
Eltern versorgen. Oft kümmert sich nur eines von mehreren Kindern um einen pflegebedürftigen Elternteil. © Westend61 / Alona Antoniadis
Kinder, die sich jahrelang allein um Mutter oder Vater kümmern, können dafür einen Ausgleich von ihren Angehörigen verlangen.
Über zehn Jahre pflegt ein Sohn seine zunehmend demenzkranke Mutter. Zunächst im Elternhaus, später nimmt er sie bei sich auf. Nach ihrem Tod streitet er sich mit seinen drei Geschwistern um den Nachlass. Der Konflikt geht bis vor das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 13 U 31/18). Für seine Pflege fordert er einen höheren Erbanteil im Vergleich zu seinen Geschwistern. Das Gericht entscheidet zu seinen Gunsten und spricht ihm 40 000 Euro aus dem Nachlass zu – der rund 166 000 Euro beträgt. Sein Anspruch ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Das sieht im Erbfall einen Ausgleich für pflegende Angehörige vor. In der Praxis ist das oft kompliziert.
Unser Rat
Familienrat. Besprechen Sie frühzeitig in der Familie, wer bei einer Pflegebedürftigkeit von Mutter oder Vater die Pflege übernimmt. Führen Sie sich vor Augen, dass diese Person möglicherweise in ihrem Job und Privatleben zurückstecken muss. Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie ihre Leistung honorieren.
Dokumentieren. Pflegen Sie Ihre Eltern und wollen dafür einen Ausgleich, müssen Sie nachweisen, wie Sie Mutter oder Vater unterstützt haben. Am besten geht das mit einem ausführlichen und lückenlosen Pflegeprotokoll.
Vergütung. Werden Sie überwiegend von einem Ihrer Kinder gepflegt und wollen Sie Streit unter Ihren Erben vermeiden, vereinbaren Sie mit Ihrem Kind eine angemessene Pflegevergütung. Dafür können Sie auch das Pflegegeld nutzen, das von der Pflegekasse bezahlt wird, sofern Sie einen Pflegegrad 2 oder höher haben. Alles über die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erfahren Sie in unserer Untersuchung Pflegeversicherung: Wann sie leistet, was sie kostet
Testament. Sie können Streit auch mit einem Testament vorbeugen. Darin können Sie festlegen, was Ihr Kind als Ausgleich aus dem Nachlass erhalten soll. In unserer kostenpflichtigen Untersuchung Testament: So regeln Sie Ihr Erbe nach Ihren Wünschen erklären wir, wie Sie ein Testament verfassen, was Sie dabei beachten sollten und wie Sie Streit unter Ihren Erben vermeiden.
Oft Streit unter Hinterbliebenen
Wie im Frankfurter Fall kommt es unter Hinterbliebenen häufig zu Konflikten, wenn nur ein Kind Mutter oder Vater gepflegt hat und dafür von den Geschwistern oder anderen Erben einen höheren Anteil am Nachlass verlangt. Das weiß Ralf Mangold, Fachanwalt für Erbrecht in Köln aus Erfahrung: „Die Ausgleichspflicht spielt in Erbengemeinschaften oft eine vor allem emotionale Rolle und kommt leider häufig vor.“ Dabei geht es nicht darum, pflegenden Angehörigen einen Vorteil zulasten anderer Familienmitglieder zu verschaffen. Der gesetzliche Ausgleichsanspruch soll vielmehr Nachteile ausgleichen, wenn für die Pflege etwa der eigene Job ganz oder teilweise aufgegeben wird. Auch die Altersvorsorge Pflegender bleibt auf der Strecke, wenn jemand dauerhaft dafür beruflich kürzer tritt.
Ausgleich für Pflege nur für Kinder und Enkel
Die Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch sind eng. Nicht alle, die einen Angehörigen zu Hause gepflegt haben, können einen solchen Anspruch geltend machen. Das Gesetz privilegiert nur direkte Nachkommen der verstorbenen Person. Das sind vor allem Kinder, aber auch Enkel, wenn der erbberechtigte Elternteil nicht mehr lebt.
Ehepartnerin oder -partner, Eltern und andere Verwandte sowie Freunde und Bekannte gehen leer aus – selbst wenn sie jahrelang aufopfernd Angehörige gepflegt haben.
Mehr Unterstützung in der Pflege als üblich
Wann pflegende Kinder überhaupt eine Ausgleichszahlung von ihren Miterben fordern können, hat der Bundesgerichtshof festgelegt. „Die Pflege und Versorgung des Pflegebedürftigen soll ihrer Intensität nach über normale und übliche Unterstützungsleistungen in einer Eltern-Kind-Beziehung hinausgehen“, erklärt Mangold. „Zudem muss der Pflegende nachweisen, dass er eine gewisse Dauer gepflegt hat.“ Ob die Leistungen von Tochter, Enkelin oder Sohn über das Übliche hinausgingen und so ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung besteht und in welcher Höhe – darüber entzündet sich meist der Streit in Erbengemeinschaften.
Gericht nimmt Interessenabwägung unter Erben vor
Landet ein solcher Konflikt vor Gericht, nimmt das eine Abwägung zwischen Umfang und Dauer der Pflege einerseits und dem Wert des Nachlasses und den Vermögensinteressen der Miterben andererseits vor. Außerdem spielt eine wichtige Rolle, ob die erbrachten Pflegeleistungen des Beklagten maßgeblich dazu beigetragen haben, den Wert des Nachlasses zu erhalten.
Im vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall (siehe oben) war diese Frage ausschlaggebend für das Urteil. Denn eine notwendige Unterbringung der demenzkranken Mutter im Pflegeheim wäre ohne ihren pflegenden Sohn unabwendbar gewesen und hätte den Wert des Nachlasses erheblich verringert.
Pflege muss genau dokumentiert werden
Um den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung durchzusetzen, muss der pflegende Angehörige seine Tätigkeit, den Umfang und die Dauer nachweisen. All dies lässt sich am besten mit einem ausführlichen Pflegeprotokoll beziehungsweise Pflegetagebuch festhalten. Das sollte umfassen:
- Daten und Uhrzeiten,
- die einzelnen Leistungen pro Tag,
- Zeiten für die Pflege,
- Auslagen (Nachweis der Kosten etwa mit Rechnungen und Quittungen).
Gut wäre, die Dokumentation etwa über erbrachte Stunden durch Unterschrift zum Beispiel vom Ehepartner bestätigen zu lassen. Noch besser, der Pflegebedürftige unterzeichnet die Protokolle selbst.
Berechnung des Ausgleichsbetrags ist kompliziert
Ergibt die Dokumentation, dass dem pflegenden Angehörigen eine Ausgleichszahlung aus dem Nachlass zusteht, müssen sich die Erben über die Höhe einigen. Eine gesetzliche Berechnungsgrundlage für eine entsprechende Vergütung der Pflege gibt es nicht. Das birgt Konfliktpotenzial. Gerade weil die Gerichte für die Höhe des Anspruchs bisher keinen einheitlichen Weg aufzeigen, sollten streitende Erben für die Verhandlungen besser einen Fachanwalt für Erbrecht zu Rate ziehen.
Anspruch auf Ausgleich mindert Erbe
Steht der Betrag fest, wird er vom Nachlass abgezogen, bevor dieser unter den Erben aufgeteilt wird. Nahe Angehörige, die zwar keine Erben sind, aber einen Anspruch auf einen Pflichtteil vom Nachlass haben, bekommen durch den Abzug der Ausgleichszahlung ebenfalls weniger. Schaffen es die Erben nicht, sich zu einigen, muss ein Gericht entscheiden. Die Höhe der Ausgleichszahlung liegt im Ermessen des Gerichts und ist abhängig vom Einzelfall.
Erblasser können mit Testament Streit vorbeugen
Ein Prozess lässt sich vermeiden: Pflegebedürftige Erblasser können nämlich schon zu Lebzeiten regeln, ob und in welcher Form das pflegende Kind einen Ausgleich für seine Hilfe erhalten soll. Das geht am besten per Testament. „Darin können Eltern einem Kind als Dank für die Pflege explizit mehr vererben“, sagt Mangold. Auch andere Personen, die pflegen, können im Testament entsprechend bedacht werden – selbst wenn sie keine eigenen Kinder sind. Testierende können die gesetzliche Ausgleichspflicht auch gezielt ausschließen, um eine Auseinandersetzung unter den Erben nach ihrem Tod zu verhindern. In diesem Fall bietet es sich an, dem oder der pflegenden Angehörigen noch zu Lebzeiten einen angemessenen, gehaltsähnlichen Ausgleich für die Pflegetätigkeit zu zahlen.
Bekommt ein Kind allerdings ein angemessenes Entgelt für seine Pflege, kann es beim Tod des oder der Pflegebedürftigen keinen Ausgleich mehr geltend machen.
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Man sollte auch die Gesetze mal ändern wegen Erb.-Gemeinschaft.. Wir haben geerbt kommen nicht ans Geld ran,weil Schwager nicht unterschreibt bei Bank...Anwalt ist eben sehr teuer,man könnte das Gesetz doch ändern...jeder soll Geld ausgezahlt bekommen ohne Klageweg..mittlerweile 5 Jahre vergangen, und nix passiert..Bank sagt nur gehen Sie zum Anwalt,wir dürfen nicht auszahlen...