
Typische Konservendosen. Ihre Innenbeschichtung besteht aus Harzen, die Bisphenol A enthalten können. © Adobe Stock
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Risiken für Bisphenol A neu bewertet – und schlägt nun einen deutlich strengeren Richtwert vor als früher.
Alle Fragen im Überblick
Wo Bisphenol A vorkommt
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Was ist Bisphenol A?
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Bisphenol A (BPA) ist eine Industriechemikalie. Mit ihrer Hilfe werden der harte und transparente Kunststoff Polycarbonat sowie Epoxid-Kunstharze hergestellt.
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In welchen Produkten ist Bisphenol A enthalten?
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Bisphenol A findet sich in vielen Alltagsgegenständen mit Polycarbonat – zum Beispiel in Smartphones, Aufbewahrungsboxen und Flaschen für Lebensmittel sowie Geschirr. Zudem kommt die Substanz in Produkten mit Epoxidharzen vor. Die Harze werden auch für Klebstoffe, Verbundkunststoffe, Lacke oder Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen verwendet.
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Wodurch nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher viel Bisphenol A auf?
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Über Kontaktmaterialien mit Lebensmitteln, besagen Daten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Danach tragen besonders Lebensmittel, die in Dosen mit Epoxidharz-Beschichtung gelagert sind, zur Aufnahme bei.
Grund: Bisphenol A kommt als Rest von Ausgangsverbindungen aus dem Herstellungsprozess in Epoxidharzen vor. Sie werden verwendet, um Lebensmittel- und Getränkedosen von innen zu beschichten. So soll verhindert werden, dass das Blech rostet und sich Metalle lösen, die dann die Lebensmittel beeinträchtigen könnten. Daneben gibt es viele andere Quellen für Bisphenol A, darunter unverpacktes Fleisch, Fleischerzeugnisse sowie Staub.
Weshalb Experten eine Neubewertung vornehmen
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Warum hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Bisphenol A neu bewertet?
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Von 2013 bis 2018 sind zahlreiche neue Studien erschienen, die laut Efsa Anlass für eine neue, deutlich strengere Bewertung waren. Vor allem Hinweise aus Studien mit Mäusen hätten den Ausschlag gegeben: Sie wiesen darauf hin, dass eine Aufnahme von Bisphenol A die Anzahl spezieller T-Zellen im Immunsystem junger Mäuse ändern könne. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle bei allergischen Reaktionen.
Inwieweit sich das nachteilig auf den Gesamtorganismus der Mäuse auswirkt und ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung derzeit noch unklar.
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Um wie viel ist der neue Richtwert strenger?
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Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat im Dezember 2021 einen neuen, deutlich strengeren Richtwert für Bisphenol A auf Basis neuer Studien abgeleitet und ihn auf EU-Ebene zur Diskussion gestellt. Danach soll die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake, TDI) in Zukunft bei 0,04 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegen.
Der TDI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich über die gesamte Lebenszeit ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann. Der neue Wert wäre 100 000-fach niedriger als der bisherige aus dem Jahr 2015. Der lag bei 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.
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Welche Folgen hätte der neue Richtwert?
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Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung dürfte die Bisphenol-Aufnahme bei Menschen aller Altersgruppen den neuen Wert deutlich überschreiten – auch wenn die Gesamtaufnahme in der Bevölkerung seit Jahren als rückläufig gilt. Die Efsa hat europäische Fachgremien gebeten, sich bis zum 22. Februar 2022 zu dem neu vorgeschlagenen Richtwert zu äußern.
Welche Gesundheitsrisiken bekannt sind
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Welche Gesundheitsrisiken können von Bisphenol A ausgehen?
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung haben sich in Tierversuchen bei langfristiger Aufnahme etliche Effekte gezeigt, die mit der Aufnahme der Substanz in Zusammenhang gebracht wurden.
- Hormonähnliche Wirkung. Die Europäische Chemikalienagentur hat Bisphenol 2017 wegen seiner hormonähnlichen Wirkungsweise als besonders besorgniserregende Substanz mit hormonell schädigenden Eigenschaften identifiziert. In Tierstudien mit jungen Nagetieren hatte die Substanz unter anderem dazu geführt, dass die Pubertät verfrüht eingetreten war und sich Brustdrüsengewebe veränderte. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sind allerdings bisher keine gesundheitsschädlichen Wirkungen von Bisphenol A für Menschen nachgewiesen. Der menschliche Körper wandle die Substanz schnell in ein Stoffwechselprodukt um, das selbst keine hormonelle Wirkung mehr habe und über die Nieren ausgeschieden werde. Im Januar 2018 wurde Bisphenol A wegen seines Einflusses auf Hormonsysteme zusätzlich noch als schädlich für die Umwelt identifiziert.
- Fortpflanzungsschädigend. Tierexperimente ergaben, dass hohe Dosen von Bisphenol A fortpflanzungsschädigend sein können.
- Leber- und nierenschädigend. 2015 identifizierte die Efsa in Tierversuchen nieren- und leberschädigende Wirkungen.
Wie sich im Alltag weniger Bisphenol A aufnehmen lässt
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Gibt es Dosen ohne Bisphenol A?
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Laut Bundesinstitut für Risikobewertung gibt es bislang nur begrenzt Beschichtungssysteme für Konserven, die kein Bisphenol A enthalten. Sie bedürften zum Teil noch der gesundheitlichen Bewertung.
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Lässt sich erkennen, ob die Beschichtung einer Konservendose Bisphenol A enthält?
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Nein. Anbieter müssen Dosen, die mit Epoxidharzen beschichtet sind, nicht kennzeichnen. Allerdings gelten in Deutschland und in der EU Grenzwerte für Materialien, die Bisphenol A freisetzten können und Kontakt mit Lebensmitteln haben. Der Spezifische Migrationswert für Bisphenol A beträgt derzeit 50 Mikrogramm pro Kilogramm Lebensmittel. Der Wert beruht allerdings noch auf dem bisherigen Richtwert von 2015.
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Wie lässt sich die Aufnahme von Bisphenol A generell verringern?
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Wer möglichst wenig Bisphenol A aufnehmen möchte, sollte Lebensmittel am besten frisch verzehren. Verbraucherinnen und Verbraucher können beim Kauf von Kunststoffdosen, -flaschen und -geschirr auf Hinweise wie „BPA-frei“ oder „BPA-free“ achten.
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In welchen Produkten ist Bisphenol A schon verboten?
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Schon seit 2011 ist es EU-weit verboten, Babyfläschchen aus Polycarbonat mit Bisphenol A herzustellen. Das Verbot wurde 2018 allgemein auf Polycarbonat-Trinkgefäße und -Flaschen für Säuglinge und Kleinkinder erweitert. Für alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff ist ein Grenzwert für den Übergang von Bisphenol A ins Lebensmittel festgelegt. Bisphenol A wurde auch für Thermopapiere wie Kassenbons eingesetzt, ist seit 2020 aber auch in diesen verboten.
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@8iroipln: Im April 2023 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Neubewertung von Bisphenol A. Darin wurde die von der EFSA im Jahr 2015 abgeleitete vorläufige tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) um den Faktor 20.000 auf 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag reduziert. Der TDI-Wert beschreibt die Menge einer bestimmten Verbindung, die täglich über die gesamte Lebenszeit aufgenommen werden kann, ohne ein erkennbares Gesundheitsrisiko darzustellen. Die Stiftung Warentest wird sich in ihrer Bewertung am neuen TDI-Wert orientieren.
Orientiert sich die Stiftung Warentest, wie Ökotest an den neuen Richtwerten oder nimmt sie die Grenzwerte als Maßstab?