
Nach einem Arbeitsunfall trägt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten von Behandlung, Reha oder Unfallrente. Auch bei einem Unfall auf dem Arbeitsweg springt sie ein. Oftmals müssen Betroffene allerdings um die Anerkennung des Arbeitsunfalls kämpfen – nicht selten vor Gericht. Werden Leistungen von der Berufsgenossenschaft abgelehnt, sollten Versicherte sich wehren.
Arbeitsunfall - das Wichtigste in Kürze
Arbeitsunfall - das Wichtigste in Kürze
Was zählt als Arbeitsunfall? Versichert sind Unfälle, die Arbeitnehmer in Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit erleiden. Kein Versicherungsschutz besteht, wenn Verletzungen beziehungsweise Gesundheitsschäden ohne Einwirkung von außen zufällig während der versicherten Tätigkeit auftreten.
Wer ist geschützt? Neben Angestellten sind Auszubildende, Kindergartenkinder und Schüler, Studierende, Helfer bei Unglücksfällen, ehrenamtlich Tätige, Entwicklungshelfer und pflegende Angehörige durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Selbstständige können bei der Berufsgenossenschaft freiwillig eine Unfallversicherung abschließen.
Sofort melden. Nach einem Arbeitsunfall sollten Arbeitnehmer umgehend zu einem Durchgangsarzt gehen. Das sind Fachärzte mit Zulassung der Berufsgenossenschaften. Sie kümmern sich um die Versorgung.
Arbeitgeber informieren. Geschieht der Unfall außerhalb der Firma, müssen Arbeitnehmer das Unternehmen informieren. Es muss den Unfall dokumentieren und der zuständigen Berufsgenossenschaft melden, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage dauert.
Widerspruch einlegen. Lehnt die Berufsgenossenschaft Leistungen ab, hat der Betroffene einen Monat Zeit, um zu widersprechen. Um Fehler zu vermeiden, sollte er zu einem Anwalt gehen, der sich im Sozial- und Berufsgenossenschaftsrecht auskennt.
Das leistet die gesetzliche Unfallversicherung
Arbeitsunfälle passieren täglich. Jährlich zählt die gesetzliche Unfallversicherung mehr als 800 000 Arbeits- und Wegeunfälle. Nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg oder am Arbeitsort selbst haben Beschäftigte Anspruch auf umfassende Leistungen. Ziel ist die möglichst schnelle Rückkehr in den Beruf. Dazu muss die gesetzliche Unfallversicherung ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend „alle geeigneten Mittel“ einsetzen. Deshalb ist die Behandlung der Berufsgenossenschaft in aller Regel besser als die allgemeine Unfallversorgung, weiß Sozial- und Arbeitsrechtsexperte Martin Schafhausen. „Das Leistungsangebot reicht von Heilbehandlung, Reha, Physio und Versorgung mit Hilfsmitteln bis zum Verletztengeld oder einer Unfallrente.“ In besonderen Härtefällen übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung sogar eine Spezialausrüstung des Arbeitsplatzes oder bezuschusst den Umbau der Wohnung des Arbeitnehmers.
Übrigens: Wer sich zusätzlich absichern will, kann eine private Unfallversicherung abschließen. Die Versicherung federt finanzielle Folgen eines Unfalls ab, wenn die Gesundheit des Versicherten dauerhaft beeinträchtigt ist und die gesetzliche Unfallversicherung nicht zuständig ist. Unser Vergleich Private Unfallversicherung zeigt: Die Preisunterschiede sind groß. Verbraucher finden sowohl Top-Versicherungsleistungen zu hohen Preisen als auch soliden Schutz zu weitaus günstigeren Jahresbeiträgen.
Verletztenrente bei dauerhafter Krankheit
Wer aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit einen gesundheitlichen Schaden erleidet, bekommt eine Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft. Der Anspruch besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit länger als 26 Wochen um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Bei vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit erhält der Versicherte eine jährliche Rente in Höhe von zwei Dritteln seines Bruttojahresverdienstes. Bei einer um 20 Prozent geminderten Erwerbsfähigkeit sind es 20 Prozent dieser Rente. Hat der Versicherte im Jahr vor einem Arbeitsunfall, der den vollen Verlust seiner Erwerbsfähigkeit zur Folge hat, also 50 000 Euro verdient, bekommt er gut 33 333 Euro Rente. Bei einer um 20 Prozent geminderten Erwerbsfähigkeit sind es gut 6 666 Euro (20 Prozent von 33 333 Euro). Häufig wird die Rente zunächst befristet gezahlt. Ist der Versicherte dauerhaft krank, bekommt er auch die Rente dauerhaft.
Erwerbsminderungsrente und Unfallrente
Dauerhaft Kranke sind häufig also auch erwerbsgemindert. Sie bekommen dann sowohl eine Unfallrente von der gesetzlichen Unfallversicherung als auch eine Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung. In bestimmten Fällen wird die Erwerbsminderungsrente dann allerdings gekürzt; und zwar dann, wenn die Summe beider Renten einen individuell zu bestimmenden Grenzbetrag überschreitet. Maßgebend für seine Berechnung ist der vor dem Unfall erzielte Jahresarbeitsverdienst, der einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde liegt. Die Berechnung ist kompliziert. Betroffene sollten sich daher in einer Beratungsstelle der gesetzlichen Rentenversicherung kostenlos beraten lassen. Hier nur ein Beispiel: Bei 500 Euro Unfallrente und 500 Euro Erwerbsminderungsrente und einem Verdienst von 24 000 Euro im Jahr vor dem Arbeitsunfall wird die Erwerbsminderungsrente nicht gekürzt. Bei 500 Euro Unfallrente und 1 000 Euro Erwerbsminderungsrente wird diese um 52 Euro gekürzt.
Unternehmen müssen zahlen
Und wer trägt die Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung? Das machen die Unternehmen allein, Beschäftigte zahlen nichts. Arbeitgeber sind zwangsweise Mitglied dieser Versicherung. Träger sind die Unfallkassen der öffentlichen Hand sowie gewerbliche und landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften. Die Höhe des Beitrags setzen sie je nach Branche fest. Neben Angestellten sind Auszubildende, Kindergartenkinder, Schüler und Studierende, Helfer bei Unglücksfällen, ehrenamtlich Tätige, Entwicklungshelfer und pflegende Angehörige geschützt. Außen vor bleiben Beamte. Für sie gelten die Vorschriften der Unfallfürsorge. Auch Selbstständige sind grundsätzlich nicht unfallversichert. Sie können aber freiwillig bei der Berufsgenossenschaft eine Unfallversicherung abschließen.
Arbeitsunfall – das ist zu tun
Zum Durchgangsarzt. Der erste Weg ist für Unfallopfer der zum Durchgangsarzt. Dieser ist meist ein Unfallchirurg oder Orthopäde mit einer besonderen Zulassung der gesetzlichen Unfallversicherung. Er kann schnell die nächsten Schritte in die Wege leiten. Elke Biesel von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): „In jedem Betrieb sollte eine Liste mit den nächstgelegenen Praxen von Durchgangsärzten aushängen.“ Namen und Adressen gibt es auch auf den Internetseiten der Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und der DGUV. Wer nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg ins Krankenhaus gebracht wird oder selbst zu einem Arzt geht, sollte sofort den Arbeitsunfall erwähnen.
Den Chef informieren. Auch der Chef sollte schnell vom Unfall erfahren. Biesel: „Selbst kleinere Verletzungen sollten in das Verbandsbuch des Unternehmens eingetragen werden, um sie zu dokumentieren“. Das erleichtert den Nachweis für den Fall, dass sich im Nachhinein Komplikationen ergeben. Ist der Beschäftigte länger als drei Tage arbeitsunfähig, muss das Unternehmen die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse informieren.
Was zählt als Arbeitsunfall?
Unter Arbeitsunfälle werden Unfälle gefasst, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden. Ein Unfall ist nach Paragraf 8 Sozialgesetzbuch VII „ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt“. Die Berufsgenossenschaften prüfen sehr sorgfältig, bevor sie zahlen. Zwei Punkte sind entscheidend: Handelt es sich tatsächlich um einen Unfall im gesetzlichen Sinne, und steht er in einem inneren Zusammenhang mit der Arbeit?
Probleme bei Vorerkrankungen
Was genau unter Arbeitsunfällen zu verstehen ist, wird oft erst im Einzelfall klar. So hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die Unfallversicherung nicht die Kosten trägt, wenn die eigentliche Ursache der Verletzung eine Vorschädigung war (Az. L 8 U 5043/09). In dem Fall war eine Frau während ihrer beruflichen Tätigkeit umgeknickt und hatte sich verletzt. Grund für die Verletzung war aber ein Bänderriss, den sie 22 Jahre vorher erlitten hatte. Die Berufsgenossenschaft fragt deswegen häufig bei der Krankenkasse nach, ob Vorerkrankungen des betroffenen Körperteils mitverantwortlich für Unfallschäden sein könnten (zum Vergleich gesetzliche Krankenversicherung).
Betrieblicher Zusammenhang
Auch der betriebliche Zusammenhang ist ein häufiger Streitpunkt vor den Gerichten: Ein Sturz auf der Firmentoilette stellt etwa keinen Arbeitsunfall dar, so das Sozialgericht Heilbronn (Az. S 13 U 1826/17). Ein Mechaniker hatte geklagt, nachdem er im Toilettenraum seiner Arbeitsstelle auf dem seifigen Boden ausgerutscht und mit dem Kopf gegen das Waschbecken gefallen war. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und lag vier Tage im Krankenhaus. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab – mit Recht urteilten die Heilbronner Richter. Der Besuch der Toilette sei privater Natur. Auch in öffentlichen und privaten Toilettenräumen könnten die Fliesen nass und seifig sein. Bemerkenswert: Der Weg von oder zur Toilette ist wiederum geschützt.
Schafhausen: „Ein ähnlich gelagerter Fall ist der Arbeitnehmer, der sich beim Essen verschluckt. Das ist auch dem privaten Bereich zuzurechnen.“ Man isst eben nicht nur, um die Arbeitskraft zu erhalten. Auch bei Raucherpausen außerhalb der üblichen Pausenzeiten sind Arbeitnehmer deswegen nicht unfallversichert (Sozialgericht Karlsruhe, Az. S 4 U 1189/15). Denn auch dabei liegt keine besondere betriebliche Gefahr vor.
Schutz am Probetag
Auch wenn sich Bewerber bei der Arbeit an einem Probetag verletzen, stehen sie unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wie das Bundessozialgericht in einem Fall entschieden hat. Ein Mann war vom Lkw eines Entsorgers für Lebensmittelabfälle gestürzt. Den Probearbeitstag ohne Vergütung hatte er im Vorstellungsgespräch vereinbart. Das Gericht entschied: Am Probetag gilt der Mann als „Wie-Beschäftigter“ und ist damit gesetzlich unfallversichert. Der Grund dafür: Er hat dem Unternehmen mit seiner Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert erbracht, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich ist (Az. B 2 U 1/18 R).
Auf dem Weg zur Arbeit
Unter Arbeitsunfälle werden nicht nur die Unfälle gefasst, die sich schon aus dem Wortsinn ergeben. Auch Wegeunfälle fallen darunter. Das sind Unfälle, die Beschäftigte auf dem unmittelbaren Weg zur oder von der Arbeit erleiden. Auch wenn jemand abends Cannabis raucht und am nächsten Morgen auf dem Arbeitsweg verunglückt, kann das ein Arbeitsunfall sein, sofern derjenige sich dabei auf direktem Weg zu seinem Job befand. In einem vor dem Sozialgericht Osnabrück verhandelten Fall hatte ein Radler einen Pkw übersehen und wurde schwer verletzt. Eine Blutprobe ergab 10 Nanogramm pro Milliliter Blutserum des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC). Die Berufsgenossenschaft wollte nicht zahlen. Schließlich drohe Autofahrern schon bei 1 ng/ml Führerscheinentzug. Doch das Gericht urteilte: Bei Cannabis gebe es keine festen Grenzwerte für Fahruntüchtigkeit. Diese lasse sich nicht allein aus dem THC-Wert folgern. Zwar sei Cannabis verboten. Aber gegen ein Verbot zu verstoßen, bedeute nicht automatisch den Verlust des Versicherungsschutzes. Das gelte ja auch bei anderen Verkehrsverstößen. Direkt nach dem Unfall war der Mann bei klarem Bewusstsein, so die Ärzte. Der Unfall sei aus Unachtsamkeit passiert (Az. S 19 U 40/18).
Umwege gefährden Versicherungsschutz
Schwierigkeiten macht die Berufsgenossenschaft regelmäßig, wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit noch irgendetwas erledigt. Der Versicherungsschutz beginnt zwar, wenn der Arbeitnehmer durch die Außentür seine Wohnung verlässt und endet mit Betreten des Betriebsgeländes. „Unmittelbarer Weg“ heißt aber: Umwege sind grundsätzlich nicht versichert. Der kleine Umweg zum Einkaufen oder der Halt auf dem Supermarktparkplatz sind genauso wenig versichert wie der Extraweg zum Tanken (Hessisches Landessozialgericht, Az. L 3 U 195/07). Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer gezwungen war nachzutanken, weil die Tankreserveanzeige aufleuchtete. Das entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 3 U 268/11). Tanken ist nämlich mehr als eine geringfügige Unterbrechung des Arbeitswegs und damit grundsätzlich nicht versichert (Bundessozialgericht, Az. B2U9/18 R). Wenn der Fahrer nach dem Tanken allerdings wieder auf die übliche Route zum Betrieb oder vom Betrieb zum Wohnort zurückkehrt, greift der Versicherungsschutz wieder. Bestimmte Umwege sind generell erlaubt: Wer sein Kind regelmäßig zur Kita oder zur Schule bringt oder Kollegen auf dem Arbeitsweg abholt, ist auf der Strecke versichert. Auch bei Umleitungen oder weil der Arbeitsplatz über einen längeren Weg schneller erreicht werden kann, ist der Arbeitnehmer auf der Strecke versichert.
Crash nach Arztbesuch
Kein Versicherungsschutz liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nach einem knapp einstündigen Arztbesuch während der Arbeitszeit auf dem Rückweg zum Betrieb einen Verkehrsunfall erleidet. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Dortmund hervor (Az. S 36 U 131/17). In dem Fall hatte sich ein Arbeitnehmer aus Siegen nach einem Besuch eines Orthopäden auf dem Rückweg zu seiner Arbeitsstätte bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Die Richter urteilten, der Mann sei nicht auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Betriebsweg verunglückt. „Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit“ – zum Beispiel ein Arztbesuch – seien dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen.
Weg vom und zum dritten Ort versichert
Der Ort, von dem aus der Beschäftigte den – versicherten – Weg zur Firma antritt oder wohin er nach der Arbeit fährt, muss nicht unbedingt die eigene Wohnung sein. Es kann sich auch um einen sogenannten dritten Ort handeln. Ein dritter Ort etwa ist der Wochenendaufenthalt, von dem aus ein Arzt in die Klinik zurückgerufen wird. Dazu zählt auch die Wohnung eines Bekannten, bei dem eine Arbeitnehmerin regelmäßig ihr freies Wochenende verbringt. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichtes (Az. B 2 U 23/03 R) hervor. Die Wohnung des Bekannten lag zwar in einer anderen Richtung als ihr eigener Wohnsitz, war aber der Endpunkt ihrer Fahrt. Hinsichtlich Kilometerzahl und Fahrtzeit war sie außerdem kaum weiter von der Firma entfernt als die Wohnung der Frau. Auch das ist ein Kriterium (BSG B 2 U 20/05 R). Arztpraxis oder Autowerkstatt können zum dritten Ort werden, wenn der Beschäftigte auf dem Weg zur Firma dort Halt macht, weil er etwa einen Termin hat, und mindestens zwei Stunden vor Ort zubringt. Der direkte Weg zum Betrieb ist dann versichert. Versichert war auch der Beschäftigte, der die Mittagszeit bei einem Freund verbrachte und auf dem Weg zur Nachmittagsschicht verunglückte. Das entschied das Bundessozialgericht (Az. B 2 U 20/18 R). Der Weg war zwar dreimal so lang wie sein üblicher Weg vom Wohnort zum Betrieb, aber der Betroffene hatte sich mindestens zwei Stunden dort aufgehalten.
Heimweg nach Fitnessstudio nicht versichert
Orte, die zur Freizeitbeschäftigung aufgesucht werden, die der geistigen Anregung, der Entspannung oder der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen dienen, werden nicht als dritter Ort anerkannt. Wer nach der Arbeit ins Kino, ins Fitnessstudio oder eine Gaststätte fährt und sich dort mehr als zwei Stunden aufhält, hat für den restlichen Heimweg den Versicherungsschutz verwirkt (BSG 2 U 23/08 R). Wer nach der Arbeit eine andere Richtung einschlägt als die zu seinem Wohnort oder einem dritten Ort, befindet sich auf einem Abweg und ist nicht versichert. Das gilt selbst dann, wenn der Beschäftigte versehentlich von der geplanten Route abkommt, so urteilte das Landessozialgericht Thüringen (Az. L 1 U 900/17). Eine Ausnahme gilt für ehrenamtlich Aktive: Wenn ein Beschäftigter nach der Arbeit zu seinem Sportverein fährt, um sich dort als Trainer zu engagieren, sind Hin- und Rückweg automatisch unfallversichert.
Unfall in der Mittagspause
In der Mittagspause sind Arbeitnehmer nur bedingt versichert: Verunglückt ein Arbeitnehmer auf dem direkten Weg zum Essen außer Haus, zahlt die betriebliche Unfallversicherung. Ein Unfall bei anderen Erledigungen zählt nicht als Arbeitsunfall. Eine Frau, die sich verletzte, als sie zur Reinigung wollte, bekommt kein Geld. Das hat das Hessische Landessozialgericht entschieden (Az. L 3 U 225/10). Nicht versichert ist, wer in der Mittagspause Fitnessübungen oder einen Erholungsspaziergang macht. Unversichert ist auch der Aufenthalt in der Gaststätte oder Kantine selbst.
Training vs. Wettkampf
Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zum Betriebssport. Fußball, Badminton oder Flurgymnastik – die Angebote können vielfältig sein. Auch beim Betriebssport sind die Mitarbeiter gesetzlich versichert, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind: Der Sport muss als Ausgleich für körperliche, geistige oder nervliche Belastungen am Arbeitsplatz dienen. Er muss regelmäßig stattfinden und der Kreis der Teilnehmer im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkt sein. Zuletzt muss ein klarer organisatorischer Bezug zum Unternehmen bestehen. Der liegt vor, wenn etwa der Arbeitgeber den Ort oder feste Zeiten vorgibt. Wichtig ist, dass nicht sportliche Höchstleistungen oder die Teilnahme an Wettkämpfen im Vordergrund steht. Das ist in der Regel der Fall, wenn Mannschaften verschiedener Unternehmen gegeneinander antreten – vor allem bei Punkt- und Pokalspielen zwischen einzelnen Betriebssportgemeinschaften.
In einem Fall vor dem Sozialgericht Wiesbaden wurde eine Knieverletzung, die sich eine Frau bei einem Volleyballturnier zugezogen hatte, nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Begründung: Der Wettkampf stand im Vordergrund und am Turnier konnten nur wenige Mitarbeiter mitmachen, aber auch Betriebsfremde (Az. S 32 U 34/14).
Gesellige Teamevents
Auch das gesellige Miteinander auf dem Betriebsausflug oder einer Betriebsfeier kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Wie so oft, kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. Versichert ist der Arbeitnehmer in der Regel, wenn die Veranstaltung vom Chef ausgerichtet wird, sich an alle Betriebsangehörigen richtet und der Zusammengehörigkeit dient.
Versichert: Betriebs-Grillparty. Das Sozialgericht Dortmund hat einen Arbeitsunfall bei einer Arbeitnehmerin anerkannt, die im Laufe eines vom Arbeitgeber organisierten Grillabends umgeknickt und sich das Sprunggelenk gebrochen hat (Az. S 18 U 211/15). Zwar war die Arbeitnehmerin zu dem Zeitpunkt im alkoholisierten Zustand – dadurch verliere sie aber auf einer Betriebsveranstaltung nicht ihren gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Nur wenn Arbeitnehmer so betrunken sind, dass sie nicht mehr in der Lage sind, an dem geselligen Beisammensein teilzunehmen, fallen sie aus dem Schutzbereich raus.
Nicht versichert: Unfall mit Segway. Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht hingegen nicht, wer am Ende einer Fortbildung von seinem Chef zu einer Segway-Tour eingeladen wird und dabei einen Unfall erleidet. So hat das Sozialgericht Stuttgart entschieden (Az. S 1 U 3297/17). Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstrecke sich zwar auf die Fortbildungsveranstaltung, nicht aber die Ausfahrt mit dem Segway. Ein Arbeitsunfall setze voraus, „dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb ‚Versicherter‘ im Sinne des Sozialgesetzbuchs ist“. Eine versicherte Tätigkeit sei die Segway-Fahrt nicht, so das Gericht. Dafür spreche auch nicht, dass der Arbeitgeber die Tour organisiert und finanziert hat. Es stünde einem Arbeitgeber zwar frei, seinen Mitarbeitern entsprechende Veranstaltungen anzubieten. Er habe es dadurch jedoch nicht in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch die persönliche Verbundenheit einer Gruppe von Beschäftigten mit dem Unternehmen gestärkt werde.
Nicht versichert: Skiausflug. Auch die Teilnahme an einem vom Arbeitgeber veranstalteten Skiausflug ist nicht gesetzlich unfallversichert, wenn dieser nur einmal im Jahr stattfindet. In dem vom Sozialgericht Karlsruhe entschiedenen Fall verletzte sich der Kläger die rechte Schulter und das Kniegelenk. Das Gericht sah darin keinen Arbeitsunfall. Mit der Teilnahme am Skiausflug habe er offenkundig keine arbeitvertraglich geschuldete oder eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt und auch kein unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Es handelte sich auch nicht um versicherten Betriebssport – dieser muss nämlich regelmäßig stattfinden. Auch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung habe nicht vorgelegen, so das Gericht. Am Skiausflug konnte nur eine begrenzte Anzahl von Beschäftigten teilnehmen. Er stand also nicht allen Betriebsangehörigen offen und diente nach Angaben des Unternehmens ausdrücklich nicht der Förderung der Betriebsverbundenheit der Teilnehmer untereinander. (Az. S 1 U 412/19)
Arbeitsunfall im Ehrenamt
Viele ehrenamtlich Tätige sind gesetzlich unfallversichert. Automatisch gilt das, wenn sie freiwillig für Bund, Länder, Städte und Gemeinden arbeiten oder Helfer von Rettungsorganisationen wie der Freiwilligen Feuerwehr oder der freien Wohlfahrtspflege sind.
Gemeinnützige Organisationen wie Tierschutzvereine können eine freiwillige gesetzliche Unfallversicherung für ihre Funktionäre abschließen. Ansonsten fällt die Tätigkeit ihrer Mitglieder nicht unmittelbar unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das zeigt der Fall einer Rentnerin aus Lünen, Nordrhein-Westfalen. Für einen Tierschutzverein kümmerte sie sich regelmäßig um Streunerkatzen. Während einer Fütterung erlitt die Frau einen Verkehrsunfall und klagte auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Doch die Richter des Sozialgerichts Dortmund werteten ihren Einsatz als unversicherte Freizeitbeschäftigung, ohne Aufwandsentschädigung oder Gehalt, die sie aufgrund ihrer Tierliebe ausgeübt habe (Az. S 18 U 452/18).
Für ehrenamtliche Helfer in Sportvereinen gilt die gesetzliche Unfallversicherung nicht. In der Regel schützen Vereine ihre Übungsleiter über eine private Gruppenunfallversicherung. Nachfragen ist sinnvoll.
Arbeitsunfall beim Auslands-Einsatz
Ein Beschäftigter wurde für ein Jahr nach Vietnam entsandt, wo er ein Projekt in einem Nationalpark betreuen sollte. Bei einer Exkursion erlitt er einen schweren Unfall. Teile seines linken Beins wurden amputiert. Die Unfallversicherung wollte dies nicht als Arbeitsunfall anerkennen, da der Mann sein Gehalt in Vietnam bezog. Obwohl er im Ausland verunglückte, steht er unter dem Schutz der hiesigen gesetzlichen Unfallversicherung, urteilte hingegen das Hessische Landessozialgericht (Az. L 3 U 105/16 ZVW). Der Unfallschutz gelte auch für Arbeitnehmer, die ins Ausland entsandt werden. Und zwar dann, wenn die Entsendung zeitlich begrenzt ist, und der Arbeitnehmer davor und danach bei dem Betrieb angestellt war.
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