Die Anleger des Windkraft-Spezialisten Prokon Regenerative Energien haben am 2. Juli 2015 entschieden, dass sie lieber Genossen in einer Genossenschaft werden wollen als das Kerngeschäft an den Energiekonzern EnBW zu verkaufen. Wären beide Pläne gescheitert, wäre die insolvente Gesellschaft zerschlagen. test.de hat die Details und erläutert für alle drei Varianten die wahrscheinlichen Folgen für die Anleger.*
Zwei Insolvenzpläne standen zur Wahl
Anleger und andere Gläubiger der insolventen Prokon Regenerative Energien GmbH haben auf der Gläubigerversammlung am 2. Juli 2015 in Hamburg darüber entschieden, wie es mit der auf erneuerbare Energien spezialisierten Gesellschaft aus Itzehoe weiter geht. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin stellte unter anderem den 75 000 Anlegern, die Genussrechte für 1,4 Milliarden Euro gezeichnet haben, zwei Insolvenzpläne zur Wahl. Der eine sah eine Umwandlung von Prokon in eine Genossenschaft vor, der andere einen Verkauf des Kerngeschäfts an den Energiekonzern EnBW.
Große Mehrheit für die Umwandlung
Mit großer Mehrheit haben sich die Gläubiger von Prokon Regenerative Energien dafür entschieden, die bisherige GmbH in eine Genossenschaft umzuwandeln. Auf der Gläubigerversammlung in den Hamburger Messehallen stimmten Gläubiger mit 843 Millionen Euro Forderungssumme für den Genossenschaftsplan. Insgesamt nahmen Gläubiger mit einer Gesamtforderungssumme von 1,056 Milliarden Euro teil. Das Amtsgericht Itzehoe hat den Genossenschafts-Insolvenzplan am 3. Juli 2015 bestätigt. Das Insolvenzverfahren kann aufgehoben werden, sobald der Gerichtsbeschluss rechtskräftig und die Genossenschaft ins Genossenschaftsregister eingetragen wird. Der Insolvenzverwalter rechnet damit, dass Prokon Ende Juli oder Ende August aus der Insolvenz entlassen wird.
Viele waren bereit, Genossen zu werden
Mit dem Genossenschaftsplan mussten sich viele Anleger schon vor der Gläubigerversammlung auseinandersetzen. Wer Forderungen in Höhe von mindestens 1 000 Euro geltend macht und eine Adresse in Deutschland, Österreich oder der Schweiz hat, musste vor der Gläubigerversammlung verbindlich erklären, ob er Mitglied der geplanten Genossenschaft werden möchte. Von den Anlegern mit insgesamt 1,44 Milliarden Euro Genussrechtskapital erklärten sich Anleger mit 865 Millionen Euro dazu bereit. Der Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes (RWGV) hatte 660 Millionen Euro für erforderlich gehalten. Wäre diese Schwelle nicht erreicht worden, hätte der Insolvenzverwalter den Plan gar nicht zur Abstimmung gestellt. Das Ergebnis übertraf sogar noch das Resultat einer unverbindlichen Umfrage des Insolvenzverwalters. Im vergangenen Jahr hat Penzlin die Genussrechtsinhaber befragt, ob sie sich langfristig unternehmerisch engagieren würden. Damals erklärten sich 34 000 Genussrechtsinhaber bereit dazu. Sie vertraten rund 780 Millionen Euro Genussrechtskapital.
Variante 1: Der Genossenschaftsplan
Der Genossenschaftsplan sieht vor, dass die Gläubiger pro 1 000 Euro Forderungssumme Genossenschaftsanteile in Höhe von 244 Euro sowie Anleihen mit 345 Euro Nennwert erhalten. Insgesamt bekämen sie also 58,9 Prozent ihrer Forderungssumme zurück, wenn alles wie geplant läuft. Diese Insolvenzquote haben auch Anleger zu erwarten, die nicht Genossen werden wollen oder können. Sie bekommen Anleihen in gleichem Umfang. Ihnen wird zusätzlich der Betrag ausgezahlt, der den Genossenschaftsanteilen entspricht. Wie schnell und in welcher Höhe die Nicht-Genossen diesen Anteil erhalten, hängt davon ab, wie schnell und in welchem Umfang der Insolvenzverwalter Forderungen eintreiben kann.* Die Anleihen werden über 15 Jahre zurückgezahlt und mit 3,5 Prozent pro Jahr verzinst. Für sie ist ein Börsenhandel vorgesehen.
Variante 2: Der Investorenplan
Der Energiekonzern EnBW wollte das Kerngeschäft von Prokon für 550 Millionen Euro kaufen, also vor allem die Windparks und das Stromgeschäft. Den Großteil des Kaufpreises hätten die Gläubiger voraussichtlich schon in wenigen Monaten ausgezahlt bekommen. Alle Gläubiger hätten in diesem Fall 34,1 Prozent ihrer Forderungssumme aufs Konto überwiesen bekommen. Den Rest hätte der Insolvenzverwalter dann abgewickelt und den Gläubigern den auf sie entfallenden Anteil nach und nach ausgeschüttet. Penzlin schätzt, dass auf diese Weise noch weitere 18,1 Prozent zu erwarten gewesen wäre. Die prognostizierte Insolvenzquote lag in diesem Fall also bei 52,2 Prozent.
Variante 3: Die Zerschlagung
Hätten sich die Gläubiger für keinen der beiden Pläne erwärmen können, wäre Prokon zerschlagen worden. In diesem Fall stößt der Insolvenzverwalter alle Vermögenswerte ab und treibt Außenstände ein so gut es geht. Das kann viele Jahre dauern. Penzlin rechnete in diesem Fall mit einer Quote von 48,5 Prozent. Die Gläubiger hätten also nur knapp die Hälfte ihrer Forderung bekommen – aber das auch nur vielleicht und erst in Jahren. Für Gläubiger wäre das sicherlich die am wenigsten attraktive Variante gewesen.
Erwartete Quote beim Genossenschaftsplan am höchsten
Penzlin weist nachdrücklich darauf hin, dass es sich bei den Insolvenzquoten nur um Prognosen handelt. Es kann also sein, dass für die Anleger unter dem Strich deutlich weniger übrig bleibt – aber auch, dass sogar mehr herausspringt. Der Insolvenzverwalter geht aber davon aus, dass bei der Zerschlagung am wenigsten für die Gläubiger zu holen gewesen wäre und sie mit dem Genossenschaftsplan die höchste Quote erzielen. Dennoch ist die zu erwartende Quote nur ein Entscheidungskriterium für die Gläubiger.
EnBW lockte mit einer schnellen Zahlung
Hätten sich die Gläubiger für den Einstieg von EnBW erwärmen können, hätten sie in absehbarer Zeit einen Teil ihrer Forderung wieder bekommen. Auf den Rest hätten sie dann zwar vermutlich einige Jahre warten müssen. Um viel kümmern müssten sie sich in dieser Zeit aber nicht. Dafür hätten sie aber einen Abschlag in Kauf genommen, denn der Kaufpreis, den EnBW für das Kerngeschäft bot, lag unter dem Wert, den der Insolvenzverwalter dafür ansetzte.
Genossen binden sich für Jahre
Anleger, die Mitglied in der geplanten Genossenschaft werden, binden sich dagegen auf Jahre. Ihre Kündigungsfrist beträgt drei Jahre. Einen geregelten Markt für Genossenschaftsanteile gibt es nicht. Verkaufswillige müssen sich also selbst um einen Käufer kümmern und einen Preis mit ihm aushandeln. Dafür haben sie Mitbestimmungsrechte, profitieren von den Chancen, tragen aber auch die Risiken einer unternehmerischen Beteiligung. Ob und wann sie Dividenden als Genossen bekommen, ist unsicher, denn Prokon entwickelt Windparks, und Projektentwicklungen sind nie risikofrei. Ein Totalverlust ist nicht ausgeschlossen.
Anleihe wird mit Windparks besichert
Das zweite Element im Genossenschaftsplan, die Anleihe, ist mit weniger Risiken behaftet. Das Papier wird innerhalb von 15 Jahren in gleichmäßigen Raten zurückgezahlt, mit 3,5 Prozent im Jahr verzinst und an der Börse gehandelt. Sobald der Handel aufgenommen ist, können Anleger die Anleihe auf diese Weise kurzfristig abstoßen. Als Sicherheit werden zudem bereits bestehende Windparks hinterlegt. Es steht daher zu erwarten, dass Zins und Tilgung pünktlich gezahlt werden. Für Anleger, die kein Interesse daran haben, bei der künftigen Entwicklung mitzureden, oder die wirtschaftlichen Chancen eher gering einschätzen, wäre es somit am vorteilhaftesten, wenn sie selbst nicht Genossen werden, aber der Genossenschaftsplan zum Zug kommt.
Tipp: Über riskante Firmen und Finanzprodukte informiert unsere Warnliste Geldanlage. Sie wird regelmäßig aktualisiert. Und noch ein Tipp: Wenn Sie auf über Prokon dem Laufenden bleiben wollen, abonnieren Sie doch unseren kostenlosen Newsletter!
* Diese Meldung ist erstmals am 4. Juni 2015 erschienen und seitdem mehrfach aktualisiert worden.
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- Anleger um den Verein „Freunde von Prokon“ schüren Ängste um das Vermögen der Windparkfirma Prokon. Denn deren Projekte landen bei der Schwestergesellschaft Windauf.
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- Zwei Firmen der UDI-Gruppe, die auf grüne Energien spezialisiert ist, fordern über Güteverfahren Rückzahlungen von Anlegern. Diese sollten lieber nicht zahlen.
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- Tausende Anleger der auf erneuerbare Energien spezialisierten UDI-Gruppe sollen eine Verzichtserklärung unterschreiben. Die Experten der Stiftung Warentest raten ab.
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Da wird doch glatt empfohlen, sich NICHT am Genossenschftsmodell zu beteiligen!
PROKON Beteiligungen waren immer eine Unternehmensbeteiligung, auch wenn das viele wegen falscher Versprechungen nicht verstanden haben und so die Insolvenz mit verursachten.
Was ist an einer Genossenschaft so falsch? Immer noch werd diese Rechtsform für Unternehmen verteufelt und das bei der Tatsache, dass die Anzahl von Insolvenzen bei Genossenschaften einsame an der Spitze (mit den wenigsten Insolvenzen) steht. Da ist das Geld ganz schön sicher angelegt. Das sehen auch viele Kunden so, die neu zu den Genossenschaftsbanken wechsel. z.B. der GLS-Bank eG, die das Genossenschftsmodell von POKON unterstützt
Das Genossenschaftsmodell bedeutet ein Mitunternehmertum.
Gegenüber den Versprechungen von Hr. Rodbertus kann das Kapital nicht ohne weiteres herausgezogen werden und damit ist die Anlage viel Sicherer. Genossenschaft bedeutet ein gemeinschaftliches Ziel im Unternehmen zu verfolgen, im Fall PROKON eG laut Satzung "Regenerative Energie erzeugen" und dafür die Grundlagen schaffen.
Wer aber nicht an der langfristigen Bindung interessiert ist, kann versuchen, für die Genossenschaftsanteile einen Käufer zu finden. Das ist dann fast wie beim Handel mit Aktien, nur ohne offizielle Handelsplattform und Spekulationsgewinne.
Übrigens hat Test das toll hingekriegt. So lange gegen PROKON gestänkert, bis der Laden zusammenmbricht. Die GRIU haben es in der Hand PROKON und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Ob das die EnBW AG will ist fraglich.
. ..Es wurde berichtet, dass der ehemalige Wirtschaftsminister und Chef der RAG-Stiftung, Werner Müller, vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit großer Kraftwerksbetreiber wie Energie Baden-Württemberg (EnBW) warnt und eine Teilverstaatlichung der Unternehmen ins Gespräch bringt. Müller fragte: „Ist die öffentliche Hand vorausschauend zu einer Mithaftung bereit, solange die Atomkraftwerksbetreiber noch nicht insolvent sind?“
EnBW versucht darin, die Gläubiger von Prokon davon abzuhalten, ihr Unternehmen in einer Genossenschaft weiter zu führen. Dafür wolle EnBW erhebliche Mittel bereitstellen: „Wir werden in den nächsten Jahren 3,5 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren und weitere 3 Milliarden in Stromnetze.(...) Dabei hat EnBW im letzten Jahr rund 450 Millionen Euro Verlust geschrieben. Der Kurswert der EnBW-Aktie ist in den vergangenen vier Jahren um rund 40% gesunken (..). Ich finde
Finanztest sollte mal untersuchen wie pleite EnBW ist?
Ihre Darstellung unter Variante 1: Genossenschaftsplan weist einen Fehler auf, der im Hinblick auf die Bewertung nicht ganz unerheblich ist: Bei der Genossenschaftsvariante erhalten diejenigen Gläubiger (d.h. in diesem Fall Genussrechtsinhaber), die nicht bereit sind, Mitglieder der Genossenschaft zu werden, keineswegs eine Barauszahlung in Höhe von 24,4 % ihrer Forderungen. Vielmehr erhalten sie eine sog. Abgeltungskomponente, die sich u.a. aus den Forderungen gegenüber dem Palettenwerk in Torgau als auch aus dem Verkauf rumänischer Wälder speist.. Wann und in welchem Umfang diese Forderungen realisiert werden können und Bargeld ausgezahlt wird, ist aus den mir vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Eine relativ kurzfristige Auszahlung von Bargeld ist bei der Genossenschaftsvariante nur für sonstige Gläubiger in Höhe von 34,5% vorgesehen (und damit geringfügig höher als bei der Investorenvariante, bei der alle Gläubiger 34,1% erhalten sollen.