Pflege­versicherung Diese Leistungen stehen Ihnen zu

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Pflege­versicherung - Diese Leistungen stehen Ihnen zu

Gesetzliche Pflege­versicherung. Ihre Leistungen sind für Pflegebedürftige sehr wichtig, auch wenn sie meistens nicht ausreichen. © Getty Images / Hinterhaus Productions

Werden Menschen pflegebedürftig, brauchen sie Hilfe – von Familien­mitgliedern oder Pflegefach­kräften. Finanzielle Unterstüt­zung bietet die gesetzliche Pflege­versicherung.

Eine Pflegebedürftig­keit kann sich lang­sam einschleichen oder plötzlich auftreten – zum Beispiel nach einem Unfall oder infolge eines Sturzes, Herz­infarkts oder Schlag­anfalls. Das Leben der Betroffenen ändert sich durch eine Pflegebedürftig­keit enorm. Aber auch Angehörige müssen oft ihren Alltag neu organisieren, insbesondere wenn sie selbst die Pflege über­nehmen. Haus­notruf, Pfle­gegrad, ambulanter Dienst – plötzlich tauchen jede Menge neuer Begriffe auf. Informiert zu sein, ist entscheidend.

Wer nicht weiß, was ihm oder ihr zusteht, bekommt wichtige Leistungen nicht. Deshalb erklären wir hier:

  • wie Familien die Pflege eines Mitglieds sicher­stellen können,
  • welche Leistungen Pflegebedürftigen und Angehörigen zustehen,
  • wie sie diese abrufen können und
  • wer sie dabei unterstützt.

Das Wichtigste in Kürze

Pflege­leistungen für alle Bedürftigen

Versicherungs­pflicht. Jeder, der gesetzlich oder privat kranken­versichert ist, ist auto­matisch in der gesetzlichen Pflege­versicherung versichert.

Beitrags­satz. Der Beitrag zur Pflege­versicherung liegt für Kinder­lose bei 4,0 Prozent ihres Brutto­einkommens (Stand: Juli 2023), Versicherte mit Kind zahlen 3,4 Prozent. Haben Sie mehrere Kinder unter 25 Jahren, sinkt ihr Beitrag auf bis zu 2,4 Prozent. Eine Über­sicht über die genauen Beitrags­sätze bietet unser Artikel zur erneuten Pflegereform, deren erste Maßnahmen zum 1. Juli 2023 in Kraft traten. Privat Versicherte zahlen einen individuell ermittelten Beitrag, der durch eine gesetzliche Ober­grenze gedeckelt ist.

Leistung auf Antrag. Um Leistungen zu erhalten, müssen gesetzlich Versicherte Pflege­leistungen bei der Krankenkasse beantragen, privat Versicherte wenden sich an ihren Kranken­versicherer. Voraus­setzung ist stets, dass jemand länger als sechs Monate auf Unterstüt­zung im Alltag angewiesen ist.

Begut­achtung. Ehe die Pflege­versicherung greift, müssen Gutachte­rinnen oder Gutachter eine Pflegebedürftig­keit fest­stellen. Bei gesetzlich Versicherten über­nimmt der Medizi­nische Dienst der Kranken­versicherung (MD) die Begut­achtung, bei privat Versicherten die Firma Medicproof.

Pfle­gegrad. Das Pflege­gut­achten legt fest, ob und wie viel Hilfebedarf ein Mensch hat und in welchen Pfle­gegrad von 1 bis 5 er oder sie deshalb einge­stuft wird. Je höher der Pfle­gegrad, früher Pfle­gestufe genannt, desto höher fallen die bewil­ligten Leistungen aus.

Tipp: In unserem Pflege-Set erklären die Gesund­heits­expertinnen und -experten der Stiftung Warentest, wie Sie Pflege organisieren können. Die Sonderpublikation bietet Hilfe­stel­lungen zur Bewältigung von Formalitäten, mit den enthaltenen Check­listen und Formularen sichern Sie sich wichtige staatliche Hilfe­leistungen.

Gesetzliche Pflege­versicherung seit 1995

Jeder Mensch, der in Deutsch­land gesetzlich oder privat kranken­versichert ist, ist auto­matisch auch pflege­versichert. Die gesetzliche Pflege­versicherung ist eine Pflicht­versicherung, die seit 1995 existiert. Neben der gesetzlichen Unfall-, Kranken-, Arbeits­losen- und Renten­versicherung ist die Pflege­versicherung der jüngste Zweig der Sozial­versicherung. Die Vorschriften dazu stehen im Elften Sozialgesetz­buch, SGB XI. Zum 1. Juli 2023 ist eine erneute Pflegereform in Kraft getreten.

Pflegesach­leistungen und Pflegegeld

Menschen, welche die Pflege­versicherung in Anspruch nehmen, können selbst entscheiden, wie und von wem sie gepflegt werden. Bei den Leistungen wird unterschieden zwischen:

  • Pflegesach­leistungen für die Hilfe durch professionelle Fach­kräfte,
  • Pflegegeld, das zum Beispiel an pflegende Angehörige weiterge­geben werden kann.

Pflegebedürftige können auch eine Kombination aus Pflegesach­leistungen und Pflegegeld beziehen. In diesem Fall spricht man von Kombileistungen. Zudem stehen ihnen unter anderem auch Zuschüsse für Hilfs­mittel zu.

Mehr als sechs Monate Hilfebedarf

Gesetzlich und privat Versicherte können auf Antrag Leistungen aus der Pflege­versicherung erhalten, wenn sie mehr als sechs Monate auf Unterstüt­zung und Pflege einer anderen Person angewiesen sind. Der Hilfebedarf wird durch den Medizi­nischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder die Firma Medicproof (privat Versicherte) fest­gestellt. Antrag­steller auf Pflege­leistungen werden begut­achtet und bei Pflegebedürftig­keit in einen von fünf Pfle­gegraden einge­stuft. Je höher der Pfle­gegrad, desto höher fallen die Leistungen aus-

Keine Leistung bei vorüber­gehendem Bedarf

Ist jemand nach einem Unfall oder einer Krankheit lediglich für einige Wochen oder Monate auf Unterstüt­zung angewiesen, hat er oder sie keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse. In diesem Fall sind die Krankenkasse, der private Kranken­versicherer oder die Unfall­kasse für eventuelle Leistungen zuständig.

Versicherungs­pflicht für Kranken­versicherte

Zu jeder gesetzlichen Krankenkasse gehört eine Pflegekasse, bei der ihre Mitglieder auto­matisch mitversichert sind. Soziale Pflege­versicherung nennt man dieses Konstrukt. Privat Kranken­versicherte sind dagegen in der privaten Pflege­versicherung, die auch Pfle­gepflicht­versicherung genannt wird. Die Leistungen der Pfle­gepflicht­versicherung entsprechen denen der sozialen Pflege­versicherung. Privat Kranken­versicherte sind in der Regel auch über ihre Kranken­versicherung pflege­versichert. Sie haben aber auch die Möglich­keit, bis zu sechs Monate nach Abschluss eines Kranken­versicherungs­vertrags ihre Pfle­gepflicht­versicherung auch bei einem anderen Anbieter abschließen.

Beitrag für gesetzlich Versicherte

Der Beitrags­satz zur sozialen Pflege­versicherung liegt bei 3,05 Prozent des Brutto­einkommens für gesetzlich Versicherte mit Kindern. Kinder­lose zahlen 3,4 Prozent. Der Beitrag geht am Ende des Monats vom Brutto­lohn ab. Bei Angestellten beteiligt sich der Arbeit­geber am Beitrag, jedoch nicht am Kinder­losen-Zuschlag.

Beitrag für Privatversicherte

Der Beitrag für privat Versicherte zur Pfle­gepflicht­versicherung errechnet sich unabhängig von ihrem Einkommen, er hängt von ihrem Alter und Gesund­heits­zustand bei Vertrags­schluss ab. Ein Teil des Beitrags wird für die so genannte Alterungs­rück­stellung verwendet, diese soll starke Beitrags­steigerungen im Alter abfedern. Bei den Beiträgen zur Pflege­versicherung sieht das Gesetz hier eine Ober­grenze vor: Ein privat Pflege­versicherter wird nie mehr zahlen als ein Versicherter der sozialen Pflege­versicherung. Ohne Beihilfe­anspruch sind das 152,12 Euro (2023), bei kinder­losen Versicherten rund 164 Euro, mit Beihilfe die Hälfte des Betrags. In der Praxis zahlen privat Versicherte heute deutlich weniger, Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer erhalten in der Regel einen Zuschuss zur Pflege­versicherung.

Kosten­erstattungs­prinzip für privat Versicherte

Wie bei der privaten Krankenversicherung gilt für die Pfle­gepflicht­versicherung das Kosten­erstattungs­prinzip: Sach­leistungen wie etwa die Pflege durch den Pflege­dienst müssen privat Versicherte aus eigener Tasche vorstre­cken, bevor sie sich ihre Ausgaben vom Privatversicherer zurück­holen.

Privat Versicherte zahlten 2022 Corona-Zuschlag

Privat Kranken­versicherte mussten im Jahr 2022 einen befristeten Corona-Zuschlag für ihre Pfle­gepflicht­versicherung zahlen. Grund war der erhöhte finanzielle Aufwand, den Pfle­geeinrichtungen während der ­Pandemie hatten. Verursacht wurden die erhöhten Kosten durch geringere Belegung, zusätzlichen ­Personalbedarf, Schutz­ausrüstung des Pflege­personals und Corona-Tests. 2023 ist der Zuschlag ausgelaufen.

Leistung mit Lücken

Eine gute Pflege durch Pfle­gekräfte zu Hause oder im Heim ist teuer. Vor allem, wenn es keine Unterstüt­zung durch die Familie gibt. Die Pflege­versicherung deckt nur in seltenen Fällen das volle finanzielle Risiko ab, meist über­nimmt sie nur einen Teil der Pflege­kosten für die häusliche und stationäre Pflege. Den Rest, den Eigen­anteil, zahlen Versicherte aus eigener Tasche.

Eigene Kosten für Pflege kaum abschätz­bar

Niemand kann im Voraus wissen, ob bei ihm oder ihr eine Pflegebedürftig­keit eintritt und wie lange sie andauert. Nach dem Pflegereport der Barmer GEK mussten Frauen vom Beginn ihrer Pflegebedürftig­keit bis zu ihrem Tod im Durch­schnitt etwa 45 000 Euro aus eigener Tasche für ihre Pflege zuzahlen. Im Einzel­fall können Pflege­kosten aber auch mehrere Hundert­tausend Euro betragen. Auch wenn die gesetzliche Pflege­versicherung einen Teil über­nimmt, bleibt die finanzielle Belastung für Betroffene und deren Angehörige oft enorm.

Das Sozial­amt springt ein

Reichen Rente und Erspartes nicht für den Eigen­anteil, leistet das Sozial­amt „Hilfe zur Pflege“. Die Behörde prüft dann, ob unter­halts­pflichtige Kinder einen Teil der Kosten über­nehmen können. Seit dem 1. Januar 2020 gilt eine Einkommens­grenze von 100 000 Euro, die nur für das erwachsene Kind, nicht aber für dessen Ehepart­nerin oder Ehepartner gilt. Mehr dazu erfahren Sie in unserem FAQ Elternunterhalt.

Private Pflege­zusatz­versicherung

Wer voraus­sicht­lich bis ins Renten­alter ausreichend hohe und sichere Einkünfte hat, kann in jüngeren Jahren über den Abschluss einer privaten Pflege­zusatz­versicherung nach­denken. Sie kann die Lücke zwischen der Leistung der gesetzlichen Pflege­versicherung und den tatsäch­lichen Pflege­kosten schließen. Je nach Pfle­gegrad zahlt der Versicherer einen vertraglich vereinbarten Betrag aus. Finanztest hat 33 Pflegetagegeldversicherungen untersucht. Bei dieser Versicherungs­variante handelt es sich um die am weitesten verbreitete private Pflege­zusatz­versicherung.

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Praktische Unterstüt­zung und wichtige Informationen, um Pflege gut zu organisieren, bietet das Pflege-Set der Stiftung Warentest. Die enthaltenen Check­listen und Formulare helfen Ihnen, sich wichtige staatliche Hilfe­leistungen zu sichern.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Testjunkie am 24.11.2023 um 22:43 Uhr
    Hanse Merkur private Pflegeversicherung

    2014 eingestiegen 79€ monatliche Beiträge
    Ab 2024 178€ monatliche Beiträge
    Die Beiträge stiegen kontinuierlich JEDES Jahr ❗️❗️❗️

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 13.02.2023 um 10:56 Uhr
    Pflegezusatzversicherung

    @moby_HH: Wir empfehlen den Abschluss eine Pflegeversicherung nur in ganz bestimmten Fällen. Da diese Art der Versicherung aber durch unsere Leser nachgefragt ist, haben wir einen Vergleich vorgenommen. Bitte lesen Sie dazu auch: www.test.de/Private-Pflegeversicherung-im-Test-So-fuellen-Sie-die-Pflegeluecke-4837475-5717054/

  • moby_HH am 12.02.2023 um 14:30 Uhr
    Dringende Warnung von Pflegezusatzversicherung !

    In 2021 stiegen die Beiträge bei einigen Pflegeversicehrungen um bis zu 300% !!
    Es ist schon sehr merkwürdig, dass die Stiftung Warentst hier weiterhin den Abschluss entsprechender Produkte empfiehlt, gleichzeitig aber schreibt:
    - Zitat 1:"Wer sichere und [..] als Rentner ausreichend hohe Einkünfte hat, kann [..] einer privaten Pflege­zusatz­versicherung in Erwägung ziehen."
    - Zitat 2: "Es ist leider so, dass niemand weiß, was der Schutz einer privaten Pflegetagegeldversicherung in Zukunft kosten wird."
    Kurzum: Man weist darauf hin, dass die Beträge steigen, kann oder will aber nicht sagen , wieviel.
    Das die Steigerung beriets bis zu 300% betragen, fällt unter den Tisch.
    Man kann doch nicht ernsthaft irgendjemanden eine Versicherung empfehlen, bei der die Beträge auch für Rentner jährlich um bis zu 300% steigen können!!!

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 06.02.2023 um 09:57 Uhr
    Aktuelle Preise stark höher als im Test

    @mhen000: Einen Schutz wie bei der Einlagensicherung bei Banken für Sichteinlagen gibt es für private Zusatzversicherungen nicht.

  • mhen000 am 02.02.2023 um 19:39 Uhr
    Aktuelle Preise stark höher als im Test

    Ich habe mir im Dezember 2022 ein Angebot der UKV für eine PflegePRIVAT Premium Plus-Tagesgeldversicherung machen lassen und habe festgestellt, dass die Preise seit diesem Test zu Beginn des Jahres 2021 stark angestiegen sind. Dies wird ja bereits in anderen Kommentaren in anschaulichen Zahlen festgestellt (obwohl man annehmen sollte, dass die Altersrückstellungen der Versicherungsnehmer solche Beitragssprünge weitgehend verhindern). Wenn ich mir zusätzlich überlege, dass ich bei Abschluss einer solchen Versicherung mein Wohl und Wehe über Jahrzehnte in die Hände eines Versicherers lege, der dann, wenn ich die Leistung benötige, vielleicht schon gar nicht mehr am Markt bin, dann wird mir Angst und bange.
    Daher die Frage an test: was würde passieren, falls in 20 Jahren eine Versicherung insolvent ginge? Gibt es für die Versicherungsnehmer einer Pflegezusatzversicherung einen Einlagenschutz ähnlich einer Bank, oder stünden diese Menschen dann im Alter ohne jeden Zusatzschutz da?