Streik, Verspätung, Flug­ausfall Wenn Luft­hansa streikt – diese Flug­gast­rechte haben Sie

Streik, Verspätung, Flug­ausfall - Wenn Luft­hansa streikt – diese Flug­gast­rechte haben Sie

Flug­ärger. Nach der EU-Flug­gast­rechte­ver­ordnung stehen Flug­gästen in vielen Fällen bis zu 600 Euro Entschädigung zu. © Getty Images / dardespot

Die Luft­hansa-Piloten wollen streiken – möglicher­weise schon in den Herbst­ferien. Wir erklären, welche Rechte Flugreisende haben, wenn wegen Streiks ihr Flug ausfällt.

Bei Luft­hansa bahnt sich ein Streik der Pilotinnen und Piloten an. Grund dafür sind gescheiterte Verhand­lungen zwischen der Gewerk­schaft Vereinigung Cock­pit (VC) und Luft­hansa über die Verbesserung der Betriebs­renten. Eine deutliche Mehr­heit der Pilotinnen und Piloten stimmte dafür, in den Streik zu gehen, um die Gewerk­schafts­forderungen durch­zusetzen. Wann der Streik statt­finden soll, ist noch unklar. Für Flugreisende bedeutet das Planungs­unsicherheit – besonders, weil der drohende Streik in die Herbst­ferien fallen könnte.

Aber: Reisende sind nicht macht­los. Passagiere in Europa haben umfassende Rechte, wenn ihre Flug­verbindung sich verspätet oder ganz ausfällt. Haben sie ihren Ziel­flughafen erst mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreicht, können ihnen je nach Strecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung zustehen. Dasselbe gilt, wenn sie wegen Über­buchung nicht mitgenommen wurden oder ihr Flug annulliert wurde. Voraus­setzung jeweils: Start­flughafen oder Haupt­sitz der Air­line liegen in der EU.

Wir sagen, welche Regeln in welchen Fällen gelten, wie Sie Ihre Rechte durch­setzen können – und wie Gerichte in Streitfällen bisher entschieden haben. Außerdem erläutern wir, was es mit der geplanten Reform der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung auf sich hat.

Drohender Piloten­streik bei Luft­hansa: Das sind Ihre Rechte

Flug­status. Bei vergangenen Luft­hansa-Streiks wurden betroffene Kunden in der Regel per E-Mail oder in der Luft­hansa-App über Flug­streichungen und Umbuchungs­möglich­keiten informiert. Pauschal­urlauber müssen sich an ihren Reise­ver­anstalter wenden, um zu erfahren, wie sie nun ans Reiseziel kommen.

Ersatz­beför­derung. Die Luft­hansa ist verpflichtet, für eine Ersatz­beför­derung zum frühest­möglichen Zeit­punkt zu sorgen. Erreicht die Information über einen Flug­ausfall einen Passagier erst am Flughafen und erfolgt der Ersatz­flug zum Beispiel erst am darauf­folgenden Tag, hat die Air­line auch die Über­nachtungs- und Verpflegungs­kosten in angemessenem Umfang zu über­nehmen.

Ersatz­fahrt mit der Bahn. Insbesondere bei inner­deutschen Flügen kommt als Ersatz­beför­derung auch der Trans­port per Bahn infrage.

Ticket­erstattung statt Ersatz­beför­derung. Die von einem Flug­ausfall betroffenen Passagiere können sich statt der Ersatz­beför­derung wahl­weise auch den Ticketpreis erstatten lassen.

Entschädigung von bis zu 600 Euro. Bei Flug­ausfällen, die auf Streiks durch das eigene Personal der Fluggesell­schaft – wie Piloten – zurück­zuführen sind, haben Passagiere unter Umständen Anspruch auf eine Entschädigung. Bietet die Air­line einen Ersatz­flug an, hängt der Entschädigungs­anspruch von der Abflug- und der Ankunfts­zeit dieses Fluges ab. Die Fluggesell­schaft muss nur dann keine Entschädigung zahlen, wenn der Ersatz­flug nicht früher als eine Stunde vor der plan­mäßigen Abflug­zeit abfliegt ist und der Kunde sein Endziel höchs­tens zwei Stunden nach der plan­mäßigen Ankunft erreicht. Für deutsche Inlands­flüge beträgt die Entschädigungs­zahlung 250 Euro pro Passagier.

Hilfe mit Flug­ärger-App. Die Flugärger-App der Verbraucherzentralen hilft Passagieren bei der Durch­setzung ihrer Ansprüche. Wer sich um die Durch­setzung seines Anspruchs nicht selbst kümmern möchte und bereit ist, zwischen 30 und 50 Prozent der Entschädigungs­summe als Provision abzu­geben, kann auch Fluggastportale damit beauftragen.

Pauschal­urlauber. Für Reisende, die mehrere Leistungen wie Hotel und Flug bei einem Pauschalreise-Veranstalter gebucht haben, ist der Veranstalter der Ansprech­partner bei Flug­problemen. Kümmert sich dieser nicht um einen Ersatz­flug, können Urlauber vom Reise­vertrag zurück­treten und die komplette Erstattung des Reise­preises zurück­fordern. Alternativ können sie auf eigene Faust einen Anreise zum Urlaubs­ort organisieren. Aber Vorsicht: Der Reisende muss diese Ersatz­beför­derung zunächst aus der eigenen Tasche bezahlen und später vom Veranstalter einfordern. In der Folge kommt es dann manchmal zu eine Rechts­streit. Wichtig: Vor einem Rück­tritt oder der selbst organisierten Anreise sollte diese Maßnahmen immer erst unter Nennung einer Frist (unter Umständen reicht auch eine Frist von wenigen Stunden) beim Veranstalter, etwa per E-Mail, angedroht werden. Organisiert die Air­line einen nächst­möglichen Ersatz­flug, der aber die Urlaubs­zeit am Reiseort verkürzt, kommt eine Reisepreisminderung in Betracht.

Ihre Flug­gast­rechte im Über­blick

Das Wichtigste in Kürze

Entschädigung. Bei Flugannullierungen und Ankunfts­verspätungen am Endziel einer Flugreise von mindestens drei Stunden haben Sie Anspruch auf eine pauschale Entschädigungs­zahlung von 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro pro Person – je nach Flug­entfernung.

Ersatz­beför­derung. Wurde Ihr Flug gestrichen oder verspätet er sich enorm, muss sich die Fluggesell­schaft um eine zumut­bare Ersatz­beför­derung kümmern. Haben Sie eine Idee, wie Sie alternativ ans Ziel kommen? Machen Sie der Air­line einen entsprechenden Vorschlag! Infrage kommt auch eine Zugfahrt. Sollten Sie keine Ersatz­beför­derung wollen, fordern Sie den Ticket­preis zurück.

Verpflegung und Hotel. Solange Sie auf eine Ersatz­beför­derung warten, ist die Air­line dazu verpflichtet, sich um Ihre Verpflegung zu kümmern – gegebenenfalls auch um ein Hotel­ nebst Fahrt dorthin. Wenn Sie für Hotel und Verpflegung in Vorkasse treten müssen: Heben Sie alle Belege auf und reichen Sie diese später bei der Fluggesell­schaft ein.

Verjährungs­frist. Ab Ende des Jahres, in dem der Flug lag, haben Sie drei Jahre Zeit, um Ihren Anspruch geltend zu machen. Bis Ende 2025 können Sie also noch Entschädigung und Erstattung für Flüge aus dem Jahr 2022 verlangen.

So kommen Sie zur Entschädigung. Wenden Sie sich zunächst an die Air­line. Dabei helfen unsere Musterbriefe. Oft können Sie die Entschädigung aber auch über ein Online-Formular auf der Internetseite der Fluggesell­schaft beantragen (Entschädigung beantragen – so gehts). Alternativ können Sie auch die Smartphone-App „Flug­ärger“ der Verbraucherzentrale Nord­rhein-West­falen nutzen. Sie hilft, Ihre Ansprüche gegen die Air­line zu ermitteln und diese am Ende über eine von der App erzeugte E-Mail bei der Fluggesell­schaft geltend zu machen (die App gibts im App Store und bei Google Play und als Browser-Version).

Streik. Wurde Ihr Flug streikbe­dingt gestrichen, haben Sie Anspruch auf einen zeit­nahen Ersatz­flug oder Erstattung des Ticket­preises. Ob Sie darüber hinaus noch eine pauschale Entschädigung (250 bis 600 Euro pro Passagier) verlangen können, hängt insbesondere davon ab, ob der Streik aus Sicht der Air­line ein entschuldigender Umstand ist („außergewöhnlicher Umstand“). Faust­regel: Hat die Air­line den Flug annulliert, weil ihr eigenes Personal streikt (etwa Flug­begleiter oder Piloten), dann steht Ihnen eine Ausgleichs­zahlung zu. Streicht die Fluggesell­schaft Ihren Flug, weil der Streik von externem Personal den Abflug verhindert (etwa Boden­personal des Flughafens), steht Ihnen in der Regel kein Geld zu.

Schlichtung. Blockt die Air­line Ihre Forderungen ab, können Sie sich an einen Schlichter wenden. Ist die Schlichtungsstelle Reise und Verkehr in Berlin nicht zuständig, leitet sie Ihre Beschwerde an die Schlichter beim Bundesjustizamt weiter. Verläuft die Schlichtung erfolg­los, kann Ihnen ein Anwalt oder ein Inkasso­dienst helfen.

Entschädigung bei Flug­verspätung

Verspätet sich die Ankunft am letzten Ziel­flughafen um wenigs­tens drei Stunden, haben Flug­gäste je nach Flug­strecke Anspruch auf bis zu 600 Euro Entschädigung. Rechts­grund­lage ist die Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union (EU). Juristen nennen diese Entschädigung „Ausgleichs­zahlung“.

Was gilt als Ankunfts­zeit­punkt?

Recht­lich entscheidend ist nicht, wann das Flugzeug auf der Landebahn aufsetzt oder der Passagier das Flugzeug am Ziel­flughafen verlässt. Maßgeblich ist der Moment, in dem mindestens eine Flug­zeugtür geöffnet wird – sofern die Flug­gäste das Flugzeug verlassen dürfen (EuGH, Az. C-452/13). Macht der Flug­gast bei der Air­line seinen Entschädigungs­anspruch geltend (etwa mit dem Musterschreiben der Stiftung Warentest), reicht es aber aus, wenn er als Ankunfts­zeit­punkt den Moment angibt, in dem er persönlich das Flugzeug verlassen hat. Kommt es zum Rechts­streit, muss die Air­line belegen, wann die erste Tür geöffnet wurde.

Wie hoch ist die Entschädigung?

  • Kurz­strecke (bis 1 500 Kilo­meter Entfernung): 250 Euro pro Person.
  • Mittel­strecke (1 501 bis 3 500 Kilo­meter Flug­distanz): 400 Euro pro Person.
  • Lang­strecke (ab 3 501 Kilo­meter): 600 Euro pro Person. Ausnahme: Flüge inner­halb der EU (siehe unten).

Bei der Berechnung der Flug­distanz zählt die Luft­linie zwischen dem Start- und dem Ziel­flughafen. Sie lässt sich mithilfe der Seite luftlinie.org ermitteln. Keine Rolle spielt, wie viel das Flugti­cket gekostet hat. Wer also für einen Inter­konti­nental­flug nur 500 Euro bezahlt hat, kann im Verspätungs­fall dennoch 600 Euro Entschädigung bekommen.

Bei Lang­stre­ckenflügen gelten manchmal Ausnahmen

  • Inner­europäische Flüge. Für Flüge inner­halb der Euro­päischen Union gibt es maximal 400 Euro, auch wenn die Flug­strecke mehr als 3 500 Kilo­meter beträgt.
  • Verspätung unter vier Stunden. Bei mehr als 3 500 Kilo­meter Flug­strecke darf die Air­line die Entschädigung halbieren, wenn die Ankunfts­verspätung am Ziel­flughafen zwar drei Stunden oder mehr beträgt, aber unter vier Stunden bleibt.

Geplante Reform der EU-Flug­gast­rechte

Anfang Juni 2025 haben sich die Verkehrs­minister der Europäischen Union auf eine Reform der Flug­gast­rechte­ver­ordnung (261/2004) geeinigt. Unter anderem soll die Drei-Stunden-Regel abge­schafft werden. Bleibt es bei den Plänen, verschlechtert sich die Rechts­lage für Passagiere. Bevor die Pläne der Minister Gesetz werden, muss sich aber noch das EU-Parlament mit dem Gesetz­entwurf beschäftigen. Für die kommende Urlaubs­saison werden die Änderungen daher noch keine Auswirkung haben.

Was soll sich ändern?

  • Voraus­setzung für Entschädigung. Künftig soll es erst ab einer Ankunfts­verspätung von vier Stunden Geld geben. Bisher waren es drei Stunden.
  • Höhe der Entschädigung. Reisende sollen künftig für Flüge bis 3 500 Kilo­meter eine pauschale Entschädigung von 300 Euro erhalten. Das würde für Mittel­stre­ckenflüge (ab 1 501 Kilo­meter) eine Verschlechterung bedeuten, da es im Verspätungs­fall für diese Flüge bisher 400 Euro pro Flug­gast gibt. Für Lang­stre­ckenflüge (Flug­distanz über 3 500 Kilo­meter) sieht der Gesetzes­entwurf nur noch pauschal 500 Euro pro Flug­gast statt bisher 600 Euro vor.

Wann besteht Anspruch auf Entschädigung?

  • Start inner­halb der EU. Auf den Entschädigungs­anspruch nach der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung können sich Flug­gäste nur dann berufen, wenn ihre Flugreise auf einem Flughafen inner­halb der Europäischen Union begonnen hat.
  • Air­line sitzt in der EU. Bei Flügen, die von einem Flughafen außer­halb der EU starten und inner­halb der EU enden, gelten die Regeln nur dann, wenn die Fluggesell­schaft ihren Haupt­sitz in der EU hat.

Das heißt: Wer von Frank­furt am Main nach Dubai fliegt, hat bei Flug­ärger immer Ansprüche nach der EU-Flug­gast­rechte­ver­ordnung 261/2004 – egal, ob Luft­hansa, Etihad oder eine andere Linie den Flug durch­führen, und egal, ob er EU-Bürger ist oder nicht. Ein Flug von New York nach Amsterdam mit der nieder­ländischen Fluggesell­schaft KLM fällt ebenfalls unter EU-Recht. Der gleiche Flug, durch­geführt von einer amerikanischen Flug­linie, jedoch nicht.

Bei absehbar großer Verspätung Recht auf Rück­tritt

Zeichnet sich bereits bei Abflug eine Verspätung von mindestens fünf Stunden ab, können Betroffene auf ihre Flugreise auch verzichten und eine voll­ständige Rück­erstattung des Ticket­preises verlangen. Eine Entschädigungs­zahlung steht Passagieren dann zwar nicht zu, sie müssen aber auch keine Storno­gebühren zahlen.

Wann liegen außergewöhnliche Umstände vor?

Flug­gästen steht keine Entschädigung zu, wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurück­zuführen ist und die Air­line alles Zumut­bare unternommen hat, um den Flug­gast dennoch pünkt­lich ans Ziel zu bringen. Als außergewöhnliche Umstände gelten etwa

  • ein Terror­anschlag,
  • ein Schnee­sturm am Flughafen,
  • eine Zwischen­landung wegen eines medizi­nischen Notfalls an Bord.

Bei Streik kommt es drauf an: Ein Streik des Personals der Fluggesell­schaft ist in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand, der Streik von Fremd­personal (Fluglotsen, Flughafen­personal) oft schon (siehe unten „Urteile“).

Wann muss sich die Air­line um Verpflegung oder ein Hotel kümmern?

Flug­gäste haben bei Verspätungen stets Anspruch auf kostenfreie Betreuungs­leistungen – sogar dann, wenn die Air­line die Zahlung einer Entschädigung wegen eines außergewöhnlichen Umstands verweigern kann.

Essen und Trinken:

  • Bei Flug­stre­cken bis 1 500 Kilo­meter: ab zwei Stunden Abflug­verspätung
  • Bei Flug­stre­cken 1 501 bis 3 500 Kilo­meter: ab drei Stunden Abflug­verspätung
  • Bei Flug­stre­cken über 3 500 Kilo­metern: ab vier Stunden Abflug­verspätung

Unterkunft:

Ist eine Hotel­unterbringung notwendig, muss sich die Air­line nicht nur um die Unterkunft selbst, sondern auch um den Trans­port zwischen Hotel und Flughafen kümmern.

Was ist, wenn ich in Vorkasse gehen muss?

Leider betreuen die Air­lines ihre Passagiere nicht immer so wie vom Gesetz­geber vorgesehen. Manchmal werden Kunden mit Anschluss­flug zum Beispiel einfach bei der Zwischen­landung allein gelassen, wenn der Zubringer­flug zu spät ankam und dadurch der Anschluss verpasst wurde. Wer Hotel und Verpflegung dann selbst bezahlt, kann anschließend Erstattung von der Fluggesell­schaft verlangen. Damit es bei der Erstattung der Auslagen später keinen Ärger gibt, sollten Betroffene eine kostengüns­tige Wahl treffen.

Wichtig: Die Erstattung der Hotel- und Verpflegungs­kosten gibt es in der Regel zusätzlich zu der pauschalen Verspätungs­entschädigung für die Annullierung oder Verspätung (es sei denn, die Flug­probleme gehen auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück).

Besonderheiten für Pauschalr­eisende

Auch wer eine Pauschalreise gebucht hat und mit dem Flugzeug an den Urlaubs­ort reist, hat bei einer Verspätung Anspruch auf Entschädigung. Bei großen Ankunfts­verspätungen oft sogar in zweierlei Form:

  1. Gegen­über dem Veranstalter. Nach deutschem Pauschalreiserecht besteht ein Recht auf Minderung des Reise­preises, wenn etwa ein Flug um viele Stunden nach vorne oder hinten verlegt wird, so dass die Nacht­ruhe des ersten Urlaubs­tages erheblich beein­trächtigt ist (Flug verschoben? Das sind Ihre Rechte!).
  2. Gegen­über der Fluggesell­schaft. Es besteht Anspruch auf Entschädigung nach der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung, wenn der ursprüng­lich angesetzte Flug annulliert oder der Flug erst mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden am Urlaubs­ziel ange­kommen ist.

Allerdings gilt: Erhält ein Pauschal­urlauber für denselben Ärger sowohl vom Veranstalter als auch von der Air­line Geld, findet eine Anrechnung statt. Hat der Urlauber schon eine Reise­preis­erstattung vom Veranstalter erhalten, ist das bei der Forderung gegen­über der Air­line zu berück­sichtigen – und umge­kehrt.

Entschädigung bei Flugannullierung und Flug­ausfall

Wird ein Flug von der Air­line annulliert, können Betroffene eine Umbuchung auf den frühest­möglichen Ersatz­flug einfordern oder ganz auf den Flug verzichten und die Erstattung ihrer Ticket­kosten verlangen. Der Flug­gast hat also ein Wahl­recht, ob er sich auf eine Umbuchung einlässt oder von der Flugreise lieber Abstand nimmt.

Die Vorverlegung eines Flugs um mehr als eine Stunde gilt als Annullierung des ursprüng­lichen geplanten Fluges (Europäischer Gerichts­hof, Az. C 146/20 und andere). Das ist insbesondere für Urlauber wichtig, die bei einem Reise­ver­anstalter eine Pauschalreise gebucht haben. Denn bei Flügen im Rahmen eines Reisepakets kommt es oft zu Änderungen der Abflug­zeiten.

Wichtig: Wer sich nach der Annullierung seines ursprüng­lich gebuchten Flugs für die Umbuchung entscheidet, hat zusätzlich Anspruch auf eine Entschädigung nach der EU-Flug­gast­rechte­ver­ordnung wie im Fall einer großen Ankunfts­verspätung (siehe oben). Das gilt auch für Passagiere, denen die Air­line die Mitnahme verweigert, etwa wegen Über­buchung.

Wie hoch ist die Entschädigung?

  • Kurz­strecke (bis 1 500 Kilo­meter Entfernung): 250 Euro pro Person.
  • Mittel­strecke (1 501 bis 3 500 Kilo­meter Flug­distanz): 400 Euro pro Person.
  • Lang­strecke (ab 3 501 Kilo­meter): 600 Euro pro Person.

Ausnahmen: In diesen Fällen darf die Air­line die Entschädigungs­summe halbieren

  • Kurz­stre­ckenflüge. Nur die Hälfte gibt es, wenn die Air­line es mit einem Ersatz­flug schafft, den Kunden maximal zwei Stunden später als ursprüng­lich geplant an seinen Ziel­flughafen zu bringen.
  • Mittel­stre­ckenflüge. Bei Flügen inner­halb der EU mit einer Flug­distanz von mehr als 1500 Kilo­metern sowie bei sons­tigen Flügen zwischen 1 501 und 3 500 Kilo­metern Entfernung ist eine Halbierung erlaubt, wenn der Ersatz­flug maximal drei Stunden später ankommt als geplant.
  • Lang­stre­ckenflüge. Die Air­line darf den Anspruch des Kunden halbieren, wenn der Ersatz­flug höchs­tens vier Stunden später als geplant das Ziel erreicht.

Wann besteht Anspruch auf Entschädigung wegen Flug­ausfall?

  • Start inner­halb der EU. Auf den Entschädigungs­anspruch nach der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung können sich Flug­gäste nur dann berufen, wenn ihre Flugreise auf einem Flughafen inner­halb der Europäischen Union begonnen hat.
  • Air­line sitzt in der EU. Bei Flügen, die von einem Flughafen außer­halb der EU starten und inner­halb der EU enden, gelten die Regeln nur dann, wenn die Fluggesell­schaft ihren Haupt­sitz in der EU hat.

Das heißt: Wer von Frank­furt am Main nach Dubai fliegt, hat bei Flug­ärger immer Ansprüche nach der EU-Flug­gast­rechte­ver­ordnung 261/2004 – egal, ob Luft­hansa, Etihad oder eine andere Linie den Flug durch­führen und egal, ob er EU-Bürger ist oder nicht. Ein Flug von New York nach Amsterdam mit der nieder­ländischen Fluggesell­schaft KLM fällt ebenfalls unter EU-Recht. Der gleiche Flug, durch­geführt von einer amerikanischen Flug­linie, jedoch nicht.

Wann liegen außergewöhnliche Umstände vor?

Flug­gästen steht keine Entschädigung zu, wenn ein Flug­ausfall auf außergewöhnliche Umstände zurück­zuführen ist und die Air­line alles Zumut­bare versucht hat, um den Flug­gast dennoch pünkt­lich ans Ziel zu bringen. Als außergewöhnliche Umstände gelten etwa ein Terror­anschlag, ein Schnee­sturm am Flughafen oder eine Zwischen­landung wegen eines medizi­nischen Notfalls an Bord. Bei Streik kommt es drauf an: Ein Streik des Personals der Fluggesell­schaft ist in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand, der Streik von Fremd­personal (Fluglotsen, Flughafen­personal) oft schon (siehe unten „Urteile“).

Keine Entschädigung bei früher Information

Manchmal informieren Air­line oder Reise­ver­anstaltung Kunden schon Wochen vor Abflug über eine Flugannullierung. Kommt diese Information mindestens 14 Tage vor dem plan­mäßigen Abflug, bleiben Fluggesell­schaft oder Veranstalter zwar weiterhin verpflichtet, einen Ersatz­flug zu organisieren, aber der Anspruch auf Entschädigung entfällt. Kommt die Nach­richt über die Annullierung kurz­fristiger, hängt der Anspruch von den Flug­zeiten des Ersatz­fluges ab.

Diese Fristen gelten

Information über Flug­ausfall

Abflug- und Ankunfts­zeiten des Ersatz­fluges

Entschädigung

7 bis 13 Tage vor Abflug

Abflug maximal 2 Stunden früher und Ankunft maximal 4 Stunden später als annullierter Flug

Nein

7 bis 13 Tage vor Abflug

Abflug mehr als 2 Stunden früher und/oder Ankunft mehr als 4 Stunden später als annullierter Flug

Ja

0 bis 6 Tage vor Abflug

Abflug maximal 1 Stunde früher und Ankunft maximal 2 Stunden später als annullierter Flug

Nein

0 bis 6 Tage vor Abflug

Abflug mehr als 1 Stunde früher und/oder
Ankunft mehr als 2 Stunden später als annullierter Flug

Ja

Erstattung des Ticket­preises

Entscheidet sich der Flug­gast gegen die Umbuchung, also für die Rück­erstattung des Ticket­preises, kann die Air­line ihm einen Gutschein anbieten. Der Passagier muss das Angebot aber nicht annehmen. Besteht der Flug­gast auf der Erstattung, muss die Fluggesell­schaft den Flugpreis binnen sieben Tagen in bar durch Über­weisung oder Scheck erstatten.

Wichtig: Auch wenn ein Kunde den annullierten Flug nicht direkt bei der Fluggesell­schaft, sondern etwa über die Internetseite eines Flug­vermitt­lers gebucht hat, kann er direkt von der Air­line die Erstattung des Ticket­preises verlangen. Er muss nicht den Weg über den Vermittler gehen.

Nur Hinflug annulliert. Hat die Air­line nur den Hinflug einer Hin-und-zurück-Buchung annulliert und der Kunde darauf­hin kein Interesse mehr an der ganzen Flugreise, kann er die Erstattung des gesamten Ticket­preises für Hin- und Rück­flug verlangen (Bundes­gerichts­hof, Az. X ZR 91/22).

Wann muss sich die Air­line um Verpflegung oder ein Hotel kümmern?

Flug­gästen haben bei Verspätungen stets Anspruch auf kostenfreie Betreuungs­leistungen – sogar dann, wenn die Air­line die Zahlung einer Entschädigung wegen eines außergewöhnlichen Umstands verweigern kann.

Essen und Trinken:

  • Bei Flug­stre­cken bis 1 500 Kilo­meter: ab zwei Stunden Abflug­verspätung
  • Bei Flug­stre­cken 1 501 bis 3 500 Kilo­meter: ab drei Stunden Abflug­verspätung
  • Bei Flug­stre­cken über 3 500 Kilo­meter: ab vier Stunden Abflug­verspätung

Unterkunft:

Ist eine Hotel­unterbringung notwendig, muss sich die Air­line nicht nur um die Unterkunft selbst, sondern auch um den Trans­port zwischen Hotel und Flughafen kümmern.

Was ist, wenn ich in Vorkasse gehen muss?

Leider betreuen die Air­lines ihre Passagiere nicht immer so wie vom Gesetz­geber vorgesehen. Manchmal werden Kunden mit Anschluss­flug zum Beispiel einfach bei der Zwischen­landung allein gelassen, wenn der Zubringer­flug zu spät ankam und dadurch der Anschluss verpasst wurde. Wer Hotel und Verpflegung dann selbst bezahlt, kann anschließend Erstattung von der Fluggesell­schaft verlangen. Damit es bei der Erstattung der Auslagen später keinen Ärger gibt, sollten Betroffene eine kostengüns­tige Wahl treffen.

Wichtig: Die Erstattung der Hotel- und Verpflegungs­kosten gibt es in der Regel zusätzlich zu der pauschalen Verspätungs­entschädigung für die Annullierung oder Verspätung (es sei denn, die Flug­probleme gehen auf einen außergewöhnlichen Umstand zurück).

Besonderheiten für Pauschalr­eisende

Auch Urlaubern, die eine Pauschalreise von einem Veranstalter gebucht haben und mit einem Flugzeug an den Urlaubs­ort fliegen, kann bei Flugannullierungen eine Entschädigung von der Fluggesell­schaft zustehen. Oftmals werden Flug­änderungen, die recht­lich als Flugannullierung anzu­sehen sind, aber 14 Tage vor Abflug oder noch früher mitgeteilt, so dass der Passagier von der Air­line doch kein Geld fordern kann.

Der eigentliche Vertrags­partner des Pauschal­urlaubers ist aber sein Reise­ver­anstalter. Und der ist bei einer Flug­änderung oder Flug­verschiebung keinesfalls vom Haken. Betroffene haben oftmals einen Anspruch auf Reise­preis­minderung nach deutschem Pauschalreiserecht gegen­über dem Reise­ver­anstalter, wenn etwa ein Flug um viele Stunden nach vorne oder hinten verlegt wird, so dass die Nacht­ruhe des ersten Urlaubs­tages erheblich beein­trächtigt ist (Flug verschoben? Das sind Ihre Rechte!).

Wichtig: Wird der Flug eines Pauschal­urlaubers annulliert oder verschoben, ist recht­lich der Reise­ver­anstalter der richtige Ansprech­partner für Beschwerden und Forderungen nach Ersatz­beför­derung, nicht die den ausgefallenen Flug durch­führende Air­line.

Entschädigung beantragen – so gehts

Streik, Verspätung, Flug­ausfall - Wenn Luft­hansa streikt – diese Flug­gast­rechte haben Sie

Sitzen­geblieben. Auch vom Ort der Air­line hängt es ab, wie Flug­gäste Entschädigung beantragen. © Getty Images / Hugh Whitaker

Die Stiftung Warentest empfiehlt Passagieren, die Forderung bei der Air­line zunächst selbst einzufordern. Viele Flug­gäste kommen so zu ihrer Entschädigung oder Erstattung.

Entschädigung über Air­line-Website beantragen

Bequem ist es, wenn Passagiere ihren Anspruch auf Entschädigung online stellen können. Das ist vor allem dann praktisch, wenn die Air­line ihren Sitz im Ausland hat. Ein Online-Antrag geht schnell. Und ein teurer Einschreibe­brief ins Ausland entfällt. Im Folgenden nennen wir einige Fluggesell­schaften, bei denen Ansprüche nach der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung online gestellt werden können.

Direkt zu den Antrags­seiten der Air­lines

Alternative 1: Ansprüche stellen über „Flug­ärger“-App

Wer sich die Suche nach der E-Mail-Adresse der Air­line ersparen will, kann auch die Flugärger-App der Verbraucherzentrale Nord­rhein-West­falen nutzen, um seine Ansprüche nach der EU-Flug­gast­rechte-Verordnung bequem und kostenlos zu berechnen und bei der Air­line geltend zu machen.

Über die „Flugärger“-Website der Verbraucherzentrale Nord­rhein-West­falen können Verbraucher den Dienst auch am PC nutzen.

Alternative 2: Muster­schreiben per Einwurfein­schreiben

Wer die Flug­ärger-App nicht nutzen möchte, kann das Muster­schreiben der Stiftung Warentest verwenden. Dieses sollte aus Beweisgründen als Einwurfein­schreiben an die Air­line gehen. Natürlich lässt sich der Text auch per E-Mail oder Fax schi­cken.

Hinweis: Ergänzen Sie den nach­stehenden Text um Ihre persönlichen Daten. Im Text nennen wir die drei typischen Flug­ärger-Fälle (Ankunfts­verspätung um mehr als drei Stunden, Flug­ausfall und Nicht­beför­derung wegen Über­buchung). Wählen Sie die auf Sie zutreffende Variante und streichen Sie den nicht zutreffenden Text.

Muster­brief Entschädigung Flug­gast

Name und Anschrift des Flug­gastes
Datum

Einwurfein­schreiben

Fluggesell­schaft
Straße
PLZ Ort

Entschädigung nach der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung (EG) Nr. 261/2004

Flug­nummer
Abflughafen
Ziel­flughafen
Flugdatum

Sehr geehrte Damen und Herren,
hier­mit mache ich eine Ausgleichs­zahlung für die Passagiere
[Name, Adresse]
[Name, Adresse]
...
geltend.

[Verspätung] Der oben genannte Flug erreichte den Ziel­flughafen mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden. Nach der Recht­sprechung des Europäischen Gerichts­hofs (Rechts­sache Sturgeon, Az. C-402/07 und C-432/07) steht mir/uns deswegen eine Ausgleichs­zahlung zu.

[Flug­ausfall] Der oben genannte Flug wurde annulliert. Nach Artikel 5 Absatz 1 Buch­stabe c) der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung (EG) Nr. 261/2004 steht mir/uns deswegen eine Ausgleichs­zahlung zu.

[Nicht­beför­derung wegen Über­buchung] Bei dem oben genannten Flug wurde mir die Beför­derung gegen meinen Willen verweigert, obwohl ich recht­zeitig zur Boarding­zeit am Abflug­terminal war. Nach Artikel 4 Absatz 3 der europäischen Flug­gast­rechte­ver­ordnung (EG) Nr. 261/2004 steht mir/uns deswegen eine Ausgleichs­zahlung zu.

Die Flug­strecke betrug [bitte eine der drei folgenden Entfernungs­kategorien wählen]
[1] bis zu 1500 Kilo­meter
[2] bis zu 3500 Kilo­meter
[3] über 3500 Kilo­meter

Der Anspruch auf Ausgleichs­zahlung beträgt daher [bitte der entsprechenden Nummer zuordnen]
[1] 250 Euro pro Person
[2] 400 Euro pro Person
[3] 600 Euro pro Person

Bitte über­weisen Sie mir die Summe von [Betrag einfügen] Euro inner­halb von 14 Tagen ab Zugang dieses Schreibens auf mein Konto [IBAN einfügen] bei der [Bank­name einfügen]. Ich behalte mir vor, nach Ablauf der Frist ohne eine weitere Mahnung recht­liche Schritte einzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ort, Datum, Unter­schrift

Entschädigung durch­setzen, wenn Air­line nicht reagiert

Nicht immer reagieren Fluggesell­schaften auf die Forderung ihrer Kunden oder sie verweigern eine Zahlung. Dann brauchen Passagiere Hilfe, etwa vom Anwalt, einer Schlichtungs­stelle oder von Flug­gast­portalen (Inkasso­dienst oder Sofort-Entschädiger). Welche Hilfe sie in Anspruch nehmen, hängt von ihren Vorlieben ab. Es gibt vier verschiedene Wege zum Geld. Im Folgenden beleuchten wir deren Vor- und Nachteile.

1. Der Weg über die Schlichtungs­stelle

Vorteile: Die Berliner Schlichtungsstelle Reise & Verkehr, früher Söp, vermittelt bei Streit zwischen Passagier und Fluggesell­schaft. Kunden haben hier die Chance auf volle Entschädigung ohne Kosten. Die Schlichtung ist für Verbraucher stets kostenfrei, auch bei erfolg­losem Verfahren. An das Ergebnis ist nur gebunden, wer sich auf den Vorschlag des Schlichters einlässt. Sieht die Empfehlung weniger als 100 Prozent der Entschädigung vor, kann der Kunde ablehnen und zum Beispiel noch zum Anwalt gehen. Flug­gäste können dort auch Ansprüche wegen Gepäck­schäden nach dem Mont­realer Abkommen geltend machen und die Erstattung von Hotel­kosten fordern, die wegen einer Annullierung entstanden sind (Gepäck verspätet, verloren, beschädigt – Ihre Rechte). Die Schlichtungs­stelle ist die Adresse für Kunden aller deutschen und vieler ausländischer Air­lines wie Ryanair und Easyjet. Für alle übrigen ist das Bundesamt für Justiz zuständig.

Nachteile: Wer sich an die Stelle wenden will, muss vorher selbst das Unternehmen zur Zahlung aufgefordert haben. Das ist mit der Flug­ärger-App oder unserem Muster­brief zwar nicht schwer. Dennoch scheuen einige die Mühe. Für diese Gruppe ist ein Flug­gast­rechte-Portal oder ein Sofort-Entschädiger die richtige Adresse (siehe unten). Wer sich an die Schlichtungs­stelle wendet, muss im Einzel­fall auch etwas Geduld mitbringen. Angestrebt ist zwar eine maximal dreimonatige Verfahrens­dauer. Gerade nach der Urlaubs- und Reise­zeit dauert es aber auch mal länger. In seltenen Fällen zahlt eine Air­line sogar dann nicht, wenn die Schlichtungs­empfehlung zugunsten des Kunden ausgegangen ist. Weil der Schlichter­spruch nicht wie ein Urteil per Gerichts­voll­zieher voll­streckt werden kann, hat der Passagier dann ein Problem: Er muss einen Anwalt oder ein Flug­gast­portal beauftragen. Oder er beantragt bei Gericht einen Mahn­bescheid, um seine Forderung durch­zusetzen (Geld­forderungen ganz leicht mit Mahn­bescheid einfordern).

2. Der Weg über einen Rechts­anwalt

Vorteile: Mithilfe eines Reise­rechts­experten kann die Zahlung sehr schnell kommen. Manche Air­lines wissen, dass Juristen nach dem Ablauf einer Frist sofort klagen und zahlen dann, um nicht auch noch Prozess­kosten zahlen zu müssen. Flug­gäste finden Profis etwa über die Anwaltsdatenbank der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht.

Nachteile: Wer einen Anwalt einschaltet, trägt immer ein Kostenrisiko. Auch zunächst ganz sicher scheinende Rechts­fälle können verloren gehen. Wegen dieses Risikos und weil es bei der Flug­gast­entschädigung nur um relativ geringe Beträge geht, kommt für viele dieser Weg nur infrage, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Streit mit einer Air­line ist stets versichert, es sei denn es handelt sich um eine Spezial­police, die etwa ausschließ­lich Mietrecht-Fälle versichert. Der rechts­schutz­versicherte Mandant muss bei einer Nieder­lage nur den mit dem Versicherer vereinbarten Selbst­behalt zahlen, das sind meist 150 Euro.

3. Der Weg über ein Inkasso-Portal

Vorteile: Flug­gast­portale wie EUclaim, Fairplane oder Flight­right sind für Passagiere bequem. Denn sie streiten für den Kunden mit Air­lines um die Entschädigung. Kunden müssen auf der Website des Portals meist nur ihre Flug­daten eingeben. Ein Rechner auf der jeweiligen Internetseite führt dann eine grobe Anspruchs­prüfung durch. Beauftragt der Passagier anschließend das Portal, versucht der Anbieter, zunächst außerge­richt­lich eine Zahlung zu erreichen. Klappt das nicht, reichen die Part­ner­anwälte der Dienste Klage ein.

Nachteile: Weil die Dienste die Entschädigung teil­weise erst einklagen müssen, dauert es zum Teil mehr als ein Jahr, bis der Kunde das Geld auf seinem Konto hat – gekürzt um die Erfolgs­provision für das Portal. Außerdem sind die Dienste teuer. Die Erfolgs­provision liegt je nach Anbieter bei zwischen 23 und 52 Prozent der von der Fluggesell­schaft gezahlten Entschädigung (siehe Markt­über­sicht unten).

Vorsicht: Einige Inkassoportale nennen auf ihren Internet­seiten nur Netto­preise. Der Kunde muss dann lästiger­weise die 19 Prozent Mehr­wert­steuer selbst addieren, um die Erfolgs­provisionen vergleichen zu können. In unserer Markt­über­sicht unten geben wir stets die Preise der Anbieter inklusive Mehr­wert­steuer an.

4. Der Weg über einen Sofort-Entschädiger

Vorteile: Wer sein Geld sofort und bequem bekommen will, fährt mit einem Sofort-Entschädiger wie Compensation2go oder EUflight am besten. Der Kunde gibt auf der Internetseite eines Portals seine Flug­daten ein. Der Dienst prüft, ob es sich lohnt, dem Passagier seinen Anspruch abzu­kaufen. Entschließt sich der Anbieter zum Kauf der Flug­gast­entschädigung, bekommt der Flug­gast den Kauf­preis (Wert des Entschädigungs­anspruchs minus Abschlag je nach Anbieter) in der Regel inner­halb wenige Tage ausbezahlt und kann die Sache abhaken. Geht die Fluggesell­schaft später pleite, kann er das Geld dennoch behalten. Das Insolvenzrisiko trägt der Käufer der Forderung, also der Sofort-Entschädiger.

Nachteile: Sofort-Entschädiger prüfen streng, ob sie einen Flug über­haupt kaufen. Außerdem zahlen sie nur einen Teil der Entschä­digung aus, die dem Kunden von der Air­line zusteht. Je nach Anbieter betragen die ­Abzüge zwischen 25 und 50 Prozent (siehe Markt­über­sicht unten).

Das kostet die Hilfe von EUclaim, Flight­right & Co.

Passagiere, die keine Arbeit haben wollen und bereit sind, zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Entschädigung abzu­geben, können einen Flug­gast­portal wie EUclaim, Flight­right oder Fairplane einschalten. Notfalls klagt der Dienst sogar vor Gericht. Portale kürzen die Entschädigung bei Erfolg um ihre Provision. Sofort-Entschädiger wie EUflight zahlen gleich Geld aus, gekürzt um ihre Provision.

Tabelle: Flug­gast­rechte-Portale (Inkasso)

So viel kostet die Hilfe der Entschädigungs­dienste

Passagiere, die keine Arbeit haben wollen und bereit sind, zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Entschädigung abzu­geben, können einen Flug­gast-Entschädigungs­dienst einschalten. Notfalls klagt der Dienst sogar vor Gericht. Flug­gast­rechte-Portale kürzen die Entschädigung bei Erfolg um ihre Provision. Sofort­entschädiger zahlen gleich Geld aus, gekürzt um ihre Provision.

Flug­gast­rechte-Portal (Gründungs­jahr)

Abzug von Entschädigung (Erfolgs­provision)

Anmerkungen

Airhelp.com (2013)

35 bis 50 Prozent

50 Prozent Provision, wenn gericht­liche Schritte nötig sind

Aviclaim.de (2016)

35 Prozent

Captain-frank.com (2017)

30 Prozent

Claimflights.de (2014)

26,78 Prozent

Complane.de (2017)

28,56 Prozent

EUclaim.de (2007)

31 Prozent plus 33 Euro pro Flug­gast

Kunden haben über EUclaim-Account Einblick in die gesamte Korrespondenz des Portals und der Anwälte mit der Air­line (etwa Mahn­schreiben, Urteile).

Fairplane.de (2011)

24 bis 35 Prozent

Fairplane hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchst­richterlicher Gerichts­entscheidungen erwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern.

Flightright.de (2010)

23,8 bis 52,36 Prozent

Anwalts­zuschlag: Die Provisions­spanne bei Flight­right beträgt grund­sätzlich 23,8 bis 35,7 Prozent. Hat Flight­right zur Durch­setzung des Entschädigungs­anspruchs einen externen Anwalt beauftragt, wird zusätzlich ein „Anwalts­zuschlag“ in Höhe von 16,66 Prozent fällig.

Flight­right hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchst­richterlicher Gerichts­entscheidungen erwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern.

Flug-erstattung.de (2016)

33,32 Prozent

Flugrueckerstattung.de (2012)

30 Prozent

Flug-verspaetet.de (2011)

35 bis 50 Prozent

50 Prozent Provision, wenn gericht­liche Schritte nötig sind

Flugrecht.de (2014)

23,8 bis 52,36 Prozent

Die Provisions­spanne bei Flugrecht beträgt grund­sätzlich 23,8 bis 35,7 Prozent. Hat Flugrecht zur Durch­setzung des Entschädigungs­anspruchs einen externen Anwalt beauftragt, wird zusätzlich ein „Anwalts­zuschlag“ in Höhe von 16,66 Prozent fällig.

Flugrecht setzt Forderungen gegen­über den Air­lines gemein­sam mit Flight­right durch. Daher profitieren Flugrecht-Kunden von der Erfahrung Flight­rights.

Late-fly.eu

25 Prozent

Myflyright.com (2016)

29,75 bis 41,65 Prozent

Die Provision bei Myflyright beträgt grund­sätzlich 29,75 Prozent. Hat Myflyright zur Durch­setzung des Entschädigungs­anspruchs einen externen Anwalt beauftragt, wird zusätzlich ein „Anwalts­zuschlag“ in Höhe von 11,9 Prozent fällig.

Passengersfriend.de (2015)

36 Prozent

Wirkaufendeinenflug.de (2015)

(„Inkasso“)

41,65 Prozent

Stand: 14. April 2025

Legende

Tabelle: Sofort­entschädiger

Sofort­entschädiger (Gründungs­jahr)

Abzug von Entschädigung

Anmerkungen

Compensation2go.com (2016)

34,5 Prozent

Ersatz-pilot.de (2017)

25 bis 29 Prozent

EUflight.de (2016)

33,32 Prozent

Flug-erstattung.de (2016)

Wird individuell fest­gelegt

Bis zu 400 Euro Auszahlung möglich (bei einem Entschädigungs­anspruch in Höhe von 600 Euro ergibt das eine Provision von mindestens 33,3 Prozent).

Fairplane.de (2011)

(Fairplane Express)

50 Prozent

Fairplane hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchst­richterlicher Gerichts­entscheidungen erwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern.

Myflyright.com (2016)

41,65 Prozent

Passengersfriend.de (2015)

49 Prozent

Wirkaufendeinenflug.de (2015)

(„Cash“)

41,65 Prozent

Stand: 14. April 2025

Legende

Gerichts­urteile: Wann müssen Air­lines zahlen?

Wenn sie keine Entschädigung zahlen wollen, berufen sich Fluggesell­schaften oft auf „außergewöhnliche Umstände“. Als außergewöhnlich im juristischen Sinn gelten Umstände, die nicht unmittel­bar zum Luft­verkehr gehören, aber seine ordnungs- und plan­mäßige Durch­führung beein­trächtigen oder unmöglich machen können. Darunter fallen etwa politische Instabilität, Wetterbedingungen und Streiks. Hier erklären wir anhand von Beispielen und aktuellen Urteilen, wann sonst noch „außergewöhnliche Umstände“ eine Air­line entschuldigen – und wann nicht.

1. Tech­nische Probleme: Kommt drauf an

Tech­nische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, stellen nach Auffassung des Europäischen Gerichts­hofs keine außergewöhnlichen Umstände dar (Az. C 549/07). Schäden an Flugzeugen, die auf Sabota­geakte oder terroristische Hand­lungen zurück­gehen, zählen jedoch als höhere Gewalt.

Geht aber eine Kraft­stoff­pumpe vor der durch­schnitt­lichen Lebens­dauer kaputt und der Flug verspätet sich um 29 Stunden, kann sich die Fluggesell­schaft nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen – sie muss auch für unerwartete Defekte Vorsorge treffen (Europäischer Gerichts­hof, Az. C-257/14).

2. Streik: Kommt auch drauf an

Piloten­streik. Inner­betriebliche Streiks wie ein Piloten­streik stellen in der Regel keinen außergewöhnlichen Umstand dar (EuGH, Az. C-28/20). Mit anderen Worten: Bei streikbe­dingten Flug­ausfällen oder Ankunfts­verspätungen von mindestens drei Stunden haben Betroffene Anspruch auf eine Ausgleichs­zahlung in Höhe von 250 bis 600 Euro. Durch dieses Urteil hat sich die Rechts­lage für Passagiere erheblich verbessert. Im Jahr 2012 hatte der Bundes­gerichts­hof noch einen Piloten­streik bei der Luft­hansa als außergewöhnlichen Umstand angesehen (Az. X ZR 138/11; X ZR 146/11).

Streik bei der Security. Dass ein Streik jedoch keine General­ausrede für eine Air­line ist, zeigt ein Urteil des Bundes­gerichts­hofs (BGH) vom 4. September 2018. Hier entschied das Gericht, dass von einer streikbe­dingten Flugannullierung betroffene Passagiere durch­aus einen Entschädigungs­anspruch haben können.

Konkret ging es um einen Fall im Jahr 2015, wo die für Passagier­kontrollen zuständigen Beschäftigten am Hamburger Flughafen in den Streik getreten waren. Ein Ehepaar wollte mit Easyjet von Hamburg nach Lanzarote fliegen. Trotz der Streiks an der Sicher­heits­kontrolle schaffte es das Paar recht­zeitig zum Abflug-Gate. Doch die Fluggesell­schaft strich den Flug – mit dem Hinweis auf Sicher­heits­bedenken – und ließ das Flugzeug ohne Passagiere nach Lanzarote fliegen.

Andere Air­lines führten ihren Flug­betrieb trotz des Streiks normal weiter. Beide Flug­gäste forderten als Entschädigung 400 Euro pro Person, die Easyjet aber nicht zahlte. Die Sache landete vor Gericht. Dort verteidigte die Air­line sich insbesondere damit, dass wegen des Streiks die Gefahr bestanden habe, dass die Passagiere nicht mehr ordentlich kontrolliert würden.

Dem BGH reichte das als Begründung jedoch nicht aus. Die abstrakte Gefahr, dass wegen des Streiks vielleicht nicht mehr gründlich kontrolliert werde, recht­fertige die Annullierung nicht (Az. X ZR 111/17, Pressemitteilung des Gerichts).

Warn­streik des externen Abfertigungs­personals. Das Land­gericht Frank­furt am Main hat die Klage von Passagieren auf eine Ausgleichs­zahlung wegen einer streikbe­dingten Flugannullierung im Dezember 2017 abge­wiesen. Gestreikt hatte nicht das Personal der Air­line, sondern ein Subunternehmen, das sie zum „Check-in“ der Passagiere einge­setzt hatte.

Der gewerk­schaftlich organisierte Warn­streik eines solchen externen Abfertigungs­dienst­leisters stellt nach Ansicht des Gerichts einen außergewöhnlichen Umstand dar, der die Air­line von der Pflicht zur Entschädigung befreit (Az. 2–24 S 280/18).

Plötzliche Erkrankungs­welle („wilder Streik“). Kündigt eine Fluggesell­schaft (im konkreten Fall: Tuifly) ihren Piloten und Flug­begleitern über­raschend Umstrukturierungen an und reagiert die Belegschaft darauf mit unüblich vielen Krankmeldungen, durch die es zu Flug­ausfällen und Ankunfts­verspätungen kommt, kann sich die Air­line nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen – darf also die Entschädigungs­zahlungen nicht verweigern.

Nach Ansicht des Europäischen Gerichts­hofs (EuGH) kommen nur solche Ereig­nisse als außergewöhnliche Umstände in Frage, die von der Fluggesell­schaft tatsäch­lich nicht beherrsch­bar sind. Der wilde Streik sei aber ein Folge der Unter­nehmens­politik gewesen und damit beherrsch­bar gewesen. Das zeige die Tatsache, dass der hohe Kranken­stand endete, nachdem sich Air­line und Betriebsrat geeinigt hatten (Az. C-195/17 und andere).

3. Außergewöhnlicher Umstand – keine Entschädigung

Zwischen­landung wegen Randalierer. Kommen Passagiere mit großer Verspätung an ihrem Ziel­flughafen an, weil ein Passagier randaliert hat und die Maschine zwischen­landen musste, um den Störer von Bord zu bringen, kann darin ein außergewöhnlicher Umstand liegen, der die Air­line zur Ablehnung von Entschädigungs­forderungen berechtigt (Europäischer Gerichts­hof, Az. C-74/19).

Fremdkörper auf Roll­bahn. Beschädigt ein Fremdkörper auf der Fahr­bahn einen Flug­zeugreifen und kommt es wegen der Reparatur­arbeiten oder des Austausches des Reifens dann zu einer Ankunfts­verspätung um drei Stunden oder mehr, kann die Air­line die Zahlung eines Ausgleichs­leistung möglicher­weise verweigern (Europäischer Gerichts­hof, Az. C-501/17). Wichtig: Muss ein Reifen aus normalen Verschleiß­gründen ausgetauscht werden und führt dieser Reifen­austausch zu einer großen Ankunfts­verspätung, liegt kein „außergewöhnlicher Umstand“ vor. Verschleiß­probleme sind durch regel­mäßige Wartung lösbar. Die Wartung der Flugzeuge fällt in den Zuständig­keits­bereich der Air­lines.

System­ausfall am Flughafen­terminal. Die Technik am Flughafen ist Sache des Flughafen­betreibers, sie gehört nicht zum Aufgaben­bereich einer Fluggesell­schaft. Verursacht ein mehr­stündiger kompletter System­ausfall am Abfertigungs­terminal des Start­flughafens eine Verspätung am Ziel­flughafen, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor (Bundes­gerichts­hof, Az. X ZR 15/18 und X ZR 85/18).

Aschewolke. Die Aschewolke aus dem islän­dischen Vulkan Eyjafjallajökull, die im Jahr 2010 in Europa den Flug­verkehr lahmlegte, ist ein klassischer außergewöhnlicher Umstand. Entschädigungen mussten die Air­lines daher nicht zahlen. Weil Passagiere wegen der Flug­ausfälle aber tage­lang in Hotels fest­saßen, hatten die Fluggesell­schaften die Hotel- und Verpflegungs­kosten ihrer Kunden zu bezahlen. Ein außergewöhnlicher Umstand entbindet Air­lines nämlich nicht von der Pflicht, ihre Flug­gäste zu betreuen (Europäische Gerichts­hof,Az. C-12/11).

Vogel­schlag. Verspätet sich ein Flug wegen eines Vogel­schlags (Kollisionen mit Vögeln, die gegen die Maschinen prallen oder in Trieb­werke geraten) um mehr als drei Stunden oder fällt er ganz aus, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor (EuGH, Az. C-315/15).

Treibstoff auf der Start­bahn. Ist Grund für die Verspätung eines Fluges ausgelaufener Treibstoff auf der Start­bahn, schulden Fluggesell­schaften dem EuGH zufolge Passagieren keine Entschädigung. Muss die Roll­bahn geschlossen werden, stelle dies einen „außergewöhnlichen Umstand“ dar, wenn der ausgelaufene Treibstoff nicht vom Flugzeug der Air­line stamme. Darüber hinaus hätte die Fluggesell­schaft die Verspätung auch nicht durch „zumut­bare Maßnahmen“ vermeiden können. Die Instandhaltung des Roll­felds falle nicht in ihre Zuständig­keit. Die Entscheidung der Flughafenbehörden, ein Roll­feld zu schließen, sei für die Air­line zudem verbindlich (Az. C-159/18).

4. Kein außergewöhnlicher Umstand – Entschädigung fällig

Schlechte Wetter­prognose. Eine Air­line darf nicht bloß auf Basis einer schlechten Wetter­prognose einen Flug kurz­fristig absagen und dann Entschädigungs­ansprüche der Passagiere mit dem Hinweis auf „außergewöhnliche Umstände“ ablehnen, wenn es zum Zeit­punkt der Annullierung (in diesem Fall: ein Tag vor Abflug) noch keine wetterbe­dingten Anordnungen der Flugsicherung gab. Der bloße Verdacht der Air­line, dass es am Abflugtag Einschränkungen am Flughafen durch ein Unwetter geben könnte, stellt noch keinen außergewöhnlichen Umstand dar (Land­gericht Berlin, Az. 67 S 49/19).

Gepäck­wagen beschädigt Flugzeug. Knallt vor dem Start ein ungesicherter Gepäck­wagen gegen ein Flugzeug, ist das kein außergewöhnlicher Umstand. Muss eine Ersatz­maschine kommen und verspätet sich der Flug, haben Passagiere Anspruch auf Entschädigung (Bundes­gerichts­hof, Az. X ZR 75/15).

Erkrankung eines Crewmitglieds. Ein Condor-Flug aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Frank­furt am Main hatte 14 Stunden Verspätung. Dafür hätten die Passagiere von der Fluggesell­schaft jeweils 600 Euro als Ausgleich erhalten müssen. Condor berief sich auf außergewöhnliche Umstände und erklärte, dass ein Crewmitglied plötzlich erkrankt sei und die Maschine deshalb nicht starten konnte. Eine Krankheit sei aber kein außergewöhnlicher Umstand, befand das Land­gericht Darm­stadt (Az. 7 S 122/10).

Enteisung (1). Wird ein Flug annulliert, weil nicht genug Enteisungs­mittel da ist, haben Flug­gäste einen Entschädigungs­anspruch. Dass im Winter Enteisungs­mittel benötigt wird, ist vorhersehbar und kein außergewöhnlicher Umstand (Ober­landes­gericht Brandenburg, Az. 2 U 3/13).

Enteisung (2). Verzögert sich in den Wintermonaten der Start einer Maschine und muss das Flugzeug vor Flug­beginn deshalb erneut enteist werden, liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor (Amts­gericht Frank­furt am Main, Az. 32 C 1014/16). Kommt der Passagier wegen der notwendigen neuen Enteisung schließ­lich mehr als drei Stunden zu spät am Ziel­flughafen an, muss die Fluggesell­schaft eine Entschädigung (Ausgleichs­leistung) zahlen.

Treppenfahr­zeug kollidiert mit Flugzeug. Eine Fluggesell­schaft kann sich nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, wenn einer ihrer Flüge verspätet startet, weil zuvor ein Treppenfahr­zeug mit dem Flugzeug in Park­position zusammens­tieß (EuGH, Az. C-394/14).

Fehlender Passagier. Kommt es zu mehr als drei Stunden Flug­verspätung, weil das Gepäck eines Passagiers wieder ausgeladen wird, der nicht zum Boarding erschienen war, steht anderen Flug­gästen eine Ausgleichs­zahlung zu (Amts­gericht Frank­furt/Main, Az. 29 C 1685/15 [21]).

Flug­zeug­toilette verstopft. Die Verstopfung einer Flug­zeug­toilette ist kein außergewöhnlicher Umstand. Verzögert sich der Abflug einer Maschine, weil die Verstopfung erst beseitigt werden muss, und verpasst der Flug­gast durch den verspäteten Abflug seine Anschluss­maschine, so dass er schließ­lich mehr als vier Stunden zu spät an seinem Endziel ankommt, hat er einen Anspruch auf eine Entschädigung (Amts­gericht Frank­furt am Main, Az. 29 C 2454/15 [21]).

Müll auf Roll­feld. Eine Verspätung wegen Mülls auf dem Roll­feld ist kein außergewöhnlicher, unver­meid­barer Umstand, der die Air­line von der Zahlung der Entschädigung befreit (Amts­gericht Hannover, Az. 556 C 511/16).

Mehr zum Thema

272 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 25.07.2025 um 15:49 Uhr
    Umbuchung / Vorverlegung der Abflugzeit

    @Anke: Über Ihre Rechte sollte die Airline Sie informiert haben. Dazu ist sie verpflichtet. Bietet die Airline keine anderweitige Beförderung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt an, hat die Airline die Mehrkosten, die der Kundin entstehen, zu übernehmen, soweit die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der EU-Fluggastrechteverordnung erfüllt sind.

    Ein Flug ist als annulliert zu betrachten, wenn eine Airline die Abflugzeit für mehr als eine Stunde vorverlegt. Eine Annullierung liegt ebenfalls vor, wenn die Airline die Planung des ursprünglichen Flugs in dem bereits ein Platz reserviert war, aufgibt und den Fluggast einen Platz in einem anderen Flugzeug, das aber unabhängig vom ursprünglich gebuchten Flug, den Ort anfliegt.
    Bei der Annullierung muss die Airline dem Kunden eine der folgenden Möglichkeiten zur Verfügung stellen:

    • Erstattung der Flugscheinkosten und, im Fall von Umsteigeverbindungen, ein Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
    • anderweitige Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
    • anderweitige Beförderung zum Endziel zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

    Kommt das Luftfahrtunternehmen seiner Verpflichtung, eine anderweitige Beförderung oder einen Rückflug unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzubieten, nicht nach, so hat es die dem Fluggast entstandenen Kosten für einen Alternativflug zum Endziel des Fluggastes oder einen Rückflug zu erstatten. Die Beweislast dafür, dass die anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt ist, liegt beim ausführenden Luftfahrtunternehmen. (Leitlinien für die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, Punkt 4.2.)

    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:C_202405687

  • janthomsen am 26.06.2025 um 22:38 Uhr
    Umbuchung, obwohl der reguläre Flug stattfindet?

    Der Artikel ist recht informativ. Zwei Fragen bleiben allerdings für mich.
    1. Welche Rechte habe ich, wenn mich die Airline auf einen anderen (zeitlich ungünstigen) Flug umbucht (weit über 14 Tage vor Abflug), obwohl der gebuchte Flug stattfindet. Aktuell wurde ich von ITA vom Flug 12.25 Uhr von Palermo auf 6 Uhr morgens umgebucht.
    Diesen Fall hatte ich bereits mehrfach mit KLM, Lufthansa, Turkish Airline
    2. Sie schreiben, bei Flugannullierung (14 Tage oder länger) habe man Anspruch auf Erstattung oder Ersatzflug zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Muss die Airline den Ersatzflug nur mit Ihren eigenen Verbindungen leisten oder habe ich auch Anspruch auf einen Ersatzflug mit einer anderen Airline?
    Vielleicht kann mir jemand zu diesen beiden Fragen Auskunft geben.
    Anke

  • sussebach am 19.05.2025 um 16:41 Uhr
    Stornierung Rückflüge wg. verpasstem Hinflug

    Mein Fall wird in Ihrem Artikel nicht erwähnt: Ich habe bei British Airways Busines-Flüge von München nach London und dann weiter nach Edinburgh gebucht, einschließlich der Rückflüge. Wegen eigenem Verschulden konnten wir den gebuchten Hinflug nicht antreten und mussten einen neuen Hinflug buchen. Als wir gestern zurückfliegen wollten, mussten wir feststellen, das British Airways unsere bezahlten Business-Rückflüge storniert hatte. Ist dieses Vorgehen von Britsh Airways zulässig? Wir haben dann natürlich auch neue Rückflüge buchen müssen.

  • SiegfriedLanger am 01.10.2024 um 15:32 Uhr
    Zugverbindung gilt bei Lufthansa nicht als Flug

    Im November letzten Jahres fiel die Zugverbindung von Stuttgart nach Frankfurt (gebucht über Lufthansa als Zubringer) wegen Streicks aus. Obwohl die Übernahme möglicher Aufwände in einer E-Mail angeboten wurde, verweigerte Lufthansa die Kostenübernahme (Fahrtkosten und Parkkosten) mit dem Argument, dass es kein Flug wäre. Nach Einschlten der Schlichtungsstelle wurden wenigstens die km-Kosten angeboten. Da ich wegen 120 € Parkkosten keinen weiteren Aufwand betreiben wollte, habe ich den Vergleich angenommen.
    Fazit: wenn ein zeitlich passender Zubringerflug möglich ist, nicht die Bahn nehmen.

  • SiegfriedLanger am 01.10.2024 um 15:22 Uhr
    Abwimmeln - auch bei der großen Lufthansa

    Ich habe meine Forderungen erst mit einem Rechtsanwalt durchsetzen können.
    Lufthansa hat die Rückzahlung meines Upgrades (Upgrade auf Gebot), der dann doch nicht erfolgte, verweigert. Nach Anzeige beim Luftfahrtbundesamt bekam ich (einen Tag später!) einen Teilbetrag zurück. Die Restzahlung konnte ich mit Verzugszinsen und Rechtsanwaltkosten erfolgreich einfordern.