
Dieser freundlich blickende Herr soll 137 Millionen Euro veruntreut haben: Wölbern-Invest-Eigentümer Heinrich Maria Schulte
Das einst renommierte Emissionshaus Wölbern Invest ist insolvent. Es gehörte mit fast 100 geschlossenen Fonds und rund zwei Milliarden Euro eingesammeltem Anlegergeld zu den großen Anbietern im Markt. Die einzelnen Fonds sind zwar selbstständig und damit nicht direkt betroffen. Viele Fonds dürften aber trotzdem in Mitleidenschaft gezogen werden. Finanztest erläutert, warum, und sagt, was betroffene Anleger jetzt tun sollten.
Vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet
Am 29. Oktober hat das Amtsgericht Hamburg das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emissionshauses Wölbern Invest eröffnet und den Hamburger Rechtsanwalt Tjark Thies zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt (Aktenzeichen 67 c IN 421/13). Auch für die Tochtergesellschaft Wölbern Fondsmanagement GmbH, die für die Geschäftsführung der Fonds zuständig war, wurde Insolvenzantrag gestellt. Der Fondsinitiator Wölbern Invest ist bereits seit 2007 vom Bankhaus Wölbern abgetrennt. Dieses ist nicht von der Insolvenz betroffen. Der Gang zum Insolvenzgericht kommt nicht überraschend, nachdem der Chef des Hauses, Professor Heinrich Maria Schulte, wegen Untreueverdachts in 318 Fällen in Untersuchungshaft kam. Er soll 137 Millionen Euro unrechtmäßig aus geschlossenen Immobilienfonds entnommen haben, davon allein 37 Millionen Euro für sich privat. Schulte selbst hatte jegliche Untreuevorwürfe immer bestritten.
Das Ende eines großen Emissionshauses
Die Insolvenz besiegelt das Ende eines großen Emissionshaus in der Beteiligungsbranche, das sich in den vergangenen Jahren von einem großen und angesehenen Anbieter zu einer Skandalfirma entwickelt hatte. Der Niedergang erschüttert das Vertrauen in die Beteiligungsbranche daher mehr als der Skandal um den Fondsanbieter S&K, dessen Führungsriege protzig auftrat. Seit 1993 hat Wölbern Invest nach eigenen Angaben 97 geschlossene Fonds mit 3,8 Milliarden Euro Fondsvolumen aufgelegt. Davon stammten etwa zwei Milliarden Euro von Anlegern. Berühmt war das Haus vor allem für geschlossene Immobilienfonds, die in Holland investierten. Es bot aber auch Beteiligungsmodelle an für Investments in Immobilien oder Flugzeuge – unter anderem in Deutschland, Frankreich, Österreich und Polen.
Geschlossene Fonds:Vorsicht vor Fondsräubern
Schulte besetzte viele Schlüsselstellen neu
Das Emissionshaus Wölbern Invest gehörte ursprünglich zum Bankhaus Wölbern, wurde aber 2007 vom neuen Eigentümer, dem Hamburger Mediziner und Investor Heinrich Maria Schulte, abgetrennt. Er tauschte in den folgenden Jahren an vielen Schlüsselstellen das Personal aus, auch bei den geschlossenen Fonds. Dies blieb zunächst in der Öffentlichkeit unbemerkt. „Dass im Herbst 2011 der letzte Geschäftsführer aus früheren Zeiten abgelöst wurde, haben wir überhaupt nicht erfahren“, erinnert sich Christoph Schmidt, Anleger und Fondsbeirat beim IFÖ Vierte Immobilienfonds für Österreich. Kurz nach Weihnachten 2011 stellte Wölbern Pläne zur Abstimmung, das Geld von 24 Fonds bei einer separaten Gesellschaft zu bündeln. Schmidt und weitere Gesellschafter, darunter der ehemalige Wölbern-Bankchef Ove Franz, befürchteten damals aber, dass Mittel für Zwecke ausgegeben werden könnten, die nicht im Sinne der Anleger sind. Bei 23 Fonds befürworteten zwar mehr als die Hälfte der Gesellschafter die vorgeschlagene Maßnahme, doch Gesellschafter diverser Fonds zogen vor Gericht. Sie argumentierten, einfache Mehrheiten reichten für einen solch drastischen Schritt nicht. Zudem sei die Informationslage zu dünn gewesen. Die Gerichte gaben ihnen weitgehend Recht.
Razzia führt zur Verhaftung des Firmenchefs
In einer weiteren Abstimmungsrunde wollte Wölbern erreichen, dass die Anleger vieler Fonds einem Verkauf von Fondsimmobilien in einem Riesenpaket zustimmten. Es ging um 18 Immobilien mit rund 950 Millionen Euro Investitionsvolumen. Erneut entbrannte heftiger Streit um die vorgeschlagene Maßnahme. Ein Paukenschlag schließlich war eine groß angelegte Razzia bei Wölbern mit der Verhaftung des Firmenchefs im September 2013.
Folgen der Insolvenz könnten auch Fonds betreffen
Die Insolvenz eines Emissionshauses hat theoretisch eigentlich keine Folgen für die geschlossenen Fonds, weil diese rechtlich selbstständig sind. Gerade im Fall Wölbern steht jedoch zu befürchten, dass viele der mittlerweile nur noch etwa 40 laufenden Fonds in Mitleidenschaft gezogen werden – nicht nur diejenigen, die der Teilnahme am Geldpool zugestimmt hatten. Einige Fonds stecken ohnehin schon in wirtschaftlichen Problemen. Für sie wird es nun noch schwieriger, ihre Finanzierung zu sichern: Banken vergeben ungern Kredite an Kreditnehmer mit ungeklärten Rechtsverhältnissen – oder wenn, nur zu schlechteren Konditionen. Böse Überraschungen dürften aber auch Gesellschafter von Fonds erleben, deren Geschäfte eigentlich gut liefen. Denn es besteht die Gefahr, dass Geld abgezogen wurde, dessen Verbleib nun geklärt werden muss.
Möglicherweise werden Ausschüttungen zurückgefordert
Anleger müssten damit rechnen, dass Ausschüttungen zurückgefordert würden und weitere nicht mehr geleistet würden, befürchtet der Rechtsanwalt Cord Veting von der Kanzlei Kälberer und Tittel in Berlin. Einen Vorteil haben die Fondsbesitzer immerhin im Vergleich zu anderen Skandalfällen: In ihren Reihen haben sie einige Gesellschafter, die sich seit Monaten intensiv mit den Wölbern-Fonds beschäftigt haben. Sie sind im Vergleich zu anderen Fällen ungewöhnlich engagiert und gut organisiert. Bei zwei Fonds haben sie einen Austausch der Fondsgeschäftsführung durchgesetzt. Der wichtige Informationsaustausch zwischen Gesellschaftern dürfte damit leichter gelingen als in anderen Fällen.
Was Anleger jetzt tun sollten
Wer Fondsanteile von Wölbern hat, sollte die aktuellen Entwicklungen genau verfolgen. Als Ansprechpartner stehen oft Fondsbeiräte zur Verfügung. Diese werden von den Anlegern gewählt und vertreten in der Regel deren Interessen. Gibt es keinen Fondsbeirat oder vertritt dieser offensichtlich nicht die Anlegerinteressen, sollten sich Anleger an Beiräte anderer Fonds wenden und nach geeigneten Ansprechpartnern fragen. Zum Rechtsanwalt sollten Anleger gehen, wenn sie befürchten, bei der Anlageentscheidung falsch beraten worden zu sein.
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