Gespräche mit Demenzerkrankten zu führen, ist schwierig. Aber es kann gelingen – mit den richtigen Gesprächsthemen und unseren Tipps zur einfachen Gesprächsführung. Außerdem beantwortet eine Psychologin die Frage, ob Flunkern gegenüber Menschen mit Demenz erlaubt ist.
Gespräche mit Demenzerkrankten führen
Die Worte fehlen. Ständig reißt der Gedankenfaden ab. Was war noch eben das Thema? Für Menschen mit Demenz werden Gespräche beschwerlich. Das Kurzzeitgedächtnis leidet, der Wortschatz schrumpft, die Aufmerksamkeit schwindet. Im leichten Stadium können die meisten einer Unterhaltung noch folgen. Schreitet die Demenz fort, werden längere Gespräche problematisch bis unmöglich – selbst liebevolle Angehörige macht das ratlos, traurig oder wütend.
Wie lässt sich trotzdem die Verbindung halten? Die Altenpflegerin Friederike Leuthe tröstet: „Die Kommunikation mit den Betroffenen geht nicht verloren.“ Sie verändere sich nur. Leuthe leitet die Pflegeeinrichtung Bodelschwingh-Haus in Erlangen und hat ein Fachbuch für Pflegekräfte über das richtige Sprechen mit Demenzerkrankten geschrieben.
Die Pflegerin rät, schon in frühen Stadien den eigenen Sprechstil anzupassen: „Die erste Regel sind die drei As: Ansprechen, angucken, atmen“, erklärt Leuthe, die zusätzlich eine Sprachausbildung absolviert hat. „Sprechen Sie die Person namentlich an, suchen Sie Augenkontakt. Dann atmen Sie kurz durch, um in Ruhe erkennen zu können, wie der andere gestimmt ist.“
Sie empfiehlt, erst dann zu loszureden, und zwar langsam, deutlich, in kurzen Sätzen. Besonders, wenn Informationen mitgeteilt werden, etwa ein Termin, sei das wichtig. „Ist ein Ausflug geplant, teilt man das am besten knapp mit“, sagt Leuthe. Die Betroffenen könnten sich nur wenige Minuten, oft gar nur Sekunden konzentrieren.
„Nehmen Sie sich Zeit für Gespräche“, empfiehlt die Psychologin Valentina Tesky, die an der Universität Frankfurt am Main zu Kommunikation bei Demenz forscht. Wer fragt, solle die Antwort abwarten. Schließlich müsse der Erkrankte erst die Frage verstehen und eine Antwort formulieren. „Wer dann zu eilig mit einer anderen Frage einhakt, unterbricht den Denkprozess. Die gerade zurechtgelegte Antwort geht verloren“, sagt Tesky.
Nicht nur das Tempo und die Sprache, auch die Inhalte müssen sich ändern, wenn der Austausch gelingen soll. Unterhaltungen über politisches Geschehen oder Gesellschaftliches überfordern leicht. Auch ganz neue Erlebnisse speichert das Gedächtnis kaum mehr ab.
Eine aktuelle Situation kann aber als Basis genutzt werden, um Erlebnisse aus der Vergangenheit zu besprechen. „Fragen Sie beim Anblick eines Kreuzes, ob jemand als Kind in die Kirche gegangen ist. Das regt die Erinnerung an“, sagt Leuthe.
Zu akzeptieren, dass sich das Ziel der Kommunikation ändert, ist für Angehörige eine Herausforderung: Steht zu Beginn noch der inhaltliche Austausch im Fokus, geht es in der späten Phase der Demenz in erster Linie darum, Verbindung zu halten.
„Bedeutsame Erfahrungen im Leben der Betroffenen bleiben auch bei Demenz lange präsent. Sie zu kennen, ist für Gespräche hilfreich“, erklärt Tesky. Sei es das Leben auf dem Bauernhof oder die geliebte Familie, darüber käme man gut ins Plaudern. Dabei helfen Fotos oder Gegenstände aus dieser Zeit. Generell sind Märchen, Volkslieder oder Kalendersprüche aus alten Tagen anregend.
Demente wissen oft nicht, welches Jahr ist, wie alt sie sind, wo sie sich befinden. Einige fragen nach ihrer verstorbenen Mutti, andere verwechseln Ehemann und Bruder. „Ob man mitspielen sollte, darüber debattieren Experten kontrovers“, sagt Tesky. Eine Lüge zur rechten Zeit sei angemessen (Interview Dürfen Angehörige lügen?). Eine Alternative: Das Thema in eine andere Richtung drehen, statt mit einer bitteren Wahrheit zu antworten. Der Kontakt sollte stets auf Augenhöhe bleiben, Babysprache vermieden werden.
Demente nehmen Gefühle wahr
Die Kommunikation mit den Erkrankten kann für Pflegende belastend sein. Umso wichtiger ist es, die eigenen Bedürfnisse im Blick zu behalten und sich Entlastung zu suchen (Hilfen auf: deutsche-alzheimer.de).
Denn geht es den Angehörigen gut, nutzt das allen: Menschen mit Demenz nehmen mitschwingende Gefühle im Gespräch wahr, sagt Tesky. Treten Angehörige genervt auf, reagiere der Patient ebenso mürrisch.
Können Erkrankte sich nicht mehr durch Worte mitteilen, sind andere Sinne umso bedeutsamer. „Wenn ich eine Patientin bade, leite ich sie auch an, alle Sinne zu nutzen“, sagt Leuthe. „Riechen Sie an dem Handtuch, wonach riecht es? Fühlen Sie, wie weich es ist. Schauen Sie, die strahlende Farbe – wichtig ist eine bildhafte Sprache.“ Das rege Betroffene geistig an.
„Auch Musizieren kann die Erkrankten ansprechen“, sagt Psychologin Tesky. Durch gemeinsames Summen einer bekannten Melodie entstehe Verbindung. „Aber auch Schweigen ist nicht schlimm, es gehört dazu“, ergänzt Pflegerin Leuthe. Sich mit dem Erkrankten auf eine Parkbank in die Sonne zu setzen, seine Hand zu halten, sage dann schon genug.
Mehr Informationen: Der test-Ratgeber Demenz. Den richtigen Weg finden hilft Angehörigen, Betroffene zu verstehen und zu unterstützen. Der Ratgeber ist für 19,90 Euro in unserem Online-Shop erhältlich.
Tipps: So gelingt Ihr nächstes Gespräch
Klar formulieren
So nicht. Vermeiden Sie Pronomen, etwa „wir“, „ihre“, „seine“. Sie setzen voraus, dass jemand sich gemerkt hat, um wen oder was es gerade ging. Negativ-Beispiel: Kati war in Italien im Urlaub. Ihr Hotel war nicht schön.
Besser so. Nennen Sie die Dinge beim Namen. Jeder Satz sollte für sich allein verständlich sein, der Kontext nicht entscheidend. Positiv-Beispiel: Kati war in Italien im Urlaub. Katis Hotel war nicht schön.
Kein Passiv, kein Konjunktiv
So nicht. Vermeiden Sie das Passiv. Es ist umständlich und sagt oft nicht, wer etwas tut. Das verunsichert. Auch Konjunktivformen wie „hätte“, „könnte“, „würde“ verwirren. Negativ-Beispiel: Du wirst jetzt gebadet, Mutti. (Offen bleibt: von wem?)
Besser so. Formulieren Sie im Aktiv, so ist die Satzstellung gut aufzunehmen. Dann wird klar: Wer tut was. Sagen Sie, was tatsächlich passiert, nicht was eventuell passieren könnte. Positiv-Beispiel: Ich bade dich jetzt, Mutti.
Rückmeldung abwarten
So nicht. Betroffene denken und sprechen verlangsamt. Ungeduld schadet. Negativ-Beispiel: Hast Du nicht gehört, dass wir nun spaziergehen?
Besser so. Sie wurden nicht verstanden? Wiederholen Sie Fragen oder Sätze und zwar wortgenau. Positiv-Beispiel: Du und ich gehen nun spazieren (zur Not auch 3-mal).
Persönlich und konkret
So nicht. Abstrakte Themen und theoretische Diskussionen fallen schwer. Negativ-Beispiel: Die letzte Osteransprache des Papstes, die mangelnde Qualität von Supermarktobst.
Besser so. Biografisches, Erfahrungen, Erinnerungen sind dankbare Themen. Positiv-Beispiel: Bist Du als Kind gern in den Gottesdienst gegangen, Apfelernte bei den Großeltern.
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