Bei der Arbeit infiziert Wann gilt Corona als Berufs­krankheit?

Bei der Arbeit infiziert - Wann gilt Corona als Berufs­krankheit?

Covid-19-Infektion trotz Maske? Corona kann ein Arbeits­unfall und sogar eine Berufs­krankheit sein. © Getty Images / iStockphoto

Stecken sich Angestellte im Beruf mit dem Corona-Virus an, kann das als Berufs­krankheit oder Arbeits­unfall gelten. Doch je nach Tätig­keit sind die Hürden hoch.

Fast 40 Millionen Menschen infizierten sich in Deutsch­land im Laufe der Corona-Pandemie mit dem Corona-Virus. Zu Anste­ckungen kam es über­all, wo sich Menschen begegneten. Das passiert auch heute noch – und auch am Arbeits­platz. Infiziert sich dort ein Arbeitnehmer mit dem Virus, kann das unter bestimmten Voraus­setzungen auch heute noch als Berufs­krankheit oder Arbeits­unfall gelten.

Ist das der Fall, haben Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie über­nimmt zum Beispiel Behand­lungen und zahlt bei Lang­zeit­folgen eine Verletztenrente. Im Todes­fall unterstützt sie die Hinterbliebenen finanziell. Die Leistungen gibt es nicht auto­matisch und der zuständige Unfall­versicherungs­träger muss die Infektion zunächst als Arbeits­unfall oder Berufs­krankheit anerkennen. Wir sagen, welche Schwierig­keiten je nach Berufs­gruppe zu über­winden sind.

Arbeit­geber sollte Covid-19 anzeigen

In einigen Fällen ist die erste Hürde gleich der eigene Arbeit­geber. Eigentlich muss dieser Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle umge­hend beim jeweiligen Unfall­versicherungs­träger anzeigen, der je nach Branche eine bestimmte Berufs­genossenschaft oder Unfall­kasse ist. Doch das klappt nicht immer. Weigert Ihr Arbeit­geber sich, Ihre Infektion bei der Berufs­genossenschaft oder Unfall­kasse zu melden, zeigen Sie die Infektion selbst an. Sind Sie nicht sicher, welche Stelle für Sie zuständig ist, fragen Sie telefo­nisch unter 0 800/60 50 40 4 beim Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung nach. Für die Meldung genügt ein formloses Schreiben.

Beratungs­stellen für Betroffene

In Berlin, Bremen, Hamburg und dem Saar­land gibt es für Beschäftigte eigene Beratungs­stellen. Helfen können auch Gewerkschaften, der eigene Betriebsrat oder der Sozial­verband VdK. Auf der Website der Berliner Beratungsstelle Berufskrankheiten finden Sie eine Vorlage für die Anzeige einer Covid-19-Infektion. Die Mitarbeiter unterstützen Arbeitnehmer auch beim Anerkennungs­verfahren oder bei Streit um Leistungen.

Dokumentation ist wichtig

Infektion melden. Sie haben sich bei der Arbeit mit Corona angesteckt? Achten Sie darauf, dass Ihr Arbeit­geber dies bei der zuständigen Berufs­genossenschaft oder Unfall­kasse meldet. Bitten Sie um eine Durch­schrift der Meldung.

Selbst handeln. Weigert sich der Arbeit­geber, Ihre Infektion zu melden, können Sie dies auch selbst tun. Die Meldung ist auch nach­träglich möglich.

Leichte Symptome. Hat die Erkrankung bei Ihnen einen milden Verlauf? Bemühen Sie sich trotzdem um Anerkennung bei der gesetzlichen Unfallversicherung. So sind Sie abge­sichert, falls Sie später unter Lang­zeit­folgen leiden. Dafür ist wichtig, dass Sie zu Beginn der Erkrankung mindestens drei Tage krank­geschrieben sind. Mehr zu den möglichen gesundheitlichen Folgen einer Covid-19-Infektion in unserem Special Corona – Gesundheit, Schutzmaßnahmen.

Infektion nach­weisen

Gilt Ihre Infektion als Arbeits­unfall, müssen Sie einen engen Kontakt mit einer infizierten Person benennen. Dabei sollten Sie konkret sein und die entscheidenden Fragen beant­worten: Mit wem und wann hatten Sie Kontakt? Wie lange hat er gedauert? Wurde ein Abstand von 1,5 Meter unter­schritten? Haben die Beteiligten eine Maske getragen? Wurde der Raum, in dem der Kontakt statt­fand, regel­mäßig gelüftet? Suchen Sie sich zudem Zeugen, die das Beschriebene bestätigen. Lehnen Berufs­genossenschaft oder Unfall­kasse Ihre Anzeige ab, haben Sie einen Monat Zeit, um zu wider­sprechen. Lassen Sie sich von einem Anwalt für Sozialrecht unterstützen.

Schon bei milden Symptomen melden

Viele Menschen, die mit Covid-19 infiziert waren, leiden auch Monate später an Symptomen wie schneller Erschöpfung und einge­schränkter Leistungs­fähig­keit. Diese Lang­zeit­folgen treten auch bei Patienten auf, die zunächst einen milden Verlauf hatten. Die Infektion sollte daher auch bei leichten Symptomen gemeldet werden. Die Anste­ckung ist damit dokumentiert. Leidet jemand später unter Lang­zeit­folgen, erhält er leichter Unterstüt­zung.

Drei Voraus­setzungen für die Corona-Meldung

Der Unfall­versicherungs­träger prüft nach der Meldung einer Infektion, ob drei Voraus­setzungen erfüllt sind. Das ist der Fall, wenn

  • die Infektion mit einem positiven PCR-Test oder einem qualifizierten Schnell­test (durch medizi­nisches Personal) nachgewiesen ist,
  • die Erkrankung ausgebrochen ist, es also mindestens leichte Symptome gibt,
  • nachgewiesen ist, dass sich der Arbeitnehmer bei der Arbeit infiziert hat.

Wie konkret der letzte Nach­weis sein muss, hängt davon ab, ob die Erkrankung als Berufs­krankheit oder Arbeits­unfall zählt. Auch Ungeimpfte haben Versicherungs­schutz.

Wer erst jetzt erfährt, dass seine Infektion am Arbeits­platz als Versicherungs­fall gilt, kann dies nach­träglich anzeigen. Allerdings muss auch er belegen können, dass er die genannten Voraus­setzungen erfüllt.

Tipp: Sie erfüllen die Voraus­setzungen für einen Versicherungs­fall nicht, weil Sie keine Symptome haben? Notieren Sie sich trotzdem genau, wann und wo Sie sich im Job angesteckt haben. Bitten Sie außerdem Ihren Arbeit­geber, die Infektion im Verbandbuch fest­zuhalten. Leiden Sie später unter Lang­zeit­folgen, können Sie so belegen, dass Sie sich bei der Arbeit angesteckt haben und die Infektion nach­träglich melden.

Covid-19 als Berufs­krankheit

Ob Ärztin, Pfleger, Apotheker oder Familien­helferin – wer im Gesund­heits­dienst, bei der Wohl­fahrts­pflege oder in einem Labor arbeitet und unter den Folgen der Infektion leidet, hat gute Chancen, eine Berufs­krankheit anerkannt zu bekommen. 2023 gab es 64 733 neue Verdachts­fälle, 53 220 davon wurden anerkannt. Im Vergleich dazu wurde bei allen Berufs­krankheiten nur knapp die Hälfte der Meldungen bestätigt.

Berufe mit erhöhtem Erkrankungs­risiko

Bei der Arbeit infiziert - Wann gilt Corona als Berufs­krankheit?

Im Kranken­haus beschäftigt. Wer hier arbeitet, ist einem erhöhten Infektions­risiko ausgesetzt. Eine Covid-19-Erkrankung wird meist als Berufs­krankheit anerkannt. © Getty Images / Westend61

Covid-19 gilt nur in bestimmten Fällen als Berufs­krankheit. Nämlich nur dann, wenn medizi­nische Erkennt­nisse belegen, dass in einem Beruf ein deutlich erhöhtes Erkrankungs­risiko im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besteht. Für welche Krankheiten das gilt, ist auf der Liste der Berufs­krankheiten fest­gehalten. Zum Gesund­heits­dienst zählen etwa Krankenhäuser, Arzt­praxen, Apotheken, Rettungs­dienste oder Pflege­dienst­leister. Wohl­fahrts­pflege meint vor allem Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, Familien- und Alten­hilfe sowie zur Hilfe für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen.

Erkrankte in diesen Jobs müssen nicht konkret nach­weisen, bei wem sie sich angesteckt haben. Für sie genügt es, wenn sie allgemein belegen können, dass sie mit Menschen gearbeitet haben, die mit dem Corona-Virus infiziert waren.

Covid-19-Infektion in anderen Berufen

Auch in anderen Berufen kann Covid-19 als Berufs­krankheit gelten. Nämlich dann, wenn Arbeitnehmer im Beruf „der Infektions­gefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren“. Dazu zählen laut Spitzen­verband der Gesetzlichen Unfall­versicherung (DGUV) Berufe mit unmittel­barem Körperkontakt wie Friseure oder Kosmetikerinnen.

Für alle anderen Berufs­gruppen gibt es laut DGUV keine gesicherten wissenschaftlichen Hinweise, dass Beschäftigte einem höheren Infektions­risiko ausgesetzt sind.

Die Folge ist: Ob Lehrerin oder Erzieher, Kassierer oder Fahr­karten­kontrolleurin – sie alle können ihre Infektion nicht als Berufs­krankheit anerkennen lassen. Sie haben aber die Möglich­keit, sie als Arbeits­unfall zu melden.

Corona als Arbeits­unfall

Berufs­gruppen ohne erhöhtes Risiko können eine Covid-19-Infektion zumindest als Arbeits­unfall anzeigen. 2023 haben das 7 677 Arbeitnehmer getan, davon wurden 2 069 Fälle anerkannt. Als Nach­weis akzeptiert werden PCR-Tests und qualifizierte Antigen-Schnell­tests (POC-Schnell­tests). Dieser muss durch medizi­nisches Fach­personal durch­geführt worden sein. Ein Selbst­test reicht nicht aus. Eine Infektion ohne Krank­heits­symptome wird nicht als Arbeits­unfall gewertet und muss nicht gemeldet werden.

Detaillierter Nach­weis nötig

Damit die Anzeige als Arbeits­unfall Erfolg hat, müssen Betroffene genau darlegen, dass sie in ihrem Job engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Arbeits­kollegin, einen Geschäfts­partner oder einen Kunden handelt.

Bei der Definition eines „engen Kontaktes“ bezieht sich die gesetzliche Unfall­versicherung auf das Robert-Koch-Institut. Demnach ist er in drei Situationen gegeben:

  • Der Betroffene hatte mit der infizierten Person länger als zehn Minuten bei einem Abstand unter 1,5 Meter und ohne Masken Kontakt.
  • Der Betroffene hat mit der infizierten Person bei einem Abstand unter 1,5 Meter und ohne Masken ein Gespräch geführt.
  • Der Betroffene war mit der infizierten Person länger als zehn Minuten in einem Raum, der schlecht oder gar nicht belüftet wurde, sodass sich Aerosole verteilen konnten. In dieser Situation spielt es auch keine Rolle, ob die Beteiligten eine Atemschutzmaske getragen haben.

Kontakte mit Infizierten melden

Der Kontakt muss nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (RKI) zwischen zwei Tagen vor dem Auftreten der ersten Symptome und 10 Tagen nach Beginn der Symptome bei der infizierten Person erfolgt sein. Nur in Ausnahme­fällen akzeptieren Unfall­kasse oder Berufs­genossenschaft einen Arbeits­unfall, wenn der Beschäftigte keinen konkreten engen Kontakt mit einem infizierten Menschen belegen kann. Nämlich dann, wenn es im Arbeits­umfeld viele Infektionen gab und bewiesen ist, dass sich das Virus gut verbreiten konnte. Zum Beispiel, weil es keine oder nur eine schlechte Belüftung gab.

Private Infektion ausschließen

Bei seiner Entscheidung betrachtet der Unfall­versicherungs­träger auch, ob Betroffene im privaten Umfeld Kontakt zu Infizierten hatten. Ist dies der Fall, wird der Arbeits­unfall in der Regel nicht anerkannt. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass die beschäftigte Person sich auch außer­halb der Arbeit (Familie, Frei­zeit, im Urlaub) angesteckt hat.

Bei Arbeits­unfällen gilt außerdem, dass Betroffene mindestens drei Tage krank­geschrieben sein müssen. Sie sollten sich also auch bei milden Symptomen vom Arzt die Arbeits­unfähigkeit bescheinigen lassen.

Wegeunfälle ja, Essens­pausen nein

Versichert ist auch der Weg zur Arbeit. Hier gilt ebenfalls: Der Arbeitnehmer muss konkret nach­weisen, dass es einen engen Kontakt zu einer infizierten Person gab. Bei Fahrten mit Bus und Bahn ist das eher schwierig. Wer aber eine Fahr­gemeinschaft nutzt, kann einen engen Kontakt zu einem infizierten Mitfahrer leicht belegen. Stecken sich Beschäftigte aus dem Gesund­heits­dienst, der Wohl­fahrt oder Laboren auf dem Arbeitsweg an, gilt dies ebenfalls als Arbeits­unfall und nicht als Berufs­krankheit. Essens­pausen sind nicht versichert. Nur in Ausnahme­fällen kann eine Infektion in der Betriebs­kantine als Arbeits­unfall anerkannt werden.

Hilfen für anerkannte Fälle

Hat die gesetzliche Unfallversicherung die Infektion als Versicherungs­fall akzeptiert, erhalten Kranke umfang­reiche Unterstüt­zung. Sie zahlt anstelle der Krankenkasse für ärzt­liche Behand­lungen, Aufenthalte in Krankenhäusern, Medikamente, Reha und Physio­therapien. Oft über­nimmt sie dabei Behand­lungen, für die die Krankenkasse nicht aufkommen würde. Die Kliniken der Berufs­genossenschaften etwa haben ein eigenes Long Covid-Programm entwickelt.

Guter Einkommens­ausgleich

Auch beim Ausgleich von Einkommens­ausfällen ist die Unterstüt­zung der gesetzlichen Unfall­versicherung besser als das Krankengeld der Krankenkasse. Ist ein Beschäftigter länger als sechs Wochen arbeits­unfähig, endet die Lohn­fortzahlung des Arbeit­gebers. Die Unfall­versicherung zahlt dann ein Verletztengeld. Dies beträgt 80 Prozent des regel­mäßigen Brutto­arbeits­einkommens. Damit ist es 10 Prozent höher als das Krankengeld.

Sind Personen aufgrund der Corona-Erkrankung auf umfang­reiche fremde Hilfe angewiesen, zahlt die Unfall­versicherung auch ein Pflegegeld. Die genaue Höhe richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

Rente bei lang­fristigen Folgen

Wer aufgrund der Infektion lang­fristig einen gesundheitlichen Schaden erleidet, bekommt eine Verletztenrente. Der Anspruch besteht, wenn die Erwerbs­fähig­keit länger als 26 Wochen um mindestens 20 Prozent gemindert ist. In welchem Maße die Arbeits­fähig­keit beein­trächtigt ist, entscheidet die Unfall­versicherung auf Basis eines ärzt­lichen Gutachtens.

Bei voll­ständigem Verlust der Erwerbs­fähig­keit erhält der Versicherte eine jähr­liche Rente in Höhe von zwei Dritteln seines Brutto­jahres­verdienstes. Bei einer um 20 Prozent geminderten Erwerbs­fähig­keit sind es entsprechend 20 Prozent dieser Rente.

Führt die Covid-19-Erkrankung zum Tod, bekommen die Angehörigen eine Hinterbliebenenrente. Auch diese ist in der Regel deutlich höher als Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung.

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Kommentarliste

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  • Profilbild Stiftung_Warentest am 18.08.2021 um 17:58 Uhr
    Nachweis der Infektion

    @Testbastl: Ob sich die Ansteckung am Arbeitsplatz nachweisen lässt, hängt von der konkreten Situation ab. Die Vorlage negativer Testergebnisse kann unter Umständen behilflich sein, Einwände der Unfallversicherung dazu, dass die Infektion im Privatleben erfolgt sei, abzuwehren.
    Weiterhin bedarf es im konkreten Fall eines intensiven Kontaktes mit der infizierten Person (mindestens 15 Minuten andauernd, räumlicher Abstand von weniger als 1,5 bis 2 Metern).

  • Testbastl am 18.08.2021 um 14:11 Uhr
    Infektion nachweisen?

    IM TEXT: …ist es wichtig, dass die Infektion nach­weislich während der versicherten Tätig­keit erfolgte.
    Wie weist man denn nach, dass die Infektion während der Arbeit stattgefunden hat? Muss man zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende jeweils einen Schnelltest durchführen?