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Anleger um den Verein „Freunde von Prokon“ schüren Ängste um das Vermögen der Windparkfirma Prokon. Denn deren Projekte landen bei der Schwestergesellschaft Windauf.
Anlegerverein verschickt Warnschreiben
Ein Schreiben mit düsterem Inhalt hat der Verein Freunde von Prokon e.V. an Genossen der Prokon eG aus Itzehoe im Vorfeld der Generalversammlung am 9. Juni 2021 geschickt. Vereinsvorstand Wolfgang Siegel warnt darin, Prokon gliedere Vermögenswerte aus. Er befürchtet, das könne nachteilig für die Genossen sein. Das Prokon-Management weist dies scharf zurück.
Genossen erhielten Prokon am Leben
Der Verein hatte als eine der treibenden Kräfte mit dafür gesorgt, dass aus Prokon überhaupt eine Genossenschaft wurde: Als im Januar 2014 der Windparkbetreiber Prokon GmbH aus Itzehoe Insolvenz anmeldete, zitterten damals 75 000 Anleger um ihr Geld. Sie hatten insgesamt 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte der Gesellschaft investiert. Seinerzeit hatte der Anlegerverein Freunde von Prokon dafür geworben, Prokon am Leben zu erhalten und 2015 in eine Genossenschaft umzuwandeln (Prokon: Windkraft-Firma wird Genossenschaft). Die ehemaligen Genussrechtsinhaber hatten darüber hinaus das Recht, Anleihen zu beziehen.
40 000 Anleger sind beteiligt
Heute besitzen rund 40 000 Kleinsparer Genossenschaftsanteile. Zum Januar 2017 musste der Wert der Anteile von ursprünglich 50 Euro um ein Drittel abgeschrieben werden. Als Gründe nannte das Unternehmen ein schlechtes Windjahr 2016 und deutlich verschlechterte Rahmenbedingungen in Polen, wo Prokon Windparks besitzt. Inzwischen zahlt Prokon wieder eine Dividende. Die Genossen können die Ausschüttung im Unternehmen lassen und damit den Wert ihrer Anteile aufbessern auf derzeit 37,54 je Anteil.
Anleihe wird nach und nach getilgt
Die Anleihen mit einem Zins von 3,5 Prozent sind mit den bestehenden Windparks besichert. Über die Laufzeit bis 2030 wird sie getilgt. Entsprechend sinkt Jahr für Jahr der Nennwert der börsengehandelten Papiere. Die Anleihen mit ursprünglich 10 Euro haben nach den ersten Tilgungen derzeit noch einen Nennwert von 7,12 Euro. Die Papiere gelten mit einem Rating von BB als anlagewürdig, das Ausfallrisiko ist aufgrund der festen Strom-Einspeisevergütungen eher niedrig.
Verein fürchtet ein Ausbluten
Sorgen bereitet dem Verein eine davon unabhängige Entwicklung: In den Brief an die Genossen, der Finanztest vorliegt, führt der Verein die 2017 gegründete von Prokon rechtlich unabhängige Schwestergesellschaft Windauf eG an, die ebenfalls ihren Sitz in Itzehoe hat. Unter dem gleichen Management wie Prokon kauft diese Schwestergesellschaft von Prokon entwickelte Windparks und Solarparks auf und betreibt sie. Der Verein sieht das kritisch: Werte aus der alten Gesellschaft würden in eine neue transferiert, warnt der Brief mit fetten Lettern. Es bestehe die Gefahr, „dass die Ursprungsgesellschaft ausblutet.“
Verkauf von Windparks war geplant
Dass Prokon neu entwickelte Windparks verkaufen muss, um Zinsen und Tilgung der Anleihe zu stemmen und obendrein noch Ausschüttungen an die Genossen zu erwirtschaften, sah bereits der Insolvenzplan vor. „Würden wir alle selbst entwickelten Projekte auch betreiben, wäre zu viel Liquidität gebunden“, erläutert ein Sprecher von Prokon. Von Beginn an habe die Prokon Genossenschaft selbst entwickelte Projekte auch weiterverkauft. Die Einnahmen daraus seien unverzichtbar, so schildert es die Unternehmensführung. Tatsächlich müssen neben Einspeisevergütungen und Stromverkauf an Privatkunden auch andere Geldquellen her, um die Fortführung zu sichern.
Schwestergenossenschaft kauft Projekte
Damit ein Teil des Projektierungsgeschäfts auch „in der Familie bleibt“, wie es Prokon formuliert, kauft die Schwestergesellschaft Windauf nun mit frisch eingesammeltem Kapital einige von Prokon entwickelte Projekte und betreibt sie auch. Dabei ist die Windauf noch ein recht kleines Schwesterchen. Bislang haben Prokon-Genossen und neue Anleger dort etwa 11 Millionen Euro in Anteile investiert. Genug, um zwei Solarparks und drei Windparks von Prokon zu übernehmen. Fremdkapital musste die Windauf nach eigenen Angaben bislang nicht aufnehmen. Dazu besteht aber die Möglichkeit.
Prokon-Aufsichtsrat stellt sich gegen Anlegerverein
Es sei gut möglich, dass die Windauf eG sich nach Auslaufen der Anleihe und damit der hohen Fremdkapitallast wieder mit Prokon vereint, heißt es im Mitgliederbereich der Prokon-Webseite. Obendrein blieb Prokon bislang an allen zuvor entwickelten und an andere Windparkbetreiber verkauften Projekten über Sacheinlagen mit 19,9 Prozent beteiligt. Prokon-Aufsichtsrat Rainer Doemen, der lange selbst in vorderster Reihe bei den Freunden von Prokon aktiv war, zeigt sich enttäuscht von der Aktion des Anlegervereins unter dem heutigen Vereinsvorstand Wolfgang Siegel: „Hier wird die Karte Angst gespielt“, findet Doemen, „völlig ohne Grund.“
Prokon-Vorstand weist Vorwürfe zurück
Prokon-Vorstand Henning von Stechow sagt gegenüber Finanztest: „Es handelt sich hier um eine Desinformationskampagne einer kleinen Gruppe von Genossen beziehungsweise einer Einzelperson. Die Meinung von Prokon ist klar: Die Vorwürfe sind in allen wesentlichen Punkten irreführend, unwahr oder beides.“
Unser Kommentar
Die Vorgehensweise des Prokon-Vorstands kann wirtschaftlich sinnvoll sein. Derzeit gibt es keine Hinweise dafür, dass Vermögenswerte zu nicht marktgerechten Preisen oder zu unvorteilhaften Konditionen weitergegeben werden. Insofern sind auch keine Nachteile für die Genossen erkennbar.
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Eine gute Idee wird wohl von "Nieten in Nadelstreifen" - denen das Geld der ANleger wohl nur Mittel zum Zweck des eigenen Wohllebens nütze war, zerfleddert.
Komisch - dass die Gehälter der Bosse sich nicht am Erfolg orientieren...
Wen man die heutige Werbung im Internet sieht, (14.09.22)
hat man schon das Gefühl,
dass mit Emotionen Finanzen eingeworben sollen,
die nach Art "Schneeballsystem" das weitere Wohlleben Einiger finanzieren sollen!!!
Da ist es schwer, sich als "potentieller Wohltäter an Natur und Gesellschaft" -
sich für ein solches Projekt zu entscheiden, in das man kein Vertrauen aufbauen kann...