Aufmerk­samkeits­störung Was Erwachsenen mit ADHS hilft

Aufmerk­samkeits­störung - Was Erwachsenen mit ADHS hilft

Chaos im Kopf. Menschen mit ADHS können sich oft nur schwer auf eine Sache konzentrieren. © Getty Images

Die Aufmerk­samkeits­störung betrifft auch Erwachsene. Nun hat eine Studie den Nutzen von Therapien verglichen. Was sind die Ergeb­nisse, was sagen Psychiater dazu?

Wild hüpfende Gedanken, verpasste Termine, innere Unruhe – so etwas haben die meisten Menschen schon erlebt. Bei manchen kommt es aber so häufig vor, dass der Alltag, der Job und die Beziehungen darunter leiden. Dann kann eine Aufmerk­samkeits­defizit- oder Hyper­aktivitäts­störung (ADHS) dahinterstecken. Lange galt sie als Kinder­krankheit, die sich mit der Pubertät allmählich auswächst. Doch inzwischen ist klar: Teils bleibt ADHS bis ins Erwachsenen­alter bestehen.

Das Thema hat Konjunktur. Promis wie Britney Spears oder Eckart von Hirsch­hausen machten ihre Diagnose öffent­lich. Auch in sozialen Medien häufen sich Berichte über das Leben mit ADHS. Ist es nur eine Modeer­scheinung? Wie äußern sich typische Symptome? Und was können Betroffene tun? Wir informieren im Über­blick.

ADHS-Therapien erst­mals im Vergleich untersucht

Behand­lungs­bedürftig ist ADHS, wenn die Störung ärzt­lich oder psycho­therapeutisch diagnostiziert wurde und ein Leidens­druck vorliegt. Wenn der oder die Betroffene durch die Störung also zum Beispiel im Berufs- oder Sozialleben stark beein­trächtigt ist.

Welche Therapien dann bei Erwachsenen nützen, haben Forschende aus mehreren Ländern um Edoardo Ostinelli von der Uni Oxford erst­mals vergleichend untersucht. In die Analyse, die im Fachjournal The Lancet Psychiatry erschienen ist, flossen Daten aus 113 kontrollierten klinischen Studien mit rund 15 000 Teilnehmenden ein.

Medikamente liegen in der Behand­lung vorn

Fazit der Auswertung: Medikamente bringen am meisten, darunter Wirk­stoffe, die in Deutsch­land zur Behand­lung von ADHS bei Erwachsenen zugelassen sind:

  • Methylphenidat,
  • Lisdex­amfetamin,
  • Atomoxetin (hier­zulande vor allem verordnet, wenn andere Mittel nicht infrage kommen oder nicht helfen).

Die Arzneien lindern die Kern­symptome von ADHS laut der Studie inner­halb von zwölf Wochen – und zwar aus Sicht der Behandelten sowie der Behandelnden. Andere Maßnahmen wie Psycho­therapie wirken zwar auch, allerdings nur laut Einschät­zung der Therapeutinnen und Therapeuten, nicht der Betroffenen. Zum lang­fristigen Einsatz der verschiedenen Methoden liegen laut der Analyse kaum Daten vor – das bleibt ein Manko.

Drei Kern­symptome von ADHS

Unaufmerk­samkeit. Es fällt Betroffenen schwer, sich über längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, also etwa zuzu­hören, Aufgaben zu Ende zu bringen oder an Termine zu denken.

Hyper­aktivität. Sie zeigt sich bei Erwachsen oft nicht körperlich, sondern eher als innere Unruhe. Teils gibt es äußere Anzeichen wie häufiges Wippen mit den Füßen oder Trommeln mit den Fingern.

Impulsivität. Betroffene handeln oft vorschnell, unüber­legt oder riskant, reden viel, fallen anderen ins Wort und können Emotionen schlecht steuern, bekommen etwa leicht Wutanfälle.

„Das Ergebnis über­rascht mich nicht“

„Die Studie hat ein hohes metho­disches Niveau und das Ergebnis über­rascht mich nicht“, kommentiert Professor Andreas Reif. Er leitet die psychiatrische Klinik am Uniklinikum Frank­furt, gehört zum Vorstand der Deutschen Gesell­schaft für Psychiatrie und Psycho­therapie, Psycho­somatik und Nervenheil­kunde (DGPPN) und war selbst nicht an der Unter­suchung beteiligt.

Das gute Abschneiden der Arzneien deckt sich laut Reif mit der praktischen medizi­nischen Erfahrung. „Die Kern­symptome der ADHS – also Unaufmerk­samkeit, Hyper­aktivität und Impulsivität – sind einer medikamentösen Behand­lung sehr zugäng­lich. Andere Maßnahmen erreichen hingegen oft weniger.“

Psycho­therapie bleibt für Betroffene wichtig

Dennoch könnten auch psychotherapeutische Hilfen sinn­voll sein. „ADHS kommt selten allein, sondern bringt oft weitere Probleme mit sich – von Konflikten wie Mobbing bis hin zu zusätzlichen psychischen Leiden wie Depressionen oder Sucht­erkrankungen.“ Die ließen sich mit psycho­therapeutischen Methoden häufig gut behandeln. Zudem vermitteln die Therapien oft nützliches Wissen über ADHS und praktische Techniken, um damit im Alltag umzu­gehen.

Die passende Behand­lung wählen

Welche Hilfen individuell infrage kommen, hängt von der Ausprägung der Beschwerden ab. Bei den Medikamenten sind auch mögliche Neben­wirkungen wie Schlafstörungen, Appetit­verlust und eine Erhöhung des Blutdrucks zu bedenken.

„Ärztinnen und Ärzte berück­sichtigen das und über­wachen Behandelte durch regel­mäßige Kontroll­termine“, sagt Reif. Dann seien die Arznei­mittel meist gut verträglich, auch lang­fristig. Dennoch empfehle es sich, sie in regel­mäßigen Abständen versuchs­weise abzu­setzen, um zu prüfen, ob sie noch nötig seien – natürlich in ärzt­licher Abstimmung.

Experte rät von Selbst­diagnosen ab

Laut Studien leiden etwa 2 bis 3 Prozent der Erwachsenen an ADHS. Dass das Thema derzeit so präsent ist, hängt für Reif mit einer Ents­tigmatisierung zusammen. „Betroffene gehen offen mit ihrer ADHS um, gerade in den sozialen Medien – und dann fragen sich andere Menschen, ob sie das auch haben.“

Von einer Selbst­diagnose anhand von Tests im Internet rät der Experte ab. „Sie sind teil­weise hanebüchen. Die korrekte Diagnose erfordert eine fach­ärzt­liche oder psycho­therapeutische Abklärung, also Gespräche plus wissenschaftlich evaluierte Fragebögen.“ Zudem warnt Reif davor, ADHS zu verharmlosen oder gar zu verklären: „Das wird dem Leid vieler Betroffener nicht gerecht.“

Anlauf­stellen bei Verdacht auf ADHS

Wenn Sie sich sorgen, an behand­lungs­bedürftiger ADHS zu leiden, wenden Sie sich an einen Profi – etwa eine Fach­ärztin für Psychiatrie oder eine ADHS-Sprech­stunde, die es in manchen Kliniken gibt. Oder Sie nutzen die Sprech­stunde, die Psycho­therapeutinnen und -therapeuten mit Kassen­zulassung anbieten. Dafür lassen sich ohne Über­weisung über den Online-Terminservice oder die Rufnummer 116 117 der Kassen­ärzt­lichen Bundes­ver­einigung (KBV) Termine buchen.

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