
Verkehrskontrolle. Die Kelle signalisiert: Halt! test.de sagt, wie Sie sich jetzt richtig verhalten. © Adobe Stock / Ruediger Kottmann
Reden ist Silber, Schweigen Gold. Das gilt vor allem, wenn Polizisten oder Staatsanwälte fragen. test.de sagt, wie Sie sich bei Verkehrskontrollen verhalten sollten.
Schweigen ist Gold
Die richtige Antwort lautet: Nein
„Wissen Sie, warum wir Sie angehalten haben?“ Verkehrssünder kennen die Frage. Polizeibeamte stellen sie gern, wenn sie Autofahrer nach einer Geschwindigkeitskontrolle stoppen oder sonst einen Verstoß gegen die Verkehrsregeln gesehen haben. Die einzig richtige Antwort lautet: Nein. Auch wenn der Missetäter sich sicher ist, was der Polizeibeamte ihm ankreidet.
Geldbußen verdoppeln sich
Zwei Beispiele: „Ich bin auf dem Weg zum Tüv“, sagt der Fahrer eines Autos mit abgelaufener Tüv-Plakette. Ein Radler fuhr gerade bei Rot über die Kreuzung und erklärt: „Da kam ja niemand.“ Der Polizist weiß nun sofort: Der Verdächtige wusste genau, was er tut. Von Rechts wegen heißt das: Er handelte vorsätzlich. Die Folge: Geldbußen über 55 Euro verdoppeln sich. Die Fahrt zum Tüv mehr als vier Monate nach Ablauf der Plakette kostet dann 120 statt 60 Euro und die Missachtung der Ampel durch den Radfahrer 200 statt 100 Euro.
Niemand muss sich selbst belasten
Seit Überwindung der mittelalterlichen Strafverfolgung mit Daumenschraube und Streckbank garantiert jeder Rechtsstaat: Sanktionen setzt es nur, wenn die Schuld des Verdächtigen in einem fairen Verfahren unter Einhaltung aller Regeln festgestellt wird. Die Grundregel heißt: Niemand muss sich selbst belasten. So kennen wir es aus amerikanischen Krimis: „Sie haben das Recht zu schweigen“, erklären die Cops bei einer Festnahme immer. Auch für deutsche Polizisten gilt: Sie müssen Verdächtigen vor einer Vernehmung sagen, dass es ihnen frei steht, sich zu äußern. Das gilt nicht nur bei Verdacht auf Straftaten, sondern auch bei Ordnungswidrigkeiten.
Was vor Gericht gilt
Aussagen vor der Belehrung dürfen Behörden und Gerichte nicht verwerten. Aber: „Richter davon zu überzeugen, dass eine Belehrung fehlte, ist oft schwierig“, erklärt Rechtsanwältin Daniela Mielchen, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein.
Lügen erlaubt – aber nicht zu empfehlen
Die Grundregel für jeden Ärger mit Polizei, Ordnungsamt oder gar Staatsanwaltschaft lautet daher: Sagen Sie jetzt nichts. Sie dürfen sogar lügen. Davon raten Strafverteidiger aber entschieden ab. Erfahrene Polizeibeamte brauchen meist nur wenige Nachfragen, bis Verdächtige sich in Widersprüche verstricken und dann überführt sind.

Geschwindigkeitskontrolle. Wenn es Sie, wie hier jemanden in Bayern, erwischt, sollten Sie schweigen. Und auf jeden Fall: Höflich bleiben. © picture alliance / HMB Media / Heiko Becker
Auch Begleiter sollten schweigen
Auch Begleiter sollten ruhig bleiben, wenn die Polizei auf den Plan tritt. Wenn die Beifahrerin beim Radarfallen-Stopp für die Beamten hörbar sagt: „Ich hab‘ Dir doch gesagt: Fahr nicht so schnell“, steht fest: Da ist die doppelte Buße fällig. Wer nicht selbst verdächtig ist, kann als Zeuge vernommen werden. Angehörige, Partner und Verlobte haben allerdings ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Post von der Bußgeldstelle
Häufiger als der persönliche Stopp durch die Polizei schnappt die automatische Radarfalle zu. Die Bußgeldstelle hält sich zunächst an den Halter des Wagens. Ist das ein Mann, auf dem Foto aber eine Frau zu sehen oder umgekehrt, schickt sie einen Anhörungsbogen. Die Behörde will wissen, wer gefahren ist.
Adressat muss nicht antworten
Oft suggerieren die Schreiben: Der Adressat muss antworten. Doch das stimmt nicht. Pflicht sind nur Angaben zur Person, und die sind übers Nummernschild bereits ermittelt. Auch wenn die Behörde eine Person fälschlich unter Verdacht hat, muss sie den Anhörungsbogen nicht ausfüllen und womöglich Freunde oder Verwandte belasten.
Abgleich mit Passfotos
Oft schauen die Bußgeldstellen inzwischen, ob sie den Fahrer auf den beim Einwohnermeldeamt gespeicherten Passbildern von Familienangehörigen oder Mitbewohnern wiedererkennen. Das dürfen sie auch, hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden.
Oberlandesgerichts Koblenz, Beschluss vom 02.10.20
Aktenzeichen: 3 Owi 6 SsBs 258/20
Ein kurzer Satz genügt
Gelingt es nicht, den Schuldigen zu ermitteln, kann die Behörde die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen. Doch das ist nur rechtmäßig nach schweren Ordnungswidrigkeiten oder wenn der Wagen schon öfter zu schnell unterwegs war. Verhängt die Behörde eine Buße gegen einen Unschuldigen, kann dieser Einspruch einlegen. Das geht ohne Anwalt. Es genügt zu schreiben: „Ich habe die mir vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen.“
Frist von zwei Wochen beachten
Das Schreiben muss innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bußgeldbescheids bei der Behörde ankommen. Sie überprüft die Buße und wird sie aufheben, wenn der Empfänger nicht auf dem Kontrollfoto zu erkennen ist und sonst keine Beweise vorliegen.
Wann ein Anwalt sinnvoll ist
Wer eine hohe Buße und Fahrverbot oder Führerscheinentzug verhindern will, sollte sofort und ohne vorher selbst irgendetwas zu unternehmen, einen in derartigen Fällen erfahrenen Anwalt einschalten. Der kann Akteneinsicht nehmen und abschätzen, ob Widerstand sinnvoll ist, und wie sich Betroffene am besten verteidigen.
Plädoyer für Charme und Höflichkeit
Zuweilen erfolgreicher als die Verteidigung mit allen juristischen Schikanen sind Höflichkeit und Charme. Polizei und Ordnungsamt haben bei Ordnungswidrigkeiten einen Ermessensspielraum. Sie müssen nicht unbedingt ein Verwarnungsgeld kassieren oder sogar eine Anzeige schreiben. Darauf zu verzichten, sollten Sie den Beamten so leicht wie möglich machen.
Tipps
- Verkehrsregeln. Auch wenn von Rechts wegen längst nicht jeder Regelverstoß geahndet wird: Die Verkehrsregeln sind zu beachten. Polizei und Ordnungsämter sind befugt, sie auch jenseits des Bußgeldrechts durchzusetzen. So können falsch geparkte Autos abgeschleppt, nicht verkehrssichere Fahrräder beschlagnahmt und Verkehrssünder auch sonst gestoppt werden. Achten Sie auch fremde Besitzrechte. Wenn Sie Einfahrten zuparken oder Ihren Wagen unbefugt auf fremden Grundstücken abstellen, kann der Berechtigte den Wagen auf ihre Kosten entfernen lassen. Lässt sich der Fahrer nicht ermitteln, dann haftet – anders als im Bußgeldrecht – der Halter.
- Verteidigung. Wenn wir hier Tipps für die Verteidigung geben, ist das keine Anleitung dazu, die Verkehrsregeln zu missachten. Soweit die Behörden Verkehrssünder bestrafen wollen, haben sie sich jedoch an Recht und Gesetz zu halten und sind Strafen und Bußen nur akzeptabel, wenn sie rechtsförmig unter Einhaltung aller Regeln verhängt worden sind.
- Ruhe bewahren. Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Bleiben Sie möglichst ruhig. Sagen Sie lieber nichts zur Sache, damit sich die Buße nicht noch verdoppelt.
- Freundlich bleiben. Bleiben Sie in jedem Fall und unter allen Umständen freundlich. Das erhöht zumindest bei kleineren Sünden die Chance, nichts zahlen zu müssen. Anders als bei Straftaten sind Polizeibeamte nicht verpflichtet, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen.
- Verteidiger einschalten. Schalten sie sofort einen erfahrenen Verteidiger ein, wenn eine hohe Buße, Fahrverbot oder Führerscheinentzug drohen. Der kann Akteneinsicht nehmen und eine Strategie entwickeln.
Tabelle: Wichtige Bußgeldsätze
Beispiele für Bußgeldsätze bei Verstößen gegen Verkehrsregeln |
|||||
Regelverstoß |
Geldbuße bei |
Punkt(e) |
Fahrverbot |
||
Versehen |
Vorsatz |
||||
Euro |
Monat(e) |
||||
Als Fußgänger |
|||||
Fahrbahn überqueren, ohne auf den Verkehr zu achten oder trotz roter Ampel |
5 |
||||
Als Radfahrer |
|||||
Freihändig fahren |
5 |
||||
Zu schnell fahren |
15 |
||||
In Einbahnstraße oder Kreisverkehr in falscher Richtung fahren |
20 |
||||
Ohne Licht fahren |
20 |
||||
Haltegebot von Polizeibeamten missachten |
35 |
||||
Auf dem Gehweg fahren |
55 |
||||
Während der Fahrt Handy benutzen |
55 |
||||
Trotz roter Ampel fahren |
60 |
120 |
|||
Trotz seit mehr als eine Sekunde roter Ampel fahren |
100 |
200 |
1 |
||
Als Autofahrer (mit Wagen bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht) |
|||||
Ohne Grund hupen |
10 |
||||
Unzulässig halten |
20 |
||||
Im Halteverbot parken |
25 |
||||
Auf Geh- oder Radweg parken |
55 |
||||
bis 10 km/h zu viel |
im Ort |
30 |
|||
außerhalb |
20 |
||||
11 bis 15 km/h zu viel |
im Ort |
50 |
|||
außerhalb |
40 |
||||
16 bis 20 km/h zu viel |
im Ort |
70 |
140 |
||
außerhalb |
60 |
120 |
|||
21 bis 25 km/h zu viel |
im Ort |
115 |
230 |
1 |
|
außerhalb |
100 |
200 |
1 |
||
26 bis 30 km/h zu viel |
im Ort |
180 |
360 |
1 |
1 |
außerhalb |
150 |
300 |
1 |
1 |
|
31 bis 40 km/h zu viel |
im Ort |
260 |
520 |
2 |
1 |
außerhalb |
200 |
400 |
1 |
1 |
|
41 bis 50 km/h zu viel |
im Ort |
400 |
800 |
2 |
1 |
außerhalb |
320 |
640 |
2 |
1 |
|
Trotz roter Ampel fahren |
90 |
180 |
1 |
||
Trotz seit mehr als eine Sekunde roter Ampel fahren |
200 |
400 |
2 |
1 |
|
0,5 oder mehr Promille Alkohol im Blut |
500 |
1 000 |
2 |
1 |
|
Werden andere Verkehrsteilnehmer durch einen Regelverstoß behindert oder gefährdet, sind meist höhere Bußen fällig. Auch bei Unfällen infolge des Regelverstoßes setzt es in der Regel höhere Strafen. Die genannten Sätze gelten für ab 09.11.2021 begangene Regelverstöße. Davor ist der alte Bußgeldkatalog mit teilweise erheblich geringeren Sätzen maßgeblich, auch wenn der Bußgeldbescheid erst später kommt. |
|||||
Stand: 09.11.2021 |
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10 Kommentare Diskutieren Sie mit
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@axiom: Wir denken: Sie irren. Nr. 2. 1. 2. 1 der Anlage III zu § 29 StVZO https://www.gesetze-im-internet.de/stvzo_2012/anlage_viii.html erfasst unter anderem "...Personenwagen allgemein...", so dass die Nr. 186.1.3 des Bußgeldkatalogs https://www.gesetze-im-internet.de/bkatv_2013/BJNR049800013.html anwendbar ist & der Regelsatz der Buße fürs Überschreiten der Frist für die technische Prüfung 60 Euro beträgt.
"Die Fahrt zum Tüv mehr als vier Monate nach Ablauf der Plakette kostet dann 120 statt 60 Euro"
Aber nur für Nutzfahrzeuge. Für PKW kostet es erst nach acht Monaten 60 Euro und 1 Punkt.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Danke für die Tipps!
Danke für Ihren informativen Kommentar.