
Weißes T-Shirt. Ob es nachhaltig hergestellt wurde, sieht man hoffentlich am Etikett. © iStockphoto
Fünf Textilsiegel im Test, die für Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche stehen. Der Check der Stiftung Warentest zeigt große Unterschiede.
Viele Menschen würde gerne nachhaltig kaufen
Mehr als die Hälfte der Verbraucher würden gern mehr nachhaltige Kleidung kaufen. Solche, die nicht Natur und Mensch vergiftet und nicht von unterbezahlten Arbeitern vernäht wurde. Leider finden diese Käufer die nachhaltigen Stoffe kaum im Handel, so das zwiespältige Ergebnis einer Umfrage der Zeitschrift Textilwirtschaft. Und stößt ein glücklicher Käufer auf ein Etikett mit einem Nachhaltigkeitssiegel, dann ist profundes Wissen erforderlich: Es gibt Dutzende Siegel für Kleidung am Markt, manche taugen etwas, manche weniger.
Der grüne Knopf soll Kunden leiten

Knopf am Textil. Das Logo des neuen Bundes-Siegels.
[Update 10.9.2019] Seit dem 9. September 2019 gibt es eine Art „Übersiegel“, das vom Bundesministerium für Entwicklungshilfe auf den Weg gebracht wurde. Erfüllt ein Modeanbieter bereits die Kriterien bestehender Nachhaltigkeitssiegel wie GOTS oder Fair Wear Foundation, kann er sich auch um den grünen Knopf bewerben. Zum Start sind 27 Firmen dabei, von Aldi über Hessnatur bis Vaude – ein kleiner Anfang auf dem gigantischen Markt der Textilindustrie mit ihren geschätzt 200 Millionen Beschäftigten weltweit. Das neue Über-Siegel soll sozial und ökologisch nachhaltige Textilien leichter erkennbar machen. Mehr zum Thema in unserer Meldung Grüner Knopf: Siegel für nachhaltige Kleidung startet mit 27 Firmen. [Ende Update]
Weniger als 1 Prozent Biobaumwolle
Ein Teil der Textilwirtschaft produziert bereits Kleidung mit Sozial- und Umweltsiegeln. Weltweit sind immerhin 19 Prozent der Baumwolle aus zertifiziertem nachhaltigem Anbau. Sie stehen zum Beispiel für ein sparsames Wassermanagement oder eine nachhaltige Bewirtschaftung der Felder, etwa durch wechselnde Fruchtfolgen. Aus streng biologisch kontrolliertem Anbau – das heißt unter anderem Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger – stammt zurzeit aber nicht einmal 1 Prozent der weltweiten Baumwolle. Folglich ist auch der Anteil von Kleidung mit Bio- oder Nachhaltigkeitssiegeln im Verhältnis zum millionenfachen Ausstoß der Modemarken eher gering.
Diese Siegel hat die Stiftung Warentest ausgewählt
Wir haben uns fünf Siegel für nachhaltige Kleidung genauer angesehen (siehe Tabelle). Unter den vielen Kennzeichnungen wählten wir sie aus, weil wir sie am häufigsten im Bekleidungshandel antrafen. Es gibt weitere Siegel, die zum Teil höhere Anforderungen haben – doch die sind in den Regalen kaum zu finden, weil Hersteller sie selten nutzen (Das Portal zur Siegel-Klarheit). Die geprüften Siegel belegen die Herkunft der Ware unterschiedlich gut.
Vom Regal zurück zum Baumwollfeld

Viel Etikette. Eine Auswahl der von uns gekauften T-Shirts mit Nachhaltigkeits-Siegeln. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Wir kauften von jedem der fünf Siegel drei T-Shirts aus Baumwolle, teils im Laden, teils online. Dann fragten wir die Organisation oder die Firma, welche das Label am T-Shirt vergibt, ob und wie sie ihr Shirt zurückverfolgen kann – über Näherei, Färberei, Spinnerei bis hin zum Baumwollfeld. Besucht haben wir Farmen und Firmen nicht, wir blieben auf der Papierspur der Etiketten. Die Rückverfolgbarkeit dieser Spur ist die Grundlage, wenn eine Firma kontrollieren will, wie fair und ökologisch die Herstellung eines Produkts ist.
Bildergalerie: Der lange Weg der Baumwolle
Gots-Zertifikate für alle drei T-Shirts
Am meisten überzeugt hat uns der Global Organic Textile Standard (Gots). Dahinter steht eine gemeinnützige Gesellschaft, gegründet von vier Non-Profit-Organisationen aus vier Ländern. Aus Deutschland ist der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft dabei. Gots hat auf unsere Anfrage Zertifikate zu allen drei T-Shirts geliefert. Das Siegel fordert die Verwendung von Biobaumwolle. Alle Verarbeitungsbetriebe müssen soziale Mindestkriterien erfüllen, also etwa dafür sorgen, dass Arbeiter sichere Arbeitsbedingungen vorfinden oder sich in Gewerkschaften organisieren können. Jedes T-Shirt war zurückverfolgbar bis zur Baumwollfarm.
C&A liefert Nachweis für jedes T-Shirt
Bei C&A findet der Kunde auf mancher Ware ein Etikett namens „#wear the change“. Dahinter verbergen sich verschiedene Siegel, die auf dem Etikett genannt werden: für Biobaumwolle etwa oder für wiedergewonnene Fasern. Deutschlands meistbesuchte Bekleidungsfirma nutzt unter anderem Gots-Zertifikate für Biobaumwolle. Auf Nachfrage konnte sie zu jedem T-Shirt die Herkunft nachweisen, die Mitarbeit war engagiert. Wie viele Große im Textilsektor hat C&A umfangreiche Selbstverpflichtungen zu nachhaltigen Lieferketten und Rohstoffen.
Unterstützung für afrikanische Farmer
Das Siegel Cotton made in Africa (CmiA) entspringt der Initiative einer gemeinnützigen Stiftung. CmiA will afrikanischen Baumwollfarmern helfen, zum Beispiel durch gezielte Schulungen oder den Verzicht auf die gefährlichsten Spritzmittel. Auf die bei konventionellen Bauern weit verbreitete genveränderte Baumwolle verzichtet dieses Siegel.
Im Gegensatz zu Gots setzt CmiA überwiegend nicht auf die genaue Rückverfolgbarkeit einzelner T-Shirts, sondern arbeitet mit der sogenannten Massenbilanzierung: Ein Modehersteller ordert zum Beispiel bei der Spinnerei Stoff aus Baumwolle nach den CmiA-Regeln für 10 000 Hemden. Die Spinnerei bestellt daraufhin so viel Baumwolle bei einem CmiA-Händler, wie für 10 000 Hemden benötigt wird. Sie muss nicht auf die Baumwolle von Cotton made in Africa warten, sondern kann mit vorhandener Ware losspinnen. Ob und wie viel CmiA-Ware in einem T-Shirt steckt, ist egal – nur die Bilanz muss stimmen.
265 711 Bauern für ein Hemd
Die Massenbilanzierung ermöglicht es Fabrikanten, flexibler zu arbeiten, wenn etwa nicht genug zertifizierte Ware zum Spinnen der Garne verfügbar ist. In welchem konkreten Textil CmiA-Baumwolle steckt, bleibt bei diesem Verfahren unklar. In unserem Test gibt CmiA für ein geprüftes T-Shirt die verarbeitenden Firmen bis zurück zu den Baumwollhändlern an. Aber: „Kumuliert waren in der Saison 265 711 Bauern bei den genannten Baumwollgesellschaften unter Vertrag.“ Diese Bauern haben ihre Felder in den Ländern Mosambik, Elfenbeinküste und Kamerun.
H&M bleibt eher vage
Hennes & Mauritz, kurz H&M, hat seinen Firmensitz in Schweden, ist aber trotzdem Deutschlands Nummer zwei im Bekleidungshandel. Das firmeneigene Nachhaltigkeits-Logo heißt Conscious. H&M nutzt dafür ebenso wie C&A diverse firmenfremde Siegel beim Bezug der Textilien, darunter ebenfalls Gots-Zertifikate für Biobaumwolle. Die Siegel werden auf dem Etikett allerdings nicht genannt. Stoffe müssen zu mindestens 50 Prozent aus nachhaltigem oder recyceltem Material bestehen.
Auch H&M verweist auf zusätzlich geltende Unternehmensverpflichtungen zur Nachhaltigkeit. H&M schreibt umfangreicher als manch anderer Modekonzern über seine Aktivitäten in dem Sektor, listet auch einen Teil seiner 1 269 Lieferanten auf. In unserer Untersuchung zu den drei T-Shirts hingegen war H&M nicht so mitteilsam, Konkretes zur Herkunft der Baumwolle erfuhren wir nicht.
Die Better Cotton Initiative enttäuscht
Am wenigsten überzeugend stellte sich uns die Better Cotton Initiative und ihre BCI-Kennzeichung dar. Die Non-Profit-Organisation arbeitet weltweit mit Kooperativen und Bauern jeder Größe. Ihre Baumwolle ist weit verbreitet, wohl auch, weil BCI weniger strenge Anforderungen stellt als die anderen Labelorganisationen im Test. 1,3 Millionen Farmer hatten in der Saison 2016/2017 eine BCI-Lizenz. Für Auskünfte zu einzelnen T-Shirts sah sich die Organisation uns gegenüber außerstande. Sie arbeitet ebenfalls mit der Massenbilanzierung, die Baumwolle darf also mit nichtzertifizierten Fasern vermischt werden.
Ein verbindliches staatliches Siegel
Der Check offenbart deutliche Unterschiede zwischen den fünf untersuchten Siegeln. Immerhin: Unternehmen, die eins der Siegel nutzen, tun freiwillig etwas dafür, Umweltschutz und Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu verbessern. Darauf baut auch der Grüne Knopf des Bundesentwicklungsministeriums. Firmen, die ihn an ihre T-Shirts und Hosen heften wollen, müssen nachweisen, dass sie die Menschenrechte in der gesamten Lieferkette schützen. Sie müssen bestehende Textilsiegel nutzen, die ökologische und soziale Standards in der Produktion setzen.
Der Knopf ist als geschützte Marke eingetragen und soll Vor-Ort-Kontrollen in Produktionsländern gewährleisten. Für die Einhaltung der Kriterien soll die DAkkS sorgen, die Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings gilt das alles in der Startphase nur für den letzten Produktionsschritt der Konfektionierung, also Zuschneiden, Nähen und Verpacken.
„Ziel muss sein, die gesamte Lieferkette abzudecken“
„Ein freiwilliges, aber verbindliches und anspruchsvolles staatliches Siegel ist zu begrüßen. Es kann Verbrauchern einen echten Mehrwert bieten“, sagt Kathrin Krause, Referentin Nachhaltiger Konsum beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Wie verbindlich der Grüne Knopf tatsächlich sein wird, hängt entscheidend davon ab, wie die Satzung gestaltet wird, und welche Kriterien die Unternehmen erfüllen müssen. Ziel muss sein, die gesamte Lieferkette abzudecken, nicht nur die Konfektion.“
Tipp: Die Suche nach fair und nachhaltig produzierter Kleidung erleichtern kann der Einkauf bei Spezialisten wie zum Beispiel Hess Natur oder Waschbär. Der Onlineversender Zalando hat in seiner Produktsuche für Bekleidung ein vorgegebenes Feld „Nachhaltigkeit“. Bei anderen wie otto.de muss man selbst auf das richtige Suchwort kommen, etwa „nachhaltige Mode“.
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Besten Dank für Ihren Artikel!
Ein Aspekt, der die Umweltbilanz vieler Kleidungsstücke beeinträchtigt, sind Retouren und Mehrfachversand im Onlinehandel.
Viele bestellen sich Artikel in mindestens zwei Größen, weil die Passformen unterschiedlich ausfallen, und verursachen so in jedem Fall eine Retoure. Mode-Influencer rufen häufig sogar dazu auf, zig Größen zu ordern.
Ich wünsche mir einen Test, der prüft, ob Artikel mit den auf den Homepages angegebenen Größenmaßen bzw. generellen Konfektionsgrößen-Standards übereinstimmen. Auch eine Benotung, wie aussagekräftig eine Webdarstellung ist, fände ich gut.
Beste Grüße!