Beispiele für Diskriminierung am Arbeitsplatz und im Alltag – so haben Gerichte entschieden
Seit es das AGG gibt, haben Zivilgerichte viele Fälle von Ungleichbehandlung im Alltag entschieden. Manchmal einigten sich die Beteiligten aber auch außergerichtlich. Hier stellen wir Ihnen wichtige Urteil der letzten Jahre vor.
Urteile, die das Arbeitsleben betreffen:
Nur deutsche Muttersprachler. Auf ihre Stellenbewerbung bei einer Berliner Firma erhielt die aus der Dominikanischen Republik stammende Bewerberin eine E-Mail: „Leider richtet sich die Position an deutsche Muttersprachler, daher können wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen.“ Die Bewerberin fühlte sich wegen ihrer Herkunft diskriminiert und klagte. Das Arbeitsgericht Berlin gab ihr recht – und verurteilte das Unternehmen zur Zahlung einer Entschädigung von drei Monatsgehältern (Az. 55 Ca 16952/08).
Älter, als die Polizei erlaubt. Das Land Baden-Württemberg lehnte einen Bewerber für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ab, weil er mit 38 Jahren zu alt sei. Der Bewerber klagte und bekam recht: Das Verwaltungsgericht Freiburg sah darin eine unzulässige Altersdiskriminierung. Die festgesetzte Höchstalter von 36 Jahren für den gehobenen Polizeidienst schränke die Freiheit der Berufswahl unverhältnismäßig ein (Az. 3 K 862/15).
Trotz Schwerbehinderung nicht eingeladen. Eine Erziehungswissenschaftlerin mit Schwerbehinderung bewirbt sich bei einer Gesamtschule als Unterstützungskraft für Lehrkräfte. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch oder Absage gab es nicht. So ging es übrigens auch unserem Mutmacher Arno Dauber.
Doch Arbeitgeber sind verpflichtet, Menschen mit einer Schwerbehinderung zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen, sofern sie aufgrund der Unterlagen fachlich nicht völlig ungeeignet sind. Andernfalls wird ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vermutet. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung, liegt bereits vor, wenn wie hier eine Bewerberin mit Schwerbehinderung nicht in die Auswahl einbezogen wird. Verletzt ein Arbeitgeber diese Pflicht, muss er nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Schadenersatz zahlen. Die Nicht-Eingeladene beschwerte sich bei der Schulleitung und schaltete einen Rechtsanwalt ein. Das AGG sieht für solche Fälle eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern vor – in diesem Fall waren das rund 11 640 Euro. Schule und Bewerberin einigten sich auf rund 5 500 Euro.
Weniger Lohn für Frauen. Dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts bei gleicher Qualifikation weniger Lohn als ihre männliche Kollegen erhalten, kommt immer wieder vor. So hatte die Diplom-Kauffrau Susanne Dumas 1 000 Euro brutto weniger als ihr Kollege verdient. Der Kollege und sie waren gleich qualifiziert, er hatte lediglich zwei Monate vor ihr bei dem Arbeitgeber angefangen. Das Urteil, das Susanne Dumas nach einem langen Rechtsstreit erzielt hat, gilt als Meilenstein im Kampf gegen den Gender-Pay-Gap – dem Abstand zwischen dem Entgelt der Männer und dem der Frauen. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr 14 500 Euro entgangenen Lohn und 2 000 Euro Diskriminierungsentschädigung zu (Az. 8 AZR 450/21). Der Arbeitgeber hatte argumentiert, die ungleiche Bezahlung liege hier daran, dass der besser bezahlte Kollege eben sein Gehalt besser verhandelt hätte. Eine typische Behauptung, die durch den Prozess entkräftet wurde. Mehr dazu in unserem Artikel Mutmacherin: Ein Sieg für alle Frauen. Auch Janette Fuchs, ehemals Bürgermeisterin im baden-württembergischen Todtmoos, konnte sich vor Gericht im Nachhinein gegen schlechtere Bezahlung wehren. Alle ihre männlichen Vorgänger, genau wie ihr Nachfolger wurden von vornherein in eine bessere Besoldungsstufe eingruppiert. Die Gemeinde musste ihrer ehemaligen Rathauschefin im Nachhinein über 43 000 Euro Schadenersatz und Entschädigung zahlen (Verwaltungsgericht Freiburg, Az. 5 K 2541/23).
Urteile, die Diskriminierung im Alltag betreffen:
Ausgrenzung bei der Wohnungssuche. Ein Paar rief aufgrund einer Annonce bei einer Immobilienverwaltung an. Es wollte die beworbene Wohnung besichtigen. Schnell wurde ein Termin mit der Hausmeisterin verabredet. Sie sollte die Interessenten durch die Wohnung führen. Vor Ort wies die Hausmeisterin das Paar allerdings ab: „Die Wohnung wird nicht an Neger, äh ... Schwarzafrikaner und Türken vermietet.“ Das sei eine Anordnung der Hausverwaltung. Das Paar ließ das nicht auf sich sitzen und schaltete das Gleichstellungsbüro der Stadt Aachen ein. Mit dessen Unterstützung verklagten die Mietinteressenten den Hausverwalter auf Schadenersatz und Schmerzensgeld von jeweils 2 500 Euro und gewannen vor dem Oberlandesgericht Köln (Az. 24 U 51/09).
Vermietung nur an Deutsche. Nur „an Deutsche“ wollte ein Vermieter seine Wohnung vermieten. Ein Interessent, der ursprünglich aus Burkina Faso stammt, meldete sich telefonisch auf die Annonce. Der Vermieter fragte nach seiner Herkunft – nachdem er sie erfahren hatte, legte er auf. Der Anrufer sah darin einen Verstoß gegen das AGG. Er verklagte den Vermieter. Das Amtsgericht Augsburg gab dem Mann recht (Az. 20 C 2566/19). Der Wohnungseigentümer musste ihm 1 000 Euro Entschädigung zahlen. Außerdem darf er die Formulierung „an Deutsche“ künftig nicht mehr in Inseraten verwenden. Tut er es dennoch, droht ihm ein hohes Ordnungsgeld (mehr dazu im Mutmacher: Diskriminierung bei der Wohnungssuche).
Abgewiesen an der Discotür. Ein Türsteher einer Diskothek in Hannover verwehrte einem dunkelhäutigen Gast den Zutritt. Die Disco sei bereits voll, erklärte er. Die hellhäutigen Begleiter des Abgewiesenen, der deutscher Staatsbürger ist, ließ der Türsteher allerdings ein. Der Mann klagte und bekam recht. Wegen Verstoßes gegen das AGG verurteilte das Amtsgericht Hannover die Disco, 1 000 Euro Entschädigung an ihn zu zahlen. Außer der Hautfarbe war kein anderer Grund – etwa Alkoholisierung oder unangemessene Kleidung – für den verweigerten Eintritt erkennbar, stellte das Gericht nach Vernehmung der Zeugen fest (Az. 549 C 12993/14).
Keine Villa für Schwule. Ein schwules Paar möchte eine Hochzeitsvilla mieten. Als der Vermieter von der Homosexualität erfährt, sagt er ihm ab. Das ist eine verbotene Diskriminierung. Das Paar bekommt 1 700 Euro Entschädigung (Landgericht Köln, Az. 10 S 137/14)
Ärmellos nur für Frauen. Einem Mann wurde im Fitnessstudio untersagt, ärmellose T-Shirts zu tragen. Frauen durften dagegen im selben Studio mit sogenannten Tanktops trainieren. Der Grund: Das Studio wollte sich von Bodybuilding-Studios abheben, in denen auch Männer viel Haut am Oberkörper zeigen. Der Freizeitsportler klagte deshalb wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung gegen den Studiobetreiber. Das Amtsgericht Bad Urach gab ihm in Teilen Recht. Es stellte fest, dass die Kleiderordnung des Fitnessstudios tatsächlich eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seines Geschlechts darstellte. Das Gericht sah zwar keinen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, sprach ihm aber dennoch 250 Euro Entschädigung zu (Az. 1 C 161/23).
Kommentarliste
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Auch ich habe im beruflichen Alltag Benachteiligungen erleben müssen. Nachdem ich nun den insgesamt vierten Beruf über eine Weiterbildung mit 1,3 abgeschlossen habe, wurden von mir Bewerbungen geschrieben. Nach nun insgesamt 700 Bewerbungen im kaufmännischen Bereich bin ich so langsam nicht mehr gewillt noch länger einem Job nachzujagen. Teilweise habe ich mich auf einem Freitag bzw. Samstag beworben und Montags hatte ich die Absage als Email vorliegen. Meine abgeschlossenen Berufe sind Industriekaufmann, staatl. geprüfter Betriebswirt, Versicherungsfachmann und zu guter Letzt Lohn- und Gehaltsbuchhalter. Diese Berufe sind alle samt mit einer hohen Qualifikation verbunden. Auch Steuerberater, die ja Händeringend Arbeitskräfte suchen, antworten noch nicht einmal aber immer jammern, das keine Arbeitskräfte zu finden sind. Ich kann mit nur zu gut vorstellen was diese Unternehmer und Steuerberater suchen!!!
@AndreaDark: Sie können sich zuerst an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden:
www.antidiskriminierungsstelle.de
Hallo
Eine Regierungspartei diskrimniert und das ganz öffentlich!
Wem kontaktiere ich?
Grüße Andrea
Wer öffentliche Dienstleistungen anbietet, darf lt. AGG diese auch nicht wegen der Weltanschauung verweigern. Zur Weltanschauung gehört z.B. die Parteizugehörigkeit. Tendenzbetriebe sind allerdings weitestgehend vom AGG ausgenommen. So können Einrichtungen, deren Träger z.B. die kaholische Kirche ist und somit als Tendenzbetrieb gilt, relativ einfach Arbeitnehmer kündigen, welche nicht ins Weltbild der katholischen Kirche passen.
Kann es sein, dass sie im falschen Thema kommentiert haben? Hier geht es nicht um Versicherungen.