Herrenhemden im Test

Faire Arbeits­bedingungen sind die Ausnahme

Herrenhemden im Test - Gute Business­hemden, schlechte Arbeits­bedingungen

Präzise Knopf­arbeit. Die Näherin in Bangladesch verdient pro Stunde 39 Taka, rund 41 Cent. © Stiftung Warentest

Sichere Fabriken, weniger Über­stunden, mehr Kontrollen – vieles hat sich seit unserem letzten Test gebessert. Jetzt müssen noch die Löhne steigen.

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Rund 140 Arbeits­schritte sind notwendig, um ein Hemd herzu­stellen. Vom Baumwoll­feld bis zur Laden­theke geht es durch unzäh­lige Hände, vor allem in Nied­riglohn­ländern. Wir stehen in einer Fabrik am Rande von Bangladeschs Haupt­stadt Dhaka. Mehr als 2 600 Menschen fertigen hier Kleidung für verschiedene Marken, auch Hemden für diesen Test. In der Halle im fünften Stock sitzen Dutzende Nähe­rinnen in Reihen und fügen Stoff an Stoff. Es ist um die 30 Grad heiß, Wind weht durch die offenen Fenster. Unter dem Tackern der Nähmaschinen schreitet ein Aufseher die Gänge ab.

Nach dem schweren Brand einer Textilfabrik in Pakistan 2012 und dem Gebäudeeinsturz in Bangladesch 2013 standen die miesen Arbeits­bedingungen in asiatischen Nähereien im Fokus europäischer Medien und Firmen, von Politik und Hilfs­organisationen. Initiativen wie das deutsche Textilbündnis und der Bangladesh Accord sollten die Lage für Arbeite­rinnen verbessern. Was haben sie bewirkt? Um das heraus­zufinden, befragten wir die Anbieter der Hemden aus dem Warentest (Herrenhemden) zu ihrem sozialen und ökologischen Engagement in der Produktion (eng­lisch Corporate Social Responsibility, CSR) und baten sie um Belege für ihre Aussagen. Zudem über­prüften wir die Nähfabriken vor Ort, sofern uns die Unternehmen Zutritt gewährten.

C&A, Lidl und Seiden­sticker engagiert

Das Ergebnis fällt gemischt aus. Vieles ist besser geworden seit unserem letzten Test von Hemden­anbietern 2006. Gravierende Miss­stände entdeckten wir keine. Allerdings halten sich die meisten Firmen nur an Gesetze – echtes Engagement, wie etwa faire Löhne oder die Unterstüt­zung von Gewerk­schaften, ist selten. Relativ hoch ist die Fairness gegen­über Arbeitern und Umwelt bei C&A, Lidl und Seiden­sticker. Lidl und C&A fertigen in Bangladesch, Seiden­sticker betreibt eine Näherei in Indonesien.

Über­rascht hat uns vor allem das gute Abschneiden von Lidl. Der Discounter verkauft sein Hemd – eins der besten im Warentest – für güns­tige 10 Euro. Wie geht das? „Durch hohe Abnahme­mengen und eine effiziente Logistik“, antwortete Lidl auf unsere Nach­frage. Zur Wahr­heit gehört aber auch: Arbeite­rinnen, die das Lidl-Hemd zusammennähen, verdienen wie bei fast allen geprüften Anbietern nur wenig mehr als den gesetzlichen Mindest­lohn. Zum Leben reicht das kaum (Die Lohn­lücke, siehe unten).

Zwei Firmen verweigerten jeglichen Einblick in ihre Unter­nehmens­politik und kassieren dafür ein Mangelhaft: Hugo Boss und Tommy Hilfiger. Wenig trans­parent zeigten sich auch Esprit und We Fashion. Beide beant­worteten zwar unsere Fragebögen zumindest teil­weise, ließen unsere Experten jedoch nicht in ihre Nähfabriken.

Gebäude sind sicherer geworden

Was wir in der Fabrik in Dhaka gesehen haben, gilt auch für die anderen von uns inspizierten Fertigungs­stätten. Die Gebäude sind sauber, Flucht­wege sind unver­stellt. Die Männer und Frauen haben akzeptable Verträge und erhalten pünkt­lich ihren Lohn. Über­all werden Mindest­stan­dards – etwa bei der Arbeits­sicherheit – einge­halten. Das war in früheren CSR-Tests so nicht der Fall. Auf massive Über­stunden, die wir früher öfter vorfanden, stießen wir nur ein Mal: in einer viet­namesischen Nähfabrik, die für Olymp produziert.

In den Nähereien findet die Konfektion der Hemden statt: Angestellte schneiden Stoffe zu, vernähen sie, bügeln und verpacken das fertige Hemd. Das erfordert viele Arbeits­kräfte. Anders die Färbereien: Dort, in der Veredlung, sind weniger Menschen tätig, dafür kommt massenhaft Chemie zum Einsatz. Unser Fokus lag bei den Färbereien daher auf dem Umwelt­schutz, bei den Nähereien auf den Arbeits­bedingungen.

Löhne unter dem Existenz­minimum

Ein Knochenjob ist die Arbeit in jedem Fall – und schlecht bezahlt. Die Bengalin Munira sitzt 8 bis 10 Stunden an der Nähmaschine, sechs Tage die Woche. Ihr Gehalt liegt leicht über dem gesetzlichen Mindest­lohn, ihre Lebens­kosten deckt das kaum. Der Mindest­lohn wurde Ende 2018 auf 8 000 Ta­ka erhöht, umge­rechnet rund 85 Euro im Monat. Gewerk­schaften hatten das Doppelte gefordert. Für ein Leben mit Geld für Bildung und Rück­lagen sind sogar rund 400 Euro nötig, hat die Organisation Asia Floor Wage Alliance berechnet. Immer wieder werden Fabrik­arbeiter, die für höhere Löhne und mehr Rechte protestieren, schikaniert oder entlassen (Interview: Viele wurden schikaniert oder entlassen).

Muniras Lohn ist so nied­rig, dass sie und viele ihrer Kolleginnen, mit denen wir gesprochen haben, gern mehr arbeiten würden – trotz ihrer 48- bis 60-Stunden-Woche. „Mein Sohn lebt bei den Groß­eltern auf dem Land. Mit meinem Gehalt unterstütze ich alle drei“, erzählt die 22-Jährige. Viele Senioren erhalten in Bangladesch nur eine kleine Rente, wenn über­haupt.

Neben Bangladesch zählen China und die Türkei zu den wichtigsten Textilherstel­lern für den deutschen Markt. Sechs der geprüften Anbieter lassen ihre Shirts dort nähen, die anderen in Indonesien, Laos, Myanmar, Polen, Slowakei, Tunesien und Vietnam. Eine Lücke zwischen Mindest- und existenz­sicherndem Lohn klafft nicht nur in Asien, sondern auch in Osteuropa.

Um höhere Löhne durch­zusetzen, fehle der Einfluss auf die Fabrik­besitzer, argumentieren einige Konzerne. Dass es anders geht, zeigt Van Laack: Der Firma aus Mönchengladbach – mit einem 140-Euro-Hemd teuerster Anbieter im Test – gehört ein Betrieb in Tunesien. Das Gehalt der Nähe­rinnen liegt deutlich über dem örtlichen Mindest­lohn. Kein Selbst­läufer: Seiden­sticker aus Biele­feld besitzt ebenfalls eine eigene Näherei, in Indonesien. Arbeiter dort erhalten nur den Mindest­lohn oder wenig mehr.

Die Lohn­lücke

Herrenhemden im Test - Gute Business­hemden, schlechte Arbeits­bedingungen

© Stiftung Warentest

In den Fabriken erhalten Nähe­rinnen selten mehr als den gesetzlichen Mindest­lohn. Dieser liegt deutlich unter dem existenz­sichernden Lohn, der unter anderem Kosten für Nahrung, Wohn­raum, Gesundheit, Bildung, Kleidung, Mobilität und Rück­lagen berück­sichtigt. Eine Auswahl:

Färbereien in Europa und Asien

Die meisten Anbieter im Test lassen ihre Stoffe bei zwei großen chinesischen Veredlern färben, teils auch mit chemischer Bügelhilfe ausrüsten. Wichtig dabei ist ein sorg­samer Umgang mit Wasser und Chemikalien. Drei zeigen das beste Umwelt­management: Brains­hirt und Walbusch lassen in derselben Fabrik in Österreich färben, Zara in der Türkei. Die Färberei in Österreich setzt strenge Umwelt­auflagen um. Zara hat einen eigenen Öko-Stan­dard – Green to Wear – entwickelt und dokumentierte umfassend, wie die Färberei Chemikalien einsetzt und Abwasser behandelt. Galeria Kauf­hof und We Fashion legten uns dagegen keinerlei ökologische Maßnahmen dar – mangelhaft.

In den Nähereien kommt zwar kaum Chemie zum Einsatz, aber sie benötigen viel Energie und verursachen Müll. Das kümmert viele Firmen bislang wenig. Erste Maßnahmen wie LED-Lampen, Solarpaneele oder Verpackungs­reduzierung gibt es etwa in den Fabriken von C&A, Lidl und Eterna.

Baumwoll­anbau noch ein Stiefkind

Wenig im Fokus der Textilbranche sind bislang auch die Betriebe am Anfang der Produktions­kette: Baumwoll­bauern, Weber, Knopf­hersteller. Je weiter die Herstellungs­stufe vom fertigen Hemd entfernt ist, desto weniger Ahnung haben die Firmen in der Regel von den Bedingungen vor Ort. Lediglich C&A, Lidl und Seiden­sticker konnten uns belegen, woher ihre Baumwolle stammt – aus einem Anbau­gebiet in China.

Siegel helfen Kunden kaum, wir fanden nur selten welche am Hemd. Aus zertifizierter Biobaumwolle ist einzig das Hemd von Brain­shirt gefertigt. Tommy Hilfiger trägt ein Label der Better Cotton Initiative (BCI) für nach­haltige Baumwolle. In unserem Test von Textilsiegeln enttäuschte BCI und konnte uns die Herkunft von T-Shirts nicht belegen. Im September startet der Grüne Knopf – das Siegel der Bundes­regierung für nach­haltige Textilien. Es soll Kleidung kenn­zeichnen, die fair und ökologisch hergestellt wurde.

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39 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • DerHolster am 24.01.2020 um 11:20 Uhr
    Olymp finde ich am besten

    Ich finde die Hemden von Olymp am besten. Meine habe ich schon seit über 5 Jahren und diese sind immer noch in Takt, die Farben wirken auch gut und die originalen Knöpfe musste ich auch nicht austauschen.

  • LaDolceVita am 31.10.2019 um 17:57 Uhr
    Kommentar von tgtec

    Möchte mich dem wichtigen Kommentar von tgtec am 23.11.2017 um 17:15 Uhr anschliessen. Im gepflegten business geht nichts über ein "glattes" Popeline-Hemd aus r-e-i-n-e-r Baumwolle.
    Diesbzgl. sind die Hemden von Hugo Boss leider nicht mehr das, was sie einmal waren. Dunkle Stoffe hinterlassen nach wenigen Wäschen weiße Streifen im Kragenbereich und die Kappnähte wellen sich stark.
    Charles Tyrwhitt stellt übrigens noch Hemden in hervorragender Qualität her, und ich kann nicht bestätigen, dass diese Marke hierzulande nicht sehr präsent ist.

  • LaDolceVita am 31.10.2019 um 17:54 Uhr
    Umfrage Hemden-Test

    Mein Vorschlag: Eine Umfrage, was Kunden sich von einem Hemden-Test wünschen!
    Wünschenswert wären sicherlich Hemden aus einem relativ beständigen Sortiment. Die Bügelzeit finde ich weniger relevant, denn was für den einen gut ist für den anderen nicht gut genug. Weiterhin kann man eine gute Baumwollqualität bei 60° Waschen, heute jedoch muss man schon froh sein, wenn ein weißes Hemd bei 40° waschbar ist. Die Kappnähte kräuseln sich heutzutage bei vielen Marken und gleichen selbst nach sorgfältigem Bügeln "mit Zug" immer noch Wellen. Warum? Kostenersparnis durch gedehntes Nähen? Verwendung von billigem Kunstfasergarn? Wie verhalten sich nach mehreren Wäschen die dunklen Farben am Kragen?
    Begrüssenswert wäre ein baldiger Test, der sich nicht immer auf die gleichen Marken wie Discounter, Boss, Seidensticker, Walbusch etc. bezieht.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 07.10.2019 um 10:51 Uhr
    Anbieter fehlt

    @axelklink: Grundsätzlich müssen wir uns nach der verfügbaren Anzahl der Testplätze richten. Daher ist es uns nicht möglich, alle in Betracht kommenden Anbieter zu berücksichtigen. So haben wir für unseren Test zum einen umsatzstarke Produkte ausgewählt sowie einen Querschnitt des Marktangebotes abgebildet. Die Hemden von Charles Tyrwhitt sind hierzulande nicht sehr präsent. Trotzdem nehmen wir Ihren Hinweis gern für einen Folgetest auf. (Bee)

  • axelklink am 05.10.2019 um 17:04 Uhr
    Anbieter fehlt

    einen der besten Hemdenanbieter haben Sie leider nicht getestet: den britischen Versandhändler Charles Tyrwhitt, ctshirts.de
    Die Hemden sind extrem langlebig, bieten eine wunderbare Stoffqualität und unzählige Kombinationen aus Schnitten, Kragenweiten und Ärmellängen.