
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Firmen oder Behörden die Stirn bieten und so die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Doreen Richardt aus Lübeck, die sich erfolgreich gegen ihren Arbeitgeber gewehrt hat.
Ein Jahr voller Schikane
Fast hätte Doreen Richardts Karriere an der Universitätsklinik so geendet: Der Personalleiter und ihr Chef lesen ihre Freistellung vor, sie muss ihre Arztkleidung ablegen, Sicherheitsmänner leiten sie vom Campus. „Das war der Moment, in dem ich merkte, dass ich mich mit juristischen Mitteln gegen die Klinikleitung wehren muss“, sagt die Herzchirurgin. Der Freistellung vorangegangen war ein Jahr voller Schikane und Anfeindungen.
Ein neuer Chef kommt, alles wird anders
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Doreen Richardt an der Universitätsklinik Schleswig-Holstein (UKSH) auf dem Campus Lübeck. „Ich habe die Uniklinik immer als einen sehr angenehmen Arbeitgeber erlebt“, erinnert sich die 50-Jährige. Das änderte sich schlagartig, als ihr bisheriger Chef 2018 in den Ruhestand ging und ein neuer Chefarzt die Leitung der Herzchirurgie übernahm. Mit ihm wechselten vier weitere Ärzte nach Lübeck. Dem bisherigen Team wurde vermittelt, dass es nicht mehr erwünscht ist. Die Oberärztin und ihre alten Chirurgenkollegen operierten nur noch selten, im OP waren jetzt hauptsächlich die Neuen aktiv. Dann entzog ihr der neue Chef die Bereichsleitung für minimalinvasive Eingriffe und verbot ihr, Vorlesungen zu halten.
Sie bleibt und wird krank
Richardt war nicht die Einzige, die unter der neuen Situation litt. Einige Kollegen wechselten wegen der schlechten Stimmung an andere Kliniken. Die Mutter von fünf Kindern aber blieb – und wurde krank. Zum ersten Mal in ihrem Berufsleben fiel sie länger aus. Im November 2019, am ersten Tag nach ihrer Abwesenheit kam es zu der Szene, bei der ihr die Freistellung präsentiert wurde. Später wurde ihr ein Aufhebungsvertrag zugeschickt. Kündigen konnte das UKSH ihr nicht. Die Ärztin hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen.
Per Eilantrag zurück in den Job
Gegen die Freistellung ging Doreen Richardt per Eilantrag beim Arbeitsgericht Lübeck vor. Das entschied, dass sie ihre Stelle umgehend zurückbekommt. Das UKSH ging vor dem Landesarbeitsgericht in Berufung und verlor abermals. Im Urteil steht, die Klinik hatte kein Recht und keinen Grund, eine „unkündbare Mitarbeiterin fristlos freizustellen“. Ein echtes Happy End gibt es trotz des juristischen Sieges nicht, das Verhältnis zwischen Chef und Chirurgin bleibt schwierig.
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Ärztinnenbund verleiht Richardt den Ehrenpreis
Ein Kompromiss musste her: Richardt arbeitet jetzt als Fachärztin in einem neuen Team und beendet ihre Ausbildung als Gefäßchirurgin. Ihr Gehalt als Oberärztin erhält sie weiterhin. Im Oktober 2020 erhielt sie den Ehrenpreis „Mutige Löwin“ des Deutschen Ärztinnenbunds. Mobbing gegen Medizinerinnen sei kein Einzelfall, hieß es in der Laudatio, Doreen Richardts Verhalten sei ein Beispiel für andere.
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Weitere Informationen für gemobbte AkademikerInnen:
http://www.antimobbing.eu/introduction/index.html
Kein Arbeitsrecht für gemobbte Wiener Chirurgin am AKH, siehe
"AKH: Rauer Ton gehört bei Ärzten dazu", Kurier, 17.06.2019:
http://kurier.at/chronik/wien/akh-rauer-ton-gehoert-bei-aerzten-dazu/400525468
Zum Mobbing mehrerer Mediziner am AKH, siehe
"Österreich - Krankes Haus", Süddeutsche Zeitung, 22.12.2015:
http://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-krankes-haus-1.2794109
Weitere Infos bei der Interessensgemeinschaft Faire Medizin
"für einen fairen Umgang zwischen ÄrztInnen und allen im Spital tätigen Berufsgruppen und einen respektvollen Umgang mit PatientInnen", siehe
http://www.faire-medizin.at