der Wirkstoff zielt direkt auf die Ursache der Krankheit ab: Ablagerungen von Amyloide-Eiweißen im Hirn. Studien haben gezeigt, dass der Wirkstoff diese Ablagerungen wirklich verringert. Der Verlauf der Symptome konnte dadurch in einem Zeitraum von 18 Monaten um circa sechs Monate verzögert werden. Zum Stillstand bringen kann der Wirkstoff die Krankheit nicht, aber er kann sie verlangsamen.
Können alle Alzheimer-Kranke von der Behandlung profitieren?
Die Krankheit muss sich in einem sehr frühen Stadium befinden. Bei einer schon fortgeschrittenen Demenz kommt die Therapie leider nicht mehr in Betracht. Außerdem gibt es eine Reihe von Ausschlussgründen, die eine Behandlung unmöglich machen, wie bereits vorhandene oder stattgehabte Hirnblutungen, die Einnahme starker Gerinnungshemmer oder sehr ausgedehnte chronische Durchblutungsstörungen des Gehirns.
Kann mein Hausarzt oder meine Hausärztin feststellen, ob ich für Lecanemab in Frage komme?
Nein. Unbedingte Voraussetzung ist eine genaue Alzheimer-Diagnose, um die Eiweißablagerungen nachzuweisen und zu messen: entweder durch eine Lumbalpunktion oder eine Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET. Das lässt sich in der Hausarztpraxis nicht machen.
Welche Risiken hat die Behandlung?
Bei einem Teil der Patienten in den bisherigen Studien sind kleine Hirnblutungen- oder Ödeme aufgetreten. Oft haben die keine oder nur geringe und vorübergehende Beschwerden verursacht. Bei einigen wenigen kann es aber möglicherweise auch zu größeren Komplikationen mit dauerhaften Schädigungen wie etwa Lähmungserscheinungen kommen.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung von Alzheimer-Therapien?
Die Antikörper-Therapien machen Hoffnung, dass man neurodegenerative Erkrankungen ursächlich behandeln kann. Wie dauerhaft diese Effekte sind, und ob sich durch einen noch früheren Beginn der Behandlung das Auftreten von Symptomen sogar vollständig verhindern lässt, müssen die kommenden Jahre zeigen. Möglicherweise kommen auch andere Therapieansätze dazu, etwa gegen das Tau-Protein, das ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt.
Vorbeugen: Hirn und Herz auf Trab halten
Der größte Risikofaktor für Alzheimer und Demenz ist das Altwerden – ein Prozess, der sich kaum aufhalten lässt. Doch ist geistiger Verfall keine unvermeidliche Folge des Alterns. Studien zeigen einen teilweisen Zusammenhang zwischen Demenz und ungesundem Lebensstil. An seinen Gewohnheiten kann jede und jeder etwas ändern – je früher, desto besser.
Was die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Leitlinie Risk Reduction of Cognitive Decline and Dementia herausgegeben. Sie enthält Maßnahmen aus zwölf Bereichen, die laut Stand der Wissenschaft das Risiko für Demenzerkrankungen senken können. Eine Kernaussage: Was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Hirn. Hier einige der WHO-Empfehlungen:
Viel bewegen. Körperliche Aktivitäten, wie Ausdauer- und Krafttraining, hilft laut WHO besonders, um der Krankheit vorzubeugen. Sportliche Menschen würden seltener dement.
Blutdruck kontrollieren. Körperliche Bewegung wirkt unterstützend auch gegen hohen Blutdruck – einem der Risikofaktoren für Demenz. Bluthochdruck sollte unbedingt behandelt werden.
Rauchen aufgeben. Die Expertinnen und Experten der WHO gehen mehrheitlich davon aus, dass die im Tabak enthaltenden Substanzen das Gehirn direkt schädigen. Die Stiftung Warentest zeigt Möglichkeiten und Wege, wie Sie mit dem Rauchen aufhören können.
Überschüssige Kilos loswerden. Übergewicht kann zu hohem Blutdruck, Typ-2-Diabetes und Fettstoffwechselstörungen führen, die wiederum Demenzerkrankungen begünstigen. Was dabei helfen kann, lesen Sie in unserem Artikel über Diätkonzepte.
Hördefizite ausgleichen. Wer andere nicht mehr versteht, läuft Gefahr, sich zunehmend zu isolieren und so keine geistigen Anreize zu bekommen. Die Behandlung von Schwerhörigkeit kann laut WHO das Demenzrisiko vermindern.
Abwechslungsreiche Kost und soziale Kontakte
Auch eine große Studie aus China, erschienen im British Medical Journal, untermauert die Bedeutung eines gesunden Lebensstils. Die Forschenden hatten auf Basis der Gesundheitsdaten von mehr als 29 000 Menschen ermittelt, dass die Kombination von mindestens vier der folgenden Lebensstilfaktoren hilfreich ist: gesunde Ernährung, kein Alkohol, keine Zigaretten, pro Wochen mindestens 150 Minuten mäßige Bewegung oder mindestens 75 Minuten starke Bewegung sowie zwei aktive Sozialkontakte und zwei kognitive Aktivitäten wie Kartenspielen. Eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch, Ei, Nüssen und Tee wirkte dabei am stärksten.
Wer in großer Runde genießt, tut zusätzlich etwas für ein fittes Gehirn. Durch soziale Kontakte macht man neue Erfahrungen, lernt Neues und tauscht sich intellektuell aus. Das alles wirkt sich positiv auf die geistige Regsamkeit aus. Diese Aspekte beleuchtet neben anderen eine Übersichtsarbeit der amerikanischen Agency for Health Care Research and Quality.
Betroffene: Auf Veränderungen einstellen und sie mitgestalten
In gewohnter Umgebung bleiben
Die Diagnose Demenz ist für Betroffene ein einschneidendes Ereignis. Sie bedeutet jedoch nicht automatisch, dass ein selbstständiges Leben nicht mehr möglich ist. Im frühen Stadium der Krankheit können Demenzerkrankte durchaus weiter zu Hause wohnen bleiben. Ein vertrautes Umfeld ist sehr wichtig, es vermittelt Sicherheit und Stabilität.
Vorausgesetzt, die Gegebenheiten in der Wohnung oder im Haus werden so angepasst, dass sich die Kranken sicher und geschützt fühlen, aber nicht fremd. Räume deshalb möglichst nicht verlegen und Möbel nicht austauschen, sondern nur da Änderungen vornehmen, wo etwa Stolperfallen durch Türschwellen oder Teppiche lauern. Ein Hausnotrufdienst kann weitere Sicherheit verschaffen.
Klare Strukturen im Alltag geben Halt
Feste Schlaf- und Essenszeiten strukturieren den Tag und unterstützen das selbstständige Leben. Ebenso wiederkehrende Termine an bestimmten Wochentagen wie Friseurbesuche oder Verabredungen zum Kartenspielen – am besten eingetragen in einen großen Wandkalender.
Jahrelang gewohnte Routinen wie etwa das morgendliche Kaffeekochen sollten beibehalten werden. Helfen können dabei einfache Anleitungen zur Zubereitung neben der Maschine oder Zettel an Schranktüren, die auflisten, hinter welcher sich etwa die Kaffeebohnen oder die Tassen verbergen.
Soziale Kontakte aufrechterhalten
Das selbstständige Leben sollte nicht auf die Wohnung beschränkt bleiben: Der Austausch mit Angehörigen, Freunden und Nachbarn, Theater-, Konzert- oder Restaurantbesuche, Seniorennachmittage – das alles unterstützt die Selbstständigkeit und kann zudem einen schnellen Fortschritt der Krankheit verhindern.
Sich aus Scham oder falsch verstandener Rücksichtnahme immer weiter zurückzuziehen, kann dagegen die Demenz verschlimmern.
Professionelle Hilfe annehmen
Ganz auf sich alleingestellt kommen die wenigsten Demenzerkrankten auf Dauer zurecht. Eine Möglichkeit der Unterstützung bieten ambulante Pflegedienste – etwa bei der Körperpflege, der Medikamentengabe oder beim Putzen des Haushalts.
Im Special Gesetzliche Pflegeversicherung und im Buch Das Pflege-Set erläutern Gesundheitsexperten der Stiftung Warentest, wie sich die Pflege organisieren lässt – unter anderem mit Tipps zur Bewältigung von Formalitäten und Infos zu finanziellen Ansprüchen und Elternunterhalt.
Wird mehr Hilfe notwendig, gibt es die Möglichkeit, dass eine Betreuungskraft mit im Haushalt lebt. Häufig kommen solche Hilfskräfte über Vermittlungsagenturen aus dem Ausland. Wir haben untersucht, was für und gegen ausländische Hilfen spricht.
Wenn es zu Hause nicht mehr geht
Irgendwann kommt oft der Zeitpunkt, an dem die pflegerische Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist. Im besten Fall haben Betroffene und Angehörige bereits vorher gemeinsam überlegt, wohin es nun gehen soll.
Alternativen zum klassischen Pflegeheim sind zum Beispiel stationäre Hausgemeinschaften mit Gemeinschaftsküche und -wohnzimmer oder Pflege-WGs, in denen sich der Tagesablauf an die Bedürfnisse jedes Einzelnen anpassen lässt.
Welche Faktoren für die Entscheidung über das Leben jenseits der eigenen vier Wände eine Rolle spielen – etwa Kosten und unterschiedliche Zuschüsse der Pflegekassen –, haben wir im Special Wohnformen mit Versorgung zusammengestellt.
Vollmachten erteilen, Angelegenheiten regeln
Solange es ihnen noch möglich ist, sollten Erkrankte festlegen, was geschehen soll, wenn sie nicht mehr selbst für sich sprechen können, wer sie in diesem Fall betreuen soll, wem sie die Vollmacht über ihre Finanzen geben wollen. Und was passieren soll, wenn sie ins Krankenhaus müssen.
Das Vorsorge-Set der Stiftung Warentest informiert über all das: Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und Testament. Je früher Betroffene ihre Angelegenheiten regeln, um so selbstbestimmter können sie über ihr künftiges Leben entscheiden.
Checkliste für Betroffene: Das künftige Leben vorbereiten
Wie erlebe ich meine Situation, weiß ich alles über meine Krankheit?
Wohnsituation: Wo möchte ich leben, solange ich für mich selbst sorgen kann? Und wo, wenn ich das nicht mehr kann? Kommt ein Umzug infrage?
Wo liegen meine Grenzen beim Anziehen, Waschen, bei der Intimpflege?
Wen wünsche ich mir als Hilfe, etwa bei Körperpflege und Ankleiden?
Wem vertraue ich so, dass er oder sie Entscheidungen für mich treffen kann, wenn mir das nicht mehr möglich ist?
Was ist mir wichtig, was möchte ich noch erledigen und erleben? Was möchte ich auf keinen Fall?
Angehörige: Unterstützen und Grenzen bewahren
In Ruhe die nächsten Schritte planen
Nicht nur für Betroffene, auch für Angehörige, Freunde oder Bekannte ist die Diagnose Demenz häufig ein Schock, der sie unvorbereitet trifft. Wissen über die Krankheit kann helfen, Unsicherheiten und Ängste zu überwinden: An welcher Demenzform leidet der betroffene Mensch? Wie ist der weitere Verlauf und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Wichtig ist, nichts zu überstürzen und in Ruhe die nächsten Schritte zu planen. Dazu gehört, den Pflegegrad der dementen Person feststellen zu lassen, Pflegegeld zu beantragen – und vor allem die Entscheidung zu treffen, wer die Pflege übernimmt.
Auch ob Umbauten in der Wohnung oder im Haus vorgenommen werden müssen oder sogar ein Umzug ins Heim ratsam ist, sollte geklärt werden. Zudem müssen diverse Leistungsanträge zeitnah gestellt und Verträge mit Anbietern von Pflegeleistungen geschlossen werden.
Tipp: Der Ratgeber Sofort Hilfe im Pflegefall der Stiftung Warentest hilft bei der Organisation der richtigen Pflege und erläutert, welche finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige möglich ist. Weitere Informationen haben wir auf unserer Themenseite Pflege gebündelt.
Anspruch auf individuelle Beratung
Was viele nicht wissen: Menschen mit Demenz und deren pflegende Angehörige haben ein Recht darauf, sich von den Pflegekassen umfassend und individuell beraten zu lassen – entweder per Telefon oder Hausbesuch.
Pflegestützpunkte bieten diese Beratung ebenfalls an. Für deren Einrichtung sind die Pflegekassen verantwortlich – in eigener Trägerschaft oder in Kooperation mit Verbraucherverbänden, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Pflegediensten.
Tipp: Wo sich der nächste Pflegestützpunkt befindet, können Sie bei der Pflegekasse erfragen. Was die Pflegeversicherung kostet und was sie leistet, haben wir in einem Pflegeversicherungs-Special zusammengefasst.
Box Checkliste für Angehörige: Kann ich die Pflege übernehmen?Titel
Wie erlebe ich die körperliche und geistige Situation der dementen Person? Welches Verhältnis habe ich zu ihr?
Meine Situation: Wie viel Zeit kann ich erübrigen? Kommt meine Familie nicht zu kurz? Bin ich bereit, meinen Beruf aufzugeben oder meine Arbeitszeit einzuschränken? Kann ich mir das überhaupt leisten?
Wohnsituation: Kann ich mir vorstellen bei der dementen Person einzuziehen? Ist meine Wohnung oder ihre Wohnung beziehungsweise ihr Haus dafür geeignet? Kommt ein Umzug infrage oder Umbauten?
Wo liegen meine Grenzen: Kann ich der dementen Person beim Anziehen, Waschen und der Intimpflege helfen, eventuell auch Windeln wechseln?
Geduld üben im Umgang mit Demenzkranken
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfordern Zeit und Kraft. Mit fortschreitender Krankheit verändert sich ihre Sicht auf die Welt um sie herum, ihr Erleben und in der Regel auch ihre Persönlichkeit. Pflegende sollten die Kranken so annehmen, wie sie sind, denn sie können sie nicht ändern.
Wichtig ist es, die Bedürfnisse und Wünsche der Dementen wahrnehmen und darauf eingehen, Kritik und Zurechtweisungen dagegen vermeiden. Dabei spielt Geduld eine große Rolle – auch in der Kommunikation. Für Menschen mit Demenz wird sie zunehmend beschwerlich, denn Wortschatz und Aufmerksamkeit schwinden.
Tipp: Wie die Kommunikation bei Demenz dennoch gelingen kann, wie Familie und Freunde die richtigen Gesprächsthemen finden und die Gesprächsführung gestalten können, erläutern unsere Gesundheitsexperten.
Eigene Grenzen erkennen und sich helfen lassen
Auch wenn die Bereitschaft groß ist, sich um demente Angehörige zu kümmern: Viele unterschätzen, was das bedeutet und überfordern sich. Auch im Interesse der Demenzkranken dürfen die Pflegenden ihr physisches und psychisches Wohl nicht vernachlässigen, sollten ihre Grenzen realistisch einschätzen und rechtzeitig Hilfe annehmen.
Einen dementen Menschen zu begleiten, bedeutet meist einen schmerzhaften Abschied auf Raten hautnah mitzuerleben. Das kann psychisch und emotional eine große Belastung sein.
Für die seelische Gesundheit bieten Angehörigen- oder Selbsthilfegruppen die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Ängste und Sorgen loszuwerden. Ambulante Pflegedienste können im Alltag zum Beispiel bei der täglichen Körperpflege unterstützen. Manchen Dementen ist es unangenehm, sich von Verwandten, insbesondere von ihren Kindern, waschen oder beim Toilettengang helfen zu lassen.
Entlastung durch Tages- oder Kurzzeitpflege
Niemand kann rund um die Uhr für pflegebedürftige Angehörige da sein. Eine Tagespflege oder spezielle Betreuungsgruppen können – wenigstens zeitweise – für Entlastung sorgen. In der Tagespflege werden pflegebedürftige Menschen tagsüber in einer Einrichtung unterstützt und beschäftigt und können Zeit mit anderen verbringen, Betreuungsgruppen sind auf einige Stunden ausgelegt.
Damit pflegende Angehörige eine notwendige Auszeit nehmen können, gibt es auch die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege in einem Heim. test.de erläutert, wie Kurzzeit- und Verhinderungspflege funktionieren und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen.
Hier finden Sie Rat und Unterstützung
Website der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: deutsche-alzheimer.de, Beratung unter Telefon 0 30/2 59 37 95 14.
Internetportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: wegweiser-demenz.de.
Online-Ratgeber Demenz des Bundesgesundheitsministeriums mit Informationen für Betroffene und Angehörige.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen: bagso.de, Telefon: 02 28/24 99 93-0.
Formen der Demenz: Vielfältige Symptome, unterschiedlicher Verlauf
Unter dem Begriff Demenz werden verschiedene neurologische Symptome zusammengefasst wie Vergesslichkeit, mangelnde zeitliche und räumliche Orientierung, Persönlichkeitsveränderungen und im späteren Stadium der Verlust von Körperfunktionen. Der Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten können sich unterscheiden.
Formen der Demenz
Alzheimer
Die meisten dementen Menschen erkranken an dieser Art der Hirnleistungsstörung, bei der die Nervenzellen im Gehirn nach und nach absterben.
Forschende vermuten, dass zu Beginn ein Mangel des Nervenbotenstoffs Acetylcholin die Gedächtnisleistung mindert. Zudem lagern sich kleine Eiweißpartikel im Hirn ab, die möglicherweise zur Zerstörung der Nervenzellen beisteuern.
Typische Symptome sind der Verlust der Merk- und Denkfähigkeit, Probleme bei Wortfindung und Sprachverständnis sowie Änderungen des Verhaltens.
Lewy-Körperchen-Demenz
Diese Form ähnelt in Symptomen und Auslösern der Alzheimer-Krankheit und ist schwer von ihr zu unterscheiden. Sie tritt aber deutlich seltener auf – nur bei rund 5 Prozent aller Demenzerkrankten.
Als Auslöser gelten runde Eiweißablagerungen – sogenannte Lewy-Körperchen – in den Nervenzellen der Großhirnrinde. Die Ursache dafür ist bisher nicht geklärt. Auch genetische Faktoren könnten infrage kommen.
Charakteristisch sind schwankende geistige Fähigkeiten und Aufmerksamkeit, Halluzinationen und leichte Parkinsonsymptome wie etwa unwillkürlich zitternde Hände.
Vaskuläre Demenz
Die zweithäufigste Form der Demenz ist ebenfalls schwer von Alzheimer zu unterscheiden und kann gemeinsam mit ihr auftreten. Die Ursachen sind aber andere: Durchblutungsstörungen im Gehirn und wiederkehrende kleine Schlaganfälle. Die davon betroffenen Hirnregionen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und so geschädigt.
Die Symptome dieser Demenzform setzen häufig früher ein als bei Alzheimer und sind schwerwiegender.
Frontotemporale Demenz
Diese eher seltene Demenzerkrankung ist auch als Morbus Pick bekannt und beginnt meist schon zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, kann aber auch deutlich früher oder später auftreten.
Auch hier ist nicht bekannt, warum die Nervenzellen absterben – vor allem in den Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns. Von dort aus werden unter anderem Sozialverhalten und Emotionen gesteuert.
Betroffene können deshalb vor allem ihre Gefühlsregungen nicht mehr kontrollieren, können enthemmt und distanzlos sein. Gedächtnisstörungen kommen meist erst später hinzu.
Weitere Demenzformen
Demenzsymptome können auch durch Depressionen ausgelöst werden, ebenso durch Verletzungen, Hirnhautentzündung, Gehirnblutungen oder Tumore. Auch Flüssigkeits- oder Vitaminmangel, Nebenwirkungen von Medikamenten, übermäßiger Alkoholkonsum und Parkinson können zu einer Demenz führen. Viele dieser Formen sind vorübergehend und heilbar.
- Der erste Demenzfall in der Familie wirft viele Fragen auf. Wie es Angehörigen gelingt, mit der neuen Situation umzugehen und die Herausforderungen zu meistern.
- Etwa jede zehnte Frau ist von schmerzhaften Unterleibswucherungen betroffen. Neue diagnostische Methoden und Therapien machen den Umgang mit Endometriose leichter.
- Die Hautkrankheit Rosazea verursacht Rötungen im Gesicht − und in der Folge oft auch psychisches Leid. Wir sagen, welche Medikamente die Symptome lindern können.
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