
Bis zu 600 Euro Entschädigung stehen Fluggästen bei Flugverspätung, Flugausfall oder Überbuchung zu. Hilfe bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche bekommen sie bei Schlichtungsstellen, Anwälten oder Entschädigungsdiensten wie EUclaim, Flightright und Fairplane. Die Rechtsexperten der Stiftung Warentest analysieren Vor- und Nachteile der diversen Möglichkeiten. Mit der Handyapp „Flugärger“ und unserem Musterschreiben können Passagiere ihre Rechte auch direkt bei der Airline einfordern.
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- Das Wichtigste in Kürze
- Verspätung, Annullierung, Überbuchung – das gilt grundsätzlich
- Flugverspätung – das steht Ihnen zu
- Flugausfall (Annullierung) – das steht Ihnen zu
- Nichtbeförderung wegen Überbuchung – das steht Ihnen zu
- So setzen Sie Ihre Fluggastrechte durch
- Zwei Arten Fluggasthelfer: Inkassodienste und Sofortentschädiger
- So viel kostet die Hilfe der Entschädigungsdienste
- Gepäckverspätung: Was Flugreisenden zusteht
Das Wichtigste in Kürze
Was Sie über Ihre Rechte als Fluggast wissen sollten
Testbericht. Wir haben die sechs bekannten Fluggastportale Compensation2go, EUflight, EUclaim, Fairplane, Flightright und Flugrecht getestet. 39 Verbraucher, die Flugärger wegen Flugausfall und großer Ankunftsverspätung hatten, gaben ihre Flüge in die Portale ein. Was sie dort erlebt haben, lesen Sie im Artikel „Hilfe für Fluggäste“, der in Finanztest 4/2020 erschienen ist und den Sie hier kostenpflichtig freischalten können. Die Testergebnisse haben wir in einer interaktiven Tabelle aufbereitet, die Ihnen nach Freischaltung ebenfalls zur Verfügung steht. Auf alle anderen Infos in diesem test.de-Special haben Sie kostenfrei Zugriff.
Recht. Haben Sie Ihren Zielflughafen erst mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreicht, wurde Ihr Flug annulliert oder wurden Sie wegen Überbuchung nicht mitgenommen, können Ihnen je nach Strecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung zustehen. Voraussetzung: Der Startflughafen oder der Hauptsitz der Airline müssen in der EU liegen.
Coronavirus. Der Coranavirus hat inzwischen zu vielen Flugannullierungen und sonstigen Reisebeschränkungen geführt. Die Europäische Kommission hat am 18. März 2020 in einer Auslegungsleitlinie ihre Rechtsauffassung zu den Passagierrechten in Zeiten der Corona-Krise erklärt. Nach Ansicht der Kommission steht Fluggästen etwa dann keine Entschädigung zu, wenn Behörden bestimmte Flüge verbieten oder den Personenverkehr „in einer Weise untersagen, die de facto die Durchführung des betreffenden Flugs ausschließt“. Aber auch wenn die Fluggesellschaft die Annullierungsentscheidung selbst treffe, nachweislich „aus Gründen des Gesundheitssschutzes der Besatzung“, stehe dem Fluggast keine Entschädigung zu. Allerdings stellt die Kommission auch klar: Die Airlines haben weiterhin die Pflicht, Fluggäste zu betreuen. Das heißt für Passagiere, die derzeit wegen einer Annullierung über Tage im Ausland feststecken: Die Fluggesellschaft muss sie auf ihre Kosten angemessen in einem Hotel unterbringen bis sie nach Hause können. Die Auslegungsleitlinien der EU-Kommission sind kein Gesetz, also für Gerichte nicht verbindlich. Sie werden von Richtern in Prozessen aber durchaus berücksichtigt.
Urteilsliste. Manche Fluggesellschaften führen Annullierungen oder Verspätungen einfach auf „außergewöhnliche Umstände“ zurück – und zahlen nicht. Was die Rechtsprechung als entschuldigenden außergewöhnlichen Umstand ansieht und was nicht, steht in unserer Urteilsübersicht.
Frist. Sie haben ab Ende des Jahres, in dem der Flug lag, drei Jahre Zeit, um Ihren Anspruch geltend zu machen. Bis Ende 2019 können Sie also noch die Entschädigung für Flüge aus dem Jahr 2016 verlangen.
Ansprüche bei Airline stellen. Wenden Sie sich erst an die Airline, dabei helfen unsere Musterbriefe. Oft können Sie die Entschädigung aber auch über ein Online-Formular auf der Internetseite der Fluggesellschaft beantragen (Links zu den Online-Anträgen der Airlines). Alternativ können Sie auch die Smartphone-App „Flugärger“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nutzen. Sie hilft, Ihre Ansprüche gegen die Airline zu ermitteln und diese am Ende über eine von der App erzeugte E-Mail bei der Fluggesellschaft geltend zu machen (Link zur App im App Store, bei Google Play).
Schlichtung. Blockt die Airline Ihre Forderungen ab, können Sie sich an einen Schlichter wenden. Ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) nicht zuständig, leitet sie Ihre Beschwerde an die Schlichter beim Bundesjustizamt weiter. Verläuft die Schlichtung erfolglos, kann Ihnen ein Anwalt oder ein Inkassodienst (Zwei Arten Fluggasthelfer) helfen.
Verspätung, Annullierung, Überbuchung – das gilt grundsätzlich
Anspruch auf Entschädigung. Verspätet sich ein Flug um drei Stunden und mehr am Endziel oder wird er sogar gestrichen (Annullierung), haben Passagiere Anspruch auf pauschale Entschädigung für die verlorene Zeit. Dies gilt auch, wenn die Fluggesellschaft einzelne Passagiere nicht befördert, beispielsweise weil die Maschine überbucht ist. Im Juristendeutsch heißt die Entschädigung „Ausgleichszahlung“.
EU-Regelung. Grundlage ist immer die Fluggastrechteverordnung Nummer 261/2004 der Europäischen Union (EU). Diese Verordnung können Fluggäste für eine finanzielle Entschädigung heranziehen. Wichtige Voraussetzung: Der Flug ist von einem Flughafen in der EU gestartet oder wurde von einem Unternehmen mit Sitz in der EU durchgeführt und das Flugziel lag in einem Mitgliedsstaat.
Höhe der Entschädigung. Wie viel Geld der Passagier bekommt, richtet sich nach der Flugdistanz. Bei Verbindungen mit Anschlussflügen zählt die direkte Luftlinie zwischen Start und Ziel („Großkreismethode“), unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke. Je nach Streckenlänge beträgt die Entschädigung 250 bis 600 Euro pro Person. Wer die Entfernung zwischen zwei Flughäfen errechnen will, um die Entschädigungshöhe zu bestimmen, kann das bequem online tun, etwa über die Website Luftlinie.org. Die Entschädigungshöhe ist unabhängig vom Ticketpreis. Die Pauschalen stehen also auch Nutzern von Billigairlines in voller Höhe zu, auch wenn sie nur 10 Euro für ihr Ticket bezahlt haben.
Kleinkinder. Auch Kleinkindern steht ein voller Entschädigungsbetrag zu, sofern die Eltern für sie einen Flugpreis bezahlt haben. Ob das Kind einen eigenen Sitzplatz hatte, ist unerheblich. Nur wenn das Kind tatsächlich kostenfrei mitgeflogen ist, muss die Airline es nicht entschädigen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. März 2015, Az. X ZR 35/14). Die Fluggesellschaft Tuifly hat jüngst in einem Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Hannover versucht, um die Entschädigung für ein Kleinkind herumzukommen. Für das Kind – zum Zeitpunkt des Fluges weniger als ein Jahr alt – hatten die Eltern 15 Euro pro Flugstrecke gezahlt.
Tuifly argumentierte, die 15 Euro seien kein Ticketpreis, sondern nur eine Verwaltungsgebühr. Damit scheiterte die Airline aber vor Gericht. Tuifly hatte in den Flugunterlagen für die Eltern geschrieben: „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, dass die 15 Euro ein reduzierter Flugpreis und nicht bloß eine Verwaltungsgebühr sind (Amtsgericht Hannover, Urteil vom 4. Juni 2020, Az. 515 C 12585/19).
In welchen Fällen die Airline nicht zahlen muss
Außergewöhnliche Umstände. Die Gründe für Verspätungen und Ausfälle sind vielfältig: Unwetter, Vulkanasche, Streik und technische Probleme an der Maschine sind nur einige Beispiele. Knackpunkt beim Prüfen eines Entschädigungsanspruchs ist die Frage, ob außergewöhnliche Umstände vorlagen. Konnte die Fluggesellschaft das Ereignis weder beeinflussen noch vermeiden? In diesem Fall gehen Passagiere leer aus. Eindeutig ist das nicht immer. Regelmäßig treffen die höchsten Gerichte grundsätzliche Entscheidungen zu der Frage, was außergewöhnliche Umstände sind und was nicht (Urteilsliste). Liegen keine vor, gibt es eine Entschädigung.
Airline beweispflichtig. Wichtig: Geht ein Fall, in dem eine Fluggesellschaft unter Hinweis auf außergewöhnliche Umstände eine Zahlung verweigert, vor Gericht, muss sie diese Umstände belegen. Die Airline muss nicht nur den außergewöhnlichen Umstand – etwa: Flugzeugschaden durch Vogelschlag – nachweisen, sondern auch, dass sie alles Zumutbare getan hat, um den Passagier trotz der Widrigkeit rechtzeitig ans Ziel zu bringen. Gerade das gelingt den Airlines aber manchmal nicht. So gewinnen Passagier dann sogar Fälle, die auf den ersten Blick für Passagiere nicht erfolgversprechend aussehen. Darum sollten Fluggäste die Flugdaten stets auch bei verschiedenen Online-Fluggasthelfern eingeben. Vielleicht übernimmt einer von ihnen den Fall.
In diesen Fällen darf die Entschädigung halbiert werden
In einigen Fällen muss die Airline zwar zahlen, darf die pauschale Entschädigungssumme (250 bis 600 Euro je nach Flugentfernung) an den Passagier aber um 50 Prozent kürzen.
- Bei Verspätungen: Bei Langstreckenflügen (mehr als 3500 Kilometer Flugstrecke), wenn die Verspätung am Zielflughafen zwar mehr als drei Stunden aber weniger als vier Stunden beträgt.
- Bei Flugausfall (Annullierung) und Überbuchung: Wenn die Airline einen Ersatzflug organisiert, der bei Kurzstreckenflügen (Distanz bis 1 500 Kilometer) das Ziel nicht später als zwei Stunden im Vergleich zur ursprünglichen Ankunft errreicht. Bei Flügen mit einer Distanz bis 3 500 Kilometern (und bei Flügen innerhalb der EU mit einer Distanz von mehr als 1 500 Kilometern) darf die Airline den Anspruch um 50 Prozent kürzen, sofern der Ersatzflug das Ziel nicht später als drei Stunden im Vergleich zur urspünglichen Ankunft erreicht. Bei einer Flugdistanz von mehr 3 500 Kilometern darf die Airline den Anspruch des Kunden halbieren, wenn der Ersatzflug nicht später als vier Stunden im Vergleich zur planmäßigen Ankunft das Ziel erreicht.
Fluggastrechte auch für Pauschalurlauber
Was viele Pauschalreisende nicht wissen: Auch sie haben diese Entschädigungsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft bei Annullierungen und Ankunftsverspätungen von drei oder mehr Stunden. Vielen ist das nicht bewusst, weil sie den Reisevertrag ja mit dem Reiseveranstalter abgeschlossen haben. Aber die europäische Fluggastrechteverordnung gilt auch für Urlauber, die von einem Veranstalter ein Urlaubspaket gebucht haben, das einen Flug enthält.
Zwei Ansprüche bei Flugärger im Rahmen einer Pauschalreise
Es kommt gar nicht so selten vor, dass Pauschalreisende zwei Ansprüche auf Geld haben. Einen Anspruch auf Reisepreisminderung nach deutschem Pauschalreiserecht gegenüber dem Veranstalter, wenn etwa ein Flug ausgefallen ist und der Ersatzflug so spät geht, dass die Nachtruhe des ersten Urlaubstages erheblich beeinträchtigt ist. Und einen zweiten Anspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung, weil der ursprünglich angesetzte Flug annulliert wurde oder der Flug erst mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden am Urlaubsziel angekommen ist.
Verrechnung der Zahlungen
Allerdings gilt: Erhält ein Pauschalurlauber für denselben Ärger (etwa eine Flugannullierung), sowohl vom Veranstalter als auch von der Airline Geld, findet eine Anrechnung statt. Hat der Urlauber schon eine Reisepreiserstattung vom Veranstalter erhalten, ist das bei der Forderung gegenüber der Airline anzurechnen (und umgekehrt).
Beispiel: Ein Reisender hat für die Annullierung vom Veranstalter 80 Euro bekommen und macht anschließend seinen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro bei der Airline geltend. Diese muss ihm nur 170 Euro auszahlen.
Fluggastrechteverordnung lukrativer
Aus dem Beispiel wird erkennbar: Für Pauschalreisende ist die Verspätungsentschädigung von der Airline nach der europäischen Fluggastrechteverordnung in der Regel lukrativer als die Reisepreisminderung vom Veranstalter.
Airline muss auch für Hotel und Verpflegung sorgen
Passagieren, die von einer Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung wegen Überbuchung betroffen sind, stehen aber nicht nur bis zu 600 Euro als pauschale Entschädigungszahlung zu. Solange die Kunden noch nichts ans Flugziel gebracht sind, muss die Airline sich auch um die Verpflegung, eine notwendige Hotelunterbringung und den Transport zwischen Hotel und Flughafen kümmern (Betreuungsleistungen nach Artikel 9 der Europäischen Fluggastrechteverordnung Nummer 261/2004). Anspruch auf Verpflegung und Hotelunterbringungen haben Passagiere sogar dann, wenn die Airline die Zahlung einer Entschädigung wegen eines außergewöhnliche Umstands verweigern kann.
Beispiel: Das Flugzeug muss repariert werden, weil der Reifen während der Landung des Vorflugs durch einen Fremdkörper beschädigt wurde. Der Flug muss ausfallen, die Passagiere werden auf den Flug am nächsten Morgen umgebucht. Der Unfall zählt als außergewöhnlicher Umstand, eine finanzielle Entschädigung gibt es dafür nicht (Gerichtsurteile: Wann müssen Airlines bei Verspätungen zahlen?). Die Fluggesellschaft bleibt dennoch verpflichtet, die Passagiere bis zum Weiterflug zu verpflegen und unterzubringen.
Erstattung, wenn Fluggast in Vorkasse gehen muss
Leider betreuen die Airlines ihre Passagiere nicht immer so wie vom Gesetzgeber vorgesehen. Manchmal werden Kunden mit Anschlussflug einfach am Flughafen der Zwischenlandung allein gelassen, wenn der Zubringerflug zu spät ankam und dadurch der Anschluss verpasst wurde. Passagiere, die Hotel und Verpflegung dann selbst bezahlen, können aber anschließend Erstattung von der Fluggesellschaft verlangen.
Wichtig: Die Erstattung der Hotel- und Verpflegungskosten gibt es zusätzlich zu der pauschalen Entschädigung für die Annullierung oder Verspätung (es sei denn ein außergewöhnlicher Umstand war der Grund für die Flugprobleme). Es findet in diesem Fall keine Verrechnung von Entschädigung und Erstattung statt. Etwas anderes gilt aber bei Hotelkosten, die nach einem verpatzen Flug entstehen.
Beispiel: Kommt ein Fluggast bei einem Kurzstreckenflug so spät am Zielflughafen an, dass er im Flughafenhotel für 150 Euro übernachten muss, handelt es sich um die Folgekosten eines mangelhaft durchgeführten Fluges. Nach deutschem Recht muss die Airline für solche Folgekosten geradestehen. Der Fluggast hat zwar zwei Ansprüche: nach Europarecht Anspruch auf pauschal 250 Euro von der Airline (Ausgleichszahlung) und nach deutschem Recht auf 150 Euro Schadenersatz für die nach Landung notwendig gewordene Hotelübernachtung. Aber: Der Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten wird mit der Ausgleichszahlung verrechnet. Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. August 2019 (Az. X ZR 128/18). Im Beispielsfall erhält der Kunde also nicht insgesamt 400 Euro, sondern nur 250 Euro von der Airline. Mehr müsste die Airline nur zahlen, wenn die Hotelkosten über der Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro lägen und der Fluggast diese Hotelkosten bei der Airline mit Quittungen belegen könnte.
Flugverspätung – das steht Ihnen zu
Wie viel Entschädigung gibt es? Verspätet sich die Ankunft am Zielflughafen um mindestens drei Stunden, haben Fluggäste je nach Flugstrecke Anspruch auf bis zu 600 Euro Entschädigung. Das ergibt sich aus einer Grundlagenentscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2009 (Rechtssache Sturgeon, Az. C-402/07 und C-432/07). Eine Entschädigung ist auch dann möglich, wenn die Verspätung erst bei einem direkten Anschlussflug im Nicht-EU-Ausland entsteht.
Was gilt als Ankunftszeit? Als Ankunftszeitpunkt zählt rechtlich nicht, wann der Passagier am Zielflughafen das Flugzeug verlassen hat. Auch das Aufsetzen der Räder auf der Landebahn („Touchdown“) ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist der Moment, wenn mindestens eine Flugzeugtür geöffnet wird – sofern den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist (EuGH, Az. C-452/13). Wenn der Fluggast etwa mit dem Musterschreiben der Stiftung Warentest bei der Airline seinen Entschädigungsanspruch geltend macht, reicht es aber aus, wenn er als Ankunftszeitpunkt den Moment angibt, in dem er persönlich das Flugzeug verlassen hat. In einer rechtlichen Auseinandersetzung vor Gericht muss die Airline dann vortragen, wann die erste Tür geöffnet wurde.
Flugausfall (Annullierung) – das steht Ihnen zu
Wird ein Flug von der Airline annulliert, können Betroffene eine Umbuchung einfordern oder die Beförderung ganz ablehnen und Erstattung ihrer Ticketkosten verlangen (Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 8 der europäischen Fluggastrechteverordnung).
Wahlrecht. Der Fluggast entscheidet, ob er wegen des Flugausfalls auf einen anderen Flug umbucht oder lieber auf den Flug verzichtet und eine Erstattung des Ticketpreises verlangt.
Ersatzflug ohne Zusatzkosten. Von Kunden, die eine Umbuchung auf einen späteren Flug wählen, kommen immer mal wieder Beschwerden, dass die Airline diese Umbuchung nur gegen Zahlung eines Aufpreises vornehmen will. Das Argument: der Ersatzflug sei teurer ist als das ursprüngliche Ticket. Rechtlich ist die Airline verpflichtet, einen Ersatzflug unter „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ anzubieten. Das heißt nach Ansicht des Landgerichts Köln: Die Umbuchung darf nichts zusätzlich kosten (einstweilige Verfügung gegen die Lufthansa, Beschluss vom 14. Mai 2020, Az. 31 O 85/20). So sieht es auch die Europäische Kommission in ihrer Leitlinien zur Auslegung der Fluggastrechteverordnung (Seite 14 des Dokuments, unter Punkt 4.2).
Erstattung des Tickets. Entscheidet sich der Fluggast für die Rückerstattung des Ticketpreises, kann die Airline einen Gutschein anbieten. Der Passagier muss das Angebot aber nicht annehmen. Besteht der Fluggast auf die Erstattung, muss die Fluggesellschaft den Flugpreis binnen sieben Tagen in bar durch Überweisung oder Scheck erstatten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bietet ein Musterschreiben zur Flugpreiserstattung nach Annullierung an. Alternativ kann die Rückerstattung auch über die „Flugärger-App“ der Verbraucherzentrale geltend gemacht werden. Allerdings erst 48 Stunden nach dem ursprünglichen Abflugdatum des annullierten Flugs.
Achtung: Hat ein Kunde den annullierten Flug nicht direkt bei der Fluggesellschaft gebucht, sondern etwa über die Internetseite eines Flugvermittlers, behaupten einige Airlines, dass die Erstattung über den Flugvermittler beantragt werden müsse. Das ist nicht korrekt. Die „ausführende Fluggesellschaft“ ist zur Erstattung des Ticketpreises verpflichtet – nicht der Flugvermittler (Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 8 der europäischen Fluggastrechteverordnung). Kunden können ihr Geld also direkt von der Fluggesellschaft verlangen.
Zusätzlich Entschädigung. Egal wie sich Passagiere entscheiden: Sie haben bei Flugausfall außerdem einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von 250 bis 600 Euro (je nach Flugdistanz).
Es kann sogar sein, dass der Fluggast für die gleiche Flugreise eine zweite Entschädigung in gleicher Höhe bekommt. Nämlich dann, wenn es bei dem Alternativflug, auf den der Fluggast nach der Annullierung des ursprünglichen Fluges umgebucht wurde, noch einmal zu Flugärger kommt. Das hat der Europäische Gerichtshof im März 2020 entschieden (Rechtssache C-832/18).
Beispiel: Ein Kunde bucht einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur. Weil die Maschine einen technischen Defekt hat, annulliert die Fluggesellschaft seinen Flug am Abflugtag und bucht die Passagiere auf eine Maschine am nächsten Tag. Aber auch der Alternativflug hat technische Probleme. Er kommt deshalb in Singapur erst mit einer Verspätung von sechs Stunden an. Den betroffenen Fluggästen stehen sowohl für den annullierten Flug als auch für den verspätet angekommenen Ersatzflug 600 Euro, also insgesamt 1 200 Euro zu.
Kein Anspruch bei früher Information über Flugausfall. Manchmal informiert die Airline ihre Kunden aber schon Wochen vorher über einen Flugausfall. Das hat Auswirkungen auf die Entschädigung. Denn der Entschädigungsanspruch entfällt, wenn Fluggäste mindestens 14 Tage vor dem planmäßigen Abflug von der Fluggesellschaft über die Annullierung informiert werden. Kommt die Nachricht über die Annullierung kurzfristiger, hängt der Anspruch von den Flugzeiten des Ersatzfluges ab (siehe Tabelle unten).
Information über Flugausfall | Abflug- und Ankunftszeiten des Ersatzfluges | Entschädigung |
Information über Flugausfall | Abflug- und Ankunftszeiten des Ersatzfluges | Entschädigung |
7 bis 13 Tage vor Abflug | Abflug maximal 2 Stunden früher und Ankunft maximal 4 Stunden später als annullierter Flug | Nein |
7 bis 13 Tage vor Abflug | Abflug mehr als 2 Stunden früher und/oder Ankunft mehr als 4 Stunden später als annullierter Flug | Ja |
0 bis 6 Tage vor Abflug | Abflug maximal 1 Stunde früher und Ankunft maximal 2 Stunden später als annullierter Flug | Nein |
0 bis 6 Tage vor Abflug | Abflug mehr als 1 Stunde früher und/oder Ankunft mehr als 2 Stunden später als annullierter Flug | Ja |
Nichtbeförderung wegen Überbuchung – das steht Ihnen zu
Fluglinien verkaufen üblicherweise mehr Tickets, als Plätze im Flugzeug vorhanden sind. Denn einige Reisende erscheinen nicht am Gate, weil sie spontan umbuchen, stornieren oder schlicht zu spät kommen. Um ungenutzte Kapazitäten zu vermeiden, kalkulieren Fluggesellschaften Überbuchungen ein. Erscheinen jedoch mehr Passagiere als erwartet, können einige nicht mitfliegen. Denjenigen, die freiwillig auf ihren Platz verzichten, bieten Airlines Umbuchungen und Entschädigungen an. Verzichtet niemand freiwillig, entscheidet die Fluglinie, wer nicht mitdarf. Grundsätzlich gilt: Wer zuerst am Gate ist, fliegt zuerst. Zurückgelassenen steht – wie bei Verspätung oder Flugausfall – die Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu, wenn sie wegen Überbuchung nicht mitgenommen werden, aber rechtzeitig am Gate waren.
So setzen Sie Ihre Fluggastrechte durch
Fluggäste brauchen oft Hilfe. Denn viele Fluggesellschaften reagieren gar nicht auf Schreiben ihrer Kunden. Welche Hilfe Passagiere am besten in Anspruch nehmen, hängt von ihren Vorlieben ab. Es gibt vier verschiedene Wege zum Geld. Hier stellen wir sie vor und nennen ihre Vor- und Nachteile.
Schlichtungsstelle Söp
Vorteil:
Chance auf volle Entschädigung. Die Berliner Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr (Söp) vermittelt bei Streit zwischen Passagier und Fluggesellschaft. Kunden haben hier die Chance auf volle Entschädigung ohne Kosten. Die Schlichtung ist für Verbraucher stets kostenfrei, auch bei erfolglosem Verfahren. An das Ergebnis ist ein Passagier nur gebunden, wenn er sich auf den Vorschlag des Schlichters einlässt. Sieht die Empfehlung weniger als 100 Prozent der Entschädigung vor, kann der Kunde ablehnen und zum Beispiel noch zum Anwalt gehen.
Erstattung auch für Gepäck und Hotelkosten. Weitere Vorteile der Söp: Fluggäste können auch Ansprüche wegen Gepäckschäden geltend machen und die Erstattung von Hotelkosten fordern, die wegen einer Annullierung entstanden sind. Die Söp ist die Adresse für Kunden aller deutschen und vieler ausländischer Airlines wie Ryanair und Easyjet. Für alle übrigen ist das Bundesamt für Justiz zuständig.
Nachteil:
Erst nach Airline-Kontakt möglich. Wer sich an die Stelle wenden will, muss vorher selbst das Unternehmen zur Zahlung aufgefordert haben. Das ist zwar nicht schwer, Fluggäste können dafür die kostenfreie Handyapp „Flugärger“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nutzen (erhältlich im App Store und bei Google Play) oder unsere Musterbriefe verwenden. Dennoch scheuen einige die Mühe. Für diese Gruppe ist ein Fluggastrechte-Portal oder ein Sofortentschädiger die richtige Adresse.
Manchmal dauert es. Wer sich an die Söp wendet, muss im Einzelfall aber etwas Geduld mitbringen. Angestrebt ist zwar eine maximal dreimonatige Verfahrensdauer. Zuletzt hat die Schlichtung in zahlreichen Fällen aber auch länger gedauert.
Hilfe vom Anwalt
Vorteil:
Mitunter schneller Weg zum Geld. Mithilfe eines Reiserechtsexperten kann die Zahlung sehr schnell kommen. Manche Airlines wissen, dass Juristen nach dem Ablauf einer Frist sofort klagen und zahlen dann, um nicht auch noch Prozesskosten zahlen zu müssen. Fluggäste finden Profis etwa über die Anwaltsdatenbank der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht.
Nachteil:
Mandant trägt Kostenrisiko. Wer selbst einen Anwalt einschaltet, hat immer ein Kostenrisiko. Auch zunächst ganz sicher scheinende Rechtsfälle können verloren gehen. Die Anwalts- und Gerichtskosten trägt dann der Kunde.
Eigenanteil bei Kunden mit Rechtsschutzversicherung. Wegen dieses Risikos und weil es bei der Fluggastentschädigung nur um relativ geringe Beträge geht, kommt für viele dieser Weg nur infrage, wenn sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Der Streit mit einer Airline ist über jede Rechtsschutzversicherung versichert, es sei denn es handelt sich um eine Spezialpolice, die etwa ausschließlich Mietrechts-Fälle versichert. Der rechtsschutzversicherte Mandant muss bei einer Niederlage nur den mit dem Versicherer vereinbarten Selbstbehalt zahlen, das sind meist 150 Euro.
Hilfe vom Inkasso-Portal für Fluggäste
Vorteil:
Kunden haben keine Arbeit. Fluggastrechte-Portale wie Euclaim, Fairplane oder Flightright streiten mit Airlines um Entschädigungen für betroffene Passagiere. Sie machen deren Forderungen gegenüber den Fluggesellschaften geltend. Kunden müssen auf der Website eines Fluggastrechte-Portals insbesondere ihre Flugdaten eingeben. Ein Rechner auf der Internetseite führt dann eine grobe Anspruchsprüfung durch. Beauftragt der Passagier anschließend das Portal, versucht der Anbieter, zunächst außergerichtlich eine Zahlung zu erreichen. Klappt das nicht, reichen die Partneranwälte der Dienste Klage ein.
Nachteil:
Entschädigung auf Klageweg dauert. Weil die Dienste die Entschädigung teilweise erst einklagen müssen, dauert es zum Teil mehr als ein Jahr, bis der Kunde das Geld auf seinem Konto hat – gekürzt um die Erfolgsprovision für das Portal. Das hat unser Test von vier großen Inkassoportalen gezeigt.
Provision im Erfolgsfall. Diese Provision liegt je nach Anbieter zwischen 23 und 36 Prozent der von der Fluggesellschaft gezahlten Entschädigung (Marktübersicht der Anbieter). Bei den Anbietern Airhelp, Flightright, Flugrecht (Zweitmarke von Flightright) sowie Givt kann es sogar noch teurer werden.
Bei Airhelp steigt die Provision von 35 Prozent der Entschädigung auf 50 Prozent, wenn das Portal die Entschädigung gerichtlich erstreiten musste.
Flightright und Flugrecht erheben einen Anwaltszuschlag in Höhe von 16,66 Prozent, wenn die außergerichtliche Forderungen des Portals keinen Erfolg haben und der Fall an die Partneranwälte von Flightright und Flugrecht ergeben wird. Ein Kunde von Flightright oder Flugrecht zahlt im schlimmsten Fall somit 52,36 Prozent seiner Entschädigung als Provision. Beim Anbieter Givt steigt die Erfolgsprovision von 29 auf 49 Prozent in einem solchen Fall.
Portale mit undurchsichtigen Preisspannen. Viele Inkassoportale nennen auf ihren Internetseiten keine feste Erfolgsprovision, sondern eine Preisspanne (Airhelp, Fairplane, Flightright und Flugrecht). Das macht Verbrauchern einen Preisvergleich schwer. Sie müssen erst ihre Flugdaten und zum Teil auch persönliche Daten eingeben, um vom Portal ein individuelles Preisangebot zu erhalten.
Außerdem müssen Kunden beachten, dass sehr viele Anbieter nur Nettopreise nennen. Die Mehrwertsteuer kommt also noch dazu. Schreibt ein Anbieter zum Beispiel, dass die Erfolgsprovision „in der Regel 20 bis 30 Prozent zuzüglich Mehrwertsteuer“ beträgt, muss der Kunde tatsächlich zwischen 23,8 und 35,7 Prozent seiner Entschädigung im Erfolgsfall abgeben. In unserer Markübersicht geben wir stets die Preise der Anbieter inklusive Mehrwertsteuer an.
Hilfe vom Sofortentschädiger
Vorteil:
Schnelle Entschädigung. Kunden, die sofort und bequem ihr Geld haben wollen, fahren am besten mit den Sofortentschädigern. Der Kunde gibt auf der Internetseite eines Portals wie Compensation2go oder Euflight insbesondere seine Flugdaten ein. Der Dienst prüft, ob es sich lohnt, dem Passagier seinen Anspruch abzukaufen. Entschließt sich der Anbieter zum Kauf der Fluggastentschädigung, bekommt der Fluggast den Kaufpreis (Wert des Entschädigungsansspruchs minus Abschlag je nach Anbieter) in der Regel innerhalb wenige Tage ausbezahlt und kann die Sache abhaken. Geht die Fluggesellschaft später pleite, kann er das Geld dennoch behalten. Das Insolvenzrisiko trägt der Käufer der Forderung, also der Sofortentschädiger.
Nachteil:
Strenge Prüfung. Sofortentschädiger prüfen streng, ob sie einen Flug überhaupt kaufen. In unserem Test von sechs bekannten Fluggastportalen (darunter die beiden Sofortentschädiger Compensation2go und EUflight) hatten unsere Tester 21 Mal bei Sofortentschädigern nachgefragt. 15 Mal lehnte der Anbieter den Kauf des Flugs ab, nur 6 Mal kaufte das Portal dem Kunden seinen Entschädigungsanspruch ab.
Abzug von Entschädigung. Sofortentschädiger zahlen nur einen Teil der Entschädigung, die dem Kunden von der Airline zusteht. Je nach Anbieter betragen die Abzüge zwischen 31 und 49 Prozent (Marktübersicht der Anbieter).
Einige Portale mit undurchsichtigen Preisspannen. Auch bei den Sofortentschädigern gibt es Portale, die keinen Festpreis verlangen, sondern auf ihren Webseiten eine Preisspanne nennen (etwa EUflight). Das macht dem Verbraucher einen Preisvergleich schwer, weil er bei Anbietern mit Preisspannen immer erst wenigstens die Onlineprüfung des Anspruchs mit seinen Flugdaten durchlaufen muss, um ein individuelles Preisangebot zu erhalten. Fairplane und Flug-erstattung nennen vorab noch nicht einmal eine Preisspanne. Sie geben ein konkretes Preisangebot erst nach der Onlineprüfung des Entschädigungsanspruchs ab.
Vorsicht bei Anbietern, die Inkasso und Sofortentschädigung anbieten. Viele Sofortentschädiger bieten auch den Inkassoweg an. Das kann für Passagiere zum Problem werden, die ausschließlich eine Sofortentschädigung suchen. Beispiel Fairplane:Nach Punkt 9.2 der Fairplane-Bedingungen wird ein Fall automatisch in den Inkassoweg („Fairplane Standard“) überführt, wenn Fairplane den Kauf des Flugs („Fairplane Express“) ablehnt. Ein Kunde landet so in einem möglicherweise langen Inkassoverfahren, obwohl er in erster Linie eine Sofortentschädigung wollte.
Tipp: Wenn Sie in erster Linie eine Sofortentschädigung wünschen, sollten Sie Ihren Flug zunächst nur reinen Sofortentschädigern wie Compensation2go und EUflight anbieten. Kauft keiner dieser Anbieter den Flug, kann der Passagier immer noch zur Söp, einem Inkassoportal oder zum Anwalt gehen.
Zwei Arten Fluggasthelfer: Inkassodienste und Sofortentschädiger
Fluglinien müssen in vielen Fällen Entschädigung leisten, wenn ihre Fluggäste das Ziel stark verspätet erreichen oder der Flug ganz ausfällt. Leider zahlen sie nicht immer freiwillig. Wer sich selbst die Auseinandersetzung mit der Fluggesellschaft ersparen möchte, kann sich von Entschädigungsdiensten helfen lassen. Es gibt zwei verschiedene Arten solcher Dienste, umgangssprachlich auch Fluggasthelfer genannt: die Inkassodienste und die Sofortentschädiger. Kostenlos ist deren Hilfe natürlich nicht. Im Folgenden nennen wir Kosten sowie Vor- und Nachteile dieser Entschädigungsdienste.
Inkassodienste streiten für Fluggäste
Bis zu 52 Prozent Provision. Kommerzielle Inkasso-Unternehmen wie EUclaim, Fairplane oder Flightright streiten für Fluggäste mit den Airlines. Bei Erfolg erhält der Kunde die Entschädigung – abzüglich einer Provision. Diese Provision liegt je nach Anbieter zumeist zwischen 24 und 52 Prozent der von der Fluggesellschaft gezahlten Entschädigung (siehe Tabelle unten). Geht der Kunde zum Beispiel zu einem Inkassoportal mit einer Erfolgprovision in Höhe von 30 Prozent und zahlt die Airline durch seine Hilfe später zum Beispiel 600 Euro aus, bekommt der Fluggast nur 420 Euro ausgezahlt.
Grobe Onlineprüfung. Die meisten Fluggasthelfer bieten auf ihren Internetseiten kostenlose Rechner. Damit prüfen sie vorab grob, ob der Fluggast eine Chance auf Geld von der Airline hat. Gibt der Online-Entschädigungsrechner grünes Licht, und beauftragt der Kunde das Portal ihn anschließend, schickt der Entschädigungsdienst ein Forderungsschreiben an die Airline. Um die Entschädigung von der Fluglinie fordern zu können, braucht das Portal eine schriftliche Vollmacht des Kunden und Nachweise über die Verspätung oder Absage.
Streit kann dauern. Bleiben die außergerichtlichen Forderungsschreiben ohne Erfolg und sehen die Inkassodienste Chancen, vor Gericht zu gewinnen, beauftragen sie spezialisierte Anwälte mit der weiteren Vertretung. Weil die Dienste mitunter klagen müssen, um die Airline zu einer Zahlung zu bewegen, dauert es manchmal viele Monate, bis Passagiere ihre Entschädigung haben. In unserem Test bekannter Fluggastportale kamen 13 von 39 Testern mit Hilfe von Inkassodiensten zu ihrer Entschädigung (abzüglich der Erfolgsprovision fürs Portal). 5 dieser 13 Inkassokunden mussten allerdings mehr als 1 Jahr lang auf das Geld warten.
Alternative für Eilige: Sofortentschädiger
Schnelles Geld. Wegen der zum Teil langen Wartezeiten bei den Inkassodiensten haben einige Entschädigungsdienste neue Wege gesucht, um Passagieren zu ihrem Geld zu verhelfen: die Sofortentschädigung. Dienstleister wie Compensation2go oder EUflight kaufen ausgewählten Fluggästen ihren Entschädigungsanspruch gegen die Airline ab. Der Kunde bekommt sofort Geld und kann die Sache gedanklich sofort abhaken.
Oft Ablehnung. Allerdings prüfen die Sofortentschädiger streng, ob sie dem Fluggast ihren Entschädigungsanspruch gegen die Airline abkaufen. In unserem Fluggastportale-Test untersuchten wir die Sofortentschädiger Compensation2go, EUflight und Fairplane. Fairplane bietet den Inkassoweg („Fairplane Standard“) und Sofortentschädigung („Fairplane Express“) an. Unsere 39 Tester fragten dort insgesamt 21 Mal nach. 15 Mal lehnte das Portal den Flug ab, nur 6 Mal kaufte das Portal den Entschädigungsanspruch.
Kosten. Dem Fluggast werden je nach Anbieter zwischen 30 und 50 Prozent der Entschädigungssumme abgezogen (siehe Tabelle unten).
Beispiel: Ein Passagier ist auf einer Langstrecke Opfer einer großen Ankunftsverspätung geworden. 600 Euro stehen ihm von der Airline zu. Er geht zu einem Sofortentschädiger. Der kauft ihm den Anspruch gegen die Airline mit einem Abschlag von 40 Prozent ab. Der Kunde verkauft seine Forderung an den Sofortentschädiger und erhält als Kaufpreis innerhalb weniger Tage 360 Euro ausgezahlt.
Viele Entschädigungsdienste wie Captain Frank, Fairplane oder Myflyright bieten auch beide Wege an: das Inkasso und die Sofortentschädigung. Fluggästen, die in erster Linie an einer Sofortentschädigung interessiert sind, raten wir, ihren Flug zuerst reinen Sofortentschädigern wie Compensation2go oder EUflight anzubieten. Nehmen diese den Fall nicht an, kann sich der Kunde immer noch überlegen, ob er seinen Fall doch bei der Schlichtungsstelle Söp oder einem Portal mit Inkassoweg anbietet.
Unser Rat: Sparsame Fluggäste gehen zur Schlichtungsstelle
Schlichtungsstelle anschreiben. Weil die Entschädigungsdienste alle mit recht hohen Kosten verbunden sind, empfiehlt die Stiftung Warentest grundsätzlich, zuerst seinen Anspruch selbst bei der Airline zu stellen, und – wenn das nicht zum Erfolg führt – sich mit der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) in Verbindung zu setzen. Das Verfahren ist für Verbraucher kostenfrei. Der Kunde hat dort die Chance, 100 Prozent der Entschädigung ohne Abzüge zu bekommen. Wie der Jahresbericht der Schlichtungsstelle zeigt, reicht oftmals schon der Eingang der Beschwerde bei der Söp und die Airlines zahlen innerhalb weniger Wochen die Entschädigung – ohne lange Auseinandersetzung.
Flugärger-App oder Musterbrief nutzen. Es gibt mehrere Wege, um die Ansprüche selbst bei der Airline geltend zu machen. Sie können die Smartphone-App „Flugärger“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nutzen (erhältlich im App Store und beibei Google Play). Oder Sie nutzen die Online-Anträgen auf den Internetseiten der Fluggesellschaften (So fordern Sie Entschädigung). Schließlich bieten wir auf test.de einen Musterbrief an, mit dem Sie die Airline zur Zahlung auffordern können. Wem diese Schritte zu mühsam sind, der wendet sich direkt an einen Inkassodienst oder einen Sofortentschädiger.
Irreführende Google-Werbung mit „Söp“ und „Flugärger App“
Wenn Verbraucher nach der Schlichtungsstelle Söp oder der Flugärger App der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen googeln, tauchen über den eigentlichen Suchergebnissen mitunter Anzeigen von kommerziellen Fluggastportalen auf, die Verbraucher in die Irre führen können.
Bis vor Kurzem erschien etwa folgende Anzeige des Inkassoportals EUclaim, wenn man nach der „Flugärger App“ googelte: „Flugärger App | Nicht ärgern – EUclaim fragen | EUclaim.de“. EUClaim hat mit der App der Verbraucherschützer aber nichts zu tun und macht seine Kunden auf der eigenen Internetseite auch gar nicht auf die App aufmerksam.
Beim Portal Myflyright sah es jüngst ähnlich aus: Gab man bei Google das Wort „Söp“ ein, erschien die Anzeige: „söp | Jetzt Entschädigung einfordern | myflyright.com“. Wer auf die Anzeige klickte, landete aber keineswegs bei der für Verbraucher kostenfreien Schlichtungsstelle, sondern beim kommerziellen Fluggastportal Myflyright.
Unser Kommentar: Die Portale sollten ihre Google-Werbung so schalten, dass es zu keinen Verwechslungen mit der Söp oder der Flugärger App kommen kann. test.de hat Myflyright Anfang Februar 2020 diesbezüglich angeschrieben. Kurz darauf verschwand die Werbung mit Söp-Bezug aus der Google-Suche. Auch EUclaim hat die irreführende Anzeige inzwischen abgeschaltet.
So viel kostet die Hilfe der Entschädigungsdienste
Passagiere, die keine Arbeit haben wollen und bereit sind, zwischen 20 und 50 Prozent ihrer Entschädigung abzugeben, können einen Fluggast-Entschädigungsdienst einschalten. Notfalls klagt der Dienst sogar vor Gericht. Fluggastrechte-Portale kürzen die Entschädigung bei Erfolg um ihre Provision. Sofortentschädiger zahlen gleich Geld aus, gekürzt um ihre Provision.
Tabelle: Fluggastrechte-Portale (Inkasso)
Fluggastrechte-Portal (Gründungsjahr) | Abzug von Entschädigung (Erfolgsprovision) | Anmerkungen |
Fluggastrechte-Portal (Gründungsjahr) | Abzug von Entschädigung (Erfolgsprovision) | Anmerkungen |
Airhelp.com (2013) | 35 bis 50 Prozent | 50 Prozent Provision, wenn gerichtliche Schritte nötig sind |
Aviclaim.de (2016) | 30,25 Prozent | – |
Captain-frank.com (2017) | 23,8 Prozent | – |
Claimflights.de (2014) | 26,78 Prozent | – |
Complane.de (2017) | 28,56 Prozent | – |
EUclaim.de (2007) | 29,75 Prozent | Kunden haben über EUclaim-Account Einblick in die gesamte Korrespondenz des Portals und der Anwälte mit der Airline (etwa Mahnschreiben, Urteile). |
Fairplane.de (2011) (Fairplane Standard) | 24 bis 35 Prozent | Fairplane hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchstrichterlicher Gerichtsentscheidungen erwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern. |
Flightright.de (2010) | 23,8 bis 52,36 Prozent | Anwaltszuschlag: Die Provisionsspanne bei Flightright.de beträgt grundsätzlich 23,8 bis 35,7 Prozent. Hat Flightright.de zur Durchsetzung des Entschädigunganspruchs einen externen Anwalt beauftragt, wird zusätzlich ein „Anwaltszuschlag“ in Höhe von 16,66 Prozent fällig. Flightright hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchstrichterlicher Gerichtsentscheidungen erwwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern. |
Flug-erstattung.de (2016) | 26,18 Prozent | – |
Flugrueckerstattung.de (2012) | 31,25 Prozent | – |
Flug-verspaetet.de (2011) | 29,75 Prozent | – |
Flugrecht.de (2014) | 23,8 bis 52,36 Prozent | Die Provisionsspanne bei Flugrecht.de beträgt grundsätzlich 23,8 bis 35,7 Prozent. Hat Flugrecht.de zur Durchsetzung des Entschädigunganspruchs einen externen Anwalt beauftragt, wird zusätzlich ein „Anwaltszuschlag“ in Höhe von 16,66 Prozent fällig. Flugrecht setzt Forderungen gegenüber den Airlines gemeinsam mit Flightright durch. Daher profitieren Flugrecht-Kunden von der Erfahrung Flightrights. |
Givt.com (2016) | 29 oder 49 Prozent | 49 Prozent Provision, wenn Givt-Partneranwalt mit Durchsetzung der Entschädigung beauftragt wird. |
Myflyright.com (2016) | 29,75 Prozent | 297,50 Euro „Bearbeitungsgebühr“ von Kunde zu zahlen, wenn er gegenüber Myflyright falsche Angaben macht und die Airline deshalb die Entschädigung ablehnt. |
Passengersfriend.de (2015) | 36 Prozent | – |
Refund.me (2012) | 29,75 Prozent | Muss das Portal wegen einer Forderung die spanischen Gerichte einschalten, müssen Kunden 35 Euro extra zahlen. |
Trustfly.de (2016) | 26,18 Prozent | Trustfly kann Vergleichsangebot der Airline ohne Zustimmung des Kunden annehmen, wenn diese 80 Prozent der Entschädigung anbietet. |
Wirkaufendeinenflug.de (2015) | 29,75 Prozent | – |
Stand: 16. März 2020 |
Tabelle: Sofortentschädiger
Sofortentschädiger (Gründungsjahr) | Abzug von Entschädigung | Anmerkungen |
Sofortentschädiger (Gründungsjahr) | Abzug von Entschädigung | Anmerkungen |
Captain-frank.com (2017) | 35,7 Prozent | – |
Compensation2go.com (2016) | 34,5 Prozent | – |
Ersatz-pilot.de (2017) | 25 bis 40 Prozent | Bei Langstreckenflug Abzüge zwischen 25 und 29 Prozent, bei Kurzstreckenflug Abzüge zwischen 33,6 und 40 Prozent |
EUflight.de (2016) | 30,94 bis 42,84 Prozent | – |
Flug-erstattung.de (2016) | Wird individuell festgelegt | Bis zu 400 Euro Auszahlung möglich |
Fairplane.de (2011) (Fairplane Express) | Wird individuell festgelegt | Abzug beträgt in Rechenbeispielen auf Fairplane-Website 49 Prozent. Fairplane hat in der Vergangenheit eine hohe Anzahl höchstrichterlicher Gerichtsentscheidungen erwirkt und zählt damit zu den erfahrenen Anbietern. |
Myflyright.com (2016) | 41,65 Prozent | 297,50 Euro „Bearbeitungsgebühr“ von Kunde zu zahlen, wenn er gegenüber Myflyright falsche Angaben macht und die Airline deshalb die Entschädigung ablehnt. |
Passengersfriend.de (2015) | 49 Prozent | – |
Wirkaufendeinenflug.de (2015) | 41,65 Prozent | – |
Stand: 16. März 2020 |
Gepäckverspätung: Was Flugreisenden zusteht

Gepäckband. Kommt der Koffer nicht, dürfen Urlauber den Reisepreis mindern.
Kommt das Gepäck zu spät an, dürfen Reisende auf fremde Kosten Notwendiges neu kaufen. Wie viel dürfen sie ausgeben?
Kosten müssen im Rahmen bleiben
Drei Tage zu spät traf das Gepäck einer Urlauberin im Hotel ein, die eine Woche Spanien gebucht hatte. Um nicht tagelang mit denselben Sachen herumzulaufen, kleidete sie sich neu ein. Sie kaufte Blusen, Hosen, Schuhe und Kosmetik. Das kostete 465 Euro – zu viel, fand das Amtsgericht Köln. Zwar dürfen Urlauber auf Kosten des Reiseveranstalters neue Sachen kaufen, aber sie müssen den Schaden in Grenzen halten. Das heißt: Er muss nur ersetzen, was plausibel und angemessen ist. Ein einfacher Badeanzug ist okay, nicht aber teure Markenartikel. Einige Airlines bieten ein Notpaket mit Wäsche an.
Reisepreis mindern
Im Kölner Fall hielt das Gericht 150 Euro Entschädigung für ausreichend (Az. 142 C 392/ 14). Das entspricht etwa dem, was auch andere Gerichte meinen. Der Urlauber kann zusätzlich mit einer Minderung des Reisepreises rechnen – oft 15 bis 30 Prozent des Tagespreises. Im Kölner Fall kostete die einwöchige Reise 893 Euro – also 127,57 Euro pro Tag. Das Gericht entschied auf 15 Prozent Minderung, also 19,14 Euro pro Tag. Für drei Tage ohne Koffer bekam die Frau also 57,42 Euro, zusätzlich zu den 150 Euro für Ersatzkäufe.
Mit Bringservice
Meist tauchen Koffer, die nach Umsteigeflügen fehlgeleitet wurden, nach wenigen Tagen wieder auf. Der Reiseveranstalter oder die Fluglinie müssen sie kostenlos ins Hotel bringen. Bleibt das Gepäck verschwunden, haften sie im Regelfall mit maximal gut 1 400 Euro pro Passagier. Urlauber müssen belegen, welchen Wert der Kofferinhalt hatte. Bargeld, Schmuck und Dokumente sollten Reisende vorsichtshalber im Handgepäck mitnehmen.
Tipp: Kommt der Koffer nicht an, sollten Sie es sofort im Flughafen am Lost-and-Found-Schalter melden. Informieren Sie auch unverzüglich den Reiseveranstalter – am besten vor Zeugen. Der Reiseleiter sollte das schriftlich bestätigen. Ist er nicht erreichbar, informiert man den Veranstalter in Deutschland per Mail oder Telefon, ebenfalls unter Zeugen. Das Hotel ist nicht zuständig.
Dieses Special ist erstmals am 18. Februar 2014 auf test.de erschienen. Es wurde seitdem regelmäßig aktualisiert, zuletzt am 16. Juni 2020. Ältere Nutzerkommentare beziehen sich dementsprechend auf frühere Fassungen.
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