
André Gaufer. Der Finanzexperte hat eine Wohnung im Steglitzer Kreisel gekauft. Die Hochhaus-Baustelle ist im Hintergrund zu sehen. © Stefan Korte
Der Wohnungskäufer André Gaufer hat bereits mehrere juristische Auseinandersetzungen gegen den Immobilieninvestor Adler Group gewonnen. Doch noch ist er nicht am Ziel.
Wohnung 256 liegt im 19. Stock und bietet einen Blick über den Südwesten Berlins. Bis zum Horizont sieht man, wie sich Straßen durch das Häusermeer winden. André Gaufer, Besitzer der Wohnung, hat den Ausblick nur einmal genießen können, im Jahr 2017. Damals fuhr er gemeinsam mit einem Vertriebsmitarbeiter im wackeligen Baustellenfahrstuhl nach oben, die Aussicht beeindruckte ihn schwer. Doch jetzt, im Jahr 2025, hat die 69-Quadratmeter-Wohnung nicht einmal Fenster. Sie ist Teil eines riesigen Stahlskeletts, des Steglitzer Kreisels – in den 60er-Jahren so genannt wegen seiner Lage an einem Verkehrsknoten in Berlin-Steglitz.
Die Wohnung sollte schon längst bewohnt werden
„Der Kauf war für mich Herzenssache“, sagt Gaufer. „Ich mag Hochhäuser, die Lage ist toll: städtisch, gut an den Nahverkehr angebunden und trotzdem nah an den Erholungsgebieten. Und mir gefällt auch, dass die Wohnung in einem bekannten Gebäude liegt.“
Wäre alles nach Plan gelaufen, könnte Gaufers ältere Tochter seit 2022 in der Wohnung leben. Doch seit Langem gibt es keinen Baufortschritt, dafür Vertragsänderungen, Fusionen und jede Menge juristischen Streit. Gaufer stieß mit seiner Firma mehrere der Prozesse an. Er kämpft dafür, dass das Gebäude wieder bewohnbar wird.
Sein letzter großer Erfolg im Juni 2025: Der Immobilienentwickler Adler Group wurde gezwungen, die ursprünglichen Pläne bei den Behörden einzureichen. Denn Adler plant inzwischen Büros, dort wo Gaufers Wohnung liegt.
Kreisel wird zu ÜBerlin
Der Bau des Steglitzer Kreisels begann 1968. Das Gebäude war oft in den Schlagzeilen: wegen Bauverzögerungen, Insolvenz und jahrelangem Leerstand. Im Sommer 2017 – der Kreisel stand damals wegen Asbestverseuchung leer – hört Gaufer, dass das Gebäude jetzt „ÜBerlin Tower“ heißen und dort 300 Eigentumswohnungen entstehen sollen. Der heute 60-Jährige ist sofort interessiert und nimmt Kontakt zum Objektentwickler, der CG Gruppe, auf.
Notarieller Kaufvertrag
Am 18. Oktober 2018 unterzeichnet er den Kaufvertrag: 577 500 Euro für die Wohnung, 46 400 Euro für den Stellplatz. Gleich am nächsten Tag erhält er die Rechnung des Notars, einen Monat später den Steuerbescheid. Gaufer begleicht die Zahlungen fristgerecht – und wartet auf die Eintragung der Auflassungsvormerkung. Diese Vormerkung ist wichtig, denn sie verhindert, dass der Verkäufer die Immobilie vor der Eigentumsübergabe anderweitig verkauft. Bei Gaufer wird, wie sich noch zeigt, der Eintrag immer wieder verzögert.
„Der Kaufvertrag wurde notariell beglaubigt, ich fühlte mich sicher“, sagt Gaufer. Er hatte bereits eine Immobilie als Kapitalanlage, kennt sich als Finanzexperte mit Kaufverträgen aus. Finanziert wird der Kauf über ein Darlehen seiner Hausbank.
Zunächst informiert die CG Gruppe regelmäßig über Baufortschritte. 2020 weist sie schließlich auf Bauverzögerungen wegen der Corona-Pandemie hin. Gaufer ist damals weder verärgert noch beunruhigt.
Die Adler Group übernimmt das Projekt
Im Sommer 2020, als an anderen Berliner Baustellen längst wieder gearbeitet wird, tut sich am Kreisel noch immer nichts. Im Hintergrund aber passiert eine Menge: Die CG Gruppe wird Teil der Consus Real Estate, die wiederum in der Adler Group aufgeht – einem der größten Immobilienentwickler. Die Gruppe kauft, entwickelt, verwaltet und vermietet Immobilien weltweit.
Warnung vor unseriösen Anbietern
Auch wir berichteten bereits früher über die Adler Group.
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Im August 2020 erfährt Gaufer aus der Presse: Die Bauarbeiten seien „aus technischen Gründen reduziert“. Er wendet sich an die Adler Group und fordert mehrfach vergeblich Auskunft. Als der Kaufvertrag geändert werden und der Stellplatz entfallen soll, wird er aktiv. Er recherchiert und erfährt, dass im Kreisel nun ein Bürohaus geplant ist.
Weitreichende Änderungen der Bauplanung
2021 wird ohne André Gaufers Zustimmung eine Änderung der Miteigentumsanteile vollzogen und im Grundbuch übernommen. Die Adler Group kann somit die Auflassungsvormerkung blockieren.
Und dann kommt es zu weitreichenden Änderungen. So werden unter anderem die ursprünglich als eigenes Teileigentum mit separatem Grundbuchblatt verkauften Tiefgaragenplätze gestrichen, genau wie ein geplanter Fahrradaufzug. Das Sockelgebäude des Hochhauses soll plötzlich für ein Hotel, Geschäfte und Büroräume genutzt werden. Die geplante Fertigstellung wird um zwei Jahre auf 2024 verschoben.
Erfolgreich in mehreren Prozessen
Seit mehreren Jahren kämpft André Gaufer bereits gegen die Adler Group und hat mehrere Prozesse gewonnen. Er hat die Auflösung des Kaufvertrags abgewendet, einstweilige Verfügungen erwirkt, das Buch „Immobilienpoker“ geschrieben. Ein sehr wichtiges Urteil hat er vor dem Landgericht Berlin erwirkt. Das Gericht legte unter anderem fest, dass Adlers Rücktritt vom Kaufvertrag formal und materiell unzulässig und so die vermeintliche Änderung des Miteigentumsanteils ungültig war. (Az. 20 O 55/22). Das Kammergericht Berlin bestätigte das Urteil in der Berufung und konkretisierte, dass die Adler Group zwingend an die ursprüngliche Baubeschreibung gebunden ist (Az. 27 U 82/23). Mit einer einstweiligen Verfügung konnte Gaufer die Eintragung der Wohnungsvormerkung durchsetzen.
So konnte er zwar erreichen, dass seine Ansprüche im Grundbuch eingetragen wurden. Doch die entscheidenden Auflassungsvormerkungen und erforderliche Erklärungen fehlen noch immer. Trotz mehrerer rechtskräftiger Urteile verweigert die Adler Group bisher den vertragsgemäßen Vollzug des Kaufvertrags. Am 30. September 2025 findet vor dem Landgericht Berlin ein weiteres Verfahren gegen die Adler Group statt.
Viele andere Käufer hätten aufgegeben und seien von Kaufverträgen zurückgetreten, berichtet Gaufer. Er macht weiter: „Für meinen Kampf gegen unfaire Behandlung von Immobilienkunden gibt es kein Limit.“
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