Zertifikate

Finanztest-Komplexitätsmaß: Wir messen den Wahnsinn mit Methode

Das Finanztest-Komplexitätsmaß zeigt, wie kompliziert der Aufbau eines Zertifikates oder einer strukturierten Anleihe ist.

210! Das ist die Maßzahl für die Komplexität der Anleihe Vario Zins Garant EP von der DZ-Bank. Das von uns neu entwickelte Finanztest-Komplexitätsmaß misst den Schwierigkeitsgrad von strukturierten Anleihen und Zertifikaten. Es beginnt bei 0 und ist nach oben nicht begrenzt. 210 ist der vorläufige Rekord. Komplizierte Papiere sind nicht zwangsläufig riskanter. Doch je größer das Komplexitätsmaß ist, desto schwieriger sind Risiken und Chancen einzuschätzen. Wir sind der Ansicht, dass private Anleger bereits ab einer Maßzahl von 6 überfordert werden.

Die Vario-Zins-Garant-Anleihe bezieht sich auf zehn Aktien (siehe „Tabelle Zertifikate und strukturierte Anleihen“). Für jede Aktie gibt es zwei Sicherheitsbarrieren. Eine liegt bei 60 Prozent des Anfangswerts der Aktie, eine bei 50 Prozent. Die fünfjährige Laufzeit ist in mehrere Perioden eingeteilt. Bleibt jede Aktie während einer Periode über 60 Prozent ihres Anfangswerts, wird das Papier vorzeitig fällig. Die Bank zahlt den angelegten Betrag plus einen Bonus zurück. Sinkt eine Aktie zwar unter 60 Prozent, bleiben aber alle über 50 Prozent, dann gibt es 6 Prozent Zins. Ist auch nur eine Aktie unter 50 Prozent gefallen, gibt es nichts – und die nächste Periode beginnt.

Jede Bedingung zählt

Das Komplexitätsmaß erhöht sich für jede Bedingung, auf die der Anleger achten muss. Wenn wie beim Vario Zins jede Aktie zwei Barrieren hat, dann zählen wir diese auch jedes Mal. Auch wenn die Bank zwei Zertifikatetypen miteinander kombiniert, wie zum Beispiel beim Express-Bonuszertifikat, steigt die Komplexität.

Am einfachsten ist ein Indexzertifikat. Es steigt und fällt wie der Index. Dafür vergeben wir das Komplexitätsmaß 0. Die Rückzahlung eines Discountzertifikats dagegen ist an eine Bedingung ­geknüpft: „Wenn der Index am Laufzeitende über dem Cap (der Höchstgrenze) liegt, bekommt der Anleger den Höchstbetrag. Wenn nicht, erhält er den Gegenwert des Index.“ Die Bedingung hat zur Folge, dass sich das Komplexitätsmaß auf 1 erhöht. Beim Bonuszertifikat muss der Anleger zwei Kursschwellen beobachten, eine während der ganzen Laufzeit, die andere zum Laufzeitende: „Wenn der Basiswert während der Laufzeit immer über der Sicherheitsbarriere liegt und am Laufzeitende unter oder auf der Bonusgrenze, gibt es den Bonus.“ Das ergibt ein Komplexitätsmaß von 4.

Das Vario Zins Garant ist noch bis Ende Februar in Zeichnung. Anleger, die es angeboten bekommen, sollten ihren Berater fragen, ob er ihnen ausrechnen kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit die verschiedenen Szenarien eintreten – das wird interessant.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 25.05.2021 um 14:31 Uhr
    Auszahlung am Ende

    @Wertoga: Bitte sehen Sie sich noch einmal unsere Beispiele an. Man bekommt, was in den Bedingungen vereinbart wurde. Das kann ein aktueller Kurs sein, aber auch ein Höchstbetrag, ein garantierter Mindestbetrag oder ein Betrag, der sich an der Entwicklung eines Index orientiert. Das macht diese Anlageform letztlich so schwer verständlich. (PH)

  • Wertoga am 19.05.2021 um 22:34 Uhr
    Auszahlung am Ende?

    Verstehe ich das richtig, dass man am Ende das bekommt, was dem aktuellen Kurs entspricht? Also bei dem Rechenbeispiel oben 17 Euro, wenn der Kurs bei 1700 stünde?