Cannabis Dauer­konsum erhöht Psychose-Gefahr

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Cannabis - Dauer­konsum erhöht Psychose-Gefahr

Party Plus. Kiffen gehört neben Alkohol für viele Jugend­lich zum Feiern dazu. © Imago Images

Kiffen ist ein Risiko­faktor für Psycho­sen – vor allem für junge Leute bis Mitte 20. Das ­bestärken neue Analysen. Experten raten, alle Alters­gruppen besser aufzuklären.

Regel­mäßiger Konsum steigert Gefahr

Die Bundes­regierung hat kürzlich die Eckpunkte für eine künftige Legalisierung von Cannabis-Produkten fest­gelegt. Das hat auch in Wissen­schafts­kreisen die Diskussion um Vor- und Nachteile einer Freigabe angefacht.

So gibt es schon lange Hinweise darauf, dass der Konsum von Haschisch oder Marihuana Auslöser etwa für Schizophrenie oder Wahn­vorstel­lungen sein kann. Wer bereits als Teen­ager regel­mäßig viele Joints raucht, hat ein gesteigertes Risiko, später psychisch zu erkranken. Das legt eine zunehmende Zahl von Studien nahe. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) warnte daher jüngst vor der Legalisierung des Cannabis­konsums.

Einfluss auf Hirn­entwick­lung junger Leute

Die Jugend­mediziner weisen auf die CaPRis-Studie (Cannabis – Potenzial und Risiko) hin: Forschende der Universitäten in München und Heidel­berg haben dafür im Auftrag des Bundes­gesund­heits­ministeriums mehr als 2 000 Unter­suchungen ausgewertet. Eine Beob­achtung: Intensiver Cannabis­konsum über einen längeren Zeitraum kann besonders für junge Leute psychische Risiken bergen. Ihr Gehirn ist meist erst ab Mitte 20 voll­ständig entwickelt, bestätigen etliche Studien. Bis dahin können Haschisch und Marihuana etwa die Synapsen­bildung noch stark beein­flussen.

Psycho­sen - Krankheit mit vielen Facetten

Halluzinationen, wahnhafte Gedanken, starke Ängste, kognitive Einbußen, Antriebs­armut: Das können Symptome einer schweren psychischen Störung sein. In vielen Fällen geht die Psychose vorüber, sie kann aber auch chro­nisch werden. Diagnostiziert ein Fach­arzt oder eine Fach­ärztin eine Psychose, raten sie in vielen Fällen zu einer Psycho­therapie, die auch das Umfeld einbeziehen. Wenn das nicht hilft, werden auch Anti­psychotika einge­setzt. Die Wissenschaft beschreibt folgende Formen:

  • Manisch. Manische Psycho­sen zeigen sich meist bei manisch-depressiven Kranken: Ihre Stimmung ist gehoben, sie leiden etwa unter Selbst­über­schät­zung und Rededrang, haben ein vermindertes Schlafbedürfnis und eine generell gesteigerte Aktivität.
  • Organisch bedingt. Unter anderem ein Gehirntumor, eine Infektion, eine fort­schreitende Demenzerkrankung und eine Hirn­verletzung durch einen Unfall können ebenfalls Ursache für eine Psychose sein.
  • Paranoid oder schizophren. Wer unter dieser Form der Psychose leidet, bei dem verändert sich etwa das Denken, die Wahr­nehmung der eigenen Person und der Umwelt grund­legend. Die eigene Vorstellungs­welt wird zur Realität, Betroffene hören häufig Stimmen.
  • Substanzinduziert. Neben Cannabis können auch andere Drogen eine Psychose auslösen, zum Beispiel ein hoher Alkohol-, Amphet­amin- oder Kokain­konsum.

Auch für kiffende Erwachsene ein Problem

Eine große in Europa und Brasilien durch­geführte Studie belegt eine Gefahr für alle Alters­gruppen: Probanden, die täglich Cannabis konsumierten, erkrankten dreimal so oft an Psycho­sen wie solche, die niemals einen Joint rauchen. Bei der in der Fach­zeit­schrift The Lancet Psychiatry veröffent­lichten Studie wurden Daten von rund 900 Patienten aus verschiedenen Orten in Europa und Brasilien, die erst­malig an einer Psychose erkrankten, mit einer Kontroll­gruppe von über 1 200 Menschen aus denselben Orten verglichen.

Cannabis als Medizin

Seit 2017 erlaubt das Betäubungs­mittel­gesetz Ärzten und Ärztinnen, in schwerwiegenden Fällen medizinisches Cannabis zu verordnen. Die Arzneien können verschiedene Inhalts­stoffe der Hanf­pflanze enthalten, darunter das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC). Infrage kommen medizi­nische Cannabis-Produkte zum Beispiel bei Schmerzen oder Krämpfen durch multiple Sklerose, bestimmte Epilepsie-Formen, Übel­keit und Erbrechen durch Chemo­therapien, Appetit­mangel aufgrund schwerer Krankheiten.

Der Inhalts­stoff Cannabidiol (CBD) scheint die Psyche kaum zu beein­flussen, macht also nicht high. Daher braucht es für Produkte mit CBD allein kein Betäubungs­mittel­rezept. Der Vertrieb von CBD-Produkten ist bisher nicht reguliert.

THC-Gehalt in Cannabis-Produkten gestiegen

Bei regel­mäßigem Konsum von Cannabis, das einen hohen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) aufweist, traten in der Studie Psycho­sen sogar fast fünf­mal häufiger auf. Bedenk­lich: In Deutsch­land ist der Gehalt von Haschisch und Marihuana in den vergangenen Jahren gestiegen, geht aus Zahlen der Deutschen Beob­achtungs­stelle für Drogen und Drogensucht hervor.

Neuere Studien sagen aber auch aus, dass nicht alle, die als Teen­ager kiffen, später psychiatrische Hilfe benötigen. Cannabis ist nie alleiniger Auslöser – weitere, etwa erblich bedingte Faktoren müssten dazu­kommen.

Tipp: Wie Freunde und Angehörige die Anzeichen einer Psychose und anderer psychischer Störungen erkennen und die Betroffenen unterstützen können lesen Sie in unserem Special Umgang mit psychisch Kranken.

Keine Cannabis-Freigabe für Minderjäh­rige

Ein Wissen­schafts­team der Universität Hamburg hat nun im Auftrag des Bundes­gesund­heits­ministeriums untersucht, wie sich eine Legalisierung in anderen Ländern ausgewirkt hat. Eine signifikant steigende Zahl von Psycho­sen in Verbindung mit Cannabis­konsum konnte das Team nicht beob­achten, schließt aber eine Zunahme auf Dauer nicht aus. Das Hamburger Team rät – so wie es auch die Regierung plant – zu einer Freigabe ab 18 Jahren, andere Experten befür­worten sie erst ab 21. Einig sind sich alle Fachleute, dass generell mehr Aufklärung nötig ist – für alle Alters­gruppen.

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  • Pingpong69 am 14.06.2019 um 15:44 Uhr
    @captainrik

    "Wer kiffende Kinder hat, sollte für den Notfall eine starke Beruhigungstablette in der Hausapotheke haben."
    Meine Gedanken: Wer "kiffende Kinder" hat, sollte eine Drogenberatungsstelle aufsuchen und sich informieren! Das mit der "Beruhigungstablette" sehe ich sehr skeptisch und nicht nur bei Kindern, sondern generell. Als erstes sollte man es mal mit "Herunterreden" versuchen". Frische Luft ist oft kein Fehler. Oder Beine hochlegen bei Kreislaufbeschwerden. Ich habe mir sagen lassen, eine warme Dusche kann auch schon helfen. Und wenn es außer Kontrolle gerät: Sofort Notarzt rufen. Medikamente sollte, wenn, dann *nur* ein Arzt geben! Aber die erste Regel ist: Denjenigen Beruhigen und "da sein" In eine Decke packen, Händchen halten, etc ... Und: Cannabis ist nicht tödlich.
    Auch im Netz wird man fündig. Hier: https://www.vice.com/de/article/avq9bb/du-hast-eine-thc-ueberdosis-und-jetzt-421 oder hier https://www.softsecrets.com/de/nachrichten/blog/stoffkunde-cannabis-uberdosierung/

  • Pingpong69 am 14.06.2019 um 15:27 Uhr
    Zu Lancet

    Hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob nicht vielleicht psychisch angeschlagene Menschen eine überdurchschnittliche Affinität zu Cannabis haben, weil es ihnen hilft, und deshalb zur Selbstmedikation benutzt wird.
    "Die Studie fand aber auch heraus, dass die an Psychosen Erkrankten täglich deutlich mehr Cannabis konsumierten als die gesunden Probanden. Außerdem bevorzugten die Psychotiker Cannabis mit einem deutlich höheren THC-Anteil. Und genau das ist die Krux an der Studie: Sie kann "keinen klaren Beweis für Cannabis als Ursache von Psychosen" herstellen, wie der Tagesspiegel schreibt. Oder einfacher ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Menschen, die bereits an Psychosen leiden, eher Drogen wie Cannabis einnehmen als psychisch gesunde Menschen."
    Quelle: https://mitvergnuegen.com/2019/cannabis-psychose-wirkung/
    Es gibt auch medizinische THC-Arme Sorten. Aber dazu braucht man ein Rezept. Auf dem Schwarzmarkt, dank Verbot, weiß man nie was man bekommt.

  • Pingpong69 am 14.06.2019 um 15:05 Uhr
    Gegenstudie

    "Die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum und dem Entstehen einer Psychose gibt, kann noch nicht endgültig sicher beantwortet werden. Denn hier ist sich die Forschung uneinig. Forscher in Spanien konnten jetzt beispielsweise keinen Zusammenhang feststellen."
    Quelle: https://www.leafly.de/spanien-neue-studie-zu-cannabis-und-psychose/
    Und: Wenn man mit Tabak konsumiert, sollte man als erstes mal den Tabak weglassen und vaporisieren. Das hat, zumindest bei mir, dafür gesorgt, das ungewollte Nebenwirkungen wie Kreislaufprobleme, Atemwegsprobleme oder auch "wirres Kopfkino" nicht mehr auftraten. Oder erst nach einem deutlichen "zu oft - zu viel".
    Aber: Ein derartiges Risiko ist jedoch kein vernünftiger Grund, Menschen zu bestrafen, die Cannabis konsumieren, ohne dadurch zu Schaden kommen. msomehr gilt das für psychisch Kranke, die Therapie und nicht Strafe brauchen.

  • captainrik am 13.06.2019 um 17:28 Uhr
    Lange bekannt

    Das das Risiko einer Psychose bei etwa 1,5 bis 2% liegt, und mit kiffen bei etwa 6% war eigentlich bekannt. Es wurde dann noch mal bestätigt. Psychose hält sich deshalb so hartnäckig im Erbgut, weil es kein Nachteil ist, sondern ein zu viel an guten Genen (vereinfacht ausgedrückt). Kiffen löst chemisch den Zustand von Schizophrenie im Hirn aus. Ob sich das zu einer Psychose auswächst, hängt meiner Erfahrung nach stark vom Konsumverhalten ab. Wer psychisch kippelt und dann noch mal so richtig nachlegt an Alkohol und Hanf oder auch Amphetaminen, der gerät dann eben mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf einen Horrortrip. Ängste, Paranoia, Wahrnehmungsstörungen (in geringem Maße normal beim kiffen) entwickeln eine Eigendynamik und eskalieren dann eben über zusätzliche Schlaflosigkeit zu einer echten Psychose, die nicht mehr mit ausschlafen wieder weg geht. Wer kiffende Kinder hat, sollte für den Notfall eine starke Beruhigungstablette in der Hausapotheke haben.