Gesetzliche Rente Was Sie mit Ihrem Rentenbeitrag alles finanzieren

Datum:
  • Text: Theodor Pischke
  • Faktencheck: Betina Chill
Gesetzliche Rente - Was Sie mit Ihrem Rentenbeitrag alles finanzieren

Mütterrente. Diese Leistung der gesetzlichen Renten­versicherung wird zum Teil mit Beiträgen der Versicherten, zum Teil mit Steuern finanziert. © Getty Images / Richard Newstead

Viele Leistungen der gesetzlichen Renten­versicherung sind politisch gewollt − aber nicht durch Beiträge gedeckt. Wer sie bekommt. Und wer sie bezahlt.

Beim Thema Rente wird die Diskussion schnell alarmistisch: „Zu teuer“, „bald nicht mehr bezahl­bar“, lauten Warn­rufe. Doch unser Blick auf die Renten­finanzen zeigt: Es ist komplizierter.

Einer­seits gilt, dass die gesetzliche Renten­versicherung nicht nur mit den Beiträgen von Versicherten und Arbeit­gebern finanziert wird. Der Staat gibt etwas dazu. Anderer­seits zahlen Versicherte nicht nur Beiträge für ihre eigene Alters­rente. Mit ihrem Geld werden auch Leistungen finanziert, die vom Bundes­tag sozial­politisch gewollt sind, aber nicht unbe­dingt aus der Rentenkasse bezahlt werden müssten. Wir haben uns angeschaut, welche Leistungen das sind, wie stark sie die Renten­versicherung belasten − und wie Versicherte sie bekommen.

Für Mütter, Hinterbliebene und Ostdeutsche

Prominentestes Beispiel ist die Mütterrente: Hier hat die Bundes­regierung Verbesserungen beschlossen. Bisher erhalten Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, weniger Entgelt­punkte für die Erziehung ihrer Kinder als Mütter mit jüngeren Kindern. Die Renten­versicherung gewährt ihnen zurzeit nur zwei­einhalb Entgelt­punkte pro Kind. Künftig sollen es aber auch bei ihnen drei sein; also einen halben mehr als bisher. Dies müssen sie nicht extra beantragen.

Neue Mütterrente: 20 Euro mehr im Monat

Ein Entgelt­punkt ist derzeit 40,79 Euro wert. Somit würde sich die Mütterrente einer Frau mit einem vor 1992 geborenen Kind um etwas mehr als 20 Euro erhöhen – von rund 98 Euro auf gut 118 Euro im Monat.

Diese Verbesserung wird mit rund fünf Milliarden Euro aus Steuern finanziert. Die Finanzierung der schon bisher ange­rechneten zwei­einhalb Entgelt­punkte für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern in Höhe von jähr­lich mehr als 20 Milliarden Euro ist dagegen unklar. Dieser Teil der Mütterrente gilt als „versicherungs­fremde Leistung“, auch „nicht beitrags­gedeckte Leistung“ genannt. Ein Teil dafür kommt aus Steuern, ein Teil aus Beiträgen der Versicherten.

Davon profitieren aber auch Personen, die gar nicht in die gesetzliche Renten­versicherung einzahlen, sondern in berufs­stän­dische Versorgungs­werke oder selbst­ständig tätig sind. Auch ihnen werden Kindererziehungszeiten gutgeschrieben.

Undurch­sichtige Finanzierung

Wie hoch der jeweilige Anteil aus Steuern und Beiträgen bei der Mütterrente ist, weiß das für die Rente zuständige Bundes­arbeits­ministerium nicht. Eine solche Rechnung sei „weder möglich noch sinn­voll“, erklärt eine Ministeriums­sprecherin. Der Bundes­rechnungs­hof kritisiert diesen „Mangel an Trans­parenz“ und fügt hinzu: „Nicht die Beitrags­zahlenden, sondern alle Steuerzahlenden, also die gesamte Gesell­schaft, (sollte) die versicherungs­fremden Leistungen finanzieren.“

Trans­parent ist nur die Finanzierung der für die Rente gutgeschriebenen Erziehungs­zeiten für nach 1992 geborene Kinder. Dafür zahlt der Bund voll aus Steuer­einnahmen. 2024 waren es 18,1 Milliarden Euro.

Unser Rat

Versicherungs­verlauf anfordern. Sie bekommen von der Renten­versicherung einen Versicherungs­verlauf zuge­schickt, falls Sie mindestens mindestens 43 Jahre alt sind. Sie können ihn aber auch jeder­zeit anfordern (unter der Telefon­nummer 0 800/10 00 48 00).

Verlauf prüfen. Prüfen Sie, ob im Versicherungs­verlauf alle Versicherungs­zeiten erfasst sind oder ob es Lücken gibt. Achten Sie dabei besonders auf Schul­zeiten ab dem 17. Lebens­jahr, Zeiten der Berufs­ausbildung, Kinder­erziehung, Arbeits­losig­keit und längerer Krankheit mit Bezug von Krankengeld. All dies zählt für die Rente.

Renten­konto klären. Falls Sie Lücken in Ihrem Versicherungs­verlauf erkennen oder unsicher sind, ob dort alle relevanten Zeiten erfasst sind, stellen Sie bei Ihrem Renten­versicherer einen Antrag auf Kontenklärung. Das Formular dafür können Sie dort anfordern (Telefon: 0 800/10 00 48 00).

Was die Rentenkasse noch schultert

Zu den versicherungs­fremden Leistungen zählen auch:

  • die Höher­wertung der Gehälter der Versicherten in Ostdeutsch­land,
  • die vorzeitige Alters­rente ohne Abschlag,
  • ein Teil der Kosten der Hinterbliebenenrente,
  • die Anrechnungs­zeiten in bestimmten Lebens­situationen, in denen Versicherte keine Beiträge für die Rente zahlten konnten, etwa im Mutter­schutz,
  • der Grund­renten­zuschlag,
  • ein Teil der Erwerbs­minderungs­rente.

36 Milliarden Euro für Ost-Renten

Entgegen einer verbreiteten Meinung bekommen ostdeutsche Versicherte für ihre Beiträge nicht weniger Rente – im Gegen­teil: Bezogen auf die Einzahlungen fällt sie sogar höher aus als im Westen. Bis 2024 wertete die Rentenkasse Ost-Gehälter fiktiv auf, legte also höhere Einkommen zugrunde als tatsäch­lich erzielt wurden. Dadurch stiegen die Renten­ansprüche für gleiche Beiträge über das West­niveau und der geringere Renten­wert im Osten wurde mehr als ausgeglichen.

Der Renten­wert gibt an, wie hoch der monatliche Renten­anspruch für einen Versicherten mit Durch­schnitts­verdienst in einem bestimmten Kalender­jahr ist. Er ist nun in Ost und West gleich: aktuell 40,79 Euro. So viel Monats­rente erwirbt ein Durch­schnitts­verdiener in diesem Jahr.

Obwohl es die Höher­wertung der Ost-Gehälter seit 2025 nicht mehr gibt, bestehen die auf diese Weise in der Vergangenheit entstandenen Renten­ansprüche selbst­verständlich fort. Die Renten­versicherung zahlte dafür allein 2023 mehr als 36 Milliarden Euro.

Früher in Rente ohne Abschlag

13,3 Milliarden Euro kostete das Fehlen von Abschlägen für vorgezogene Altersrenten. Dies gilt für die abschlags­freie Rente für Menschen nach 45 Versicherungs­jahren: Auf Antrag dürfen sie zwei Jahre vor der Regel­alters­grenze ohne Abschlag in den Ruhe­stand wechseln. So können 1960 geborene Menschen nach dieser Regelung bereits mit 64 Jahren und vier Monaten Rente beziehen, statt regulär mit 66 Jahren und vier Monaten. Sie erhalten ihre Rente also zwei Jahre länger. Die Rentenkasse zahlt mehr, ohne dass diese Mehr­ausgaben ausgeglichen werden.

Tipp: Im Special zur gesetzlichen Rente finden Sie einen Renten­beginn­rechner und weitere Informationen.

Schutz für Hinterbliebene

Auch bei den Hinterbliebenenrenten gehört ein Teil zu den „nicht beitrags­gedeckten Leistungen“. Dies gilt voll und ganz für Waisenrenten sowie teil­weise für die Renten für Menschen, deren Ehepart­nerin oder -partner gestorben ist. Beide Renten gibt es nur auf Antrag.

Bei der Hinterbliebenenrente können sich die Eheleute unter bestimmten Voraus­setzungen für das Rentensplitting entscheiden. Dabei werden die Renten­anwart­schaften, die beide während der Ehezeit erwerben, gleich­mäßig zwischen ihnen aufgeteilt. Vorteilhaft ist das Splitting eher für wohl­habendere Rentner­ehepaare. Und das auch nur unter bestimmten Voraus­setzungen. Es muss also gut über­legt werden.

Für die Renten­finanzen gilt: Die Differenz zwischen der meist höheren Witwen- oder Witwerrenten und der Splittingrente ist laut Deutscher Renten­versicherung (DRV) Bund nicht durch Beiträge gedeckt. 18,7 Milliarden Euro betragen die Kosten.

Witwenrente wichtig für Lebens­unterhalt

Weil das Renten­splitting für die Rentenkasse billiger ist, hat der Sach­verständi­genrat zur Begut­achtung der gesamt­wirt­schaftlichen Entwick­lung dafür plädiert, die Witwenrente abzu­schaffen und das Splitting obliga­torisch zu machen. Für viele Witwen würde dies gravierende Einbußen bei ihrer Alters­versorgung zur Folge haben.

Ausgleich in bestimmten Lebens­lagen

Im Mutter­schutz fließen keine eigenen Beiträge an die gesetzliche Renten­versicherung. Dies gilt auch bei längerer Arbeits­unfähigkeit, langer Arbeits­losig­keit und in der Schul­ausbildung. Dafür gibt es aber Anrechnungs­zeiten. Sie schließen Lücken auf dem Renten­konto und sorgen dafür, dass die Mindest­versicherungs­zeit für bestimmte Renten­arten erfüllt wird. Und sie werden zum Teil bei der Rentenbe­rechnung bewertet. Diese Versicherungs­zeiten mildern also negative Auswirkungen auf die Rente in bestimmten Lebens­situationen.

Zuschlag für Gering­verdiener

Dies gilt auch für den Grund­renten­zuschlag. Ihn erhält auto­matisch, wer lange gearbeitet, aber wenig verdient hat. Um die volle Grundrente zu bekommen, müssen Versicherte für mindestens 35 Jahre sogenannte Grund­renten­zeiten vorweisen können. Dazu zählen beispiels­weise sozial­versicherungs­pflichtige Selbst­ständig­keit und Berufs­tätig­keit, Kinder­erziehung und Rehabilitation.

Für alle, die mindestens 33, aber nicht 35 Jahre mit Grund­renten­zeiten vorweisen können, gibt es eine geringere Aufstockung. Durch­schnitt­lich werden monatlich 92 Euro zusätzlich zur normalen Rente gezahlt. Die Renten­versicherung gab dafür 2023 insgesamt 1,4 Milliarden Euro aus.

Dauer­haft zu krank zum Arbeiten

Die gesetzliche Renten­versicherung ist auch für den Schutz bei Erwerbs­minderung zuständig. Versicherte bekommen auf Antrag eine volle Erwerbsminderungsrente, wenn Krankheit oder Unfall dazu führt, dass sie dauer­haft weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können. Eine halbe Erwerbs­minderungs­rente erhält, wer noch zwischen drei und unter sechs Stunden täglich erwerbs­tätig sein kann.

Manchmal zahlt die gesetzliche Renten­versicherung sogar eine volle Erwerbs­minderungs­rente, wenn Versicherte noch zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeiten können − sie also eigentlich nur Anspruch auf eine Teil­erwerbs­minderungs­rente haben. Das ist immer dann der Fall, wenn sie aufgrund der Arbeits­markt­lage keinen entsprechenden Teil­zeitjob finden können. Diese Sozial­leistung kostet die Renten­versicherung eine Milliarde Euro.

Entlastung der Versicherten wäre möglich

Erstes Fazit der Rechnung: Die Gesamt­kosten der nicht beitrags­gedeckten Leistungen summierten sich 2023 laut DRV Bund auf 124,1 Milliarden Euro. Die Zuschüsse des Bundes dafür betrugen insgesamt 84,3 Milliarden Euro. Es bleibt also eine Lücke von 39,8 Milliarden Euro, die mit den Beiträgen der Versicherten geschlossen wurde.

Würde dieses Geld vom Bund bezahlt, käme das den Versicherten zugute: Der Beitrags­satz könnte laut DRV von jetzt 18,6 Prozent auf 16,6 Prozent oder noch weniger sinken. Arbeit­geber und Versicherte, die sich den Beitrag teilen, wären spür­bar entlastet.

Rentenbeitrag von der Arbeits­agentur

Auch aus anderen Quellen fließen Beiträge. Wer etwa arbeitslos wird, steht in der Zeit in puncto Renten­einzah­lungen nicht blank da: Die Arbeits­agentur über­weist für Menschen, die Arbeits­losengeld I bekommen, auto­matisch Beiträge an die Renten­versicherung auf Basis von 80 Prozent des früheren Brutto­gehalts. Diese Zeit ist für die Rente also nur ein Fünftel weniger wert als die vorherige Beschäftigungs­zeit. Und die Pflege­versicherung zahlt auf Antrag Beiträge für Menschen, die Eltern, andere Verwandte oder Freunde pflegen. Auch das zählt für die Rente.

Reha voll­ständig mit Beiträgen finanziert

Die gesetzliche Renten­versicherung ist nicht nur für Alters- und Hinterbliebenen­versorgung zuständig. Sie über­nimmt auch die Kosten für Rehabilitation. Berufs­tätige, die schwer krank sind, sollen so wieder fit für die Arbeit gemacht werden, im Job bleiben – und weiter in die Rentenkasse einzahlen. Voll­ständig aus den Beiträgen finanziert werden Rehabilitations­maßnahmen aber nicht nur für Beschäftigte. Auch deren Kinder haben einen Anspruch. Bei schweren Erkrankungen können sie eine Kinder- und Jugendreha machen.

Über­blick: Diese Leistungen zahlen Versicherte mit

Die gesetzliche Renten­versicherung muss für viele sozial­politisch gewollte Leistungen aufkommen. Dafür erhält sie Bundes­zuschüsse. Die reichen aber nicht. Deshalb müssen die Versicherten zuschießen – und zwar rund 40 Milliarden Euro jähr­lich,

Leistungen

Ausgaben (Milliarden Euro)

Höher­wertung der Gehälter in Ostdeutsch­land / West-Ost-Transfer

36,4

Kinder­erziehungs­zeiten für Geburten vor 1992

20,3

Renten­splitting über­steigender Anteil der Witwen- bzw. Witwerrente

18,7

Alters­renten vor Regel­alters­grenze ohne (vollen) Abschlag

13,3

Anrechnungs­zeiten (Mutterschaft, Ausbildung u. a.)

8,9

Zeiten nach dem Fremd­rentengesetz Fußnote: 1

5,6

Anteilige Zahlungen an die Kranken­versicherung der Rentner

4,9

Renten nach Mindest­einkommen / Mindest­entgelt­punkten Fußnote: 2

3,4

Ausgleichs­zahlungen an die knapp­schaftliche Renten­versicherung

3,2

Höher­wertung der Berufs­ausbildung Fußnote: 3

2,3

Grund­renten­zuschlag

1,4

Leistungen im Zuge der deutschen Einheit / Verwaltungs- und Verfahrens­kosten

1,1

Erwerbs­minderungs­renten wegen Arbeits­markt­lage (volle statt halbe Rente)

1,0

Waisenrenten

0,8

Ghettorenten Fußnote: 4

0,6

Weitere Leistungen

2,2

Ausgaben für nicht beitrags­gedeckte Leistungen insgesamt

124,1

Bundes­zuschüsse

84,3

Differenz, die von den Beitrags­zahlern finanziert werden muss

39,8

Legende

Stand: 2023 (neuere Zahlen nicht verfügbar)

Quelle: Deutsche Renten­versicherung Bund

Fußnote: 1
Unter bestimmten Voraus­setzungen werden ausländische („fremde“) Versicherungs­zeiten in der deutschen Renten­versicherung berück­sichtigt.
Fußnote: 2
Geringe Pflicht­beiträge (insbesondere von Frauen, deren Verdienst unter­durch­schnitt­lich war) aus der Zeit bis 1991 werden unter bestimmten Voraus­setzungen auf 75 Prozent des Beitrags eines Durch­schnitts­verdieners ange­hoben.
Fußnote: 3
Betriebliche Ausbildungs­zeiten werden in der Regel höherge­wertet (bis zu 75 Prozent des Beitrags eines Durch­schnitts­verdieners).
Fußnote: 4
Rente für Verfolgte des Nationalsozialismus, die in einem Ghetto gearbeitet haben.

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