
Vielfältig. Die Auswahl an Antibiotika ist groß, ihr Wirkspektrum unterschiedlich. © Getty Images / Alex Raths
Manche sehen sie als Wunderwaffe bei allen Infekten – andere halten sie für riskante Chemiekeulen. Was stimmt? Die Stiftung Warentest klärt über Antibiotika-Mythen auf.
Sie unterstützen den Körper bei der Bekämpfung von Bakterien: Antibiotika. Ihre Entdeckung gehört zu den bedeutendsten Entwicklungen der Medizin. Allerdings ranken sich zahlreiche Mythen und Irrtümer um die Medikamente. Sind sie gefährliche Arzneien, die Patientinnen und Patienten nicht nehmen sollten – oder gehören sie in jede Hausapotheke? Wann helfen sie – und was passiert, wenn Bakterien dagegen resistent werden? Die Arzneimittelfachleute der Stiftung Warentest klären auf.
Unsere Bewertungen zu 85 Antibiotika zum Einnehmen mit 29 verschiedenen Wirkstoffen finden Sie in unserem Test von häufig verordneten Antibiotika.
Mythos 1 – Antibiotika helfen gegen Erkältung
Das ist ein Irrglaube. Atemwegsinfekte wie Halsentzündung, Schnupfen, Husten und Bronchitis sind meist durch Viren bedingt. Dagegen helfen Antibiotika nicht, sondern nur gegen Bakterien. Selbst die echte Grippe und Covid-19, bei denen Erkältungssymptome zumeist geballt und massiv auftreten, sind Viren-Erkrankungen. Die Patienten genesen in aller Regel von allein, auch wenn das leider ein bis zwei Wochen, teils auch länger dauern kann. Oft helfen Ruhe, viel trinken und rezeptfreie Erkältungsmittel.
Wenn Bakterien hinzukommen. Bei Warnzeichen wie starkem Schmerz oder Krankheitsgefühl, Fieber ab 39 Grad, grünlichem Auswurf oder Atemnot empfiehlt sich ärztlicher Rat – auch um abzuklären, ob Bakterien das vorbelastete Gewebe besiedelt haben. So eine sogenannte Superinfektion kann dann möglicherweise doch Antibiotika erfordern.
Viele Infektionen heilen von allein. Auch bei anderen häufigen Infektionen wie Mandel-, Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündung sind längst nicht immer Antibiotika nötig. Hier beurteilen Ärztinnen und Ärzte die Schwere der Symptome und die Gesamtverfassung der Betroffenen, etwa ob zusätzlich eine Immunschwäche besteht. Dies kann Antibiotika erforderlich machen. Auch bei vielen Harnwegsinfektionen sind Antibiotika geboten – lassen sich aber bei Frauen manchmal vermeiden. Mehr dazu steht in unserem Beitrag zur Blasenentzündung.
Mythos 2 – Antibiotika machen mich resistent

Erfasst. Rund um wirksame Antibiotika wachsen keine Keime. © Getty Images / A. Brookes
Menschen werden nicht resistent gegen Antibiotika – Bakterien aber schon. Das bedeutet: Die Keime werden widerstandsfähig (resistent) gegen die Arzneien. Das passiert oft durch zufällige Mutationen im Erbgut der Erreger, die sie an ihre Nachkommen weitergeben. Resistente Keime können schwere Infektionen verursachen, weil ursprünglich hilfreiche Medikamente nichts mehr gegen sie ausrichten. Antibiotika sollten daher nicht unnötig genommen werden, damit sie wirksam bleiben.
Fleisch ist belastet. Auch Nutztiere erhalten teilweise Antibiotika. Entsprechend werden in vielen Fleischproben resistente Keime entdeckt, so bei unserem Test von Hähnchenschenkeln. Von dort können die Erreger auf Menschen übergehen. Küchenhygiene schützt, dazu zählt: Hände vor und nach der Zubereitung von Speisen waschen und Fleisch gut kochen oder durchbraten. Das tötet Keime ab – auch resistente. Mehr Tipps stehen in unserem Special zu Keimen in der Küche.
Mythos 3 – Antibiotika gehören in jede Hausapotheke
Falsch. Antibiotika sind nicht ohne Grund rezeptpflichtig. Die Ärztin oder der Arzt muss im konkreten Krankheitsfall entscheiden, ob ein Antibiotikum erforderlich ist – und gegen welche Bakterien. Patienten sollten übrig gebliebene Antibiotika daher auch nicht aufheben und schon gar nicht an Dritte weitergeben. Selbst wenn jemand an ganz ähnlichen Symptomen leidet, könnten andere Erreger die Ursache sein.
Sicher entsorgen. Alte oder überzählige Arzneien gehören nicht in den Abfluss oder die Toilette. Kläranlagen entfernen sie nicht komplett. Dann können sie Gewässer, Tiere und Pflanzen belasten. Antibiotika zum Beispiel begünstigen womöglich draußen in der Natur die Bildung resistenter Bakterien. Sicherer entsorgen lassen sich Medikamente mit dem Hausmüll, der meist verbrannt wird. Der Königsweg: Alt-Arzneimittel bei Schadstoffsammelstellen abgeben. Mehr zum Thema finden Sie im Beitrag Wohin mit alten Pillen und flüssiger Arznei?
Arzneimitteltests der Stiftung Warentest
Wir prüfen regelmäßig Nutzen und Risiken häufig verordneter sowie häufig verkaufter Medikamente: von Antidepressiva über Heuschnupfen-Mittel bis hin zu Medikamenten bei Prostatavergrößerung oder dem Hautleiden Rosazea. Sie finden Sie gebündelt auf unserer Themenseite Medikamente.
Mythos 4 – Antibiotika sind gefährliche Arzneien

Kindgerecht. Manche Antibiotika gibt es als Saft – gut dosierbar für Kinder. © Getty Images / ruizluquepaz
Das trifft teils zu. Gravierende Nebenwirkungen wie Sehnenrisse, Nervenschäden und psychische Erkrankungen sind bei Fluorchinolonen möglich. Daher sollen sie laut der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nur noch verordnet werden, wenn die besondere Schwere der Infektion dies erfordert und andere Antibiotika nicht möglich sind. Zur Gruppe der Fluorchinolone zählen Wirkstoffe wie Ciprofloxacin, Levofloxacin und Ofloxacin. Mehr zum Thema steht im Test von Antibiotika.
Darm ist gestresst. Auch weitere Nebenwirkungen von Antibiotika sind möglich, je nach Wirkstoff teils etwas unterschiedliche. Häufig kommt es zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Durchfall. Grund: Im menschlichen Darm leben Hunderte verschiedener Bakterienarten. Sie leisten dem Körper wertvolle Dienste, etwa bei der Verdauung. Oft unterscheidet ein Antibiotikum nicht zwischen nützlichen und schädlichen Keimen, es zieht also auch gesunde Darmbewohner in Mitleidenschaft. Nach der Behandlung erholt sich die Besiedelung in aller Regel wieder.
Mittel zum „Aufbau der Darmflora“, etwa mit Milchsäurebakterien oder Hefepilzen, sollen dabei helfen. Ob sie aber tatsächlich nützen oder möglicherweise sogar schaden, ist noch nicht abschließend durch Studien geklärt. Manche Fachleute empfehlen, wegen der enthaltenen Bakterien einfach viel Joghurt zu essen – beispielsweise Naturjoghurt.
Langzeitfolgen denkbar. Bleibt die Balance im Bauch dauerhaft gestört, kann das chronische Darmentzündungen wie Morbus Crohn begünstigen. Verschiedene Studien, etwa im Fachjournal The Lancet, deuten darauf hin, dass Antibiotika dieses Risiko erhöhen – besonders wenn sie häufig verordnet werden und als sogenannte Breitband-Antibiotika gegen ein breites Spektrum an Bakterien wirken. Das ist kein Grund, im Ernstfall kein Antibiotikum zu geben. Doch sollten Betroffene und Behandelnde gut abwägen, ob es wirklich notwendig ist.
Eine Sorge ist meist unbegründet. Etwa jeder Zehnte vermutet, allergisch gegen Penicillin zu sein – doch in Wirklichkeit betrifft das laut einer Studie im Fachjournal Jama nur jeden Zweihundertsten. Mehr dazu siehe Penicillin: Vermeintliche Allergie ist oft keine.
Mythos 5 – Antibiotika sind die reinsten Chemiekeulen
Das stimmt nicht. Die meisten Antibiotika sind natürlichen Ursprungs. Das erste breit genutzte Antibiotikum, Penicillin, stammt aus Schimmelpilzen der Gattung Penicillium. Als Entdecker gilt der Mikrobiologe Alexander Fleming. Er experimentierte 1928 mit Bakterien und bemerkte zufällig, dass eine seiner Kulturen mit dem Pilz verunreinigt war – genau in diesem Bereich wuchsen keine Keime. Auch viele andere Antibiotika sind Naturstoffe aus Pilzen oder anderen Mikroorganismen. Manche werden heutzutage chemisch abgewandelt oder komplett synthetisch produziert.
Effekte unterscheiden sich. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Antibiotika. Sie lassen sich je nach Struktur und Wirkweise in Gruppen einteilen und haben unterschiedliche Angriffspunkte in Bakterienzellen. Manche bekämpfen nur bestimmte Erreger – andere, sogenannte Breitband-Antibiotika, viele verschiedene. Daher ist es wichtig, dass der Arzt oder die Ärztin ein passendes und möglichst zielgenaues Mittel auswählt.
Mythos 6 – Wer sich besser fühlt, kann sein Antibiotikum absetzen
Das ist nicht richtig. Viele Antibiotika wirken schnell und drücken die Zahl der krankmachenden Keime zügig so stark herunter, dass Patientinnen und Patienten kaum noch Symptome spüren. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Bakterien bereits komplett beseitigt sind. Überlebende können sich beim Absetzen der Arznei wieder ungestört vermehren, also mit voller Wucht zurückkommen.
Ausreichend Zeit geben. Patienten sollten die Mittel daher so lange nehmen, wie mit dem Arzt besprochen. Je nach Infektion und Wirkstoff kann die Therapie dann beispielsweise drei, sieben oder zehn Tage dauern. Ebenfalls wichtig sind die zeitlichen Abstände der Einnahme. „1 x täglich“ heißt ungefähr alle 24 Stunden einnehmen, „2 x täglich“ oder „3 x täglich“ entsprechend etwa alle zwölf beziehungsweise acht Stunden. So bleiben die Konzentrationen des Antibiotikums im Blut konstant – das ist gut für die Wirkung.
Mythos 7 – Antibiotika vertragen sich nicht mit Milch
So pauschal stimmt das nicht. Das gilt nur für manche Antibiotika, zum Beispiel für die Wirkstoffe Doxycyclin und Minocyclin oder Ciprofloxacin und Norfloxacin. Solche Substanzen können mit Kalzium aus Milch im Magen und Darm schwer lösliche Verbindungen eingehen. Das behindert die Aufnahme der Mittel ins Blut und lässt sie schwächer wirken. Daher: Vor und nach der Einnahme mindestens zwei Stunden auf Milch verzichten – auch auf kalziumreiches Mineralwasser und Milchprodukte wie Käse, Quark oder Joghurt. Grundsätzlich schluckt man Antibiotika – egal welche – am besten mit einem großen Glas Leitungswasser. Wer Probleme mit Schlucken von Tabletten hat, findet hier Tipps zum richtigen Einnehmen.
Den Beipackzettel lesen. Viele weitere Wechselwirkungen sind möglich, daher: Beipackzettel beachten. Teils sind Antibiotika zum Beispiel zur Mahlzeit zu nehmen, teils mit etwas Abstand vorher oder nachher. Wichtig für Frauen: Die Mittel können die verhütende Wirkung der Pille mindern, etwa weil sie die Darmflora und damit die Aufnahme der Hormone beeinträchtigen. Während der Therapie daher gegebenenfalls zusätzlich mit Kondomen schützen.
Vorsicht mit Alkohol. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Manche Antibiotika vertragen sich nicht mit Alkohol. Er wirkt zum Beispiel zusammen mit Metronidazol oft weitaus stärker als gewöhnlich. Weil Alkohol Organe und Gewebe zusätzlich strapazieren und daher die Genesung behindern kann, raten manche Fachleute grundsätzlich davon ab, solange Patientinnen und Patienten ein Antibiotikum einnehmen – egal um welchen Wirkstoff es sich handelt.
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@caudalie2: Wie bereits früher von uns angemerkt, ging es bei der Berichterstattung um einen allgemeinen Beitrag zu Antibiotika, nicht um einzelne Gruppen. Die Fluorchinolone machen nur einen Bruchteil der antibiotischen Wirkstoffe aus.
Zudem weisen wir im Text an mehreren Stellen deutlich darauf hin, dass Antibiotika nicht unüberlegt, sondern nur nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt zum Einsatz kommen sollten.
Wir gehen aber in unserer Arzneimittel-Datenbank Medikamente im Test detailliert auf einzelne Antibiotika-Gruppen ein, auch auf die Risiken durch Fluorchinolone.
Zudem werden wir Ihre Kommentare sowie den gestrigen Vorstoß des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, ein europäisches Risikobewertungsverfahren für Fluorchinolone durchzuführen, sicherlich zum Anlass nehmen, ausführlicher über das Thema zu berichten. (BS/spl)
Seit Jahrzehnten inzwischen leiden Patienten unter den Folgen der unverantwortlichen Verschreibungspraxis von Ärzten, welche weiterhin die Warnungen auch der Bundesbehörde ignorieren und verschreiben, verschreiben.- obwohl Antibiotika der Wirkstoffgruppe Fluorchinolone nur noch als Reserveantibiotika genutzt werden sollten.
Recherchieren die Redakteure von Stiftung Warentest evtl. auch einmal? Es gibt Rote Hand-Briefe, es gibt Reportagen z.B.im WDR mit Fallbeispielen von Ciprofloxacin-Geschädigten (und Levofloxacin), die ARD hat in Kontraste die Zustände und die Untätigkeit der Aufsichtsbehörden beklagt. Im Spiegel ist aktuell ein Beitrag mit Warnungen, der Apothekerverband veröffentlicht immer wieder Warnungen. Es gibt viele Selbsthilfegruppen und neuerdings ein Petition. In den USA gibt es für die Mittel Blackbox-Warnungen. ABER Stiftung Warentest meint: das sind MYTHEN! Als Verbraucher bin ich schon sehr enttäuscht, dass man so oberflächlich arbeitet bei dieser Stiftung!
Auch ein weit verbreiteter Mythos: Alkohol schwächt die Wirkung von Antibiotika. Grundsätzlich ist Alkohol natürlich nicht zu empfehlen, wenn man krank ist. Aber nicht bei allen Antibiotika schwächt der Alkohol direkt die Wirkung!
Vorab: Als Nebenwirkungs-Frühgeschädigter (1965, als dergleichen noch pharmakologisch geleugnet wurde) empfinde ich diese StiWa-Mythenabhandlung zu Antibiotika als informativ und im Allgemeinen einwandfrei. "Spezialisten" wie dezidierte Nebenwirkungsopfer haben sicherlich pointiertere Erkenntnisse, auf den eigenen Fall, wenn nicht (unerkannt) auf die persönliche Genetik bezogen -- die sich ähnlich zu anderen Fällen zeigen kann wie in den beiden Fällen unten. Diese und andere unbekannte krasse NW-Fälle möchten nach meinem Verständnis von dem generellen StiWa-Bericht miterfasst werden. So weit, so akzeptabel; doch bleibt für die Betroffenen und die mutmaßlich noch 'Hineinfallenden' eine große Leere, wenn StiWa sich nicht traut, auf die "offensichtlichen" Ursachen abnehmender Gesundheitsbildung durch Antibiotika zu verweisen und zugleich, wie unten angeregt, Betroffene mit richtigen Ansprechpartnern bei Unverträglichkeiten verbindet: Getestete Hersteller wären das sicher nicht!
Beim lesen des Artikels dachte ich erst...wo ist die Seite 2 des Artikels, fehlen hier doch unfassbar viele Informationen.
In ihrem Artikel werden derart mögliche Nebenwirkungen verharmlost, so das man den Artikel wirklich so nicht stehen lassen kann.
Die NW die sie ansprechen sind wohl noch die harmlosesten, die jeder Mensch sofern das Immunsystem in Ordnung ist leicht wieder ausheilen kann.
Das aber auf die Gefährlichkeit der Fluorchinolone nicht einmal Ansatzweise eingegangen wird ist schon wirklich leicht fahrlässig.
Die USA machen gerade vor, wie man mit diesen Wirkstoff umzugehen hat...nämlich den Patienten eingehend zu warnen.
Hier in Deutschland ist man wieder einmal im Winterschlaf und der wird wahrscheinlich das ganze Jahr -wie die Jahre zuvor anhalten.
Ich empfehle ihnen den Artikel zu überarbeiten.
Fundierte Informationen zu Recherchezwecken, aber auch für Geschädigte und Interessierte finden sie unter: http://www.fluorchinolone-forum.de
Dort tummeln sich viele Ges