Jung und verschuldet

„Ein Haus­halts­buch ist unsexy, aber das A und O“

Datum:
  • Text: Lena Sington
  • Faktencheck: Dr. Claudia Behrens
Jung und verschuldet - Wie junge Menschen aus der Schuldenfalle raus­kommen

Schuldenfachmann. Roman Schlag arbeitet seit 1992 rund um die Schuldnerberatung. Heute kümmert er sich politisch um soziale Sicherung, Armuts­fragen und Arbeits­markt­politik. © Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.

Roman Schlag ist seit 2017 Sprecher von der Arbeits­gemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), das ist die Dach­organisation der Schuld­nerverbände in Deutsch­land.

Herr Schlag, kommen viele junge Leute zu Ihnen in die Beratungs­stellen?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Wohl aber, dass Schuldnerkarrieren oft dann anfangen, wenn das erste eigene Geld da ist. Das Erwachsenwerden ist finanziell oft ein neuralgischer Punkt; da kann es gefähr­lich werden und das sehen wir auch in den Beratungs­stellen. Vielen jungen Menschen fehlt es einfach an Finanz­bildung. Wir wissen zudem, dass die jungen Menschen, die ihr erstes Einkommen haben und die erste eigene Wohnung beziehen, sehr „begehrt“ sind auf dem Markt für Banken. Dazu kommt der ganze Wahn­sinn um das Thema „Buy now, pay later“. Jüngere Menschen sind da oft noch nicht so gefestigt.

Mit „Buy now, pay later“ können Produkte gekauft und mit Rechnungs­kauf, Rahmenkredit oder Ratenkauf finanziert werden. Warum ist das für junge Menschen besonders gefähr­lich?

Das aggressive Angebots­verhalten der Anbieter ist nicht zu unterschätzen. Bei Online-Käufen steht oft im Vordergrund, in Raten zu zahlen, anstatt attraktiv deutlich zu machen, dass die Summe auch auf einen Schlag beglichen werden kann. Das heißt, den jungen Menschen wird vermittelt, dass Ratenzahlung das erste Mittel sei. Hinzu kommt, dass mit dem „Buy now, pay later“-Irrsinn nicht mehr nur noch teure Elektronik­artikel gekauft werden, sondern mitt­lerweile auch Alltägliches.

Auf dem Social-Media-Kanal Tiktok gibt es Wett­bewerbe, wer wie viele Klarna-Schulden hat. Ist Ihnen das bekannt?

Ja, manche Jugend­liche prahlen anfangs mit ihren Schulden und stellen sich dar als: „Schau mal, ich bin so kreditwürdig“. Wenn es dann aber kippt, darf das natürlich nicht sein. Dann kommt die Schamkeule und die ganzen alten Glaubens­sätze wie „Geld hat man, darüber spricht man nicht“. Dann stecken auch die jungen Leute den Kopf in den Sand und versuchen sich wegzuducken. Das Schamgefühl ist genau so vorhanden, wie es auch früher war. Wir haben in Deutsch­land ja auch sprach­lich das Problem zwischen „Schulden“ und „Schuld“. Viele denken, die sind selbst schuld und können nicht mit Geld umgehen, aber das sehe ich kritisch.

Was sind es für Summen, mit denen die jungen Menschen in der Regel kommen?

Da reden wir meist von einigen Tausend Euro, weil die Liquidität noch nicht da war. Es sind weniger die Riesen­summen, die über einen langen Zeitraum angehäuft wurden. Heute ist es die hohe Gläubigerzahl, die das Problem ist. Die jungen Menschen verlieren den Über­blick. Selbst für die Berater und Berate­rinnen vor Ort ist das oft schwerste Arbeit durch­zubli­cken, wem was geschuldet wird.

Dass es existenziell gefähr­lich werden kann, geht schneller, als man denkt. Wann sollten Jugend­liche sich Hilfe holen?

Wenn der Strom oder die Miete nicht mehr von meinem Konto abgeht, weil ich bereits durch das ganze Kleinvieh in den Duldungs­bereich gerutscht bin, dann habe ich ein wirk­liches Problem und sollte mir dringend Hilfe holen. Aber natürlich im besten Fall viel früher. Das Thema „Wohnen“ ist leider ein großes Thema in der Schuldnerberatung. Die hohen Miet­kosten werden zu einem Riesen­problem für ganz viele Menschen und da sind auch uns der Beratung oft die Hände gebunden.

Was ist Ihr Rat an die jungen Menschen?

Verlockungen standhalten! Das ist wohl die größte Heraus­forderung für viele. Widerstehen, wo Dinge verkauft werden. Und: Haus­halts­plan machen! Sortieren, was sind die festen Einnahmen und Ausgaben. Ich weiß, das ist unsexy, aber das ist das A und O.

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