Gesetzliche Renten­versicherung

11 Irrtümer über die gesetzliche Rente

Datum:
  • Text: Max Schmutzer, Katharina Henrich
Gesetzliche Renten­versicherung - Was die Koalition für die Rente plant

Entspannen. Wer im Alter gut abge­sichert sein möchte, muss die Stärken und Schwächen unseres Renten­systems kennen. © Getty Images / Westend61 / Rainer Berg

Ist die Rente sicher oder kurz vor dem Kollaps? Rund um die gesetzliche Rente gibt es viele Miss­verständ­nisse. Wir klären auf.

Seit 1889 gibt es die gesetzliche Renten­versicherung. In dieser langen Zeit hat sie sich immer wieder politischen Veränderungen angepasst und wirt­schaftlichen oder gesell­schaftlichen Entwick­lungen Rechnung getragen. Beispiele aus jüngerer Zeit: die Einführung von Mütter- und Grund­rente. Mit jeder Anpassung entstehen neue Miss­verständ­nisse. Hier stellen wir besonders weit verbreitete Irrtümer richtig.

Häufige Behauptungen – und die Fakten dazu

Die Rentenbeiträge sind immer weiter angestiegen.

Nein. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung liegt derzeit bei 18,6 Prozent vom renten­versicherungs­pflichtigen Einkommen, nur unwesentlich höher als etwa 1983 bis 1984 (18,5 Prozent). Nied­riger war er zuletzt 1993 mit 17,5 Prozent. Danach lag er stets auf dem jetzigen Stand oder darüber – 1997 etwa betrug er 20,3 Prozent.

Die gesetzliche Rente wird immer weiter abge­senkt.

Nein. Die individuellen Renten sinken nicht. Das ist durch die staatliche Renten­garantie gesetzlich ausgeschlossen. Allerdings kann das Renten­niveau sinken. Es zeigt das Verhältnis zwischen der Höhe einer Rente und dem durch­schnitt­lichen Einkommen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers.

Ich bekomme später eh keine gesetzliche Rente. Das System ist am Ende.

Das ist sehr unwahr­scheinlich. Unser Renten­system mit fast 80 Millionen Versicherten, Rentne­rinnen und Rentnern steht nicht vor dem Kollaps. Das Umlage­verfahren (siehe nächster Punkt) schützt sogar recht gut vor unvor­hersehbaren Entwick­lungen auf den Kapitalmärkten. Die Folgen der Finanz­krise perlten praktisch an ihr ab. Auch die Corona-Pandemie hat ihm keine nach­haltigen Probleme bereitet.

Das heißt aber nicht, dass es keine Heraus­forderungen gibt. Sollte eine schlechte wirt­schaftliche Entwick­lung in Deutsch­land zu hoher Arbeits­losig­keit führen, würden Beiträge wegbrechen.

Auch die Alterung der Bevölkerung ist für das Umlage­verfahren ungünstig. Das gesetzliche Renten­system ist darauf angewiesen, dass es viele und hohe Beiträge Zahlende gibt, die die Renten der älteren Generation finanzieren.

Es gibt aber Stell­schrauben, um das System stabil zu halten. Je nach politischer Färbung wird die eine oder andere Möglich­keit favorisiert. Zum Beispiel:

- staatliche Zuschüsse erhöhen,

- Versicherten­kreis um Beamte und Selbst­ständige erweitern,

- Produktivität und Löhne steigern,

- Einwanderung in den Arbeits­markt fördern,

- Renten­eintritts­alter, Beitrags­satz oder Beitrags­bemessungs­grenze erhöhen,

- eine stärkere Umver­teilung zugunsten bestimmter Gruppen, zum Beispiel Nied­rigverdienen­den oder Eltern.

Die Rentenkasse legt meine Beiträge an. Daraus zahlt sie später meine Rente.

Nein. Bis auf eine kleine Reserve, die unerwartete Schwankungen ausgleichen soll, nutzt die gesetzliche Renten­versicherung die Beiträge der Versicherten, um sie direkt an Rentne­rinnen und Rentner auszuzahlen.

Den Versicherten schreibt sie für ihre Beiträge Entgelt­punkte auf ihrem Renten­konto gut. Daraus errechnen sich dann später die Renten der heutigen Beitrags­zahlerinnen und -zahler. Deren Renten werden wiederum vor allem aus den Beiträgen der nach­folgenden Generationen gezahlt werden. Man spricht deshalb vom Umlage­verfahren und einem Generationen­vertrag.

Die Grund­rente für Nied­rigverdienende muss ich beantragen.

Nein. Die Grundrente muss nicht extra beantragt werden. Sie ist keine eigen­ständige Rente, sondern ein Zuschlag, auf den seit dem 1. Januar 2021 viele Menschen einen Anspruch haben, die lange gearbeitet, aber wenig verdient haben. Die Deutsche Renten­versicherung ermittelt, ob ein Anspruch besteht und zahlt das Geld entsprechend aus. Beantragen müssen Versicherte aber die Alters­rente, die Altersrente für Schwerbehinderte und die Erwerbsminderungsrente.

Für die Grund­rente muss ich 35 Jahre sozial­versicherungs­pflichtig arbeiten.

Nein. Um die volle Grund­rente zu bekommen, müssen Versicherte mindestens 35 Jahre sogenannte Grund­renten­zeiten vorweisen können. Dazu zählen neben den Pflicht­beiträgen aus Berufs­tätig- oder Selbst­ständig­keit auch

- Kindererziehungszeiten,

- Zeiten der ehrenamtlichen Pflege,

- Zeiten der Leistungen bei Krankheit oder Rehabilitation,

- Berück­sichtigungs­zeiten wegen Kinder­erziehung und Pflege,

- Ersatz­zeiten (das sind zum Beispiel Zeiten der politischen Haft in der DDR).

Für alle, die mindestens 33, aber nicht 35 Jahre mit Grund­renten­zeiten vorweisen können, gibt es eine geringere Aufstockung. Sie steigt mit jedem Monat, bis mit 35 Jahren die volle Grund­rente erreicht ist. Mehr zum Thema finden Sie in unserem Special Grundrente.

Als Top-Verdiener müsste ich eigentlich eine viel höhere Rente kriegen.

Nein. Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer mit sehr hohem Gehalt zahlen nicht auf ihren kompletten Brutto­verdienst Rentenbeiträge, sondern nur bis zur sogenannten Beitrags­bemessungs­grenze. Die liegt 2025 bei 96 600 Euro im Jahr. Für den Verdienst ober­halb dieser Grenze zahlen sie keine Beiträge und bekommen daraus später auch keine gesetzliche Rente.

Beispiel. Karsten Wilski verdient als Manager eines großen Stutt­garter Unter­nehmens 200 000 Euro im Jahr 2025. Zusammen mit seinem Arbeit­geber über­weist er für das gesamte Jahr 17 967,60 Euro an Rentenbeiträgen. Seine gesetzlichen Renten­ansprüche steigen dadurch nach derzeitigen Werten um 75,22 Euro im Monat.

Volker Mayr arbeitet im selben Unternehmen als Designer und verdient 96 600 Euro. Auch er über­weist zusammen mit dem Arbeit­geber 17 967,60 Euro an Rentenbeiträgen. Seine Renten­sprüche steigen nach derzeitigen Werten ebenfalls um rund 75,22 Euro im Monat.

Nach 45 Jahren Arbeit müsste meine Rente höher ausfallen.

Nicht unbe­dingt. Im deutschen Renten­system kommt es nicht nur darauf an, wie lange Versicherte gearbeitet haben, sondern auch darauf, wie viel sie verdient haben. Das gilt immer noch, auch wenn der Grundrentenzuschlag (siehe oben) bei vielen Nied­rigverdienenden die Rente anhebt.

Beispiel. Karla Schmidt ist Sach­bearbeiterin in Augs­burg und hat immer durch­schnitt­lich verdient. 2025 entspricht das 50 493 Euro im Jahr. Nach 45 Jahren sozial­versicherungs­pflichtiger Beschäftigung bekommt sie nach derzeitigen Werten rund 1 769 Euro im Monat von der Renten­versicherung.

Die Kieler Wirt­schafts­informatikerin Irina Scheel zahlt nur 30 Jahre lang in die Renten­versicherung ein. Ihr Jahres­gehalt liegt stets beim 1,8-fachen des Durch­schnitt, 2025 sind das rund 90 887 Euro. Ihre gesetzliche Rente beträgt nach derzeitigen Werten rund 2 123 Euro im Monat.

Obwohl Scheel auf 15 Beitrags­jahre weniger kommt als Schmidt, ist ihre monatliche Rente rund 354 Euro höher.

Zahle ich weniger als fünf Jahre ein, sind meine Beiträge futsch.

Nein. Menschen, die ihr reguläres Renten­alter erreicht haben, aber insgesamt nur auf eine Beitrags­zeit von unter fünf Jahren kommen, können sich ihre einge­zahlten Beiträge erstatten lassen.

Oft wird es aber güns­tiger sein, die fehlenden Zeiten vorher durch freiwil­lige Beiträge auszugleichen und sich so eine gesetzliche Rente zu sichern. Ob das im konkreten Einzel­fall zutrifft, kann ein Beratungs­gespräch bei der gesetzlichen Renten­versicherung klären.

Die abschlags­freie Frührente beginnt mit 63 Jahren.

Nein. Die Rente für besonders langjährig Versicherte – so der offizielle Name – soll Lang­zeit­versicherten mit mindestens 45 Versicherungs­jahren einen frühen Renten­start ohne Abschläge ermöglichen. In der Vergangenheit wurde sie „Rente mit 63“ genannt, weil bei ihrer Einführung Versicherte, die vor 1953 geboren wurden, die Rente mit 63 Jahren erhalten konnten.

Die Alters­grenze der Rente für besonders lang­jährig Versicherte steigt ab Jahr­gang 1953 stufen­weise auf 65 Jahre an. Sie liegt immer zwei Jahre vor der Regel­alters­grenze. Wer 1959 geboren wurde, kann sie mit 66 Jahren und zwei Monaten beziehen.

Versicherte, die auf jeden Fall mit 63 in Rente gehen möchten, müssen die Rente für langjährig Versicherte beantragen (ohne das Wört­chen „besonders“). Nachteil: Hier können kräftige Renten­abschläge anfallen. Vorteil: Es reichen bereits 35 Versicherungs­jahre für einen Anspruch.

Abschläge fallen weg, sobald ich das reguläre Renten­alter erreiche.

Nein. Renten­abschläge bei einem vorzeitigen Renten­beginn fallen dauer­haft an. Jeder Monat, den Versicherte vor ihrem regulären Renten­eintritts­alter in Alters­rente gehen, kostet sie 0,3 Prozent ihrer Rente. Zumindest immer dann, wenn sie nicht auf insgesamt mindestens 45 Versicherungs­jahre kommen (siehe vorherige Frage). Wer beispiels­weise drei Jahre früher geht, muss mit Abschlägen von 10,8 Prozent rechnen – für den Rest seines Lebens.

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36 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • HansPeterGroll am 14.04.2025 um 10:46 Uhr
    Wieso werden Ausbildungen bevorzugt?

    Wer also mit durchschnittlich circa 25-30 Jahren sein Vollzeitstudium abschließt wird behandelt als ob er/sie 12 Jahre kürzer gearbeitet hat, bzw. der Hauptschüler darf früher in Rente? Auf welcher Basis? Meine Frau arbeitet mit Master als DaF Lehrerin und hat jetzt bereits mit 30 Probleme das 8-12 Stunden täglich auszuhalten (zu viel Stehen, über 12.000 Schritte täglich, akustische Belastung). Ihr Gehalt ist das selbe wie von einem Busfahrer. Deutschland macht Studium (und damit den eigentlichen Motor seiner Wirtschaft) unrentabel. Faulheit und geringe Schulleistung werden belohnt!

  • Trentino2017 am 14.03.2025 um 10:53 Uhr
    Nachtrag betr. DIW

    @A.Schmidt/11.03.2025
    Viele Bürgerinnen und Bürger kennen zwar das bekannte Brettspiel "Monopoly", das inzwischen über 100 Jahre alt ist, und seine Spielregeln (inkl. Variationen).
    Nur wenige verstehen offenbar den Sinn dieses genialen Brettspiels bzw. die ökonomische Absicht, die die Erfinderin den "einfachen" Bürgern damit spielerisch vermitteln wollte. (Das DIW = "Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung" offenkundig auch nicht.) Aber daran ist schon Elizabeth Magie Phillips, die inzwischen höchstrichterlich als Erfinderin des Brettspiels gilt, vor 100 Jahren gescheitert.

  • Trentino2017 am 14.03.2025 um 10:36 Uhr
    Wohlstand für alle versus Plutokratie

    @A.Schmidt/11.03.2025
    Es ist zwar unbestreitbar, dass Beamte ceteris paribus (Qualifikation usw.) eine höhere Pension bekommen als Arbeitnehmer. Jedoch lenkt man damit vom grundlegenden Problem ab und das besteht nicht in der Differenz zwischen kleinen und "großen" Renten/Pensionen oder dem Alter der Wähler.
    Der erste Bundeswirtschaftsminister der BRD (Ludwig Erhard, CDU), der das ökonomische und soziale Scheitern der Demokratie von Weimar (1918 bis 1933) und das totalitäre Regime von 1933 bis 1945 miterlebt hatte, wollte nach dem Ende des Krieges mit seiner Sozialen Marktwirtschaft einmal die "alte konservative soziale Struktur überwinden" und "Wohlstand für Alle" schaffen. Davon ist heute keine Rede mehr und zwar mit Ausnahme der unbedeutenden Partei "Die Linke" bei keiner Partei, die es 2025 in den Dt. Bundestag geschafft hat. Wir leben wieder wie am Ende der Weimarer Republik in plutokratischen Verhältnissen. Multimilliardäre werden immer reicher und die Armen immer zahlreicher.

  • A.Schmidt am 11.03.2025 um 21:06 Uhr
    Steigende Renten bedeuten höhere Beiträge

    Die steigenden Renten sind ein Wahlgeschenk an die Rentner. Eines, das von den Beitragszahlern getragen wird. Das jetzt angekündigte Rentenpaket II wird den Beitragssatz für die Berufstätigen deutlich steigern, laut DIW von heute 18,6 % auf 22 % innerhalb von vierzehn Jahren.
    Friedrich Merz wird bald 70 Jahre alt, und so eine Politik macht er auch. Die SPD als Renterpartei ist nicht anders. Beide Parteien haben viele Wähler über Sechzig.
    Viel wichtiger wäre eine Angleichung von Pensionen und Renten. Außerdem bräuchten wir ein Plus bei kleinen Renten und ein Minus bei großen Renten. Insofern macht die Einkommenssteuer auf Renten schon Sinn, weil viele wohlhabende Renter neben der oft schmalen gesetzlichen Rente noch Haus, Aktien und andere Einkommen haben. Ganz anders bei den Mindestlohnbeziehern und den Ostdeutschen, wo die Durchschnittsrenten wirklich gering sind.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 20.01.2025 um 17:39 Uhr
    Mütterrente

    @Rüdiger-H: Die Mütterrente ist nicht neu. Es gibt keinen Handlungsbedarf für Mütter, die sich bereits in der Altersrente befinden. Der Rentenversicherungsträger berücksichtigt die Kindererziehungszeiten.
    www.test.de/kindererziehungszeiten