
Check. Ist ein konkretes Medikament nicht verfügbar, lässt sich möglicherweise ein alternatives Mittel finden. © Getty Images / Westend61 / Florian Küttler
Hunderte Arzneimittel sind nach wie vor knapp. Woran das liegt, was die Politik unternimmt – und wie Betroffene trotz Lieferengpässen ihre Medikamente bekommen.
Wer ein Medikament braucht, bekommt in der Apotheke womöglich zu hören: „Nicht lieferbar“. Neu ist das Problem nicht – aber noch immer ein großes Thema. Etwa drei Millionen Versicherte sind derzeit von Lieferengpässen betroffen. Das zeigt eine Auswertung von Verordnungsdaten für die Jahre 2022 bis 2024, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung veröffentlicht hat.
Auch ein Blick in das Register, in dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Meldungen der Hersteller zu Lieferengpässen sammelt, bestätigt das Problem. Derzeit sind ungefähr 500 Arzneimittel betroffen, darunter verschiedene Antibiotika, Psychopharmaka, starke Schmerzmittel und Medikamente gegen Diabetes.
Was Betroffene selbst tun können
Beschäftigte in Apotheken versuchen bei einem Engpass zu helfen und nicht lieferbare Arzneien durch eine geeignete Alternative zu ersetzen. Einfacher wird das, wenn die Kundschaft mitplant:
- Rezepte früh bringen. Wer regelmäßig Medikamente gegen chronische Krankheiten braucht, sollte Rezepte frühzeitig einreichen – nicht erst, wenn die aktuelle Packung aufgebraucht ist. Das verschafft dem Apothekenpersonal Zeit, das benötigte Mittel zu besorgen.
- Apotheke nahe der Praxis ansteuern. Gehen Sie mit Ihrem Rezept in eine Apotheke in der Nähe der verordnenden Praxis. Oft tauschen sich benachbarte Praxen und Apotheken über Lieferengpässe und mögliche Alternativen für bestimmte Arzneimittel aus. Dann wissen Ärztinnen und Ärzte beispielsweise, welche Medikamente die Apotheke vorrätig hat, und berücksichtigen das beim Verschreiben.
- Aktiv nachfragen. Ist ein Mittel in der Apotheke nicht erhältlich, fragen Sie aktiv nach Alternativen – etwa ob ein anderer Wirkstoff, eine andere Dosierung oder eine andere Zubereitung möglich ist, beispielsweise in Form von Tabletten statt als Saft. Haben Sie Geduld, falls die Apotheke das telefonisch mit Ihrer Arztpraxis abklären muss.
- Hausapotheke bestücken. Sinnvoll ist es, einige nützliche rezeptfreie Medikamente zu Hause zu haben, etwa gegen Schmerzen und Fieber, Schnupfen, Durchfall und zur Wunddesinfektion (siehe auch unser Text über Mittel für die Hausapotheke). Halten Sie den Vorrat klein – zum Wohle der Allgemeinheit.
Fehlende Antibiotika- und Fiebersäfte für Kinder
Besonders viele Lieferengpässe gab es rund um den Jahreswechsel 2022/23. Unter anderem waren Antibiotika- und Fiebersäfte für Kinder knapp. Auch in den Folgemonaten blieb die Lage schwierig, sie hat sich aber inzwischen laut Behördenangaben entspannt. Ist ein Kinder-Antibiotikum dennoch nicht verfügbar, bieten Fachgesellschaften Empfehlungen für Alternativen. Daran können sich Praxen und Apotheken orientieren.
Tipp: Sollte Fiebersaft mit Ibuprofen wieder knapp werden, können Eltern auf Saft mit Paracetamol ausweichen – und umgekehrt. Alternativ sind Kinderzäpfchen mit beiden Wirkstoffen möglich. Ältere Kinder können zudem Tabletten bekommen. Teilbare Paracetamol-Tabletten sind für Kinder ab vier Jahren geeignet, teilbare Ibuprofen-Tabletten für Kinder ab sechs Jahren. Beachten Sie bei allen Mitteln die altersgerechte Dosierung laut Packungsbeilage.
Wissen zu Medikamenten und Apotheken
- Von Abnehmspritzen bis Schmerzmittel: Unsere Tests und Informationen zu Arzneien stehen gebündelt auf unserer Themenseite Medikamente.
- Wenn Sie Medikamente im Internet bestellen wollen, finden Sie in unserem Test von Online-Apotheken Bewertungen für elf Versandapotheken. Nur eine schneidet gut ab.
- Wie Sie Medikamente richtig lagern und ob Sie abgelaufene Mittel noch nehmen können, lesen Sie in unserem Special Abgelaufene Medikamente: Wegwerfen oder verwenden?
Kostendruck im Gesundheitswesen
Dass Arzneimittel knapp werden, kann an einer erhöhten Nachfrage liegen – etwa wenn sich im Winterhalbjahr die Atemwegsinfekte häufen.
Doch als wesentlichen Grund sehen Fachleute den Kostendruck im Gesundheitswesen. Denn meist sind Generika betroffen – Arzneimittel mit Wirkstoffen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Ihre Preise sind hierzulande durch gesetzliche Regelungen gedeckelt, darunter Festbeträge und Rabattverträge:
- Ein Festbetrag ist die maximale Summe, die die Krankenkassen für ein Arzneimittel erstatten.
- Bei den Rabattverträgen schreiben Krankenkassen Wirkstoffe aus. Diejenigen Hersteller, die den höchsten Rabatt gewähren, erhalten den Zuschlag und versorgen die Versicherten der jeweiligen Kasse.
Folgen für die Produktion
Die Regelungen dienen dazu, Ausgaben der Krankenkassen und damit auch für Beitragszahlende zu dämpfen. Aber: Sie können die Produktion so unwirtschaftlich machen, dass Pharmafirmen daraus aussteigen. Zudem lassen viele Unternehmen Wirkstoffe aus Kostengründen im Ausland produzieren, vor allem in Indien und China. Kommt es dort zu Problemen, schlägt das auf die hiesige Versorgung durch.
Tipp: Hintergründe zu den Produktionsbedingungen von Medikamenten in Fernost und Antworten großer Arzneimittelhersteller auf unsere Fragen zu ihrem Einsatz für Qualität, Sozialstandards und Umweltschutz lesen Sie in unserem Artikel Das Schweigen der Pharmabranche.
Gesetz gegen Lieferengpässe
Um den Mangel zu mindern, hat der Bundestag im Juni 2023 ein Gesetz verabschiedet, das wenig später in Kraft trat. Unter anderem wurden damit Rabattverträge für Kinderarzneimittel abgeschafft – und das scheint tatsächlich etwas gebracht zu haben. Aber ein Blick auf die Gesamtlage mit Hunderten gemeldeten Lieferengpässen zeigt: Komplett gelöst ist das Problem noch nicht.
-
- Derzeit sind manche Medikamente knapp. Wohl dem, der sie zuhause vorrätig hat. Doch wie lange halten Medikamente? Laut Studien oft viel länger, als auf der Packung steht.
-
- Helfen pflanzlichen Beruhigungsmittel bei Stress und Unruhe? Wir haben 25 rezeptfreie Präparate geprüft – viele können nicht überzeugen.
-
- Sie reichen von Müdigkeit bis zu Herzrhythmusstörungen: unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln. Wir geben einen Überblick und sagen, wann sie gefährlich werden.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Den Inhaltsstoff bzw. das Medikament, das mir der Arzt verschrieben hat und das ich seit ein paar Jahren regelmäßig einnehmen muss, gibt es von zwei verschiedenen Herstellern (Packung mit 100 Stück).
Im letzten Monat (01/2025) teilte uns die Mitarbeiterin der Apotheke mit, dass die 100er Packung(en) von BEIDEN Herstellern derzeit nicht lieferbar wäre(n) und sie auch nicht sagen könne, wann es wieder lieferbar wäre. Bestell- und lieferbar wären aber Packungen mit 10 Stück. Wir haben dann am nächsten Tag 10 Packungen mit jeweils 10 Stück bekommen.
@Streifenhörnchen123: Wir wissen natürlich nicht, um welches Präparat genau es geht, und können nur allgemein antworten. Manchmal zeichnen sich Lieferengpässe im praktischen Alltag schon ab, bevor Anbieter das BfArM offiziell informieren und der Engpass in der entsprechenden Datenbank gelistet wird.
Mein Medikament ist derzeit nicht bestellbar, obwohl in der BfArM-Datenbank kein Lieferengpass gemeldet ist. Es ist kein Generikum und Alternativen gibt es nur in anderen Darreichungsformen, nicht in der von mir benötigten.
Wie kann es sein, dass Medikamente nicht erhältlich sind, ohne dass ein Lieferengpass vorliegt?
Es gibt eine Medikamentensuche, die live alle Bestände aller Versandapotheken in Deutschland abruft. www.prosoom.com.
Hier finden die Eltern fiebernder Kinder schnell freie Lagerbestände von Fiebersaft.
Gegen Fieber helfen übrigens auch kalte Wadenwickel - preiswert, leicht zu beschaffen und nebenwirkungsarm…