Steuerfahndung Jagd auf Steuersünder

Steuerfahnder haben Spekulationsgewinne von Aktionären im Visier. Bei schwerem Steuerbetrug drohen neuerdings harte Zeiten.

So mancher ist in den Boom­jahren der Börse 1998 und 1999 zum Aktionär geworden. Denn die Aussichten waren damals verlockend: Innerhalb kurzer Zeit konnten Anleger etwa am Neuen Markt beträchtliche Kurssteigerungen verbuchen. Die Verkaufserlöse vergaßen die jungen Börsianer allerdings meist in ihrer Steuererklärung.

Dabei sind Kursgewinne von mehr als 512 Euro (bis 2001: 1 000 Mark) im Jahr steuerpflichtig, wenn zwischen Kauf und Verkauf der Aktie noch nicht mehr als zwölf Monate vergangen sind (bis Ende 1998 sechs Monate).

Ehrliche wollen nicht dumm sein

Die Behörde hat meist gar nicht kontrolliert, ob jeder die Kursgewinne versteuert hat. Das hat Steuerrechtler Klaus Tipke schon 1997 moniert. Er klagte gegen seinen Steuerbescheid, weil er als einer von wenigen seine Spekulationsgewinne dem Finanzamt mitgeteilt hat und darauf Steuern zahlen soll. Der Experte des deutschen Steuerrechts fühlt sich benachteiligt. Denn die meisten Anleger gaben nichts an und kassierten die Kursgewinne steuerfrei.

Jetzt hat das höchste deutsche Steuergericht Tipke Recht gegeben. Die Finanzämter könnten nicht überprüfen, ob Aktionäre ihre Spekulationsgewinne tatsächlich versteuert haben. Deshalb sei die Besteuerungspraxis zulasten der Ehrlichen verfassungswidrig, entschied der Bundesfinanzhof (Az. IX R 62/99). Weil die Verfassungsrichter nun das letzte Wort haben, muss sich der Steuerrechtler noch gedulden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1991 eine gleichmäßige Besteuerungspraxis (Az. 2 BvR 1493/89) festgeschrieben. Wegen des Urteils führte der Gesetzgeber 1993 die Zinsabschlagsteuer ein. Die Bank zwackt diese Steuer seitdem direkt von den Zinsen ab. Vorher steckten viele die Zinsen steuerfrei ein.

Bis zur Klärung in Sachen Spekulationsgewinne sollten Börsianer, die jene versteuern, ihren Steuerbe­scheid offen halten. Sie legen innerhalb der Monatsfrist Einspruch ein und beantragen Ruhen des Verfahrens, bis die Verfassungsrichter entscheiden. Fällt das Urteil zu ihren Gunsten aus, bekommen sie die zu viel gezahlte Steuer zurück.

Die Fahndung läuft

Weil die Besteuerung von Spekulationsgewinnen in der Praxis so schlecht funktioniert, gerät die Finanzbehörde zunehmend unter Druck. Steuerfahnder sollen die Mängel ausbügeln. Sie stöbern verstärkt in Bankunterlagen nach Wertpapiergeschäften.

Wenn sie keinen konkreten Verdacht gegen eine Person haben, dürfen die Fahnder sogar über eine Sammelan­frage von der Bank Informationen über Kunden mit Spekulationsgewinnen verlangen, entschied der Bundesfinanzhof (Az. VII B 152/01).

Die Fahnder sind aber nicht nur auf Spekulationsgeschäfte aus. Auch was mit unversteuertem Geld im Ausland passiert, interessiert sie brennend. Vor allem bei Eigentümern von Immobilien, speziell Ferienappartements wittern sie Schwarzgeld-Anlagen.

Spanische Behörden haben ihren deutschen Kollegen umfangreiche Listen über deutsche Immobilienbesitzer überlassen. Darauf allein verlassen sich deutsche Fahnder aber nicht, bestätigte die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG). Obwohl eigenständige Ermittlungen außerhalb der internationalen Rechts- und Amtshilfe tabu sind, nehmen sie in prekären Fällen selbst die Immobilie in Augenschein. Stellt sich heraus, dass das Ferienhaus in Spanien, Frankreich, Belgien oder Österreich viel mehr wert ist, als der Kaufvertrag vorgibt, gerät der Stein ins Rollen. Fahnder wollen dann genauer wissen, woher das verschwiegene Geld stammt.

Oft kommt die Behörde auch durch andere Quellen Steuersündern auf die Schliche. Immer wieder liefern gehörnte Ehegatten, Kollegen oder Nachbarn namentlich oder anonym ergiebige Informationen.

Verschärfte Strafen

Haben die Fahnder erst eine Spur, kann es brenzlig werden. Je nachdem, ob es sich um leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung handelt, verlangt das Finanzamt ein Bußgeld oder schaltet den Staatsanwalt ein.

Ab diesem Jahr müssen Steuerzahler besonders sorgfältig bei ihren Angaben sein. Der neue Paragraph 370 a in der Abgabenordnung (AO) verankert­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­seit­­­­­­1. Januar 2002 die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung mit verschärftem Strafrecht. Auf diese neu eingeführte Tat steht immer Gefängnis. Der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung macht sich bereits schuldig, wer nicht nur einmal, sondern öfter seine steuerpflichtigen Einnahmen bewusst verschweigt.

Ehepartner nicht gleich Mittäter

Selbst den Ehepartner kann die Finanzbehörde wegen gewerbsmäßigen Steuerbetrugs beschuldigen, wenn er seinem Partner bei der Steuerhinterziehung zur Seite stand.

Nach einem jüngsten Urteil des Bundesfinanzhofs darf das Finanzamt die Ehefrau aber nicht gleich für die Steuerhinterziehung ihres Mannes mitbelangen, nur weil sie die gemeinsame Steuererklärung mit unterschrieben hat (Az. IX R 40/00). Ihr Mann hatte über Jahre Nebeneinkünfte verschwiegen. Da bei der Erklärung jeder für sich seine Einkünfte einträgt, haftet nicht einer für die Angaben des anderen.

Noch ist vieles unklar

So ganz genau weiß niemand, wann es sich um gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung handelt. Droht Gefängnisstrafe bei 10 000 Euro Steuerhinterziehung oder erst bei 500 000 Euro? Steuerexperten kritisieren deshalb, dass die Gesetzesänderung verfassungswidrig sei, weil nicht klar hervorginge, wann wer eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung begeht.

Eins ist jedenfalls klar: Gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung ist eine Vorstufe der Geldwäsche. Das bedeutet beispielweise, dass Telefonüberwachung möglich ist. Bei einer solchen Straftat führt eine Selbstanzeige nicht mehr zur Straffreiheit. Die Selbstanzeige mildert lediglich das Strafmaß: statt bis zu zehn Jahren Gefängnis drohen drei Monate bis fünf Jahre.

Ob die verschärften Strafen abschrecken, sei dahingestellt. Dem Gesetzgeber bieten sich durchaus andere ­Wege, um sicherzustellen, dass nicht die Ehrlichen die Dummen sind. Zum Beispiel könnte die Bank ähnlich wie bei Zinsen auch bei Spekulationsgewinnen einen festgelegten Steuersatz ans Finanz­amt abführen. Oder die Bank müsste wie bei Zinsen die steuerpflichtigen Erträge erfassen und dem Bundesamt für Finanzen melden.

Mehr zum Thema

0 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.