
Unheilbar Kranke dürfen sich in ihren letzten Tagen daheim oder im Hospiz versorgen lassen. Im Notfall helfen Palliativkliniken.
Wenn die Ärztin ihrem schwerkranken Patienten keine Hoffnung mehr machen kann, ist es Zeit für die Palliativmedizin. Dann geht es darum, die Lebensqualität der verbleibenden Tage zu verbessern: Symptome wie Schmerz, Atemnot oder Übelkeit lindern, Ängste nehmen, helfen, finanzielle oder rechtliche Dinge zu regeln. Auch um Angehörige kümmern sich Palliativkräfte. Die Versorgung kann zu Hause oder im Hospiz stattfinden, unterstützt von ehrenamtlichen Sterbebegleitern. Für Notfälle stehen Palliativstationen in Kliniken bereit. Hier stellen wir die Möglichkeiten vor.
Adressen zu einzelnen Angeboten finden sich auf der Website wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.
Zu Hause: Ambulantes Palliativteam

Palliativkräfte. Sie haben Zeit nicht nur für medizinische Dinge, sondern auch für Gespräche mit den Patienten.
Susanne Schwab (Name geändert) aus Berlin erkrankte schwer an Krebs. Nach einer großen Bauch-OP war unklar, wohin sie entlassen werden sollte: eine andere Klinik, ein Hospiz? Da erzählte ihr ein Arzt, dass Patientinnen wie sie, die aufwendig versorgt werden müssen, einen Rechtsanspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) haben: SAPV-Teams, zu denen ein Arzt oder eine Ärztin sowie Pflegefachkräfte gehören, versorgen die Kranken zu Hause – vorausgesetzt, die Versorgung ist ambulant möglich.
Wer übernimmt die Kosten?
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten, ebenso die meisten Privatversicherer. Menschen mit Pflegegrad können zudem bei der Pflegekasse Zuschüsse beantragen, wenn im Haus Umbauten für die Palliativpflege nötig sind (Pflegeversicherung: Wann sie leistet, was sie kostet).
Bei einigen Patienten reicht ein Besuch in der Woche, bei anderen sind es vier am Tag. Viele leiden an Krebs, aber auch ALS, Aids, COPD, Parkinson. Im Schnitt werden sie sechs Wochen lang betreut. Die SAPV-Ärztin legt die Medikation fest, verordnet Hilfsmittel oder Physiotherapie.
Wie funktioniert die ambulante Versorgung?
Verordnet wird die ambulante Versorgung vom Haus- oder Klinikarzt. Er kann auch Kontakt zu einem SAPV-Team herstellen. Oder Betroffene suchen selbst einen SAPV-Arzt, der Pflegekräfte mitbringt. Zurzeit sind 361 Teams in Deutschland im Einsatz. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, vor allem in ländlichen Regionen.
Für Schwab fand sich ein Team beim Pflegedienst des Nachbarschaftsheims Schöneberg/Sozialstation Friedenau. Sie kam nach Hause zu ihrem Mann. Vier Tage später fiel sie nachts ohnmächtig aus dem Bett und erlitt einen Milzriss. Erneute Bauch-OP. Die Wunde schloss sich nicht. Trotzdem durfte sie wieder nach Hause. Dann entzündete sich der Randbereich ihres künstlichen Darmausgangs. Auch solche Fälle kann das SAPV-Team versorgen, unter anderem mit Fachpflegekräften.
Was passiert im Notfall?
Frau Schwab oder ihr Mann können sich jederzeit in der Zentrale melden. Reicht ein Telefongespräch nicht aus, kommen eine Pflegefachkraft oder ein Arzt vorbei, auch nachts und am Wochenende. Medikamente bestellt das Pflegepersonal bei einer kooperierenden Apotheke, die sie liefert.
Im Hospiz: Begleitung bis zum Tod
Nicht immer können Sterbenskranke zu Hause versorgt werden – sei es, da sie allein leben, die Beschwerden zu groß oder Angehörige mit der Pflege überlastet sind. Hospize nehmen Kranke auf, die voraussichtlich nur noch wenige Wochen oder Monate zu leben haben und deren Krankheit voranschreitet.
Wie viele Hospize gibt es?
Zirka 230 Hospize für Erwachsene gibt es in Deutschland, konfessionelle wie nicht konfessionelle. Sie haben oft Wartelisten. Es ist gut, sich bei mehreren einzutragen. Im Schnitt bleiben die Patienten 28 Tage. Mittlerweile stehen auch Tageshospize offen, die nur tagsüber betreuen.
Wer übernimmt die Kosten?
Den Aufenthalt im Hospiz muss die Krankenkasse bewilligen. Sie braucht dafür eine ärztliche Bescheinigung über die Diagnose und Notwendigkeit stationärer Palliativversorgung. Alle vier bis sechs Wochen fordert sie ein neues ärztliches Gutachten. Die Kasse übernimmt 95 Prozent der Kosten, 5 Prozent bestreitet das Hospiz, meist aus Spenden. Bei einem Pflegegrad beteiligt sich auch die Pflegekasse. Privatversicherte klären das mit ihrem Versicherer. Neuere Tarife umfassen meist das Hospiz.
Was bietet ein Hospiz?
Hospize haben höchstens 16 Plätze und nur Einzelzimmer. Oft führt ein Blick ins Grüne und es besteht die Möglichkeit, mit Rollstuhl oder Bett auf eine Terrasse zu fahren. Bewohnerinnen und Bewohner werden „Gäste“ genannt. So auch im Lazarus-Hospiz Berlin-Friedrichshain, sagt Leiterin Anette Adam. Wie andere Hospize hat auch dieses eine wohnliche Atmosphäre. An der Decke über jedem Bett hängt ein großformatiges Wolkenfoto. Ein Wohnzimmer mit Klavier und Couch lädt zum Entspannen ein, eine Küche zum Kochen. Besuche sind gestattet, zurzeit aber nur nach einem Covid-19-Schnelltest, den das Haus vor Ort anbietet.
Wie werden die Patienten betreut?
Palliativärzte sind im Lazarus-Hospiz rund um die Uhr erreichbar. Auch vom Hausarzt können sich Patienten weiterbehandeln lassen, falls er Hausbesuche macht. 90 Prozent der Pflegekräfte haben hier eine palliative Zusatzausbildung. „Sie arbeiten in besserer Besetzung als im Pflegeheim und haben mehr Zeit für die Patienten“, sagt Anette Adam. Eine Sozialarbeiterin hilft bei finanziellen und rechtlichen Belangen wie dem Rentenantrag. Angeboten werden zum Beispiel auch Maltherapie und Klangschalenmassage.
Im Krankenhaus: Stationäre Palliativversorgung
Werden Beschwerden eines Todkranken so stark, dass er nicht mehr daheim oder im Hospiz behandelt werden kann, ist der Aufenthalt auf einer Palliativstation nötig. Ziel ist es, ihn so zu stabilisieren, dass er wieder entlassen werden kann. Im Schnitt ist das nach 10 bis 14 Tagen der Fall.
Wann ist die stationäre Versorgung nötig?
Die Haus- oder Klinikärztin muss den Aufenthalt verordnen. Voraussetzungen sind eine unheilbare Grunderkrankung und komplexe, akute Belastungen. Krankenkasse und Privatversicherer übernehmen die Kosten. Bundesweit stehen zirka 350 Palliativstationen bereit, meist mit weniger Plätzen als Anfragen. In einigen Kliniken können Patienten auf einer normalen Station vom palliativmedizinischen Konsiliardienst betreut werden. „Luftnot oder Schmerzen werden behandelt, auch Ängste oder psychosoziale Nöte könnten die Einweisung bedingen“, sagt Wiebke Nehls, Oberärztin der Lungenklinik Heckeshorn. Sie leitet den Bereich für Palliativmedizin am Helios-Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf.
Was bietet eine Palliativstation?
Acht Einzel- und zwei Doppelzimmer hat die Abteilung, die sich in einem separaten Gebäude mit Garten und Terrasse befindet. Die Pflegekräfte sind für die Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden ausgebildet. Der Personalschlüssel ist höher als auf einer normalen Station. So ist mehr Zeit für die Kranken. Der Sozialdienst hilft beim Briefwechsel mit Ämtern und Behörden und kümmert sich um die Anschlussversorgung: Kann der Patient nach Hause entlassen werden, ist ein Hospiz geplant?
Wie werden die Patienten betreut?
Zum Team gehören Seelsorger und Psychologinnen. Oft seien die Schwerkranken mit Fragen über das Sterben beschäftigt, und auch Angehörige bräuchten Zuspruch, so Nehls. Aktuell dürfen die Patienten von einer Person pro Tag für eine Stunde Besuch erhalten, Sterbebegleiter kommen nach individueller Absprache vorbei.
Tipp: Hospiz- und Palliativverbände finden Sie auch in unserem Test Hospiz- und Palliativangebote. Weitere Infos bietet unser Finanztest Spezial Patientenverfügung.
Nicht allein auf dem Weg

Lebenswert. Raus an die Luft gehen, ins Grüne blicken – auch die letzten Tage kann man noch gestalten.
Sterbebegleiter stehen Sterbenden zur Seite und unterstützen Angehörige.
Ehrenamt. Menschen brauchen jemanden zum Reden, gerade wenn das Ende naht. Manche sind allein, Verwandte wohnen weit weg oder haben keine Zeit. Ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen und -begleiter betreuen Kranke und Angehörige kostenlos, sowohl zu Hause als auch in Pflegeheim, Klinik und Hospiz. Zurzeit gelten jedoch aufgrund der Pandemie strenge Besuchsregeln. Für Hausbesuche erhalten Sterbebegleiter kostenfrei Schnelltests und FFP2-Masken.
Kontakt. Wer einen Sterbegleiter sucht, kann sich an einen ambulanten Hospizdienst vor Ort wenden (Adressen: wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de). Der Hospizdienst wählt nach einem Gespräch die passende Person. Einige sind spezialisiert auf Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen oder Migrantinnen und Migranten. Wer sich als Sterbebegleiter engagieren möchte, bewirbt sich bei einem Hospizdienst, wird auf seine Eignung geprüft und absolviert eine sechsmonatige Ausbildung mit Unterricht und Hospitationen.
Zuwendung. „Sich einzulassen ist das Wichtigste“, sagt Beate Böttner, die für den Hospizdienst des Diakonie-Hospizes Berlin-Lichtenberg im Einsatz ist. Sterbebegleiter sind für Gespräche und Aktivitäten da, nicht für Pflege oder Haushalt. Zwei bis drei Monate begleitet Böttner die Todkranken im Schnitt. Sie hilft ihnen auch gern bei Problemen mit Kranken- oder Pflegekasse. Solche Fragen kurz vor Lebensende zu klären, sei nicht banal. Böttner: „Das gibt Sicherheit.“
Das sagt der Palliativexperte

Urs Münch, Psychologischer Psychotherapeut und Psychoonkologe, gehört zum Palliativteam der DRK-Kliniken Berlin-Westend.
Palliativexperte Urs Münch begleitet Covid-19-Patienten.
Können Angehörige sterbende Covid-19-Patienten besuchen?
Trotz Schutzkleidung ist das nicht immer möglich. Mehr Sterbebegleitung realisieren zu können, wäre wünschenswert. Nicht richtig Abschied nehmen zu können, kann bei Hinterbliebenen zu einer Trauerstörung führen. Sie erhalten von uns Unterstützungsangebote.
Was können Sie für beatmete Patienten tun, die betäubt sind?
Da sein und achtsam Zuwendung geben. So reden, als verstünden sie alles, auch wenn wir nicht wissen, was ankommt. Wenn Zugehörige noch etwas sagen möchten, das ihnen auf dem Herzen liegt, können wir den Patienten den Telefonhörer ans Ohr halten. Vielleicht registrieren sie die vertraute Stimme.
Was ist mit Kranken, die noch ansprechbar sind?
Zunächst ist es wichtig, einen guten Kontakt herzustellen. Wir regen auch an, über den Ernstfall nachzudenken. Ich rate ihnen, viel zu klären, später kann man vielleicht keine Entscheidung mehr treffen. Das empfinden viele als entlastend. Es ist gut, einen Plan zu haben. Einige wollen, dass medizinisch alles gemacht wird, andere möchten „nicht an Schläuchen hängen“.
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