Es klingelt, pfeift, saust: Wer plötzlich auftretende Ohrtöne hat, sollte dem zeitnah nachgehen. Manchmal werden sie chronisch. Wie Tinnitus entsteht und was helfen kann.
Geklingel im Ohr
Der Begriff Tinnitus bedeutet im Lateinischen „Geklingel“. Jeder vierte Deutsche hatte schon mal ein solches Klingeln oder Fiepen im Ohr. Bei den meisten verschwinden die Geräusche nach kurzer Zeit wieder. Wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten, spricht die Medizin von chronischem Tinnitus. Manche Betroffene gewöhnen sich daran. Andere hingegen leiden massiv.
Am häufigsten tritt Tinnitus bei Menschen ab 50 Jahren auf. Oft lässt er sich im frühen Stadium gut behandeln. Bei chronischem Tinnitus sollten Betroffene mit Ärzten und Ärztinnen gemeinsam Strategien entwickeln, um mit den Ohrgeräuschen leben zu lernen.
Lärm, Stress oder Krankheiten als Auslöser
Ein lautes Konzert, dröhnende Maschinen, ein Schuss oder Krach bei einem Autounfall – häufig löst Lärm einen Tinnitus aus. Aber auch Stress kann ihn hervorrufen oder eine Krankheit des Mittel- oder Innenohrs. Beim Tinnitus werden die feinen Sinneshärchen im Ohr geschädigt (siehe Abbildung unten). Die Folge: Im Gehör kommen nicht mehr alle Töne von außen an. Das Gehirn versucht, den akustischen Mangel mit eigenen Geräuschen auszugleichen: Ein Tinnitus ist da.
Laut Deutscher Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde ist ein Tinnitus in mehr als 90 Prozent der Fälle von Hörverlusten begleitet. Sie seien mal mehr, mal weniger ausgeprägt – einige Betroffene nähmen das gar nicht wahr. In vielen Fällen regenerieren sich die Hörsinneszellen schnell wieder und der lästige Ton verschwindet. Wenn das Ohrengeräusch allerdings länger als zwei Tage anhält, sollten Betroffene zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen und sich auf einen Tinnitus untersuchen lassen.
Frühe, detaillierte Diagnose wichtig
Die Hals-Nasen-Ohren-Ärztinnen und -ärzte diagnostizieren die Beschwerden genau – zum Beispiel, ob beide Ohren betroffen sind, wie die Töne klingen, wann und wie oft sie vorkommen, ob Schmerzen oder Druckgefühle wahrnehmbar sind. Außerdem stehen normalerweise noch Untersuchungen des Gehörgangs sowie Hörtests an.
Wenn die Ursache für den Tinnitus geklärt werden kann, steigen die Chancen, ihn wieder los zu werden. Zum Beispiel kann eine Erkrankung behandelt werden, die dem Tinnitus zugrunde liegen könnte – wie Bluthochdruck oder die Menière-Krankheit. Schwieriger ist es, einen Tinnitus mit unklarer Ursache zu behandeln. Er kann länger anhalten und chronisch werden.
Akuter Tinnitus
Ein akuter Tinnitus mit Ohrgeräuschen geht meist mit einem plötzlichen Hörverlust einher, einem sogenannten Hörsturz. Bei einem Hörsturz treten plötzlich einseitige Hörprobleme, erklärt der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Typischerweise verspürten Betroffene ein dumpfes Gefühl im Ohr, wie Watte. Bei gut der Hälfte der Patientinnen und Patienten normalisiere sich das Gehör nach ein paar Stunden oder spätestens nach zwei Tagen von allein wieder.
Bei der Entstehung eines Hörsturzes könnte Stress eine große Rolle spielen, aber auch andere Faktoren wie Durchblutungsstörungen und Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule. Häufig – vor allem bei Verdacht auf Entzündung – erhalten die Betroffenen dann Kortison.
Tipp: Um Ängste und Stress abzubauen, helfen Yoga, Meditation oder Progressive Muskelrelaxation. Danach können Betroffene sich leichter auf positive Umgebungsreize konzentrieren. Vor allem bei Schlafstörungen sind solche Übungen sehr wirksam. Im Test von Meditations-Apps finden Sie gute Angebote. Auch nützlich: das Buch der Stiftung Warentest Gelassen leben mit wirksamen Achtsamkeitsübungen.
Intensive Arztgespräche zentral bei chronischem Tinnitus
Bei der Therapie von chronischem Tinnitus gilt der Austausch von Ärztinnen und Ärzten mit den Betroffenen als besonders wichtig: Das beschreibt die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in der aktualisierten Leitlinie Chronischer Tinnitus. Die Behandlung solle auf einem Aufklärungs- und Beratungskonzept aufbauen. Dieses sogenannte Counselling könne laut wissenschaftlicher Studien wesentlich zu einer guten Therapie beitragen.
Zu wissen, was im Kopf vorgeht, wie der Tinnitus entsteht – das kann helfen, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Betroffene sollten gemeinsam mit Arzt oder Ärztin Strategien entwickeln, um mit den Tönen leben zu lernen – teilweise verschwinden diese erst nach Monaten, Jahren oder nie. Eine Allheil-Methode gibt es nicht.
Tipp: Die Deutsche Tinnitus-Liga (DTL) bietet im Internet umfangreiche Informationen zu Tinnitus, den Begleiterkrankungen und dem Hörsystem an. Auf der Homepage können Sie auch nach Selbsthilfegruppen in Ihrer Region suchen. Mehr Informationen finden Sie auf www.tinnitus-liga.de.
Eventuell ist eine Hörhilfe notwendig
Die Fachleute besprechen mit ihren Patientinnen und Patienten auf der einen Seite mögliche Therapien für körperliche Leiden, die dem chronischem Tinnitus zugrunde liegen können wie Vorerkrankungen, Schäden am Trommelfell, Verluste im Hörvermögen.
Teilweise ist eine Hörhilfe sinnvoll, um Hörverluste auszugleichen – Hilfe zur Auswahl und Anpassung von Hörhilfen wie Hörgeräten finden Sie in unserem Special Hörgeräte-Akustiker.
Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen
Ebenso gilt es abzuklären, ob Schlaf- oder Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Ängste oder Depressionen vorliegen. Vielen Betroffenen kann zum Beispiel eine kognitive Verhaltenstherapie – entweder einzeln oder in der Gruppe – nachweislich helfen. Sie ist eine der verbreitetsten Formen der Psychotherapien und zielt darauf, falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und zu verändern. In Bezug auf Tinnitus könnten die Patientinnen und Patienten lernen, sich an das Geräusch zu gewöhnen und es weniger oder nicht mehr wahrzunehmen.
Auch eine spezielle Tinnitus-Retrainings-Therapie zielt darauf, die Verbindung zwischen den negativen Gefühlen und dem Ton zu lösen und auf positive Klänge zu lenken. Teilweise sei die Einnahme von bestimmten Psychopharmaka sinnvoll.
Tipp: Ärzte sollten Patientinnen und Patienten bei der Therapeutensuche unterstützen. Die Stiftung Warentest hat 2019 Online-Psychotherapie-Programme geprüft, die Depressionen vorbeugend oder akut behandeln lassen sollen. Etliche erwiesen sich als erfolgversprechend.
Was wissenschaftlich nicht belegt ist
Die Wirksamkeit einiger Behandlungsmethoden für chronischen Tinnitus ist der aktuellen Leitlinie zufolge wissenschaftlich nicht genug belegt. Dazu gehören unter anderem:
Medikamente, die den Tinnitus gezielt verringern oder beenden sollen – wie zum Beispiel Betahistin, Steroide, Ginkgo
bestimmte Vitamine oder Zink
Geräte zur Tinnitus-Therapie
so genannte Geräusch- und Soundtherapien, die versuchen, über Klänge und Töne, den Tinnitus zu beeinflussen.
- Seit Ausbruch der Pandemie sind psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen deutlich gestiegen. Psychotherapie hilft ihnen ebenso gut wie Antidepressiva.
- Bestimmte Medikamente sind vor allem bei Hitze von Nachteil: Sie schränken das Schwitzen ein oder schwemmen viel Wasser aus – mit riskanten Folgen. Wir klären auf.
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AOrton am 10.11.2022 um 15:11 Uhr
Tinnitus Therapie
Hallo zusammen, ich bin momentan dabei zu Recherchieren, welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Die Tinnitus-Retraining-Therapie hört sich auf jeden Fall vielversprechend an. Ich werde mich mal darüber weiter informieren. Außerdem habe ich auch noch etwas ganz anders gefunden: https://www.lenire.com/de/zwei-tinnitus-betroffene-berichten-blog/ Vielleicht kann ich damit auch noch jemand anderem helfen. Viele Grüße
Leide seit 2015 auch phasenweise darunter. Ich weiß mittlerweile, dass die Ursache wohl im Halswirbel/-muskelbereich angesiedelt sein muss. Medizinisch machen kann man da konkret nichts. Es gibt Außengeräusche, die dieses "Brummen" im Ohr wohl antriggern. Damals 2015, sowie heute war in direkter Nachbarschaft eine Baustelle mit vielen Geräuschen von Baumaschinen.
Tinnitus ist keine Krankheit. Es ist ein Symptom. Und er ist nicht heilbar. Komisch... Wie stellt man die Ursache des Symptoms fest? Ich finde den Artikel nicht umfassend genug. Und wie stellt man die beschädigten Haarzellen beim Patienten fest. Das hat bei mir noch nie jemand gemacht. ????
Ihr Arteikel ist hilfreich und informativ. Widersprechen muss ich der Aussage, dass ein schneller Arztbesuch vor einem dauerhaften Schaden schützt. Anders als bei einem Hörsturz, den ich vor einigen Jahren durch schnelle ärztliche Hilfe ohne Nachwirkungen überstanden habe, ist mein Ohrgeräusch seit nunmehr 16 Monaten vorhanden. Beim ersten Auftreten war ich sofort beim Facharzt und habe sogar noch eine zweite Untersuchung machen lassen. Leider haben alle Therapieversuche keinen Erfolg gebracht. Das Geräusch (ca.8000 Hz) ist permanent vorhanden, manchmal allerdings so schwach, dass ich es kaum wahrnehme. Das Schlimmste daran ist, dass ich mich nicht mehr entspannt hinsetzen kann, um Stille zu genießen. Es ist mir aber auch nicht möglich, klare ursächliche Zusammenhänge herzustellen, wann bzw. warum es manchmal stäker und manchmal schwächer ist.
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Hallo zusammen,
ich bin momentan dabei zu Recherchieren, welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Die Tinnitus-Retraining-Therapie hört sich auf jeden Fall vielversprechend an. Ich werde mich mal darüber weiter informieren. Außerdem habe ich auch noch etwas ganz anders gefunden: https://www.lenire.com/de/zwei-tinnitus-betroffene-berichten-blog/
Vielleicht kann ich damit auch noch jemand anderem helfen.
Viele Grüße
Leide seit 2015 auch phasenweise darunter. Ich weiß mittlerweile, dass die Ursache wohl im Halswirbel/-muskelbereich angesiedelt sein muss. Medizinisch machen kann man da konkret nichts.
Es gibt Außengeräusche, die dieses "Brummen" im Ohr wohl antriggern. Damals 2015, sowie heute war in direkter Nachbarschaft eine Baustelle mit vielen Geräuschen von Baumaschinen.
Tinnitus ist keine Krankheit. Es ist ein Symptom. Und er ist nicht heilbar. Komisch... Wie stellt man die Ursache des Symptoms fest? Ich finde den Artikel nicht umfassend genug.
Und wie stellt man die beschädigten Haarzellen beim Patienten fest. Das hat bei mir noch nie jemand gemacht. ????
Ihr Arteikel ist hilfreich und informativ. Widersprechen muss ich der Aussage, dass ein schneller Arztbesuch vor einem dauerhaften Schaden schützt. Anders als bei einem Hörsturz, den ich vor einigen Jahren durch schnelle ärztliche Hilfe ohne Nachwirkungen überstanden habe, ist mein Ohrgeräusch seit nunmehr 16 Monaten vorhanden. Beim ersten Auftreten war ich sofort beim Facharzt und habe sogar noch eine zweite Untersuchung machen lassen. Leider haben alle Therapieversuche keinen Erfolg gebracht. Das Geräusch (ca.8000 Hz) ist permanent vorhanden, manchmal allerdings so schwach, dass ich es kaum wahrnehme. Das Schlimmste daran ist, dass ich mich nicht mehr entspannt hinsetzen kann, um Stille zu genießen. Es ist mir aber auch nicht möglich, klare ursächliche Zusammenhänge herzustellen, wann bzw. warum es manchmal stäker und manchmal schwächer ist.