
Sicherheitsnetz. Die gesetzliche Rentenversicherung springt ein, wenn Versicherte nach Unfall oder Krankheit längerfristig nicht mehr arbeiten können. © Getty Images / Melissa Kopka
Zu krank zum Arbeiten: Wer Anspruch auf Erwerbsminderungsrente hat, wann sie hoch ausfällt, was sich ab 2024 verbessert und wo die neuen Hinzuverdienstgrenzen liegen.
Wenn die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist
Die gesetzliche Rentenversicherung ist nicht nur für Ruheständler zuständig. Sie hilft auch Menschen, die langfristig zu krank sind, um sechs Stunden oder mehr am Tag zu arbeiten. 1,8 Millionen Personen beziehen eine Erwerbsminderungsrente in voller oder halber Höhe – je nachdem, ob und wie viele Stunden sie noch tätig sein können. Jüngere zählen ebenso dazu wie Beschäftigte kurz vor der Altersrente.
Wie hoch die Rente ausfällt, hängt davon ab, wie viel Versicherte zuvor verdient haben. Aber nicht nur. Unsere Beispielrechnungen im Abschnitt Worauf es für eine hohe Rente ankommt zeigen, dass es bei der Höhe der Rentenzahlung auch auf sogenannte beitragsfreie Zeiten ankommt, dazu zählt zum Beispiel ein Studium.
Wichtig zur Einordnung: Trotz Verbesserungen in letzter Zeit reichen die Zahlungen allein selten für einen komfortablen Lebensstil. Mehr als ein Sicherheitsnetz sind sie nicht.

Erwerbsfähigkeit. Ob eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wird, hängt davon ab, wie viele Stunden Betroffene täglich noch arbeiten können.
Höhere Renten für viele ab Juli 2024
Aber erst einmal: Es gibt gute Nachrichten für alle, die schon länger ihre Rente beziehen. Alle Menschen, bei denen die Erwerbsminderungsrente in der Zeit von 2001 bis 2018 begonnen hat, erhalten ab Juli 2024 einen pauschalen Zuschlag zu ihrer Erwerbsminderungsrente. Ihre Renten fielen bisher deutlich niedriger aus als die von Menschen mit einem späteren Rentenbeginn.
Der Zuschlag wird auf Grundlage der persönlichen Entgeltpunkte berechnet, die der am 30. Juni 2024 beanspruchten Rente zugrunde liegen. Je nach Beginn der Rente fällt er unterschiedlich hoch aus.
- Bei Rentenbeginn in der Zeit von Januar 2001 bis Juni 2014 beträgt der Zuschlag 7,5 Prozent.
- Bei Rentenbeginn in der Zeit von Juli 2014 bis Dezember 2018 gibt es einen Zuschlag in Höhe von 4,5 Prozent.
Das Wichtigste in Kürze
Anspruch. Sind Sie dauerhaft krank und fürchten, nicht mehr ins Berufsleben zurückzukehren, haben Sie als gesetzlich Rentenversicherte Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Es gelten aber Bedingungen. Und: Anspruch auf eine volle Rente haben Sie nur, wenn Sie weniger als drei Stunden täglich irgendeiner Arbeit nachgehen könnten. Anderenfalls kommt eine Teilerwerbsminderungsrente infrage.
Krankengeld. Schöpfen Sie als gesetzlich Krankenversicherte Ihren Anspruch auf maximal 72 Wochen Krankengeld voll aus. Ziehen Sie erst dann eine Erwerbsminderungsrente in Erwägung. Ihre Krankenkasse kann Sie nicht zwingen, die Rente zu beantragen. Reha-Maßnahmen könnten helfen, wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren. Details zum Krankengeld lesen Sie im Special Krankengeld.
Antrag. Wenn Sie absehen können, dass Sie auf Dauer zu krank zum Arbeiten sind, beantragen Sie eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Wie Sie vorgehen, zeigt unsere Checkliste.
Widerspruch. Wird Ihr Rentenantrag nicht genehmigt, können Sie kostenlos in Monatsfrist Widerspruch einreichen. Mehr dazu im Abschnitt Wenn der Antrag abgelehnt wird.
Altersrente für Schwerbehinderte. Sind Sie schwerbehindert und haben Sie keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, können Sie zwei Jahre vor Ihrer Regelaltersgrenze in Altersrente gehen, mit Abschlägen sogar noch früher. Alles Wichtige finden Sie in unserem Special Rente für Schwerbehinderte.
Höhere Hinzuverdienstgrenzen seit 2023
Schon seit Beginn des Jahres 2023 gelten höhere Hinzuverdienstgrenzen. Bisher durften Menschen, die eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen, höchstens 6 300 Euro im Jahr hinzuverdienen. Jetzt liegt diese Grenze deutlich höher und wird jedes Jahr angepasst.
- Teilweise Erwerbsminderung. Beim Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung liegt 2023 die Hinzuverdienstgrenze bei rund 35 650 Euro.
- Volle Erwerbsminderung. Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung liegt die Grenze 2023 bei rund 17 820 Euro.
Wichtig ist aber: Auch weiterhin gilt, dass eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nur im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens ausgeübt werden darf, welches überhaupt erst Grundlage für die Erwerbsminderungsrente ist. Anderenfalls kann der Anspruch auf die Rente trotz Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen entfallen.
Volle Erwerbsminderungsrente
Für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung müssen Versicherte bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen in der Regel vor Eintritt der Erwerbsminderung
- auf mindestens fünf Jahre Beitragszeit kommen – dazu zählen neben Pflichtbeitragszeiten aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch Kindererziehungs- und Pflegezeiten oder freiwillige Beiträge,
- in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben.
In bestimmten Fällen, etwa bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, können die Mindestversicherungszeiten auch kürzer sein.
Nur Versicherte, die diese versicherungsrechtlichen Bedingungen erfüllen, haben eine Chance, dass ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente Erfolg hat.
Strenge gesundheitliche Voraussetzungen
Neben den versicherungsrechtlichen Formalien müssen Versicherte auch gesundheitliche Voraussetzungen erfüllen. Diese werden nicht an bestimmten Krankheiten wie Depressionen oder Herz-Kreislaufprobleme festgemacht. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt erst, wenn eine Krankheit dazu führt, dass Versicherte nur noch weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können.
Eine volle Erwerbsminderungsrente wird gewährt, wenn ein Antragsteller dauerhaft so krank ist, dass er nur noch weniger als drei Stunden am Tag erwerbsfähig ist. Dabei kommt es nicht auf den Beruf an, den der Erkrankte zu Beginn der Erwerbsminderung ausgeübt hat. Ein Zimmerer, der nicht mehr als Handwerker aber noch in einem Call-Center arbeiten kann, bekäme keine Erwerbsminderungsrente.
Teilerwerbsminderungsrente in halber Höhe
Kann jemand noch zwischen drei und sechs Stunden täglich irgendeiner Tätigkeit nachgehen, aber nicht länger, bekommt er zwar keine volle Erwerbsminderungsrente. Er kann aber eine Teilerwerbsminderungsrente betragen.
Die Höhe der Teilerwerbsminderungsrente entspricht der Hälfte einer vollen Erwerbsminderungsrente. Allerdings gibt es für ältere Arbeitnehmer noch einen Zusatzschutz, der jüngeren nicht mehr zusteht.
Ältere Arbeitnehmer. Versicherten, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, steht eine Teilerwerbsminderungsrente auch dann zu, wenn sie nur noch eingeschränkt in einem ihrer Qualifikation entsprechenden Beruf arbeiten können. In diesen Fällen gibt es oft Streit darum, welche Tätigkeiten vergleichbar und zumutbar sind. Wird die Rentenzahlung abgelehnt, sollten Betroffene sich beraten lassen und Widerspruch einlegen.
Jüngere Arbeitnehmer. Für alle ab dem 2. Januar 1961 geborenen Arbeitnehmer gilt: Sie bekommen nur dann eine Erwerbsminderungsrente, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen in keinem Beruf mehr tätig sein können. Ihre berufliche Qualifikation und bisherige Tätigkeit spielt keine Rolle.
Hier ist es ratsam, über den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung nachzudenken. Die besten Tarife finden Sie in unserem Vergleich Berufsunfähigkeitsversicherung.
Tabelle: Volle oder halbe Erwerbsminderungsrente?
Wer aus gesundheitlichen Gründen weniger als sechs Stunden am Tag arbeitsfähig ist, hat Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente.
Erwerbsfähigkeit (irgendeine Arbeit) |
Rentenanspruch |
Versicherter kann weniger als 3 Stunden täglich arbeiten. |
Volle Rente. |
Versicherter kann 3 bis 6 Stunden täglich arbeiten. |
Halbe Rente. |
Versicherter kann 3 bis 6 Stunden täglich arbeiten, ist aber arbeitslos. |
Volle Rente. |
Versicherter kann:
|
Keine Rente. |
Versicherter kann:
|
Halbe Rente. |
Legende
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund
Kein Teilzeitjob: Rentenversicherung zahlt voll
Der Großteil der Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner erhält eine volle Rente. Eine volle Erwerbsminderungsrente wird manchmal auch dann gezahlt, wenn Versicherte zwar noch zwischen drei und sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könnten, also nur Anspruch auf eine Teilerwerbsminderungsrente hätten, wegen der Arbeitsmarktlage jedoch keinen Teilzeitjob finden.
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@Thomas.Hahn: Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhält, wer wegen Krankheit oder Behinderung noch mindestens drei, aber nicht mehr als sechs Stunden täglich arbeiten kann. Grundlage für die Feststellung des gesundheitlichen Leistungsvermögens ist das sozialmedizinisch festgestellte Leistungsbild bezogen auf die körperliche, geistige, psychische Belastbarkeit; hierbei wird abgestellt auf eine zumutbare tägliche Arbeitszeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche. Arbeiten Sie knapp unter sechs Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche überschreiten Sie damit die zumutbare Arbeitszeit, die der Rentengewährung zu Grunde liegt. Dies ist die allgemeine Regel. Sie sollten aber direkt bei der Rentenversicherung prüfen lassen, ob die Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Ihrem individuellen Fall noch zutreffen.
@halodu1: Die Hinweise zum Vorgehen nach Ablehnung des Antrags finden Sie unter Punkt 4. Lassen Sie sich hierzu bei einem Sozialverband (VdK oder SoVD) beraten.
Hallo.Ich hatte jetzt den zweiten Herzinfarkt und es wird die Rente immer und immer wieder abgelehnt.was kann ich dagegen tun
Kommentar vom Autor gelöscht.
@Selbsständigimnetz: Wir wissen nicht, warum die Rentenversicherung Ihren Antrag ablehnt. Lassen Sie sich in der Sache bitte beraten von einem Sozialverband www.sovd.de und www.vdk.de oder einem Rentenberater.