Gesetzliche Renten­versicherung

Arbeitslos – was tun bei Jobverlust vor der Rente?

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Verlieren ältere Menschen ihren Job, stellen sich Fragen zum Über­gang in den Ruhe­stand und Auswirkungen auf die Rente. Wir geben die wichtigsten Antworten.

Der Verlust des Arbeits­platzes wirbelt Alltag und Finanzen durch­einander. Ältere Arbeits­lose fragen sich oben­drein, wie sich der Jobverlust auf die gesetzliche Rente auswirkt.

Ältere sind stärker als der Durch­schnitt von Arbeits­losig­keit betroffen. Auch sind sie vergleichs­weise häufig lang­zeit­arbeitslos. Zu dem Ergebnis kommt die Studie „Situation Älterer am Arbeits­markt“ der Bundes­agentur für Arbeit vom April 2022. Wir geben Antworten auf wichtige Fragen.

Reicht das Arbeits­losengeld bis zu meiner Rente?

Das hängt davon ab, um welches Arbeits­losengeld es geht: um das – meist höhere – Arbeits­losengeld 1 (ALG 1) aus der Arbeits­losen­versicherung oder um die Sozial­leistung Arbeits­losengeld 2 (ALG 2).

Wie lange Arbeits­losengeld 1 gezahlt wird, ist unter anderem von Ihrem Alter abhängig und davon, wie lange Sie in der Arbeits­losen­versicherung versichert waren. Verlieren Sie ab 50 Ihren Job, gilt meist Folgendes:

  • Zwischen 50. und 54. Lebens­jahr haben Sie 15 Monate Anspruch auf ALG 1, wenn Sie in den zurück­liegenden fünf Jahren mindestens 30 Monate versichert waren.
  • Von 55 bis 57 gelten 18 Monate ALG 1, wenn Sie in den fünf Jahren davor mindestens 36 Monate versichert waren.
  • Ab dem 58. Lebens­jahr haben Sie 24 Monate Anspruch auf ALG 1, wenn Sie in den zurück­liegenden fünf Jahren mindestens 48 Monate versichert waren.

Läuft das Arbeits­losengeld 1 vor der Rente aus, ohne dass Sie einen neuen Job finden und können Sie Ihren Lebens­unterhalt auch nicht anders decken, beantragen Sie Arbeits­losengeld 2. Ab Januar 2023 will Bundes­arbeits­minister Hubertus Heil es in ein höheres Bürgergeld umwandeln.

Was ist eigentlich Arbeits­losengeld 1 und 2?

Arbeits­losengeld 1 (ALG 1) ist eine Leistung der Arbeits­losen­versicherung. Die meisten Beschäftigten sind dort pflicht­versichert und zahlen Beiträge. Beantragt wird ALG 1 bei der Agentur für Arbeit. Eltern, die Kinder­geld erhalten, bekommen grob gerundet 67 Prozent des vorherigen Netto­entgelts, alle anderen um die 60 Prozent. Weiteres Einkommen und Vermögen werden nicht ange­rechnet.

Arbeits­losengeld 2 (ALG 2) ist eine Sozial­leistung. Sie soll den grund­legenden Lebens­unterhalt von Menschen sichern, denen die finanziellen Mittel dafür fehlen. Arbeits­lose können es beim Jobcenter beantragen. Anderes Einkommen und Vermögen wird zum großen Teil auf ALG 2 ange­rechnet. Die Bundes­regierung plant hier Änderungen ab 2023, wenn ALG 2 zu einem Bürgergeld werden soll.

Muss ich vorzeitig in Rente gehen?

Wenn Sie Arbeits­losengeld 1 beziehen, darf die Arbeits­agentur Sie nicht auffordern, vorzeitig eine Alters­rente zu beantragen. Auch wenn Sie Arbeits­losengeld 2 beziehen, sind sie nicht direkt gezwungen, Rente zu beantragen. Allerdings gilt hier – anders als beim ALG 1 –, dass Sie andere Leistungen, die Ihnen zustehen, vorrangig in Anspruch nehmen müssen.

Haben Sie zum Beispiel ab 63 Anspruch auf eine Frührente, weil Sie lange gearbeitet haben, kann Ihnen unter Umständen das ALG 2 gestrichen werden. Eine Frührente hat Vorrang vor der ALG-2-Leistung.

Gibt es allerdings gute Gründe, die Frührente nicht zu beantragen, können Sie weiterhin ALG 2 beziehen, etwa wenn Sie einen neuen Job gefunden haben und kurz davor sind, wieder zu arbeiten. Oder wenn Ihre vorzeitige Rente so nied­rig ist, dass staatliche Unterstüt­zung erforderlich wäre. Weitere Ausnahmen finden Sie in der „Unbil­ligkeits­ver­ordnung“ (gesetze-im-internet/unbilligkeitsverordnung).

Rat und Hilfe

Holen Sie Rat ein, bevor Sie wichtige Entscheidungen zu Ihrer weiteren Lebens­planung treffen.

Renten­versicherung. Bei der gesetzlichen Renten­versicherung können Sie kostenfreie Beratungs­termine vereinbaren – telefo­nisch (0 800/10 00 48 00) oder online (deutsche-rentenversicherung.de). Die Behörde kann Ihnen auch Kontakt zu einem ehren­amtlichen Versichertenberater in Ihrer Nähe vermitteln.

Agentur für Arbeit. Detaillierte Informationen und Anträge zum Arbeits­losengeld finden Sie auf der Website der Arbeits­agentur (arbeitsagentur.de). Dort erfahren Sie auch, welche Agentur oder welches Jobcenter vor Ort zuständig ist.

Sozial­verbände. Kommt es zu sozialrecht­lichen Problemen mit den Behörden oder wünschen Sie unabhängigen Rat, helfen Sozial­verbände wie der VdK (vdk.de) oder SoVD (sovd.de) weiter. Der monatliche Mitglieds­beitrag kostet rund 7 bis 8 Euro.

Zählen Arbeits­losen­zeiten für die abschlags­freie Frührente nach 45 Versicherungs­jahren?

Teil­weise ja. Um ohne Kürzungen, also Abschläge, früher in Rente gehen zu können, müssen Sie mindestens auf 45 Versicherungs­jahre kommen. Zu diesen Jahren zählen neben Zeiten aus sozial­versicherungs­pflichtiger Beschäftigung auch Zeiten, in denen Sie Arbeits­losengeld 1 beziehen.

Allerdings – und das ist wichtig für ältere Versicherte – gilt das uneinge­schränkt nur bis zwei Jahre vor Renten­beginn. Danach zählt ein ALG-1-Bezug nur dann noch als Versicherungs­zeit, wenn Sie arbeitslos werden, weil Ihr Arbeit­geber Insolvenz anmelden muss oder das Geschäft aufgegeben hat.

Arbeits­losig­keit aus anderen Gründen und auch der Bezug von Arbeits­losengeld 2 zählt dann nicht mehr für eine abschlags­freie Frührente mit.

Arbeits­losengeld beantragen oder gleich in Frührente für lang­jährig Versicherte?

Arbeits­losengeld 1 ist meist höher als die Rente, aber nicht immer. Doch selbst wenn es nied­riger ist, kann es sinn­voll sein, mit dem Renten­antrag zu warten. Eventuell vermeiden oder verringern Sie so Renten­abschläge, die bei einem vorzeitigen Renten­beginn oft anfallen.

Auch erhöhen sich Ihre Renten­ansprüche während des ALG-1-Bezugs weiter (siehe nächste Frage). Lassen Sie sich vor Ihrer Entscheidung von der gesetzlichen Renten­versicherung und der Agentur für Arbeit beraten.

Erhöht Arbeits­losengeld die Rente und wenn ja, um wie viel?

Arbeits­losengeld 1 erhöht Ihre Rente. Denn auch die Agentur für Arbeit zahlt Beiträge an die gesetzliche Renten­versicherung. Der Beitrag errechnet sich auf der Grund­lage von 80 Prozent Ihres letzten Brutto­entgelts. Ihre Renten­ansprüche bei ALG-1-Bezug sind deshalb nied­riger als Sie es wären, wenn Sie weiter arbeiten würden. Wie sich das konkret für unterschiedliche Gehalts­klassen auswirkt, zeigt unsere Tabelle „Renten­ansprüche“ unten.

Bei Arbeits­losengeld-2-Bezug zahlt die Agentur für Arbeit seit 2011 keine Rentenbeiträge mehr an die Rentenkasse.

Renten­ansprüche

So steigt 2022 der monatliche Renten­anspruch, wenn Sie ein Jahr Arbeits­losengeld 1 beziehen.

Vorheriges Brutto-Jahres-gehalt (Euro)

Renten­anspruch bei ALG-1-Bezug im Monat (Euro)

Zum Vergleich: Renten­anspruch (Monat) bei versicherungs­pflichtiger Erwerbs­tätig­keit mit Gehalt aus Spalte 1 (Euro)

West

Ost

West

Ost

35 000

24,40

25,09

30,50

31,36

40 000

27,89

28,67

34,86

35,84

45 000

31,38

32,25

39,22

40,32

50 000

34,86

35,84

43,58

44,80

55 000

38,35

39,42

47,93

49,28

60 000

41,83

43,01

52,29

53,76

65 000

45,32

46,59

56,65

58,24

70 000

48,81

50,17

61,01

62,72

75 000

52,29

53,76

65,37

67,20

80 000

55,78

67,34

69,72

71,68

Stand: Juli 2023.

Quelle: Deutsche Renten­versicherung Bund und eigene Berechnungen.

Wirkt sich eine Abfindung auf das Arbeits­losengeld aus?

Das kann passieren. Vereinbaren Sie zum Beispiel mit Ihrem Arbeit­geber einen Aufhebungs­vertrag inklusive Abfindung, drohen Sperr­zeiten für Arbeits­losengeld 1. Die Regeln sind kompliziert. Deshalb sollten Sie sich beraten lassen, bevor Sie unter­schreiben – gerade wenn Ihnen der ungekürzte Bezug von Arbeits­losengeld wichtig ist, um die Zeit bis zur Rente zu über­brücken.

Fragen Sie bei Betriebsrat, Gewerk­schaft, Sozial­verbänden oder einem Fach­anwalt für Arbeits­recht nach. Einen ersten Über­blick, wie Sie Sperr­zeiten vermeiden, gibt Merkblatt 17 der Arbeitsagentur.

Kann ich mit einer Abfindung Renten­abschläge ausgleichen?

Ja. Möchten Sie nach einer Kündigung vorzeitig in den Ruhe­stand, kann es teils zu kräftigen Renten­abschlägen kommen. Es ist es aber möglich, solche Kürzungen durch Sonderzah­lungen zu verringern oder ganz auszugleichen. Der Staat hilft: Sie können Ausgleichs­zahlungen als Alters­vorsorgeaufwendungen in gewissem Umfang von der Steuer absetzen.

Ob Zahlungen sinn­voll sind, hängt von vielen Faktoren ab – auch davon, wie stark Sie steuerlich profitieren. Holen Sie Rat bei Renten­versicherung sowie Lohn­steuer­hilfe­ver­ein oder Steuerberater ein.

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28 Kommentare Diskutieren Sie mit

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JJT2604 am 25.08.2022 um 10:09 Uhr
Beratung einholen auch vor Ort möglich

Eine Beratung zu Rentenfragen, z. B. ob sich eine Zahlung der Abfindung in die gesetzliche Rentenversicherung lohnt, ist auch vor Ort bei den kommunalen Versicherungsämtern kostenfrei und neutral möglich.
Nicht nur die Rentenversicherung berät dazu.

silbrecht am 25.08.2022 um 08:10 Uhr
Abfindung, Arbeitslosengeld, Rentenabschläge usw.

Zumindest für diejenigen, die ganz gut verdienen, gibt es bezüglich Abfindung, Steuern, Sozialversicherung, Umgang mit der Agentur für Arbeit usw. viele gute Hinweise und Tipps auf der Internetseite des Privatiers. Hier haben wir von einigen Tipps - zumindest in Bezug auf finanzielle Themen - mehr profitiert als von einer anwaltlichen und gewerkschaftlichen Beratung, die wir beide ebenfalls in Anspruch genommen haben.
Falls Links erlaubt sind:
https://der-privatier.com/

stephanaust am 31.08.2020 um 13:19 Uhr
Renten werden auch jetzt schon zu 100% besteuert!

Ich weiß allerdings nicht wie sich das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz verträgt.
Man braucht nur ins Ausland umziehen und keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben und schon wird die Rente zu 100% besteuert!!!
Obwohl man die gleichen Beiträge eingezahlt hat!
Das scheint eine Art der Vergeltung zu sein :-(

Knaetsch am 18.02.2019 um 15:40 Uhr
RENTE, VBL, Facebook, meinen Ärger mit VBL...!

*: Allgemein erlaube ich mir die Anmerkung: test.de ist nicht Facebook. Wir versuchen dort den Austausch mit den Usern sachlich zu halten und eben nicht Wut, Ärger, etc. den freien Lauf zu lassen. - ...habe gerade mein, seit 1991 bestehendes Abo gekündigt, - Herr *...! Wenn SIE mit meinen "emotionalen Kommentaren" nicht umgehen können, sogar den Vergleich mit Facebook nicht scheuen, kann ich test.de nicht weiter unterstützen! Eine Frechheit ist es meine nervlich angespannte Situation durch 3 gerichtliche Instanzen, zur Startgutschrift VBL, zu ignorieren und meine Erfahrungen mit VBL auf Facebook-Niveau herab zu ziehen, möchte ich hiermit öffentlich machen. Mit einem Mitschnitt der ZDF-Sendung Frontal 2009 versuche ich diese Ungerechtigkeit über Youtube publik zu machen, weil gerichtlich seit 2004 "nur" eine Neuberechnung erzielt wurde!
https://www.youtube.com/watch?v=r_tC1GS-FvA - 6Min40Sec oder https://www.youtube.com/watch?v=tX3gKp94DxI gekürzt 4Min1

*Name des Mitarbeiters der Stiftung Warentest vom Moderator gelöscht

Berti59 am 12.02.2019 um 19:54 Uhr
Betrug für diesen "Rentenzustand" ist freundlich

Warum müssen in Deutschland die arbeitenden Bürger (außer Beamte) sich mit dieser Art gesetzlichen/staatlichen Rente = Almosen zufrieden geben? In den Niederlanden bekommt jeder Bürger eine Grundrente von über 1.200,- Euro + 2. Säule (schwankend). Somit sind bis über 2000,- Euro drin. Rund um Deutschland z.B. Österreich, Dänemark und ... bekommen das besser hin.
Die Leute im Osten wurden ja schon immer betrogen, jetzt merken das viele Leute auch in den alten Ländern wie sie über den Tisch gezogen wurden. Besonders die Betriebsrenten verflüchtigen sich zu Portosummen, weil alles versteuert wird und die vollen Sozialabgaben zu zahlen sind - obwohl alles schon versteuert und auch Sozialabgaben bezahlt wurden. Besonders die VBL tut sich da hervor!!! Bisher hat noch kein Politiker etwas dagegen getan. Sogar der Petitionsausschuss antwortet nicht!
Hätte ich das vorher gewusst - dann hätte ich auf dem Kapitalmarkt vorgesorgt. Leider wird der einfache Bürger gläsern und somit zum Freiwild.