Welche Literatur begutachten wir? Wie wählen wir Arzneimittel aus und was wird überhaupt bewertet? Hier erfahren Sie alle Hintergründe zu unseren Medikamenten-Tests.
Welche Literatur zieht die Stiftung Warentest zur Bewertung heran?
Wissenschaftliche Fachliteratur. Die Basis der Bewertung bilden allgemein anerkannte und aktuelle klinisch-pharmakologische und medizinisch-therapeutische Standardwerke. Diese geben Auskunft über Anwendungsbereiche und Dosierungsempfehlungen sowie Hinweise, die zur Bewertung der jeweiligen Wirkstoffe und einzelner Arzneimittel notwendig sind.
Klinische Studien. Gleichrangig zur Standardliteratur werten wir veröffentlichte und geeignete klinische Studien sowie deren systematische Zusammenführung aus, um die Aktualität der Bewertung sicherzustellen. Diese Primärliteratur ziehen wir aber nur heran, wenn die Studien in anerkannten medizinischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, in denen vor der Veröffentlichung ein Expertengremium (Review Board) die Qualität der Publikation geprüft hat.
Evidenzbasierte Nutzenbewertungen. Außerdem berücksichtigen wir Publikationen von Institutionen, die im Auftrag des Gesetzgebers nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin den Nutzen therapeutischer Maßnahmen bewerten. Dazu gehören beispielsweise Dossiers und Health-Technology-Assessment-Berichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln und des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) in London, Großbritannien.
Auch Veröffentlichungen von Instituten, die etwa für die gesetzliche Krankenversicherung Arzneimittel prüfen, sind zuverlässige Quellen. Viele Wirksamkeitsstudien von Pharmafirmen fallen aus dieser strengen Auswahl heraus, da sie zu kurz laufen. Dann können Nebenwirkungen, die erst nach längerer Einnahme entstehen, nicht erkannt werden.
Welche Rolle spielt das Anwendungsgebiet?
Zu jedem Arzneimittel gibt es einen Beipackzettel, in dem steht, wogegen es eingesetzt werden soll. Das Anwendungsgebiet wird bei der Zulassung durch die Zulassungsbehörde überprüft. Die Stiftung Warentest bewertet grundsätzlich nur die Anwendungsgebiete, für die die Produkte laut Herstellerangaben eingesetzt werden sollen. Nicht immer sind die Anwendungsbereiche eines Wirkstoffes bei jedem Hersteller und bei jeder Dosierung identisch. Das überprüfen wir und bewerten entsprechend.
Alle Möglichkeiten abwägen. Wenn wir ein Arzneimittel beurteilen, vergleichen wir es auch mit übrigen Medikamenten, die für die jeweilige Indikation angeboten werden. Außerdem stellen wir uns die Frage, ob es in diesem Anwendungsgebiet überhaupt sinnvoll und notwendig ist, mit einem Arzneimittel oder Medizinprodukt zu therapieren.
Welche Inhaltsstoffe fließen in die Bewertung ein?
Wir berücksichtigen bei unseren Bewertungen nur die Inhaltsstoffe, die der Hersteller als „arzneilich wirksame Bestandteile“ angibt. Hilfsstoffe, die zum Beispiel notwendig sind, um Tabletten herzustellen, gehen in die Bewertung nicht mit ein.
Medizinprodukte. Bei der Kennzeichnung von Medizinprodukten in arzneimitteltypischer Aufmachung fordert der Gesetzgeber nicht, dass Hersteller die enthaltenen Substanzen in Wirk- und Hilfsstoffe auftrennen. Einige tun dies aber. Andere heben bestimmte Inhaltsstoffe in Bezug auf das beanspruchte Anwendungsgebiet in besonderer Weise hervor. In diesen Fällen bewertet die Stiftung Warentest nach denselben Regeln, wie sie für Arzneimittel gelten. Wenn sich in der Produktinformation eines Medizinprodukts keine Aussage zum wirksamen Bestandteil findet, betrachten wir die Kombination bei der Bewertung in der Regel als Einheit.
Wie bewerten wir Kombinationspräparate?
Verhütungspillen, Blutdrucktabletten oder Mittel zur Bekämpfung bakterieller Infektionen – häufig enthalten Medikamente nicht nur einen Wirkstoff. Da diese in der Regel individuell dosiert sein müssen, ist das nicht unbedingt von Vorteil. Manche Krankheiten erfordern es allerdings, mehrere Wirkstoffe nebeneinander einzusetzen. Dann kann es einfacher sein, ein Kombinationspräparat einzunehmen – vorausgesetzt, die Dosierung ist für den Behandelten passend.
Sinnhaftigkeit beurteilen. Für die Bewertung von Kombipräparaten beurteilen die Gutachtenden zunächst, wie zweckmäßig die Mischung ist. Kommen sie zu keinem positiven Urteil, erübrigt sich ein Wirksamkeitsnachweis. Wir erkennen die Kombination dann grundsätzlich nicht als sinnvolles Arzneimittel an, gleich, in welchem Anwendungsbereich.
Standardisierte Kriterien. Dass ein Präparat mit zwei Schmerzwirkstoffen schmerzlindernd wirkt, ist zu erwarten. Doch ist es wirklich sinnvoll, diese Substanzen miteinander zu kombinieren? Um solche festen Wirkstoffkombinationen zu bewerten, haben sich die sogenannten Crout-Kriterien als internationaler Standard bewährt. Sie fordern, dass jeder Wirkstoff eines Kombinationsmittels nachweislich einen positiven Beitrag zu dessen Nutzen leistet. Für die Stiftung Warentest gelten die Kriterien gleichermaßen für Präparate mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen und solche mit Pflanzenextrakten.
Crout-Kriterien
Kombinationspräparate gelten nach den Crout-Kriterien als sinnvoll, wenn folgendes nachgewiesen ist:
- Jeder einzelne Inhaltsstoff ist in Bezug auf das beanspruchte Anwendungsgebiet therapeutisch wirksam.
- Jeder Inhaltsstoff ist – im Hinblick auf Höchstdosierung, Anwendungshäufigkeit und Anwendungsdauer – so dosiert, dass die Kombination wirksam sowie unbedenklich ist und von einer nennenswerten Anzahl an Patientinnen und Patienten genutzt werden kann.
- Die zugefügten Inhaltsstoffe erhöhen die Wirksamkeit und/oder Unbedenklichkeit des Hauptinhaltsstoffs oder verringern die Möglichkeit seines Missbrauchs oder
- die festgelegte Kombination von Inhaltsstoffen ist therapeutisch wirksamer oder unbedenklicher als jeder einzelne Inhaltsstoff für sich.
Wer bewertet die Medikamente?
Für die Bewertung von Medikamenten ziehen wir verschiedene Expertinnen und Experten heran, um ein aktuelles Gutachten zu erstellen. Oftmals lassen wir diese auch in Interviews oder Stellungnahmen zu Wort kommen.
Wie wählt die Stiftung Warentest Medikamente aus?
Die Anzahl an Medikamenten auf dem deutschen Markt ist unübersichtlich. Wir teilen das Angebot in rezeptpflichtige sowie rezeptfreie Medikamente und setzen – je nach Indikationsgebiet – eine Grenze bei den Verordnungs- beziehungsweise Verkaufrängen. Wir wählen insbesondere Mittel aus, die laut aktuellem Arzneimittelverordnungsreport häufig verschrieben oder laut Marktdaten häufig verkauft oder aber von Experten als besonders relevant eingestuft werden.
Woher stammen die angegebenen Produktdaten?
Die angegebenen Medikamenten-Preise entsprechen den Angaben der Lauer-Taxe, einer Zusammenstellung von Daten über Fertigarzneimittel und andere apothekenübliche Waren. Die Produktangaben der besprochenen Mittel stammen von der Ifap, einem Lieferanten für Arzneimitteldaten, sowie aus Fach- oder Gebrauchsinformationen. Außerdem kann es dazu kommen, dass die Stiftung Warentest bestimmte rezeptfreie Medikamente einkauft, um die Packungsbeilage oder die Anwendungshinweise auf der Verpackung einzusehen.
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Kommentarliste
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@DasSonnenblau: Eine unabhängige deutschsprachige Medikamentendatenbank die laienverständlich neutrale Basisinformationen liefert ist uns nicht bekannt. Es gibt pharmakritische Datenbanken. Es handelt sich dabei aber nicht um klassische Medikamentendatenbanken. Sie sind kostenpflichtig, wenden sich eher an Fachpersonal und sind daher nicht laienverständlich.
Wie ich jetzt den Kommentaren entnehmen musste, haben Sie Ihre Medikamentendatenbank leider eingestellt. Die von Ihnen genannten Gründe sind für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns in diesem Zusammenhang darüber Informieren, wo man jetzt neutrale Basisinformationen zu Medikamenten finden kann. Gibt es ggf. andere vertrauenswürdige Datenbanken, die öffentlich zugänglich sind? Können Sie hierzu bitte eine Verbraucherinformation veröffentlichen?
@tangoman1942: Wie bereits per E-Mail mit Ihnen kommuniziert, hier noch einmal unsere Stellungnahme:
Für eine gute Arzneimittelinformation für Verbraucher sollen sichere Aussagen das Ziel sein. Bei unseren Arzneimittelbewertungen wird methodisch hochwertige zusammengefasste Literatur bis hin zu methodisch hochwertigen Einzelstudien alles gesucht, was für einen Nutzennachweis tauglich ist. Ebenso werden Leitlinien recherchiert und auf ihr evidenzbasiertes Vorgehen und auf ihre Qualität hin bewertet. Sekundärquellen wurden nur genutzt, wenn sie den Methoden der evidenzbasierten Medizin entsprechen und ein hohes Maß an Validität aufwiesen. Denn nur diese Untersuchungsergebnisse können zu sicheren Aussagen bzgl. des Nutzens des Arzneimittels führen. Bei allen anderen Publikationsformen ist das Risiko für Fehlschlüsse gegeben. Unabhängigkeit und Neutralität sind und bleiben bei unserer Arbeit oberstes Gebot.
Es gibt evidenzbasierte Medikamente, deren Notwendigkeit in Krankheitsfällen erforderlich werden kann.
Es gibt evidenzbasierte Nahrungsergänzungsmittel, die genau diese Notwendigkeit der Einnahme von evidenzbasierten Medikamenten verhindert oder zumindest hinauszögert.
Es ist verantwortungslos, diese evidenzbasierten Nahrungsergänzungsmittel mit heilender Wirkung und geringer bis keiner Nebenwirkung zu ignorieren.
Es ist sinnlos mit den verantwortlichen Vertretern der pharmazeutischen Monokultur über präventive gesundheitliche Wirkungen zu sprechen.
Wer die Monokultur der Pharmaindustrie ausschließlich rechtfertigt ist NICHT UNABHÄNGIG; handelt menschenverachtend und gefährdet vorsätzlich die Gesundheit der Bürger.
@MEC4766: Gerne prüfen wir Ihren Vorschlag.