
Schuldenfachmann. Roman Schlag arbeitet seit 1992 rund um die Schuldnerberatung. Heute kümmert er sich politisch um soziale Sicherung, Armutsfragen und Arbeitsmarktpolitik. © Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.
Roman Schlag ist seit 2017 Sprecher von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), das ist die Dachorganisation der Schuldnerverbände in Deutschland.
Herr Schlag, kommen viele junge Leute zu Ihnen in die Beratungsstellen?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Wohl aber, dass Schuldnerkarrieren oft dann anfangen, wenn das erste eigene Geld da ist. Das Erwachsenwerden ist finanziell oft ein neuralgischer Punkt; da kann es gefährlich werden und das sehen wir auch in den Beratungsstellen. Vielen jungen Menschen fehlt es einfach an Finanzbildung. Wir wissen zudem, dass die jungen Menschen, die ihr erstes Einkommen haben und die erste eigene Wohnung beziehen, sehr „begehrt“ sind auf dem Markt für Banken. Dazu kommt der ganze Wahnsinn um das Thema „Buy now, pay later“. Jüngere Menschen sind da oft noch nicht so gefestigt.
Mit „Buy now, pay later“ können Produkte gekauft und mit Rechnungskauf, Rahmenkredit oder Ratenkauf finanziert werden. Warum ist das für junge Menschen besonders gefährlich?
Das aggressive Angebotsverhalten der Anbieter ist nicht zu unterschätzen. Bei Online-Käufen steht oft im Vordergrund, in Raten zu zahlen, anstatt attraktiv deutlich zu machen, dass die Summe auch auf einen Schlag beglichen werden kann. Das heißt, den jungen Menschen wird vermittelt, dass Ratenzahlung das erste Mittel sei. Hinzu kommt, dass mit dem „Buy now, pay later“-Irrsinn nicht mehr nur noch teure Elektronikartikel gekauft werden, sondern mittlerweile auch Alltägliches.
Auf dem Social-Media-Kanal Tiktok gibt es Wettbewerbe, wer wie viele Klarna-Schulden hat. Ist Ihnen das bekannt?
Ja, manche Jugendliche prahlen anfangs mit ihren Schulden und stellen sich dar als: „Schau mal, ich bin so kreditwürdig“. Wenn es dann aber kippt, darf das natürlich nicht sein. Dann kommt die Schamkeule und die ganzen alten Glaubenssätze wie „Geld hat man, darüber spricht man nicht“. Dann stecken auch die jungen Leute den Kopf in den Sand und versuchen sich wegzuducken. Das Schamgefühl ist genau so vorhanden, wie es auch früher war. Wir haben in Deutschland ja auch sprachlich das Problem zwischen „Schulden“ und „Schuld“. Viele denken, die sind selbst schuld und können nicht mit Geld umgehen, aber das sehe ich kritisch.
Was sind es für Summen, mit denen die jungen Menschen in der Regel kommen?
Da reden wir meist von einigen Tausend Euro, weil die Liquidität noch nicht da war. Es sind weniger die Riesensummen, die über einen langen Zeitraum angehäuft wurden. Heute ist es die hohe Gläubigerzahl, die das Problem ist. Die jungen Menschen verlieren den Überblick. Selbst für die Berater und Beraterinnen vor Ort ist das oft schwerste Arbeit durchzublicken, wem was geschuldet wird.
Dass es existenziell gefährlich werden kann, geht schneller, als man denkt. Wann sollten Jugendliche sich Hilfe holen?
Wenn der Strom oder die Miete nicht mehr von meinem Konto abgeht, weil ich bereits durch das ganze Kleinvieh in den Duldungsbereich gerutscht bin, dann habe ich ein wirkliches Problem und sollte mir dringend Hilfe holen. Aber natürlich im besten Fall viel früher. Das Thema „Wohnen“ ist leider ein großes Thema in der Schuldnerberatung. Die hohen Mietkosten werden zu einem Riesenproblem für ganz viele Menschen und da sind auch uns der Beratung oft die Hände gebunden.
Was ist Ihr Rat an die jungen Menschen?
Verlockungen standhalten! Das ist wohl die größte Herausforderung für viele. Widerstehen, wo Dinge verkauft werden. Und: Haushaltsplan machen! Sortieren, was sind die festen Einnahmen und Ausgaben. Ich weiß, das ist unsexy, aber das ist das A und O.
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