
Verlustgeschäft. Raten für Unternehmensbeteiligungen sind auch zu zahlen, wenn klar ist, dass Anleger nichts wiedersehen. © Stiftung Warentest
Wer in eine Genossenschaft oder eine andere Gesellschaft investiert und in Raten einzahlt, geht hohe Risiken ein. Wie sich Anlegerinnen und Anleger schützen.
Ein Albtraum: Mitglieder der 2022 kollabierten Wohnungsbaugenossenschaft WSW Wohnsachwerte eG aus Weiden verlieren alles, was sie eingezahlt haben – und der Insolvenzverwalter wird wohl noch mehr Geld von ihnen fordern. Je nach Fall mehrere Tausend Euro. Sie haben keine Aussicht, etwas davon wiederzusehen.
Das kann Anlegenden blühen, die sich an Unternehmen beteiligen und dafür in Raten einzahlen. Sie verpflichten sich, einen bestimmten Gesamtbetrag zu leisten und werden oft Mitunternehmer und Gesellschafter. Häufig ist bei solchen Angeboten von „Sparplan“, „Ratensparer“ oder „Ansparplan“ die Rede. Das suggeriert falsche Sicherheit.
Wirtschaftsprüfer verweigerte Testat
Gesellschaften des Emissionshauses Steiner + Company trugen sogar „Anspar Plan“ im Namen. Ihr „Multi Asset Anspar Plan 4 120“ legte im Januar 2023 völlig verspätet desaströse Zahlen für 2020 vor, der Wirtschaftsprüfer versagte das Testat. Schwestergesellschaften mit den Zahlen 180 und 240 im Namen haben Insolvenz angemeldet. Ihre Anlegenden leisteten „stille Einlagen“, trugen also unternehmerische Risiken, ohne Gesellschafter zu werden.
Viel höheres Risiko als bei Sparplänen
Stiftung Warentest warnt seit Jahren vor den Risiken solcher Ratenzahlpläne. Sie sind viel höher als bei Sparplänen für Bankguthaben oder für Anteile an offenen Fonds. Bei unternehmerischen Beteiligungen in Raten können Anlegende nicht einfach aussteigen. Die Expertinnen der Stiftung Warentest beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie erkenne ich, dass meine Sparraten in eine Beteiligung an Unternehmen fließen?
Das sehen Sie auf Ihrem Zeichnungsschein beziehungsweise der Beitrittserklärung. Dort steht der Betrag, mit dem Sie sich insgesamt beteiligt haben. Oft sind das vier- bis sechsstellige Beträge. Das Geld bringen Sie nicht auf einmal, sondern nach und nach auf. „Die Einzahlung des Zeichnungsbetrages erfolgt ratenweise“, hieß es etwa auf dem Zeichnungsschein des „Multi Asset Anspar Plan 4“.
Ich habe keine Beitrittserklärung unterschrieben. Warum muss ich trotzdem zahlen?
Bei Genossenschaften war es bis 2017 möglich, zahlungspflichtiges Mitglied zu werden, ohne etwas zu unterschreiben. Es reichte, jemanden mündlich zu bevollmächtigen, der dann den Beitritt erklärt hat. Das nutzten unseriöse Genossenschaften aus. Geschickte Telefonverkäufer brachten Angerufene dazu, so eine Vollmacht abzugeben. Heute reicht eine mündliche Vollmacht nicht mehr.
Tipp: Stiftung Warentest erklärt, wie Sie solide von dubiosen Genossenschaften unterscheiden.
Bei der Wohnungsbaugenossenschaft WSW gibt es Ratenzahler, die ebenfalls berichten, nie ihren Beitritt erklärt zu haben. Sie hätten sich nur auf Webseiten wie Foerderhelden.de und Dein-foerdergeld.de über vermögenswirksame Leistungen informiert. Die WSW verantwortete diese Portale und beauftragte mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer deren Arbeitgeber, ihr die vermögenswirksamen Leistungen zu überweisen. Es ist bei Wohnungsbaugenossenschaften möglich, diese für eine Mitgliedschaft zu verwenden.
Können Ratenzahler belegen, dass die WSW die Formvorschriften für einen Beitritt nicht eingehalten hat, gelten sie im Gegensatz zu den anderen Genossen als Gläubiger. Sie konnten daher die Raten als Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter verteilt später das verbliebene Vermögen auf die Gläubiger. Sie haben eine Chance, einen kleinen Teil ihres Geldes wiederzubekommen. Und: Der Insolvenzverwalter kann von ihnen kein Geld mehr nachfordern.
Warum kann ich bei Problemen die Raten nicht stoppen?
Weil der Gesellschaft auch der Teil Ihres Investments zusteht, den Sie noch nicht gezahlt haben, auch wenn Probleme erkennbar sind oder eine Abwicklung angeordnet ist. Die WSW durfte bei mehr als drei Monaten Verzug eines Mitglieds sogar den gesamten noch ausstehenden Betrag fällig stellen.
Gibt es einen Ausweg, wenn noch keine Insolvenz angemeldet ist?
Theoretisch schon, praktisch nur manchmal. Es ist möglich, die eigenen Anteile auf andere zu übertragen. Allerdings dürfte sich im Krisenfall niemand finden, der bereit ist, Geld in einem Loch verschwinden zu lassen.
Manchmal ist es möglich, ordentlich zu kündigen oder den Beitritt zu widerrufen, wenn die Belehrung darüber nicht korrekt war. Falls es eine Härtefallklausel gibt, kann ein Ausstieg bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit in Betracht kommen. Kündigungsfristen sind allerdings oft lang, bei der WSW waren es zum Beispiel fünf Jahre.
Bei wesentlichen Pflichtverstößen, wenn etwa das Geld zweckentfremdet wird, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Gesellschaftsrecht ist kompliziert. Wer aussteigen will, sollte sich besser rechtlich beraten lassen.
Ich konnte aussteigen. Warum bekomme ich viel weniger zurück, als ich eingezahlt habe?
Wer widerruft oder kündigt, bekommt nicht das eingezahlte Geld zurück, sondern einen Anteil am Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt, in dem Kündigung oder Widerruf wirksam werden. Dieser kann auch negativ sein. Statt dass Aussteiger Geld zurückbekommen, müssen sie dann sogar noch etwas zahlen. Diese Gefahr ist bei Ratenplänen besonders groß. Das einzig Positive: Die Ratenzahlverpflichtung endet dann. Gut für alle, die noch nicht viel eingezahlt haben.
Nur wer erfolgreich Schadenersatz einklagt, etwa wegen Fehlern in einem Verkaufsprospekt oder bei der Anlageberatung, kann die Beteiligung rückabwickeln und die eingezahlten Raten wiederbekommen.
Was kann ich als Anlegerin oder Anleger in einer Krise sonst noch tun?
Als Gesellschafter können Sie in der Regel Ihre Mitbestimmungsrechte nutzen, etwa bei Versammlungen. Es gelingt aber selten, genug Mitstreiter zu finden, um Beschlüsse zu fassen, die der Führungsspitze nicht genehm sind. Geschafft haben es Anleger etwa bei geschlossenen Immobilienfonds des Emissionshauses Wölbern.
Wer sich unternehmerisch beteiligt, hat aber nicht immer ein volles Stimmrecht. Das gilt zum Beispiel für „investierende Mitglieder“ einer Genossenschaft wie der WSW. Deren Stimmen durften bei Beschlüssen nicht mehr als 10 Prozent der Stimmen ordentlicher Mitglieder ausmachen. Beim Multi Asset Anspar Plan 4 hatten die nur still Beteiligten gar keine Mitbestimmungsrechte.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich mit anderen Anlegenden zusammenzuschließen. Es kommt aber vor, dass die Organisatoren von Interessensgemeinschaften nicht die Bedürfnisse der Mitglieder im Fokus haben. Achten Sie darauf, dass dort Anlegende das Sagen haben. Anwälte und Vermittler haben eigene Interessen.
Warum darf der Insolvenzverwalter ausstehende Einlagen einfordern?
Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft, an der Sie sich beteiligt haben, eröffnet, darf der Insolvenzverwalter den noch ausstehenenden Betrag Ihrer Einlage einfordern. Und zwar alles auf einen Schlag.
Zudem ist es nicht möglich, die Raten für die Beteiligung als Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden, wenn Sie Miteigentümer sind. Die Anleger beim „Multi Asset Anspar Plan 4“ sind das zwar nicht. Ihre Forderungen gelten aber als nachrangig und werden erst bedient, wenn im Insolvenzverfahren alle vorrangigen erfüllt sind. Meist ist dann nichts mehr übrig.
Was wird aus meiner Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmersparzulage?
Über Wohnungsbaugenossenschaften können Mitglieder die Wohnungsbauprämie und die Arbeitnehmersparzulage bekommen. Das versprach auch die WSW. Die Wohnungsbauprämie fließt auf das Mitgliedskonto bei der Genossenschaft. Bereits gezahlte Prämien sind nach aller Voraussicht für die Genossen verloren. Weitere können sie nicht mehr für die WSW-Mitgliedschaft erhalten.
Die Arbeitnehmersparzulage beantragen und bekommen Sie als Beschäftigte selbst. Können Sie die sieben Jahre Sperrfrist nicht einhalten, weil die Genossenschaftsanteile wertlos geworden sind – wie bei der WSW – behalten Sie ihren Anspruch auf die Zulage.
Ich habe meine Beteiligung vor der Insolvenz gekündigt. Bin ich aus dem Schneider?
Nicht unbedingt. Wird die Kündigung bei einer Genossenschaft etwa weniger als sechs Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam, zieht sie nicht. Hat eine Fondsgesellschaft Zahlungen an Anleger geleistet, die nicht aus Gewinnen stammten, kann es sein, dass der Insolvenzverwalter sie für bis zu vier Jahre zurückfordert.
-
- Der Verdacht auf Untreue, Insolvenzverschleppung und gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug bei der Geno Wohnbaugenossenschaft eG aus Ludwigsburg scheint sich zu...
-
- Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Wohnungsbaugenossenschaft Nova Sedes Vertragsklauseln untersagt, die Verbraucher nach Ansicht des Marktwächter-Teams der...
-
- Das Urteil des Landgerichts Hamburg, das die Finanztest-Bewertungen des Fidura Rendite Plus Ethik Fonds für zulässig hält, ist rechtskräftig (Az. 324 O 60/20). Die...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.