Verbotene Telefonwerbung Am Sonntag kalt erwischt

Viele Firmen betreiben illegale Telefonwerbung, um ihre ­Produkte zu verkaufen. Dabei wenden sie miese Tricks an.

Immer mehr Firmen ist nichts mehr ­heilig. Weder der Feierabend noch der Sonntag. Denn dann sind viele Menschen zuhause und sie können ihnen leicht etwas verkaufen. Dafür beschäftigen Firmen psychologisch geschulte Mitarbeiter in Callcentern, die mögliche Kunden ungefragt zuhause anrufen. Die Strategie lautet: Versuche das Opfer zum Beispiel während des Fernsehkrimis „kalt zu erwischen“ und nutze den Überraschungseffekt, um sofort einen Vertrag abzuschließen oder etwa ­einen Termin für eine Finanzberatung zu bekommen. „Cold Calling“ heißt diese Masche.

„Wir machen eine kleine Umfrage, würden Sie uns den Gefallen tun und uns fünf Minuten Ihrer Zeit schenken?“ Oft ist es eine Umfrage zum Steuersystem, die Firmen als Vorwand nutzen, um einen Termin für eine Finanzberatung zu vereinbaren. Spätestens bei der Frage „Finden Sie nicht auch, dass Sie zu viel Steuern zahlen?“ soll der Angerufene dem Anrufer auf den Leim gehen. Dieser empfiehlt dann ein Treffen mit einem Experten, der genau weiß, wie man Steuern spart. Und ehe sich der Angerufene versieht, hat er einen Termin vereinbart.

Je nach Angebot variieren die Tricks der Verkäufer, um Kapitalanlagen, Telefonverträge, Zeitschriftenabonnements, Reisen, Weine oder Glücksspiele zu verkaufen. Ein üblicher Köder, um den Angerufenen zu locken, ist die Ankündigung eines Gewinns. Den Gewinn gibt es allerdings nur, wenn das Opfer gleichzeitig ein Zeitschriftenabonnement bestellt oder bei einer teuren 0 900-Nummer anruft.

Geldschneiderei ist häufig auch bei Reisegewinnen im Spiel. Denn die kostenlose Hotelübernachtung bekommt der Gewinner nur, wenn er zuvor Anfahrt oder Flug bucht und zudem mit einem selbstzahlenden Partner verreist. Ansonsten wird ein hoher Einzelzimmerzuschlag fällig. Alles in allem ist der Gewinn oft teurer als ein regulär gebuchter Urlaub.

Illegale Anrufe

Inzwischen sind Zehntausende Verbraucher von solchen Anrufen genervt. Besonders dann, wenn sie zwei Tage später wie Finanztest-Leser Wolfgang Schmitt einen Brief bekommen, in dem es heißt: „Vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihren Auftrag vom 02. 05. 2006. Sie haben sich durch die Umstellung Ihres Festnetzanschlusses auf TSD telecom service deutschland GmbH & Co. KG 500 Freiminuten gesichert.“

Schmitt ist sich ganz sicher, dass er einen solchen Auftrag nie erteilt hat. Doch keine Angst. Die unerbetenen Anrufe sind illegal. Und gegen angeblich am Telefon abgeschlossene Verträge können sich Verbraucher wehren, indem sie schriftlich wider­rufen (siehe „Interview“).

Schon vor Jahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) sogenannte Kaltanrufe zu Werbezwecken verboten. Solche Anrufe stellen laut BGH eine besonders schwerwiegende Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre dar. Das ­Opfer könne den Anruf meist nur beenden, wenn es die Regeln der Höflichkeit verletzt (Az. XI ZR 76/98). Seit dem 8. ­Juli 2004 steht das Verbot auch ausdrücklich im ­Gesetz.

Riesenumsätze mit Kaltanrufen

Scheinbar kümmert das selbst viele große, eigentlich als seriös bekannte Unternehmen nicht. Denn für sie sind die illegalen Anrufe ein Riesengeschäft. Sie riskieren sogar, dass ihnen ihre belästigende Telefonwerbung von Gerichten untersagt wird. Die DaimlerChrysler AG darf laut Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 6. Januar 2006 nicht mehr unaufgefordert nach etwaigen Vorlieben für Autos und einem möglichen ­Interesse an einem Mercedes fragen.

Verbraucher sollten sich wehren

Zwar können Verbraucher kaum verhindern, dass sie zu Werbezwecken angerufen werden. Sie können aber den Anrufern das Geschäft verderben, indem sie einfach den Hörer auflegen. Wem das nicht reicht, der sollte zum Schein Interesse bekunden und freundlich nach dem Namen des Anrufers und der Firma fragen und um die Zusendung von Werbe- oder Vertragsunterlagen bitten. Mithilfe der Unterlagen kann dann der Zusammenhang zwischen Anrufer und Firma bewiesen werden.

Anschließend sollte der gesamte Vorgang in einer eidesstattlichen Erklärung (siehe „Musterbrief“) geschildert werden und an eine Verbraucherzentrale oder an den ­Verbraucherzentrale Bundesverband (siehe „Adressen“) geschickt werden. Diese Verbände gehen rechtlich gegen belästigende Telefonwerbung vor.

Obwohl der Verbraucherzentrale Bundesverband seit vielen Jahren gegen Telefonwerbung vorgeht und bereits mehrere Grundsatzurteile beim BGH erstritten hat, die die Werbeanrufe bei Privatpersonen verbieten, wird weiter angerufen.

Selbst von Gerichten verhängte Verbote halten viele Firmen nicht davon ab, die ­lukrative Telefonwerbung weiter zu betreiben. Denn außer den Prozesskosten müssen sie dafür nichts zahlen. Es sei denn, sie werden bei einem Verstoß erwischt und müssen das im Urteil festgesetzte Ordnungsgeld begleichen. Doch was sind schon 5 000 oder 10 000 Euro „Strafe“ ­angesichts von Einnahmen durch die verbotene Werbung, die von Experten auf eine zweistellige Milliardensumme im Jahr geschätzt werden. Zudem dauern die Prozesse Monate, manchmal Jahre.

Allein die Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg hat in den letzten Jahren rund 100 Firmen wegen illegaler Telefonwerbung abgemahnt. „In 90 Prozent der Fälle waren wir erfolgreich“, sagt Edda Castello von der VZ Hamburg. So sei die VZ erfolgreich gegen die Verlage Axel Springer und Heinrich Bauer, gegen den Telekommunikationsanbieter mobilcom und den Finanzvertrieb AWD Allgemeiner Wirtschaftsdienst in Hannover vorgegangen.

Beim Urteil gegen den AWD sei es gelungen, nicht nur die unerlaubte Telefonwerbung eines Beraters abzustellen, sagte Castello. Vielmehr sei auch der AWD, in dessen Namen der Berater mögliche Kunden angerufen hatte, wegen illegaler Telefonwerbung verurteilt worden (Az. 24 O 62/04). Zwar argumentierte der AWD, dass er für die unzulässige Telefonwerbung seines Vertreters nicht verantwortlich sei. Doch das sah das Gericht völlig anders. Die Richter erklärten, dass der Vertreter im Rahmen der Vertriebsorganisation unter dem Logo des AWD Leistungen erbracht habe, die dem AWD zugute kämen.

Castello hält das Urteil für besonders wichtig, da fast alle Finanzvertriebe ihre Mitarbeiter in Kaltanrufen schulten, um an Kunden zu kommen. Solche Anrufe sind immer illegal. Auch wenn sie auf Empfehlung eines Freundes des Angerufenen erfolgen – der Krimiabend am Fernseher darf nicht gestört werden.

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