
Bis zu 600 Euro müssen Airlines bei Verspätung, Flugausfall, Überbuchung und Streik zahlen. Lesen Sie, was Ihnen zusteht, wie Sie Ihre Fluggastrechte durchsetzen.
Das Wichtigste in Kürze
Fluggastrechte im Überblick
Ersatz. Wenn Ihr Flug gestrichen wurde oder sich enorm verspätet, wenden Sie sich an die Fluggesellschaft. Sie muss sich um eine zumutbare Ersatzbeförderung kümmern. Haben Sie eine Idee, wie Sie alternativ ans Ziel kommen, schlagen Sie diese vor. Möglich ist etwa auch eine Zugfahrt. Sollten Sie keine Ersatzbeförderung wollen, fordern Sie den Ticketpreis zurück.
Verpflegung und Hotel. Solange Sie auf eine Ersatzbeförderung warten, ist die Airline dazu verpflichtet, sich etwa um Verpflegung und gegebenenfalls auch um ein Hotel sowie die Fahrt dorthin zu kümmern. Fordern Sie dies ein.
Recht. Haben Sie Ihren Zielflughafen erst mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr erreicht, wurde Ihr Flug annulliert oder wurden Sie wegen Überbuchung nicht mitgenommen, können Ihnen je nach Strecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung zustehen. Voraussetzung: Der Startflughafen oder der Hauptsitz der Airline müssen in der EU liegen.
Außergewöhnliche Umstände. Manche Fluggesellschaften führen Annullierungen oder Verspätungen einfach auf „außergewöhnliche Umstände“ zurück und zahlen nicht. Damit kommen die Airlines nicht immer durch.
Frist. Sie haben ab Ende des Jahres, in dem der Flug lag, drei Jahre Zeit, um Ihren Anspruch geltend zu machen. Bis Ende 2022 können Sie also noch Entschädigung und Erstattung für Flüge aus dem Jahr 2019 verlangen.
Ansprüche bei Airline stellen. Wenden Sie sich erst an die Airline. Dabei helfen unsere Musterbriefe. Oft können Sie die Entschädigung aber auch über ein Online-Formular auf der Internetseite der Fluggesellschaft beantragen (Links zu den Online-Anträgen der Airlines finden Sie im Unterartikel So fordern Sie Entschädigung). Alternativ können Sie auch die Smartphone-App „Flugärger“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nutzen. Sie hilft, Ihre Ansprüche gegen die Airline zu ermitteln und diese am Ende über eine von der App erzeugte E-Mail bei der Fluggesellschaft geltend zu machen (die App gibts im App Store und bei Google Play).
Schlichtung. Blockt die Airline Ihre Forderungen ab, können Sie sich an einen Schlichter wenden. Ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) nicht zuständig, leitet sie Ihre Beschwerde an die Schlichter beim Bundesjustizamt weiter. Verläuft die Schlichtung erfolglos, kann Ihnen ein Anwalt oder ein Inkassodienst helfen.
Verspätung, Annullierung, Überbuchung – das gilt grundsätzlich
Anspruch auf Entschädigung. Verspätet sich ein Flug um drei Stunden und mehr am Endziel oder wird er sogar gestrichen (Annullierung), haben Passagiere Anspruch auf pauschale Entschädigung für die verlorene Zeit. Dies gilt auch, wenn die Fluggesellschaft einzelne Passagiere nicht befördert, etwa weil die Maschine überbucht ist. Im Juristendeutsch heißt die Entschädigung „Ausgleichszahlung“.
Flugvorverlegung. Als Annullierung zählt auch eine Flugvorverlegung um mehr als eine Stunde (Europäischer Gerichtshof, Az. C-146/20 und andere).
EU-Regelung. Grundlage für den Anspruch auf die Entschädigung („Ausgleichszahlung“) ist die Fluggastrechteverordnung Nummer 261/2004 der Europäischen Union (EU). Diese Verordnung können Fluggäste für eine finanzielle Entschädigung heranziehen. Wichtige Voraussetzung: Der Flug ist von einem Flughafen in der EU gestartet oder wurde von einem Unternehmen mit Sitz in der EU durchgeführt und das Flugziel lag in einem Mitgliedsstaat.
Höhe der Entschädigung. Wie viel Geld der Passagier bekommt, richtet sich nach der Flugdistanz. Bei Verbindungen mit Anschlussflügen zählt die direkte Luftlinie zwischen Start und Ziel („Großkreismethode“), unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke. Je nach Streckenlänge beträgt die Entschädigung 250 bis 600 Euro pro Person. Wer die Entfernung zwischen zwei Flughäfen errechnen will, um die Entschädigungshöhe zu bestimmen, kann das bequem online tun, etwa über die Website Luftlinie.org. Die Entschädigungshöhe ist unabhängig vom Ticketpreis. Die Pauschalen stehen also auch Nutzern von Billigairlines in voller Höhe zu, auch wenn sie nur 10 Euro für ihr Ticket bezahlt haben.
Kleinkinder. Auch Kleinkindern steht ein voller Entschädigungsbetrag zu, sofern die Eltern für sie einen Flugpreis bezahlt haben. Ob das Kind einen eigenen Sitzplatz hatte, ist unerheblich. Nur wenn das Kind tatsächlich kostenfrei mitgeflogen ist, muss die Airline es nicht entschädigen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. März 2015, Az. X ZR 35/14). Die Fluggesellschaft Tuifly hat jüngst in einem Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Hannover versucht, um die Entschädigung für ein Kleinkind herumzukommen. Für das Kind – zum Zeitpunkt des Fluges weniger als ein Jahr alt – hatten die Eltern 15 Euro pro Flugstrecke gezahlt.
Tuifly argumentierte, die 15 Euro seien kein Ticketpreis, sondern nur eine Verwaltungsgebühr. Damit scheiterte die Airline aber vor Gericht. Tuifly hatte in den Flugunterlagen für die Eltern geschrieben: „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 EUR pro Flugstrecke“. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, dass die 15 Euro ein reduzierter Flugpreis und nicht bloß eine Verwaltungsgebühr sind (Amtsgericht Hannover, Urteil vom 4. Juni 2020, Az. 515 C 12585/19).
In welchen Fällen die Airline nicht zahlen muss
Außergewöhnliche Umstände. Die Gründe für Verspätungen und Ausfälle sind vielfältig: Unwetter, Vulkanasche, Streik und technische Probleme an der Maschine sind nur einige Beispiele. Knackpunkt beim Prüfen eines Entschädigungsanspruchs ist die Frage, ob außergewöhnliche Umstände vorlagen. Konnte die Fluggesellschaft das Ereignis weder beeinflussen noch vermeiden? In diesem Fall gehen Passagiere leer aus. Eindeutig ist das nicht immer. Regelmäßig treffen die höchsten Gerichte grundsätzliche Entscheidungen zu der Frage, was außergewöhnliche Umstände sind und was nicht (Urteilsliste). Liegen keine vor, gibt es eine Entschädigung.
Airline beweispflichtig. Wichtig: Geht ein Fall, in dem eine Fluggesellschaft unter Hinweis auf außergewöhnliche Umstände eine Zahlung verweigert, vor Gericht, muss sie diese Umstände belegen. Die Airline muss nicht nur den außergewöhnlichen Umstand – etwa: Flugzeugschaden durch Vogelschlag – nachweisen, sondern auch, dass sie alles Zumutbare getan hat, um den Passagier trotz der Widrigkeit rechtzeitig ans Ziel zu bringen. Gerade das gelingt den Airlines aber manchmal nicht. So gewinnen Passagier dann sogar Fälle, die auf den ersten Blick für Passagiere nicht erfolgversprechend aussehen. Darum sollten Fluggäste die Flugdaten stets auch bei verschiedenen Online-Fluggasthelfern eingeben. Vielleicht übernimmt einer von ihnen den Fall.
In diesen Fällen darf die Entschädigung halbiert werden
In einigen Fällen muss die Airline zwar zahlen, darf die pauschale Entschädigungssumme (250 bis 600 Euro je nach Flugentfernung) an den Passagier aber um 50 Prozent kürzen.
- Bei Verspätungen: Bei Langstreckenflügen (mehr als 3500 Kilometer Flugstrecke), wenn die Verspätung am Zielflughafen zwar mehr als drei Stunden aber weniger als vier Stunden beträgt.
- Bei Flugausfall (Annullierung) und Überbuchung: Wenn die Airline einen Ersatzflug organisiert, der bei Kurzstreckenflügen (Distanz bis 1 500 Kilometer) das Ziel nicht später als zwei Stunden im Vergleich zur ursprünglichen Ankunft erreicht. Bei Flügen mit einer Distanz bis 3 500 Kilometern (und bei Flügen innerhalb der EU mit einer Distanz von mehr als 1 500 Kilometern) darf die Airline den Anspruch um 50 Prozent kürzen, sofern der Ersatzflug das Ziel nicht später als drei Stunden im Vergleich zur ursprünglichen Ankunft erreicht. Bei einer Flugdistanz von mehr 3 500 Kilometern darf die Airline den Anspruch des Kunden halbieren, wenn der Ersatzflug nicht später als vier Stunden im Vergleich zur planmäßigen Ankunft das Ziel erreicht.
Fluggastrechte auch für Pauschalurlauber
Auch Pauschalreisende haben diese Entschädigungsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft bei Annullierungen und Ankunftsverspätungen von drei oder mehr Stunden. Vielen ist das nicht bewusst, weil sie den Reisevertrag ja mit dem Reiseveranstalter abgeschlossen haben. Aber die europäische Fluggastrechteverordnung gilt auch für Urlauber, die von einem Veranstalter ein Urlaubspaket mit Flug gebucht haben.
Flugvorlegung. Der Europäische Gerichtshof hat im Dezember 2021 entschieden, dass auch die Vorverlegung eines Flugs um mehr als eine Stunde als Annullierung des ursprünglichen geplanten Flugs anzusehen ist (Az. C 146/20 und andere). Dieses Urteil ist für Pauschalurlauber besonders wichtig, da es bei Flügen im Rahmen eines Reisepakets oft zu Änderungen der Abflugzeiten kommt.
Pauschalreise: Zwei Ansprüche bei Flugärger
Es kommt gar nicht so selten vor, dass Pauschalreisende zwei Ansprüche auf Geld haben:
- Minderung. Einen Anspruch auf Reisepreisminderung nach deutschem Pauschalreiserecht gegenüber dem Veranstalter, wenn etwa ein Flug um viele Stunden nach vorne oder hinten verlegt wird, so dass die Nachtruhe des ersten Urlaubstages erheblich beeinträchtigt ist (mehr zum Thema „Flugverlegung als Reisemangel“).
- Entschädigung. Und einen zweiten Anspruch nach der europäischen Fluggastrechteverordnung gegenüber der Fluggesellschaft, wenn der ursprünglich angesetzte Flug annulliert, um mindestens eine Stunde nach vorne verlegt wurde oder der Flug erst mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden am Urlaubsziel angekommen ist.
Verrechnung der Zahlungen
Allerdings gilt: Erhält ein Pauschalurlauber für denselben Ärger (etwa eine Flugannullierung), sowohl vom Veranstalter als auch von der Airline Geld, findet eine Anrechnung statt. Hat der Urlauber schon eine Reisepreiserstattung vom Veranstalter erhalten, ist das bei der Forderung gegenüber der Airline anzurechnen – und umgekehrt.
Beispiel: Ein Reisender hat für die Annullierung vom Veranstalter 80 Euro bekommen und macht anschließend seinen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro bei der Airline geltend. Diese muss ihm nur 170 Euro auszahlen.
Fluggastrechteverordnung lukrativer
Aus dem Beispiel wird erkennbar: Für Pauschalreisende ist die Verspätungsentschädigung von der Airline nach der europäischen Fluggastrechteverordnung in der Regel lukrativer als die Reisepreisminderung vom Veranstalter.
Airline muss auch für Hotel und Verpflegung sorgen
Passagieren, die von Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung wegen Überbuchung betroffen sind, stehen aber nicht nur bis zu 600 Euro als pauschale Entschädigungszahlung zu. Solange die Kunden noch nichts ans Flugziel gebracht sind, muss die Airline sich auch um die Verpflegung, notwendige Hotelunterbringung und Transport zwischen Hotel und Flughafen kümmern (die Details der EU-Verordnung). Anspruch auf Verpflegung und Hotelunterbringungen haben Passagiere sogar dann, wenn die Airline die Zahlung einer Entschädigung wegen eines außergewöhnliche Umstands verweigern kann.
Beispiel: Das Flugzeug muss repariert werden, weil der Reifen während der Landung des Vorflugs durch einen Fremdkörper beschädigt wurde. Der Flug muss ausfallen, die Passagiere werden auf den Flug am nächsten Morgen umgebucht. Der Unfall zählt als außergewöhnlicher Umstand, eine finanzielle Entschädigung gibt es dafür nicht (Urteile Fluggastrechte). Die Fluggesellschaft bleibt dennoch verpflichtet, die Passagiere bis zum Weiterflug zu verpflegen und unterzubringen.
Erstattung, wenn Fluggast in Vorkasse gehen muss
Leider betreuen die Airlines ihre Passagiere nicht immer so wie vom Gesetzgeber vorgesehen. Manchmal werden Kunden mit Anschlussflug einfach am Flughafen der Zwischenlandung allein gelassen, wenn der Zubringerflug zu spät ankam und dadurch der Anschluss verpasst wurde. Passagiere, die Hotel und Verpflegung dann selbst bezahlen, können aber anschließend Erstattung von der Fluggesellschaft verlangen.
Wichtig: Die Erstattung der Hotel- und Verpflegungskosten gibt es zusätzlich zu der pauschalen Entschädigung für die Annullierung oder Verspätung (es sei denn ein außergewöhnlicher Umstand war der Grund für die Flugprobleme). Es findet in diesem Fall keine Verrechnung von Entschädigung und Erstattung statt. Etwas anderes gilt aber bei Hotelkosten, die nach einem verpatzen Flug entstehen.
Beispiel: Kommt ein Fluggast bei einem Kurzstreckenflug so spät am Zielflughafen an, dass er im Flughafenhotel für 150 Euro übernachten muss, handelt es sich um die Folgekosten eines mangelhaft durchgeführten Fluges. Nach deutschem Recht muss die Airline für solche Folgekosten geradestehen. Der Fluggast hat zwar zwei Ansprüche: nach Europarecht Anspruch auf pauschal 250 Euro von der Airline (Ausgleichszahlung) und nach deutschem Recht auf 150 Euro Schadenersatz für die nach Landung notwendig gewordene Hotelübernachtung. Aber: Der Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten wird mit der Ausgleichszahlung verrechnet. Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. August 2019 (Az. X ZR 128/18). Im Beispielsfall erhält der Kunde also nicht insgesamt 400 Euro, sondern nur 250 Euro von der Airline. Mehr müsste die Airline nur zahlen, wenn die Hotelkosten über der Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro lägen und der Fluggast diese Hotelkosten bei der Airline mit Quittungen belegen könnte.
Flugverspätung – das steht Ihnen zu
Wie viel Entschädigung gibt es? Verspätet sich die Ankunft am Zielflughafen um wenigstens drei Stunden, haben Fluggäste je nach Flugstrecke Anspruch auf bis zu 600 Euro Entschädigung. Das ergibt sich aus einer Grundlagenentscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2009. Eine Entschädigung ist auch dann möglich, wenn die Verspätung erst bei einem direkten Anschlussflug im Nicht-EU-Ausland entsteht.
Was gilt als Ankunftszeit? Als Ankunftszeitpunkt zählt rechtlich nicht, wann der Passagier am Zielflughafen das Flugzeug verlassen hat. Auch das Aufsetzen auf der Landebahn („Touchdown“) ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist der Moment, wenn mindestens eine Flugzeugtür geöffnet wird – sofern den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist (EuGH, Az. C-452/13). Wenn der Fluggast etwa mit dem Musterschreiben der Stiftung Warentest bei der Airline seinen Entschädigungsanspruch geltend macht, reicht es aber aus, wenn er als Ankunftszeitpunkt den Moment angibt, in dem er persönlich das Flugzeug verlassen hat. In einer rechtlichen Auseinandersetzung vor Gericht muss die Airline dann vortragen, wann die erste Tür geöffnet wurde.
Flugausfall – das steht Ihnen zu
Wird ein Flug von der Airline annulliert, können Betroffene eine Umbuchung einfordern oder die Beförderung ganz ablehnen und Erstattung ihrer Ticketkosten verlangen (EU-Rechtsgrundlage).
Wahlrecht. Der Fluggast entscheidet, ob er wegen des Flugausfalls auf einen anderen Flug umbucht oder lieber auf den Flug verzichtet und eine Erstattung des Ticketpreises verlangt.
Ersatzflug ohne Zusatzkosten. Von Kunden, die eine Umbuchung auf einen späteren Flug wählen, kommen immer wieder Beschwerden, dass die Airline diese Umbuchung nur gegen Zahlung eines Aufpreises vornehmen will. Das Argument: der Ersatzflug sei teurer ist als das ursprüngliche Ticket. Rechtlich ist die Airline verpflichtet, einen Ersatzflug unter „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ anzubieten. Das heißt nach Ansicht des Landgerichts Köln: Die Umbuchung darf nichts zusätzlich kosten (einstweilige Verfügung gegen die Lufthansa, Beschluss vom 14. Mai 2020, Az. 31 O 85/20). So sieht es auch die Europäische Kommission in ihrer Leitlinien zur Auslegung der Fluggastrechteverordnung (Seite 14 des Dokuments, unter Punkt 4.2).
Erstattung des Tickets. Entscheidet sich der Fluggast für die Rückerstattung des Ticketpreises, kann die Airline einen Gutschein anbieten. Der Passagier muss das Angebot aber nicht annehmen. Besteht der Fluggast auf die Erstattung, muss die Fluggesellschaft den Flugpreis binnen sieben Tagen in bar durch Überweisung oder Scheck erstatten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bietet ein Musterschreiben zur Flugpreiserstattung nach Annullierung an. Alternativ kann die Rückerstattung auch über die „Flugärger-App“ der Verbraucherzentrale geltend gemacht werden. Allerdings erst 48 Stunden nach dem ursprünglichen Abflugdatum des annullierten Flugs.
Achtung: Hat ein Kunde den annullierten Flug nicht direkt bei der Fluggesellschaft gebucht, sondern etwa über die Internetseite eines Flugvermittlers, behaupten einige Airlines, dass die Erstattung über den Flugvermittler beantragt werden müsse. Das ist nicht korrekt. Die „ausführende Fluggesellschaft“ ist zur Erstattung des Ticketpreises verpflichtet – nicht der Flugvermittler (Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 8 der europäischen Fluggastrechteverordnung). Kunden können ihr Geld also direkt von der Fluggesellschaft verlangen.
Zusätzlich Entschädigung. Egal wie sich Passagiere entscheiden: Sie haben bei Flugausfall außerdem einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von 250 bis 600 Euro (je nach Flugdistanz).
Es kann sogar sein, dass der Fluggast für die gleiche Flugreise eine zweite Entschädigung in gleicher Höhe bekommt. Nämlich dann, wenn es bei dem Alternativflug, auf den der Fluggast nach der Annullierung des ursprünglichen Fluges umgebucht wurde, noch einmal zu Flugärger kommt. Das hat der Europäische Gerichtshof im März 2020 entschieden (Rechtssache C-832/18).
Beispiel: Ein Kunde bucht einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur. Weil die Maschine einen technischen Defekt hat, annulliert die Fluggesellschaft seinen Flug am Abflugtag und bucht die Passagiere auf eine Maschine am nächsten Tag. Aber auch der Alternativflug hat technische Probleme. Er kommt deshalb in Singapur erst mit einer Verspätung von sechs Stunden an. Den betroffenen Fluggästen stehen sowohl für den annullierten Flug als auch für den verspätet angekommenen Ersatzflug 600 Euro, also insgesamt 1 200 Euro zu.
Landung auf einem anderen als dem gebuchten Zielflughafen. Landet ein Flugzeug nicht auf dem im Flugticket bezeichneten Zielflughafen, sondern auf einem anderen Flughafen (Beispiel: Berlin-Schönefeld statt Berlin-Tegel), kann das rechtlich eine Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges sein (EuGH, Urteil vom 22. April 2022, Az. C-826/19). Die Folge: dem Fluggast steht eine Entschädigung von bis zu 600 Euro zu. Das gilt aber dann nicht, wenn der ursprüngliche geplante Zielflughafen und der tatsächlich angeflogene Zielflughafen in derselben Stadt oder Region liegen. Die Airline muss einem Fluggast dann keine Entschädigung zahlen, aber zum ursprünglich geplanten Zielflughafen weitertransportieren. Bietet sie einen solchen Transport nicht an, kann der Fluggast den Weitertransport auf eigene Kosten organisieren und von der Airline Erstattung verlangen.
Kein Anspruch bei früher Information über Flugausfall. Manchmal informiert die Airline ihre Kunden schon Wochen vor Abflug über eine Flugannullierung. Das hat Auswirkungen. Denn der Entschädigungsanspruch entfällt, wenn Fluggäste mindestens 14 Tage vor dem planmäßigen Abflug von der Fluggesellschaft über die Annullierung informiert werden. Kommt die Nachricht über die Annullierung kurzfristiger, hängt der Anspruch von den Flugzeiten des Ersatzfluges ab.
Tabelle: Ausfallinformationen und Fristen
Information über Flugausfall |
Abflug- und Ankunftszeiten des Ersatzfluges |
Entschädigung |
7 bis 13 Tage vor Abflug |
Abflug maximal 2 Stunden früher und Ankunft maximal 4 Stunden später als annullierter Flug |
Nein |
7 bis 13 Tage vor Abflug |
Abflug mehr als 2 Stunden früher und/oder Ankunft mehr als 4 Stunden später als annullierter Flug |
Ja |
0 bis 6 Tage vor Abflug |
Abflug maximal 1 Stunde früher und Ankunft maximal 2 Stunden später als annullierter Flug |
Nein |
0 bis 6 Tage vor Abflug |
Abflug mehr als 1 Stunde früher und/oder Ankunft mehr als 2 Stunden später als annullierter Flug |
Ja |
Überbuchung – das steht Ihnen zu
Fluglinien verkaufen üblicherweise mehr Tickets, als Plätze im Flugzeug vorhanden sind. Denn einige Reisende erscheinen nicht am Gate, weil sie spontan umbuchen, stornieren oder schlicht zu spät kommen. Um ungenutzte Kapazitäten zu vermeiden, kalkulieren Fluggesellschaften Überbuchungen ein.
Erscheinen jedoch mehr Passagiere als erwartet, können einige nicht mitfliegen. Denjenigen, die freiwillig auf ihren Platz verzichten, bieten Airlines Umbuchungen und Entschädigungen an. Verzichtet niemand freiwillig, entscheidet die Fluglinie, wer nicht mitdarf. Grundsätzlich gilt: Wer zuerst am Gate ist, fliegt zuerst. Zurückgelassenen steht – wie bei Verspätung oder Flugausfall – die Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu, wenn sie wegen Überbuchung nicht mitgenommen werden, aber rechtzeitig am Gate waren.
Gepäckverspätung – das steht Ihnen zu

Kommt das Gepäck zu spät an, dürfen Reisende auf fremde Kosten Notwendiges neu kaufen. Wie viel dürfen sie ausgeben?
Kosten müssen im Rahmen bleiben
Drei Tage zu spät traf das Gepäck einer Urlauberin im Hotel ein, die eine Woche Spanien gebucht hatte. Um nicht tagelang mit denselben Sachen herumzulaufen, kleidete sie sich neu ein. Sie kaufte Blusen, Hosen, Schuhe und Kosmetik. Das kostete 465 Euro – zu viel, fand das Amtsgericht Köln. Zwar dürfen Urlauber auf Kosten des Reiseveranstalters neue Sachen kaufen, aber sie müssen den Schaden in Grenzen halten. Das heißt: Er muss nur ersetzen, was plausibel und angemessen ist. Ein einfacher Badeanzug ist okay, nicht aber teure Markenartikel. Einige Airlines bieten ein Notpaket mit Wäsche an.
Reisepreis mindern
Im Kölner Fall hielt das Gericht 150 Euro Entschädigung für ausreichend (Az. 142 C 392/ 14). Das entspricht etwa dem, was auch andere Gerichte meinen. Der Urlauber kann zusätzlich mit einer Minderung des Reisepreises rechnen – oft 15 bis 30 Prozent des Tagespreises. Im Kölner Fall kostete die einwöchige Reise 893 Euro – also 127,57 Euro pro Tag. Das Gericht entschied auf 15 Prozent Minderung, also 19,14 Euro pro Tag. Für drei Tage ohne Koffer bekam die Frau also 57,42 Euro, zusätzlich zu den 150 Euro für Ersatzkäufe.
Mit Bringservice
Meist tauchen Koffer, die nach Umsteigeflügen fehlgeleitet wurden, nach wenigen Tagen wieder auf. Der Reiseveranstalter oder die Fluglinie müssen sie kostenlos ins Hotel bringen. Bleibt das Gepäck verschwunden, haften sie im Regelfall mit maximal gut 1 400 Euro pro Passagier. Urlauber müssen belegen, welchen Wert der Kofferinhalt hatte. Bargeld, Schmuck und Dokumente sollten Reisende vorsichtshalber im Handgepäck mitnehmen.
Tipp: Kommt der Koffer nicht an, sollten Sie es sofort im Flughafen am Lost-and-Found-Schalter melden. Informieren Sie auch unverzüglich den Reiseveranstalter – am besten vor Zeugen. Der Reiseleiter sollte das schriftlich bestätigen. Ist er nicht erreichbar, informiert man den Veranstalter in Deutschland per Mail oder Telefon, ebenfalls unter Zeugen. Das Hotel ist nicht zuständig.
Sinnvoller Versicherungsschutz für Reisen
Krank im Urlaub. Unbedingt dabei haben sollten Auslandsreisende, egal ob im Urlaub oder auf Geschäftsreise, eine Reisekrankenversicherung. Keiner weiß, ob er unterwegs schwer erkrankt oder einen Unfall hat. In Ländern mit Sozialabkommen sind zwar die Behandlungskosten teilweise abgesichert. Nie bezahlt aber wird ein Rücktransport, der schon innerhalb Europas Zehntausende Euros kosten kann. Die Reisekrankenversicherung kommt dafür auf.
Reise absagen. Überlegenswert ist der Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung, wenn Familien frühzeitig einen teuren Urlaub planen. Bei kurzfristiger Absage drohen hohe Stornierungskosten.
Gestohlenes Gepäck. Abzuraten ist dagegen von einer Reisegepäckversicherung. Der Schutz ist sehr lückenhaft. Außerdem ist Gepäck auch bei Transportunternehmen versichert sowie bei Raub oder Einbruch ins Feriendomizil auch in der Hausratversicherung.
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Flugänderung Flug verschoben? Das sind Ihre Rechte!
- Veranstalter ändern Flugzeiten oder Flughäfen immer häufiger nachträglich. Wir sagen, welche Rechte Reisende haben – und welche extra Regeln für Pauschalreisen gelten.
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Schlichtung und Mediation Recht bekommen – günstig und ohne Gericht
- Bei Ärger mit einem Unternehmen ist eine Schlichtungsstelle erste Wahl. Bei Konflikten zwischen Nachbarn oder in der Familie eignet sich eine Schlichtung oder Mediation.
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Fahrgastrechte Bahn Verspätung, Streik, Zugausfall – diese Entschädigung steht Ihnen zu
- Bahnfahrer können Entschädigung fordern, wenn sie am Ziel eine Verspätung von mindestens 60 Minuten haben – auch, wenn Streiks oder Unwetter der Grund dafür waren.
262 Kommentare Diskutieren Sie mit
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Das ist ja alles theoretisch schön und gut,was ihr schreibt, problematisch wird`s , wenn die Fluglinie im Ausland ansässig ist und nicht zahlt.
So geschehen im September 2022 auf dem Flug mit smartlynx, einer lettischen Linie. 12 Stunden Verspätung bei Abflug stellen Ansprüche auf Entschädigung nach EU-Recht.
Meine Anträge wurden sämtlich abgewimmelt, mit anderen Worten cool ausgesessen.
Nach anwaltlicher Beratung wurde deutlich gemacht. dass ein Anspruchstitel im Ausland nicht so vollstreckbar sei.
800,-€ kann ich in den Wind schreiben, trotz klarer Rechtsgrundlage,
Warentest, vielleicht mal eine Umfrage zur Durchsetzbarkeit von Fluggastrechten starten.
Mit besten Grüßen
W. Tauch
Kommentar vom Autor gelöscht.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Bei unserer letzten transatlantik Reise mit Kleinkind hat Lufthansa 3 Koffer erst 5 Tage später an das Zielflughafen geliefert und mit weiterer Verspätung gedroht, wenn wir sie nicht selbst abholen. Auslieferung bis zum Aufenthaltsort kam nicht in Frage. Für "Gepäckunregelmäßigkeiten" und Kostenerstattung gibt es kein Standardformular, nur ein verstecktes allgemeines Formular mit Anlagelimit von 5MB. Ich habe den Antrag mit Belegen auf 2 MB reduziert, aber das Formular lehnt es trotzdem ab. Dieser Limit gilt auch für die customer.relations Email, die keine Empfangsbestätigung schickt, ebenso wie das Formular. Habe den Bug reklamiert, nach 5 Monaten keine Antwort erhalten. Was die Erstattung angeht: trotz einer Frist von 1 Monat hat sich LH erst nach 2 Monaten gemeldet: ich soll einen Scan unserer Pässe zur Identifikation schicken, dann werden die Kosten in wenigen Tagen erstattet. Haben sie umgehend bekommen, seitdem habe ich von LH nichts gehört und nichts erhalten.