Soziale Pflege­versicherung

Pfle­gegrad beantragen

Soziale Pflege­versicherung - Pflege – die staatlichen Leistungen im Über­blick

Pflege­leistungen. Bürokratie gehört zur Antrag­stellung dazu, aber der erste Schritt geht formlos. © picture alliance / Ulrich Baumgarten

Nur wenn ein Pfle­gegrad vorliegt, bietet die Pflege­versicherung finanzielle Leistungen. Es ist sinn­voll, die dafür nötige Begut­achtung möglichst früh zu veranlassen.

Das Wichtigste in Kürze

Damit ein Hilfebedarf anerkannt werden kann, muss zunächst ein Pfle­gegrad – früher Pfle­gestufe genannt – beantragt werden. Gesetzlich Versicherte wenden sich dazu an die Pflegekassen, die den jeweiligen Krankenkassen angegliedert sind. Anlauf­stelle für Privatversicherte ist ihre private Pflege­versicherung.

Grund­sätzliche Voraus­setzungen

Leistung nur mit Pfle­gegrad. Die Pflege­versicherung finanziert viele Leistungen bei anerkannter Pflegebedürftig­keit. Dafür müssen Versicherte in den vergangenen zehn Jahren mindestens zwei Jahre lang in die Pflege­versicherung einge­zahlt haben oder so lange familien­versichert gewesen sein. Außerdem muss bei den Betroffenen ein Pfle­gegrad anerkannt sein.

Gutachter prüft Hilfebedarf. Wie pflegebedürftig ein Mensch ist, entscheidet darüber, in welchen Pfle­gegrad er einge­stuft wird. Auf Antrag schickt die Pflegekasse einen Gutachter oder eine Gutachterin, dien den Bedarf prüfen. Der Sach­verständigen sollen heraus­finden, wie gut Antrag­stellende allein noch klar­kommen.

Antrag auf Pfle­gegrad

Den Antrag auf einen Pfle­gegrad können Pflegebedürftige oder auch Angehörige formlos stellen. Das geht sogar mündlich, ein bestimmtes Formular ist nicht nötig. Die schnellste und sicherste Methode, den Antrag auf den Weg zu bringen, ist per E-Mail oder Fax. So haben Antrag­stellende und Angehörige einen Nach­weis über den Tag der Antrag­stellung. Das Datum ist wichtig, weil die Pflegekasse rück­wirkend ab diesem Tag zahlt. Der Antrag darf knapp und formlos ausfallen: Name, Anschrift und ein Satz wie „Hier­mit beantrage ich ab dem heutigen Tag Leistungen aus der Pflege­versicherung“ genügen.

Das Formular ausfüllen

Die Pflegekasse schickt auf den formlosen Antrag hin ein offizielles Antrags­formular per Post zu, bei vielen Kassen kann es auch direkt im Internet abge­rufen werden. Das Formular für den Pfle­geantrag sollten Versicherte ausfüllen und unter­schreiben. Das Ausfüllen können auch Angehörige über­nehmen, die Unter­schrift muss aber von den Versicherten selbst kommen. Grund­sätzlich ist es auch möglich, für Antrags­stellung eine Vertrauens­person zu bevoll­mächtigen. In der Voll­macht muss die Person namentlich genannt und zudem erklärt werden, in welchen Angelegenheiten sie Vertretungs­befugnis hat. Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, ist der oder die genannte Bevoll­mächtigte Ansprech­partner für die Pflegekasse.

Den Entlastungs­betrag mitbeantragen

Im Formular selbst werden persönliche Daten abge­fragt, genau wie die Ursache für die Pflegebedürftig­keit und welche Leistungen der Betroffene in Zukunft erhalten will. Ist noch nicht klar, wie die Pflege organisiert werden soll, sollte das Formular so ausgefüllt werden, wie es der momentanen Planung entspricht. Details können nachgereicht, Leistungen später noch geändert oder aufgestockt werden. Darüber hinaus sollte der Entlastungs­betrag gleich mitbeantragt werden. Dafür reicht ein formloser Hinweis auf dem Antrag.

Pflege­personen bestimmen

Auch nach möglichen Pflege­personen wird gefragt. Möchten Angehörige die Pflege über­nehmen (mindestens zehn Stunden pro Woche), sollten sie außerdem den „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbs­mäßig tätige Pflege­personen“ ausfüllen und ihn mitschi­cken. So können sie Renten­punkte sammeln (Gesetzliche Altersvorsorge). Darüber hinaus haben sie Anspruch auf Arbeits­losen- und Unfall­versicherungs­schutz.

Erste Prüfung durch die Pflegekasse

Ist der Antrag bei der Pflegekasse einge­gangen, prüft sie in der Regel inner­halb weniger Tage, ob die Voraus­setzungen für die Einstufung in einen Pfle­gegrad gegeben sind. Das ist der Fall, wenn der Pflegebedürftige in den vergangenen zehn Jahren mindestens zwei Jahre in die Pflege­versicherung einge­zahlt hat oder familien­versichert war und voraus­sicht­lich für mindestens sechs Monate auf Hilfe angewiesen ist.

Das Pflege­gut­achten

Erfüllt der Antrag die Voraus­setzungen, meldet sich ein Gutachter oder eine Gutachterin des Medizi­nischen Dienstes der Kranken­versicherung (MD) bei gesetzlich Versicherten. Bei Privatversicherten über­nimmt die Firma Medicproof die Pflege­begut­achtung. Die Gutachter sollen prüfen, ob die Selbst­ständig­keit der Antrag­stellenden in Alltags­situationen tatsäch­lich einge­schränkt ist. Nur wenn das der Fall ist, wird im Pflege­gut­achten später ein Pfle­gegrad zuerkannt.

Gutachter kommen zu den Antrag­stellenden nach Hause

Gutachterin oder Gutachter prüfen die gesundheitlichen Einschränkungen der Antrag­stellenden in der Regel bei einem Haus­besuch, sofern – beispiels­weise coronabe­dingt – nichts dagegen spricht. Anschließend erstellen sie ein Pflege­gut­achten und schlagen der Pflegekasse einen Pfle­gegrad vor. Im Gutachten stehen zudem auch Empfehlungen für Hilfs­mittel, Präventions- und Rehabilitations­maßnahmen.

Gespräch zur Begut­achtung

Die eigentliche Begut­achtung dauert etwa eine Stunde. Der Gutachter oder die Gutachterin reden mit den Pflegebedürftigen und versuchen, deren Gesund­heits­zustand und ihre motorischen Fähig­keiten zu erfassen. Eventuell anwesende Angehörige können während der Begut­achtung Informationen ergänzen oder etwas klar­stellen. Da viel von dem Termin abhängt, sollten sich alle gut darauf vorbereiten. Es kann helfen, mit Pflegebedürftigen vorab Antworten zu über­legen. So fällt es vielleicht leichter, vorhandene Handicaps anzu­sprechen.

Vor dem Gespräch Notizen machen

Praktisch ist es, wenn Angehörige in der Woche vor der Begut­achtung notieren, wann es Hilfebedarf gibt. Beim Anziehen? Beim Duschen? Es ist zudem sinn­voll, für die Gutachter Kranken­haus­entlassungs­berichte oder Arzt­briefe zusammen­zustellen. Auch Medikations­pläne und eine Liste der Hilfs­mittel wie Rollatoren oder Hörgeräte helfen weiter.

Höher­stufung des Pfle­gegrads

Begut­achtungen finden für eine erste Fest­stellung des Pfle­gegrads statt, aber auch wenn sich der Gesund­heits­zustand verschlechtert. Auch die Höher­stufung kann dann formlos oder telefo­nisch bei der Pflegekasse oder – bei privat Versicherten – dem Kranken­versicherer beantragt werden.

Begut­achtungen zu Hause

Grund­sätzlich Haus­besuche, Ausnahmen möglich. Termine finden von Angesicht zu Angesicht im Lebens­bereich der pflegebedürftigen Person – etwa zu Hause oder auch im Pfle­geheim. In Ausnahme­fällen sind aber auch Begut­achtungen ohne persönliche Begegnung telefo­nisch möglich. Vorgesehen ist diese Sonder­regelung bei Menschen mit erhöhtem Risiko, schwer zu erkranken – etwa bei einer Immun­schwäche nach Organ­trans­planta­tionen oder während einer Chemo­therapie. Atteste dazu müssen nicht einge­reicht werden. Wer aktuell den Gutachter­besuch vermeiden möchte, sollte dies nach der Terminankündigung dem MD telefo­nisch melden. Medicproof ruft in der Regel vorab von sich aus an und klärt, ob ein Besuch möglich ist.

Hygiene­konzept. Bei den Haus­besuchen müssen Pflege­gut­achter Abstand halten und eine medizi­nische Gesichts­maske verwenden – genau wie die Menschen, die sie begut­achten. Hände­waschen, Desinfektion und Lüften gehören ebenfalls zum Hygiene­konzept. Falls nötig, kommen weitere Hygienemaß­nahmen wie der Einsatz von FFP2-Masken zum Zuge.

Pflegekasse entscheidet

Nicht der Gutachter oder die Gutachterin selbst, sondern die Pflegekasse entscheidet über den Pfle­gegrad. Sie orientiert sich dabei am Pflege­gut­achten und legt den Pfle­gegrad fest oder lehnt ihn ab. Zwischen Antrag­stellung und Einstufung dürfen maximal 25 Arbeits­tage liegen. Für jede weitere ange­fangene Woche, die ohne Entscheidung verstreicht, muss die Pflegekasse 70 Euro an den Antrag­steller zahlen.

Pflegebedürftige im Kranken­haus

Ist die pflegebedürftige Person im Kranken­haus, in der Reha oder wird palliativ versorgt, hat die Pflegekasse nur eine Woche Zeit für ihren Bescheid. Die Frist beträgt zwei Wochen, wenn jemand, der die Pflege über­nimmt, dafür Pflege­zeit oder Familien­pflege­zeit beantragt hat. Die Pflegekasse entscheidet dann nach Aktenlage, der Besuch von Gutachter oder Gutachterin wird auf einen späteren Zeit­punkt verschoben.

Bescheid über die Einstufung

Die Pflegekasse schickt den Bescheid über die Einstufung in einen Pfle­gegrad zusammen mit dem Gutachten an die Antrag­stellenden oder an deren Bevoll­mächtigte. Falls das Gutachten nicht Teil des Bescheids ist, sollte es unbe­dingt nachgefordert werden.

Wider­spruch inner­halb eines Monats

Legt die Pflegekasse keinen oder einen zu nied­rigen Pfle­gegrad fest, können Versicherte gegen den Bescheid Wider­spruch einlegen. Zu solchen Unstimmig­keiten um die Einstufung kommt es in 6 bis 7 Prozent aller Fälle, bei knapp einem Drittel hat ein Wider­spruch Erfolg. Versicherte oder deren Angehörige haben für ihren Wider­spruch einen Monat Zeit – ab dem Tag der Zustellung. Wurde das Schreiben beispiels­weise am 21. November zugestellt, muss der Wider­spruch bis zum 21. Dezember bei der Pflegekasse eingehen. Der Wider­spruch muss begründet werden und sollte darlegen, warum das Gutachten den tatsäch­lichen Hilfebedarf nicht richtig wieder­gibt. Die Haus­ärzte oder eine Pflegefach­kraft können dafür ­Atteste und Argumente liefern.

Wichtig: Legen Angehörige im Namen eines pflegebedürftigen Menschen Wider­spruch ein, müssen sie nach­weisen, dass sie dazu bevoll­mächtigt sind.

Klage vor dem Sozialge­richt

Hat der Wider­spruch bei gesetzlich Versicherten keinen Erfolg, auch nicht infolge eines von der Pflegekasse möglicher­weise veranlassten Zweit­gut­achtens, bleibt der Antrag­stel­lerin oder dem Antrag­steller nur die Klage beim Sozialge­richt. Die Klageschrift muss inner­halb eines Monats nach Zustellung des Wider­spruchs­bescheides bei Gericht eingehen. Das Verfahren ist kostenfrei.

Achtung: Privatversicherte können keinen Wider­spruch einlegen, sie müssen direkt beim Sozialge­richt klagen. Dafür haben sie sechs Monate Zeit.

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18 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 27.01.2025 um 14:56 Uhr
    Wechsel der gesetzlichen Krankenversicherung

    @alle: Wechseln Sie die gesetzliche Krankenversicherung, heißt das nicht automatisch, dass Sie die privaten Pflegezusatzversicherung wechseln sollten. Denn beim Wechsel des Anbieters der privaten Pflegezusatzversicherung erfolgt eine neue Gesundheitsprüfung, soweit es sich um keinen Pflege-Bahr-Tarif handelt.

  • clausem2707 am 05.01.2025 um 05:19 Uhr
    Gesund­heits­prüfung? auch über GKV Angebote?

    Hallo Stiftung Warentest!
    Bitte berichten, ob bei Vermittlung einer PV-Zusatzversicherung durch eine GKV, an die jeweiligen Partner, auch eine Gesundheitsprüfung erfolgt.
    Ich habe ca. 2004, gesetzlich versichert bei der DAK, eine Pflegezusatzversicherung bei der Hanse-Merkur (Versicherungspartner der DAK, Angebot exklusiv für DAK Versicherte) abgeschlossen. Es wurden keine Gesundheitsfragen erhoben.
    Aktuell bin ich bei der TK gesetzlich versichert. Diese GKV arbeitet z.B. mit der Envivas Versicherung zusammen.
    Mein Wechsel von der DAK zur TK führte nicht zu einer Veränderung meiner zuvor abgeschlossenen PV-Zusatzversicherung bei Hanse-Merkur.

  • Innoc11 am 02.07.2024 um 02:04 Uhr
    Zinsloses Darlehhen

    Wie hoch darf der zinlose Kredit sein ?

  • Testjunkie am 24.11.2023 um 22:43 Uhr
    Hanse Merkur private Pflegeversicherung

    2014 eingestiegen 79€ monatliche Beiträge
    Ab 2024 178€ monatliche Beiträge
    Die Beiträge stiegen kontinuierlich JEDES Jahr ❗️❗️❗️

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 13.02.2023 um 10:56 Uhr
    Pflegezusatzversicherung

    @moby_HH: Wir empfehlen den Abschluss eine Pflegeversicherung nur in ganz bestimmten Fällen. Da diese Art der Versicherung aber durch unsere Leser nachgefragt ist, haben wir einen Vergleich vorgenommen. Bitte lesen Sie dazu auch: www.test.de/Private-Pflegeversicherung-im-Test-So-fuellen-Sie-die-Pflegeluecke-4837475-5717054/