Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Arno Dauber, staatlich geprüfter Umwelttechniker aus Hanau, hat ein höchstrichterliches Urteil für Schwerbehinderte erstritten.
Bewerbung auf Stelle im öffentlichen Dienst
Im Jahr 2013 bewarb sich der staatlich geprüfte Umwelttechniker Arno Dauber auf eine Stellenausschreibung der Stadt Frankfurt am Main. Die Verwaltung suchte einen technischen Angestellten mit Leitungsfunktion für den „Palmengarten“, einen botanischen Garten im Westen der Rheinmetropole. Die Stadt stellte jemand anderen ein. Zu einem Bewerbungsgespräch lud sie den Hanauer erst gar nicht ein – ein anderer Bewerber sei fachlich besser geeignet gewesen. Damit wäre Daubers Geschichte eigentlich zu Ende erzählt. Eigentlich.
Nach Bandscheibenvorfall schwerbehindert
Denn bei Arno Dauber liegt der Fall anders: Er ist schwerbehindert. Im Jahr 2000 erlitt er einen dreifachen Bandscheibenvorfall. Der gelernte Zentralheizungs- und Lüftungsbauer war von heute auf morgen stark körperlich eingeschränkt und konnte seinen gelernten Beruf nicht mehr ausüben. 2004 schulte er zum staatlich geprüften Umwelttechniker um. „Die Absage der Behörde war ein Tiefschlag für mich. Wofür habe ich die Umschulung denn gemacht?“ So wollte er das nicht stehen lassen.
Gesetze schützen Behinderte
Der 53-Jährige weiß: Schwerbehinderte haben im Arbeitsleben besondere Rechte und Ansprüche. „Doch viele kennen ihre Rechte gar nicht, lassen sich abspeisen“, entrüstet er sich. „Mit meinem Weg wollte ich zeigen, dass es sich lohnt, gegen Diskriminierung vorzugehen.“ Unter Verweis auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) klagte er gegen die Stadt, weil sie ihn nicht eingeladen hatte. Das AGG schützt vor Benachteiligungen aus bestimmten Gründen, etwa wegen Herkunft, Alter oder eben einer Behinderung.
Fachlich geeignete Bewerber müssen eingeladen werden
Menschen mit Handicap sind außerdem durch das Sozialgesetzbuch IX geschützt: Bewerben sie sich auf Stellen im öffentlichen Dienst, müssen Ämter und Behörden sie zu einem Vorstellungsgespräch einladen, wenn sie fachlich geeignet sind. Dies gilt für Menschen mit einem Grad der Behinderung von 50, unter bestimmten Umständen auch für Bewerber mit einem Grad der Behinderung von 30*. Ausnahme: Jemand ist schon aufgrund seiner Unterlagen für den Job völlig ungeeignet.
Streit über drei Instanzen
Die Stadt Frankfurt musste beweisen, dass der Umwelttechniker eindeutig nicht qualifiziert genug für den Job im Palmengarten war. Der Fall ging über mehrere Instanzen – bis zum Bundesarbeitsgericht im Sommer 2016. Alle gaben Dauber recht. Dirk Lochmann, Daubers Anwalt, sagt: „Wenn über drei Gerichtsinstanzen gestritten wird, ob jemand offensichtlich ungeeignet für eine Stelle ist, kann derjenige doch nicht offensichtlich ungeeignet sein. Diese Begründung schien vorgeschoben.“ Die Stadt konnte den Diskriminierungsvorwurf nicht entkräften und muss 2 900 Euro Entschädigung zahlen – so viel wie ein Bruttomonatslohn.
Gegen Benachteiligung wehren
Wegen des Geldes hatte Arno Dauber nicht geklagt. „Es ging mir nie um eine Abfindung, sondern um mein Recht“, sagt er. „Ich hoffe, dass das Urteil andere Menschen ermutigt, sich gegen Benachteiligung zu wehren.“
*Korrigiert am 19. März 2018.
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@DennisBasler: Sofern Sie mit Ihrem Hinweis auf die Angabe in Prozent anspielen, liegen Sie richtig. Der Grad der Behinderung wird oft in Prozent angegeben, also etwa: „Ich habe einen Grad der Behinderung von 50 Prozent". Dies ist aber falsch. Richtig ist: "Ich habe einen Grad der Behinderung von 50". Der Grad der Behinderung (GdB) beziffert die Schwere einer Behinderung. Er ist also das Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
Auch wir haben hier diesen Fehler gemacht und den Text nun korrigiert. Von „Schlussverkauf“ ist allerdings nirgendwo die Rede. (PH)
Es ist schon erstaunlich, dass Stiftung Warentest im Zusammenhang mit schwerbehinderten Menschen vom Schlussverkauf spricht: "Dies gilt für Menschen ab einer Schwerbehinderung von 50 Prozent, unter bestimmten Umständen auch für Bewerber mit einer Schwerbehinderung von 30 Prozent."
Den Mitarbeitern von Stiftung Warentest sollte die gesetzliche Grundlage des § 2 SGB IX bekannt sein oder vor Veröffentlichung eines Beitrages recherchieren:
Abs. 2: "Menschen sind ... schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt...",
Abs. 3: "Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen)."
Tendenzbetriebe (in den meisten Fällen handelt es sich dabei um kirchliche Arbeitgeber gleich welcher Glaubensrichtung) dürfen sehr wohl diskriminieren und beispielsweise nur Bewerber einstellen, die der eigenen Glaubensgemeinschaft angehören, deren Werte vertreten oder ein bestimmtes Geschlecht aufweisen. Dies sollte im Text Erwähnung finden. Lustigerweise (eigentlich eher sehr, sehr traurigerweise) verbietet das Gleichbehandlungsgesetz nicht die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung.