In der Tierschutzszene spricht man von Tieradoptionen, wenn Katzen und Co in ein neues Zuhause vermittelt werden. Wer sich dazu entschließt, sollte Zeit und Geduld mitbringen. Und sich gleich den Anspruch abschminken, dass er oder sie etwa einen mittelgroßen, niedlichen Hund aus dem Tierheim holt, der zudem pflegeleicht ist. Viele der Bewohner haben eine traurige Vorgeschichte; sie wurden ausgesetzt, misshandelt, zu früh von der Mutter getrennt oder wuchsen unter unwürdigen Bedingungen auf. „Mitunter kennen wir die Vita unserer Tiere, oft wissen wir allerdings nicht, was sie vorher erlebt haben“, sagt Ute Reinhardt vom Tierheim Berlin.
„Sorgenfellchen“ – ein Hund möchte adoptiert werden
Und so kommt es, dass etliche Tierheimbewohner nicht gerade unkomplizierte Zeitgenossen sind. „Es besteht der Verdacht, dass der Rüde ein traumatisches Erlebnis hatte“ oder „Unser Ace ist ein richtiges Sorgenfellchen“ steht etwa in den Steckbriefen zur Tiervermittlung.
Die Heime erfüllen öffentliche Aufgaben, indem sie neben Streunern und Tieren von Privatpersonen auch diejenigen aufnehmen, die von der Polizei beschlagnahmt wurden. Das geschieht oft aus Tierschutzgründen, manchmal auch weil es zu einem sogenannten Bissvorfall gekommen ist. „Es ist ein Riesenproblem, dass wir hier viele Hunde haben, die wir nur in die Hände von bereits erfahrenen Halterinnen und Haltern abgeben können“, sagt Ute Reinhardt. Ihrer Einschätzung nach sind etwa 80 Prozent der Hunde und 50 Prozent der Katzen, die derzeit auf dem Gelände in Berlin-Hohenschönhausen leben, wegen ihres Verhaltens schwer vermittelbar. Außer Hunden und Katzen leben auch zahlreiche Kleintiere, Exoten und auch Tiere von Bauernhöfen wie etwa Hühner und Ziegen in den Tierheimen.
Anfrage vor Ort erhöht die Chancen
Auch wenn es in anderen Einrichtungen ähnlich aussieht: Unerfahrene Tierfreundinnen und -freunde haben durchaus Chancen, in den Heimen neue Gefährten zu finden und mit ihnen glücklich zu werden, siehe Checkliste. „Unproblematische Tiere können wir oft so schnell vermitteln, dass wir nicht dazu kommen, einen Internet-Steckbrief für sie zu erstellen“, erklärt Ute Reinhardt.
Im Sommer und Herbst wird etwa in den Tierheimen oft ein Wurf Kätzchen abgegeben und kommt nach wenigen Tagen unter. Über die Tierheim-Websites erfährt man das nicht.
Verläuft die Suche erfolglos, besteht natürlich die Möglichkeit, ein Tier zu kaufen. Oft wird der Handel heutzutage übers Internet angebahnt. Was dabei zu beachten ist, erfahren Sie in unserem Artikel Tierkauf online.
Künftige Halter werden geprüft
In einen treuen Hundeblick oder in ein flauschiges Fell verliebt zu sein, qualifiziert aus Sicht der Tierpfleger niemanden als Halterin und Halter. Sie prüfen genau, welche Interessenten den Tieren ein angemessenes Zuhause bieten können und so für die Tiervermittlung in Frage kommen.
Bei Online-Anfragen müssen Interessenten üblicherweise erst per Web-Formular Fragen beantworten, bevor es zu einer Vermittlung kommt. Etwa, ob es bereits Tiere im Haushalt gibt und wie es um Wohnungsgröße, Freizeitverhalten und familiäre Verhältnisse steht. So wird etwa bei Vögeln die Abmessung der Voliere geklärt. Die Ansprüche an die künftige Haltung sind in der Regel hoch. Insbesondere für Hunde werden meist mehrere Kennenlerntreffs angesetzt – oder Schnupperbesuche in der neuen Umgebung, bei denen Angestellte oder Ehrenamtliche dabei sind. Oft werden auch Kontrollbesuche nach der Vermittlung vereinbart.
Schutzgebühr für die Tieradoption
Stimmt die Chemie zwischen Mensch und Tier und spricht vonseiten des Tierheims nichts gegen den Umzug, zahlen die künftigen Besitzerinnen und Besitzer eine Schutzgebühr. Für Hunde werden beispielsweise 200 bis 300 Euro verlangt, für Katzen etwa 100 Euro, für ein Meerschwein 20 bis 40 Euro. Die Preise liegen meist deutlich unter denen für Zuchttiere. Hunde und Katzen aus dem Tierheim sind oft bereits geimpft, gechippt und kastriert – die Kosten dafür sind in der Gebühr bereits enthalten. Falls nicht, ist es sinnvoll, das Thema anzusprechen. Vielleicht kann ja der Stamm-Veterinär des Heims noch vor der Übergabe einen Eingriff übernehmen.
Ungünstigere juristische Situation für neue Halter
Tierheime geben meist Übernahme- oder Schutzverträge raus, keine Kaufverträge. Der wichtigste Punkt für neue Besitzerinnen und Besitzer: Sie haben kein Recht auf Gewährleistung. Stellt sich das Tier nach der Übergabe als krank heraus, dann müssen sie für die Tierarztkosten aufkommen. Bei einem Verkauf – etwa durch Züchter oder Zoohandlungen – stehen Halter juristisch besser da. In den folgenden zwei Jahren können sie Tiere mit einem nachgewiesenem Mangel – etwa einer Krankheit oder einer Verhaltensauffälligkeit – sogar zurückgeben und ein neues verlangen. Da sich oft schon nach Tagen eine Bindung zwischen Mensch und Tier entwickelt, geschieht das aber sehr selten. Lesen Sie mehr dazu in unserem Interview mit dem auf Tierrechte spezialisierten Rechtsanwalt Andreas Ackenheil.
Oft bleibt das Tierheim Eigentümer
Eine weitere Besonderheit: Die neuen Halter sind im juristischen Sinne zwar Besitzer, die Tierheime bleiben jedoch – manchmal nur für einen festgelegten Zeitraum, manchmal für immer – Eigentümer. Damit haben sie, vereinfacht gesagt, weiterhin Rechte an ihren ehemaligen Schützlingen und können diese etwa wieder in Obhut nehmen, wenn die Haltung nicht gut läuft. Um das auszuschließen, setzen sie Interessenten im Vorfeld hohe Hürden, sich ein Tier aus dem Heim zu holen.
Tierheime dürfen nicht eigenmächtig handeln
Eigenmächtig ein Tier wieder zurückholen dürfen Tierheime allerdings auch nicht. Eventuelle Ansprüche gegenüber den Halterinnen und Haltern vermittelter Tiere müssen sie gerichtlich durchsetzen, wie das Amtsgericht Hanau entschied (Az. 98 C 98/23). Geklagt hatte eine Frau, die von einem hessischen Tierheim einen Kater übernommen hatte. Laut Überlassungsvertrag sollte sie ihren Balkon mit einem Fliegengitter sichern, zudem sollte der Kater abspecken. Weil die Frau sich nicht an die Regeln des Überlassungsvertrags gehalten hatte, nahmen zwei Mitarbeiter ihr den Kater weg. Diese Aktion war die Aktion laut Gericht nicht rechtens.