
Als die Bank ihm eine Kreditkarte verweigerte, ließ Friedrich Heither sich das nicht gefallen. © Severin Wohlleben
Mutmacher treten für die Rechte aller ein. So wie Friedrich Heither, der gegen Altersdiskriminierung vor Gericht zog. Er erstritt ein Recht auf eine Kreditkarte – mit 90.
Wenn jemand seine Rechte kennt, dann Friedrich Heither. Er hat Jura studiert, den Vorbereitungsdienst und beide Staatsexamina absolviert, ist Doktor der Rechtswissenschaften und war 35 Jahre lang Richter, davon 25 Jahre am Bundesarbeitsgericht, zuletzt als Vorsitzender Richter. Anschließend arbeitete er als Rechtsanwalt. Der Schutz vor Altersdiskriminierung dürfte für Heither, bald 91 Jahre alt, inzwischen eines seiner wichtigsten Rechte sein.
Kredite nur für Junge
Das Verbot, Menschen wegen ihres Alters zu diskriminieren, ist bereits seit 2006 Gesetz. Trotzdem gibt es bei den vielen Banken Altersgrenzen für Kredite. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen. Ratenkredite wollten 55 von 100 befragten Banken ab einem bestimmten Alter nicht mehr vergeben, Immobilienkredite sogar 71. Durchschnittliche Altersgrenze: 67 Jahre. In unserem Test Immobilienkredit mit 55plus allerdings gaben die befragten Institute an, keine Altersgrenzen zu haben. Die Zinssätze in dem Test lagen auf dem gleichen Niveau wie bei Immobilienkreditangeboten für jüngere Menschen damals auch.
Wegen Alter diskriminiert
Friedrich Heither wollte gar kein großes Darlehen, sondern nur eine Kreditkarte mit einem Verfügungsrahmen von gerade mal 2 500 Euro. Heithers Pension liegt bei weit über 6 000 Euro im Monat – mehr als genug Bonität für eine Kreditkarte mit einem solchen Verfügungsrahmen. Doch die Bank sagte Heither ab: Er sei zu alt, beschied sie ihm. Der wahre Grund ist wohl: Im Falle seines Todes muss sie seine Erben ermitteln und von diesen Zahlung fordern, sofern Heither das Soll zu Lebzeiten nicht ausgeglichen hat – das bedeutet viel Aufwand und entsprechende Kosten. Um welche Bank es geht, sagt er nicht. Das spielt im Grunde auch keine Rolle. Vermutlich wäre es ihm bei jedem Geldinstitut so gegangen. Einzige Ausnahme: Heithers Hausbank hätte ihm ihre (etwas teurere) Kreditkarte wohl trotz seines hohen Alters gegeben. Sie kennt ihn und seine Erben ohnehin seit vielen Jahren.
Noch kein einziges Urteil
Ihm trotz seiner Bonität die Kreditkarte zu verweigern, ist gesetzlich verbotene Altersdiskriminierung, denkt Friedrich Heither. Doch obwohl es Tausende Fälle geben müsste, findet er in den juristischen Datenbanken und Kommentaren kein einziges Urteil. Also prüft der pensionierte Richter selbst, wie es um seine Rechte steht. Klar ist: Die Kreditkarte nur deshalb zu verweigern, um Ärger mit den Erben zu vermeiden, ist eine „Benachteiligung wegen des Alters“, wie es das Gesetz formuliert. Die Hürde für benachteiligte Senioren: Gibt es einen sachlichen Grund, kann eine Benachteiligung gerechtfertigt sein. Die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass jemand nicht mehr lange lebt, reicht als Grund aber nicht aus, weiß Heither. Dann wäre es nämlich immer erlaubt, Ältere schlechter zu stellen – und das gesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen des Alters liefe völlig ins Leere.
Ihre Chance
Wehren Sie sich
Verweigert Ihnen eine Bank oder Sparkasse unter Verweis auf Ihr Alter einen Kredit oder eine Kreditkarte, obwohl Sie über genügend Bonität verfügen, ist das rechtswidrig. Sie haben ein Recht auf Entschädigung.
So gehen Sie vor
Fordern Sie das Geldinstitut zur Zahlung von 3 000 Euro auf, wie sie die Gerichte im Fall Heither für richtig hielten. Wenn es um einen hohen Kredit geht, ist unserer Ansicht nach eine noch höhere Entschädigung angemessen. Fordern Sie, was Ihnen angemessen erscheint. Setzen Sie eine Frist von mindestens zwei Wochen. Bleibt die Zahlung aus, schalten Sie einen Rechtsanwalt ein, der Erfahrungen im Streit um Entschädigungen nach dem Gleichbehandlungsgesetz hat. Machen Sie sich klar: Wenn Sie Ihr Recht nicht durchsetzen, betrifft das nicht nur Sie, sondern es gibt auch für Banken und Sparkassen insgesamt keinen Anlass, ihr Verhalten Senioren gegenüber zu ändern und bleibt es bei der Diskriminierung älterer Menschen.
3 000 Euro Entschädigung
Das Diskriminierungsverbot des „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ gilt nur bei sogenannten Massengeschäften: Betroffen sind lediglich Unternehmen, die standardisierte Produkte für eine Vielzahl von Menschen anbieten. Ansonsten darf jeder Verträge abschließen, mit wem er will – oder eben nicht. Bei Kreditkartenangeboten handelt es sich indes genau um so ein Massengeschäft mit eingeschränkter Vertragsfreiheit, denkt Friedrich Heither und zieht vor Gericht. Er klagt auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Die beklagte Bank verteidigt sich nach allen Regeln der Kunst, doch das Amtsgericht Kassel folgt der Argumentation des ehemaligen Richters. Es verurteilt die Bank zu Schadenersatz in Höhe von 3 000 Euro.
Amtsgericht Kassel, Urteil vom 07.09.2023
Aktenzeichen: 435 C 777/23
Bank kann Bonität prüfen
Die Bank legt Berufung ein: Es bestehe die Gefahr, dass im Falle seines Todes die Erben seine Schulden nicht ausgleichen könnten, argumentieren ihre Anwälte. Das Landgericht urteilt, dies sei zwar ein sachlicher Grund, rechtfertige aber nicht, Menschen ab einem bestimmten Alter generell die Kreditkarte zu verweigern. Um das Risiko von Zahlungsausfällen zu verringern, genüge es, die Bonität betagter Kunden zu prüfen, urteilen die Richter am Landgericht. Die Bank muss Heither entschädigen. Das Urteil ist rechtskräftig. Für Seniorinnen und Senioren mit guter Bonität heißt das: Verweigern Banken ihnen eine Kreditkarte oder einen Kredit, steht ihnen mindestens eine anständige Entschädigung zu.
Landgericht Kassel, Urteil vom 23.09.2024
Aktenzeichen: 4 S 139/23
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Stimmt, sie haben vollkommen recht mit ihrem Beispiel. Das wäre ein sachlicher Grund und deshalb natürlich keine Diskriminierung. Tatsächliche Diskriminierung soll durch das Gesetz verhindert werden. Es liegt keine tatsächliche Diskriminierung vor. Diskriminierung bedeutet, einen Menschen anders zu behandeln in Abwesenheit entsprechend sachlicher Gründe. Ihn also anders zu behandeln, zum Beispiel aufgrund seiner Rasse oder seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung oder seiner Parteizugehörigkeit oder seiner politischen Ansichten. Letzteres ist übrigens in Deutschland nicht verboten. Banken können sehr wohl Kunden kündigen, weil diese ihrer Meinung nach die falsche Partei wählen. Das ist oft genug schon passiert. Das wäre tatsächlich Diskriminierung. Allerdings eine die vom Gesetz nicht abgedeckt ist. Eine sachlich begründete Gefahrenerhöhung ist keine Diskriminierung.
@WittyPitty (13.02.2025)
Mit der Begründung, sie könnten demnächst sterben und würden dadurch "Kosten" verursachen, könnten Kreditinstitute auch potentiellen Kundinnen bzw. potentiellen Kunden eine Kreditkarte verweigern, wenn sie gefährliche Sportarten wie Bergsteigen, Free Climbing, Motorradfahren, Cliff Diving, Wingsuit-Fliegen usw. und/oder gefährliche Berufe wie Berufssoldat, Feuerwehrmann, Polizist, Pilot, Dachdecker, Gerüstbauer oder Waldarbeiter ausüben.
Die Wahrscheinlichkeit dabei tödlich verletzt zu werden ist statistisch wesentlich größer als bei Verwaltungsbeamten, die in ihrer Freizeit Nordic-Walking machen oder wer wollte das anzweifeln? Auch das wäre dann ein "sachlicher" Grund obwohl es nichts anderes ist als soziale Selektion.
Zum einen stört mich immer die Vermischung beziehungsweise Verwechslung der Begriffe „Anspruch“ und „Recht“. Rechte können wir nicht genommen werden. Rechte habe ich, weil ich ein Mensch bin. Ansprüche können mir aber von Politikern jederzeit genommen werden. Vollkommen korrekt hat das Gericht festgestellt, dass die Bank sachliche Gründe hatte, um den Mann eine Kreditkarte mit dem gewünschten Kreditrahmen zu verweigern. Wohlgemerkt hätte der Mann mit Sicherheit zum Beispiel eine Debitkarte bekommen können, bei dem es keinen Kreditrahmen gibt. Eventuell, das wird hier nicht aufgeführt, wäre auch ein geringerer Kreditrahmen möglich gewesen. Das wollte der Mann aber nicht. Es lag also unstrittig ein sachlicher Grund vor. Das Gericht sah diesen sachlichen Grund nur als weniger schwerwiegend an gegenüber den Gründen die der Mann vorbrachte. Er wurde nicht wegen seines altersdiskriminiert. Er bekam keine Kreditkarte, weil dies mit zu hohen Kosten für die Bank verbunden wäre.
Demokratie ist mehr als das kleine Kreuz auf dem Wahlschein und dazu gehören auch Menschen wie Herr Heither, die vor Gericht für die Allgemeinheit und das Gemeinwohl streiten.
Ein Faktor dürfte in diesem Fall allerdings maßgeblich für den Erfolg verantwortlich gewesen sein und das ist zweifelsohne die "juristische Biografie" von Herrn Heither. Herr Heither kennt nicht nur die Gesetze und Paragrafen sondern weiß ganz offenkundig als Richter a. D. und Rechtsanwalt aus eigener Erfahrung, wie der deutsche Rechtsstaat in der Praxis funktioniert.
Viele Bürger, die diesen juristischen Hintergrund nicht haben, lassen sich leider von großen Banken und großen Firmen abschrecken bzw. scheuen das Prozesskostenrisiko. Außerdem macht es sicherlich einen Unterschied, ob ein Rechtsanwalt in eigener Sache vor Gericht klagt oder ein Rechtsanwalt für einen Dritten klagt und der Rechtsanwalt sein Geld auf Basis der BRAGO/RVG bekommt unabhängig davon, ob er den Fall gewinnt oder nicht.