
Heike Röhrs (41) arbeitet im Hamburger Hafen und ist Mutter eines achtjährigen Sohnes. © Stefan Korte
Finanztest stellt Menschen vor, die für Verbraucherrechte streiten. Diesmal: Heike Röhrs. Die Norddeutsche hat vor Gericht ihr Recht auf eine Teilzeitstelle durchgesetzt.
Arbeiten im Schichtbetrieb
Heike Röhrs‘ Arbeitsplatz ist der Containerterminal von Eurogate, der mitten im Hamburger Hafen liegt. Scheinbar endlose Güterzüge schnurren die Gleise entlang, gigantische Kräne entladen die Frachtschiffe. Hier werden Jahr für Jahr Millionen Container umgeschlagen. In zahllosen Schichten rund um die Uhr ist die 41-jährige Van Carrier gefahren, Spezialfahrzeuge, die bis zu drei Container übereinander stapeln können. An anderen Tagen hat sie die Ladevorgänge an den Kränen, den sogenannten Containerbrücken, überwacht.
Die Mutter eines achtjährigen Sohnes liebt ihren Job, doch in den vergangenen Jahren war es für sie oft fast unmöglich, Arbeit und Familienleben unter einen Hut zu bringen. Sie kämpft für familienfreundliche Arbeitszeiten, jedoch ihr Arbeitgeber stellt sich quer. Deshalb hat sie zwei Gerichtsprozesse gegen ihn geführt.
Flexible Arbeitszeitmodelle? Fehlanzeige!
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer ein Recht, ihre Arbeitszeit zu senken. Mütter und Väter von Kindern unter drei Jahren haben zusätzlich den besonderen Anspruch, zwischen 15 bis 30 Wochenstunden zu arbeiten. So weit die Theorie, gerade die Schichtarbeit hält weitere Herausforderungen bereit. Die Dienstpläne der Containerterminals bringen die Mütter und Väter in der Belegschaft immer wieder an ihre Grenzen: Die Frühschicht beginnt 6.30 Uhr, die nächste um 14.30 Uhr, die Nachtschicht geht von 22.30 Uhr bis 7 Uhr. Sie sagt: „Auch bei uns ließen sich flexible Arbeitszeitmodelle schaffen. Mich ärgert, dass es keiner versucht.“
Tipps für Teilzeitwillige
- Reduzieren.
- Wenn Sie Ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, können Sie sich auf Paragraf 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) berufen. Dieses Gesetz gewährt Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen das Recht, ihre Arbeitszeit zu verringern. Voraussetzung: Das Arbeitsverhältnis besteht mindestens sechs Monate und das Unternehmen beschäftigt mehr als 15 Menschen. Der Paragraf 9a regelt einen Anspruch auf begrenzte Teilzeit. Die sogenannte Brückenteilzeit gilt für mindestens ein Jahr, höchstens aber fünf Jahre.
- Ablehnung.
- Ihr Arbeitgeber kann Teilzeit aus mehreren Gründen ablehnen. Etwa wenn Abläufe oder die Sicherheit am Arbeitsplatz durch Ihre Teilzeitstelle wesentlich beeinträchtigt werden oder dadurch hohe Kosten entstehen. Sollte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen, müssen Arbeitgeber begründen, warum sie dem Wunsch nach Teilzeitarbeit nicht nachkommen können.
Den Sohn sieht sie oft tagelang nicht
Bei Heike Röhrs lief es zunächst wie geplant. Nach der Geburt ihres Sohnes 2012 ging sie in Elternzeit und pausierte mit ihrer Arbeit. Als der Kleine ein Jahr alt war, erkrankte ihr Ehemann schwer am Rücken und war für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig. Die Frau aus Schneverdingen wurde zur Hauptverdienerin und arbeitete Vollzeit im Drei-Schicht-System. „Eine hammerharte Zeit“, erinnert sie sich. „Durch die Schichtarbeit habe ich meinen Sohn oft tagelang kaum gesehen – ganz schlimm für ein Mamaherz!“
Arbeitgeber sperrt sich
So sollte es nicht weitergehen. Als der Ehemann, der ebenfalls Hafenfacharbeiter im Schichtbetrieb ist, nach der Krankheit 2016 an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, war der Sohn vier Jahre alt. Heike Röhrs beantragte, von nun an Tagesschichten von sechs Stunden zu arbeiten. Eurogate lehnte ab, individuelle Arbeitszeiten seien nicht möglich. Das Unternehmen ging auch nicht auf ihren Vorschlag ein, innerhalb des Schichtsystems nur noch die Frühschichten zu übernehmen. Heike Röhrs‘ Mutter sprang ein und betreute den Sohn, wenn die Eltern arbeiteten.
800 Männer, 25 Frauen
„Niemand verstand mein Problem. Auch der Betriebsrat nicht“, sagt die Hafenfacharbeiterin. „Das hier ist eine echte Männerwelt.“ Mehr als 800 Männer und etwa 25 Frauen sind an dem Standort beschäftigt.
Erfolg in zwei Gerichtsprozessen
Röhrs ließ sich bei der Gewerkschaft Verdi beraten und zog 2017 vor Gericht. Erfolgreich, sie durfte anschließend wie gewünscht sechs Stunden täglich an einer firmeneigenen Tankstelle arbeiten. Doch Ende 2019 erhielt sie eine Änderungskündigung, die ihre gerichtlich erstrittene Teilzeitregelung wieder aufhob. Eurogate wollte die Tankstelle veräußern, sie sollte wieder im Schichtbetrieb arbeiten. Mit einer weiteren Klage gegen die Änderungskündigung setzte sie sich ebenfalls durch. Das Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigte am 15. März 2021 ihren Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten (Az. 5 Sa 67/20).
„In der Arbeitswelt muss sich dringend etwas ändern“
Noch fühlt sich der Sieg schal an, denn aktuell wurden ihr Hilfsarbeiten zugeteilt. „Brücke putzen, Unkraut jäten, Müll sammeln“, zählt Heike Röhrs auf und sieht dabei trotzig, aber nicht unglücklich aus. Sie will kämpfen, um ihre alten Aufgaben zurückzubekommen. Was lässt sie durchhalten? „Die Unterstützung durch meinen Mann, der Zuspruch in den sozialen Medien und das Gefühl, dass sich in unserer Arbeitswelt dringend etwas ändern muss.“
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Ich finde, es ist ein wichtiger Schritt zu ausgeglichenen Verhältnissen zwischen "Der Mensch dient dem System" und "Das System dient dem Menschen".